Das Jahr 1927 - Lückendorfer Bergrennen

3. Lückendorf Bergrennen am 05.06.1927,
Gräfin von Einsiedel siegt auf Steyr in der Klasse bis 5000 ccm
Die 6. Sachsenfahrt hatte 1927 wieder Zittau als Zielort im Programm und somit war
das Bergrennen wieder ein begehrtes „Anhängsel“, es wurde am 1. Pfingstfeiertag
ausgetragen. Das Rennen ist von der O.N.S. für alle deutschen Automobile und Motorräder, sowie für alle Motorfahrzeuge aus der Tschechoslowakei im Umkreis von 50
Kilometern freigegeben. Der Streckenbelag erfuhr wieder eine Überarbeitung, die
Haarnadelkurve bekam zur besseren Sicherheit eine Überhöhung. Um die Zuschauer
auf der Tribüne aktuell informieren zu können wurde an der Kurve eine Tafel installiert, um die gefahrenen Zeiten der Teilnehmer anzuschreiben. Der Eintrittspreis lag
für die Strecke bei 50 Pfennig und für die Tribüne bei 3 Mark. 100 Beamte der Landespolizei und der Gendarmerie hatten die Absperrung im Griff.
Schon im Training fiel unter den „großen Kanonen“ Heußer auf seinem 5-Liter-Steyr
auf, bereits das Hohnstein- sowie das Prag-Jilowischt-Rennen hatte er zuvor überlegen gewonnen.
Am Sonntagmorgen begann der Massenbesuch an der Strecke, an besonders aussichtsreichen Plätzen stauten sich die Massen zu förmlichen Mauern, klebten an den
Hängen, postierten sich hinter den längs der Straßen verlaufenden Schutzgeländern
oder lagen plauderst im Gras. Gegen 9 Uhr gab es eine längere Stockung, ein Verkehrsomnibus hatte, von oben kommend in der Haarnadelkurve eine Limousine gerammt. Am Start herrschte ein lebensgefährliches Durcheinander, bewundernte Bli-
cke galten den Rennwagen, den wuchtigen Motorradtypen und den geschäftstüchtigen Anliegern, welche die Situation erfassend, schnell ihre Gärten und Wiesen in
Räderstandplätze verwandelten. An der Haarnadelkurve war natürlich jedes freie
Plätzchen, bis weit hinauf an den Berghängen mit Schaulustigen belegt, eine Zahl zu
benennen wäre vergeben, sicher sind es Zehntausende gewesen.
Kurz nach dem Passieren des Oberleitungswagens ging der erste Motorradfahrer
über die Strecke, zuerst dominierten die kleinen DKW’s mit Müller und Stegmann,
dann ging Zwahr in schneidiger Fahrt, mit seiner Puchmaschine, den Berg hinan.
Fabian, ein ansonsten guter Fahrer kam zu schnell in die Haarnadelkurve, wurde
weit hinausgetragen und geriet beim plötzlichen Einbiegen nach der Straßenmitte ins
Schleudern und stürzte mit seiner Maschine. Glänzende Zeiten holten die Fahrer der
500 ccm Maschinen heraus, Gustav König (Ruppersdorf bei Reichenberg ) fuhr auf
seiner Sunbeam die schnellste Zeit aller Motorradfahrer und erzielte einen Durchschnitt von 88,66 km/h. Karl Ertelt, welcher am Vortag bei der Sachsenfahrt schwer
gestürzt war konnte deswegen nicht mit seiner Wanderermaschine starten und hatte
mit einer geliehenen Ernst - MAG wesentliche Probleme. Alfred Urban siegte in seiner Hausklasse bis 750 ccm bei den Senioren. Als vorjähriger Verteidiger des Wanderpreises der 500 - 1000 ccm Maschinen und gleichzeitig auch Gewinner des 1.
Motorradpreis der 750 ccm Klasse, sowie des Ehrenpreis vom ADAC, beendete mit
diesem Rennen seine langjährige Rennkarriere, welche im Jahre 1913 begonnen
hat. Die Seitenwagenklassen wurden, ob ihrer artistischen Einlagen, vom begeisterten Publikum mit viel Beifall bedacht.
Der Zittauer BMW Händler und Fahrer im gleichen Jahr am Start beim Hohnsteinrennen
Mit Spannung wurde dann der Start der Wagen erwartet, den 5 der kleinen, flinken
Hanomags eröffneten, Frau Helene Kluge hätte dabei fast die beste Zeit heraus gefahren, in der nationalen Klasse reichte es auf jeden Fall zum Sieg. Gräfin von Einsiedel (München) auf Steyr und Graf Kalnein (Berlin) der einen schnittigen Bugatti
steuerte sind als Klassefahrer alte Bekannte. Beide fuhren die 4-Kilometer-Strecke
weit unter 3 Minuten. Heußer (Kleinschmalkalden) erzielte auf dem starken SteyrRennwagen mit 2:41,1 min. die beste Zeit des Tages überhaupt.
Helene Kluge aus Dittelsdorf siegte im kleinen Hanomag. . .
. . . und der Ehemann Willy als Konkurrent
Die Organisation der Rennen muss als vorbildlich angesehen werden, trotzdem gab
es einen beachtlichen Misston während und nach dem Rennen, der durch die langen
Pausen entstand, den die Durchfahrt der Verkehrsautos verursachte. Einsetzender
Regen und kalter Wind über den Berghöhen trieb den Zuschauern die Kälte durch
ihre sommerliche Kleidung und führte zu Missstimmungen, selbst nach Rennende
wurden die Zuschauer erst nach ½ Stunde darüber informiert. Als dann schließlich
der Krankenwagen seinen Standort verließ, gab es für die 20 000 kein Halten mehr
und die Strecke wurde von Menschen überschwemmt. Trotz des schlechten Kronenstandes waren unter den Besuchern auch viele aus der benachbarten Tschechoslowakei angereist.
Am Abend fanden sich die Teilnehmer des Rennens und die Veranstalter gemeinsam
mit den Vertretern der Behörden und den Offiziellen im Saale des „Lindenhofs“ in
Zittau zur Preisverteilung zusammen. Herr Oberbürgermeister Zwingenberger brachte den Dank der Stadt Zittau zum Ausdruck dafür, dass man wieder Zittau zum Ziel
der Sachsenfahrt auserkoren hatte. Sein Hoch galt unter anderen dem Wunsche,
dass weiterhin zwischen der Sportorganisation und den Behörden ein gutes Einvernehmen bestehen möge, darauf weihte er sein Glas.
Walter Oestreicher auf dem kleinen DKW Rennwagen
Erwin Dornig bei der Einfahrt in die Haarnadelkurve
Der Oberlausitzer Motorradclub zu einer Ausfahrt an der „Hoppfsteinschänke“, überwiegend
mit Maschinen der Marke Wanderer. Links außen Gerhard Semmt, 4. v . l. Karl Ertelt