Das Jahr 1968 - Lückendorfer Bergrennen

Der „Prager Frühling“ strahlt bis in das Zittauer Gebirge,
8. Lückendorfer Bergrennen am 04.08.1968
Wie auch immer in den zurückliegenden Jahren die Wehen des „Kalten Krieges“ zu
spüren waren, ist es in diesem Jahr ganz besonders krass, die Auswirkungen des
„Prager Frühlings“, der Revolution in der benachbarten CSSR sind auch in der Oberlausitzregion deutlich zu empfinden. Entlang der Grenze zwischen der DDR und der
CSSR sind die Truppen des Warschauer Paktes, insbesondere die der Sowjetarmee
stationiert um bei Notwendigkeit sofort eingreifen zu können. So wimmelt es auch in
den Wäldern im nahen Grenzraum von Militäreinheiten. Die Reisebestimmungen in
die CSSR sind verschärft worden, bestimmte Gebiete der Grenzregion wurden zum
Sperrgebiet erklärt, die Wälder dürfen zum Teil nicht von Zivilisten betreten werden.
Und das nun auch noch ausgerechnet vor dem Lückendorfer Bergrennen, verläuft
doch die Strecke im grenznahen Raum und wer einmal nicht beizeiten das Gas zumacht könnte schon im „Böhmischen“ landen. So richtig ist das Vertrauen dazu nicht
da, ob es tatsächlich zur Durchführung des Rennens kommt. Aber Albert Gärtner und
seine Mannen lassen sich nicht so schnell in das Bockshorn jagen, auch ihre Drähte
zu den behördlichen Organen waren immer recht gut im Funktionieren und mit einigen Beauflagungen betreff der Sicherheit kann auch diese Hürde genommen werden. Selbst die Teilnehmer aus Holland dürfen mit einer Ausnahmegenehmigung an
den Start gehen.
Die beiden Niederländer, Han Leenheer auf der 250er Aermacchi und Jaap Moojen auf der 125er Maico
Han Leenheer hat seinen jungen Kollegen Jaap Moojen mit nach Lückendorf gebracht, sie möchten mit ihren Maico, Suzuki und Kawasaki Maschinen im Kampf um
die Plätze ein Wörtchen mitreden, aber die Fahrer aus dem (Ost) deutschen Lager
sind auch nicht gerade die Langsamsten und werden sich die Siege nicht so leicht
nehmen lassen. Im Training gab es ein paar glimpflich verlaufene Stürze, das Wetter
spielte auch mit und die Zuschauer konnten sich bereits am Sonnabend auf guten
Sport einstimmen. Besonders die Formel III mit den Spitzenfahrern, welche um die
Meisterschaft fuhren versprachen das Salz in der Suppe. Zumal das Rennen außer-
dem, erstmalig als Stichlauf um die deutsche Meisterschaft nominiert war, das bedeutet, bei evtl. Punktgleichheit von Fahrern am Ende der Meisterschaft, wird die
bessere Platzierung vom Lückendorfer Bergrennen das Zünglein an der Waage sein.
Aufgrund der zahlenmäßig sehr starken Beteiligung in der Klasse bis 250 ccm Ausweis (30) entschied sich die Rennleitung wieder einmal für einen Sonderlauf dieser
Fahrer. Diese eröffneten auch mit ihrem einzigen Durchgang den Renntag. Günter
Heine aus Riesa siegte vor Gerhard Burkschat aus Berlin und Günter Liebmann aus
K.-M.-Stadt, Heine hätte mit seiner gefahrenen Zeit aber auch gut und gerne im
Hauptlauf auf den 3. Rang fahren können.
Es folgten im nächsten Rennen die 125 ccm Ausweisfahrer, schnellster Fahrer war
im 1. Lauf der Auer Hans Joachim Sewerin mit 2:17,4 min. vor Siegfried Schreiber
(Crossen) in 2:19 und dem Cottbuser Gerhard Schäfer in 2:21. Schreiber fuhr im 2.
Lauf die schnellste Zeit der Klasse mit 2:15,4 min., aber Sewerin’s Polster aus dem
1. Lauf reichte ihm mit der Zeit aus dem 2. Lauf von 2:16,6 min. für den Sieg vor
Schreiber und Schäfer.
Die Kollegen der Lizenz folgten als nächste und das Publikum wollte gerne erfahren
wie schnell die Maicos der holländischen Gäste gegenüber der MZ RE Armada bestehen werden. Sie hatten keine Chance und landeten abgeschlagen am Ende der
Tabelle, umso stärker kämpften die RE Fahrer um den Sieg. Eberhard Mahler vom
MC Dresden hatte in dem Jahr schon mehrfach Achtungszeichen gesetzt und wiederholte das auch hier, unangefochten fuhr er die beste Zeit des ersten Durchgangs
in 2:02,8 min., ihm folgte Ingo Köppe mit 2:05, Peter Weiß von Wismut Aue mit
2:06,6 und Bernd Döhnert mit 2:08, zum Vergleich die Maicos mit 2:30 und 2:32. Die
Entscheidung brachte der 2. Lauf, indem Mahler sich noch einmal um eine volle Sekunde steigern konnte. Weiß verbesserte sich mit 2:04,2 und sicherte sich damit den
2. Platz hinter Mahler, Ingo Köppe vermochte sich nicht zu verbessern und belegte
den ehrenvollen dritten Rang vor Bernd Döhnert und Roland Rentzsch. Mahlers
Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei beachtlichen 117, 5 km/h.
Klaus Pellert startet vor Eberhard Mahler Sprecher / Lutz Weidlich im Interview mit Heinz Rosner
Peter Weiß vom MC Aue hatte sich gut in der Lizenzklasse etabliert
Frank Wendler als aufgehender Stern in der Klasse bis 250cm³ siegte bei den Ausweisfahrern
Die Klasse bis 50 ccm hatte sich nicht nur zahlenmäßig enorm gesteigert, auch das
Können ihrer Piloten und die dargebotene Technik, welche wie auch in den anderen
Klassen wesentlich auf tollen Eigenbauten basierte, hatte erhebliche Fortschritte gemacht, aber noch immer verwehrten die Sportgesetze eine Lizenzklasse für die kleinen Renner. In Abwesenheit des Riesaers Weser demonstrierte der Sieger des Vorjahres, Karl Henschel aus Frohburg, eine deutliche Überlegenheit mit seiner Sachs
50 S, beide Durchgänge war er der Schnellste des Feldes, in Addition beider Läufe
blieb er mit 5:44,0 min. deutlich und als einziger Fahrer unter 6 Minuten, Bernd Göpfert kam auf den 2. Platz mit 6:16 vor Volker Schönfuß aus Freiberg und Wilfried
Richter aus Neugersdorf.
Im folgenden Hauptlauf der 250 ccm Ausweisfahrer deutete sich ein „kommender
Stern“ im Rennfahrerlager an, Frank Wendler vom MC Oelsnitz fuhr auf seiner Einzylinder Eigenbau MZ ein bravouröses Rennen, zweimal Bestzeit konnten an seinem
Sieg keinerlei Zweifel aufkommen lassen, in Klassemanier meisterte er die nicht
leichten Kurven des Bergkurses, lediglich 2,2 sec. lag er unter der Zeit des Siegers
seiner Lizenzkollegen, bei denen hätte seine Zeit für Platz 2 sicher genügt. Ein
Durchschnitt von 115 km/h wurde für den schnellen Oelsnitzer errechnet. Josef
Skodnik aus Dresden belegte den 2. Platz vor Hartmut Gläss von Pneumant Riesa
und Klaus Klötzer aus Rothenkirchen.
Jürgen Megel siegte in der 250er Lizenzklasse vor Manfred Fuchs und Bernd Tüngethal
Das letzte Motorradrennen dieses Tages war den Fahrern der Lizenzklasse A bis
250 ccm vorbehalten. Schon im Training zeichnete sich ab, dass die beiden Holländer mit ihren Kawasaki, bzw. Suzuki gegen die MZ Eigenbauten keine Siegeschancen haben werden. Ebenfalls war zu erwarten, dass das Rennen unter Megel, Tüngethal, Höpfner und Fuchs entschieden werden könnte, sie legten bereits gute Zeiten
vor. Der Gothaer Bernhard Tüngethal zeichnete sich bereits bei seinen ersten Rennen seit Lizenzbesitz als ein Talent aus und bewegte die Assmann - Eigenbaumaschine recht verwegen. Manfred Fuchs fuhr als erster Fahrer des 1. Laufs 2:05,8 min.
nahe an die 2 - Minuten Grenze, Megel folgte sogar mit 2:03, Höpfner schaffte 2:09,6
und Tüngethal brachte sich mit seiner Zeit von 2:06,4 in eine ansprechbare Ausgangsposition. Erst dann folgten die Holländer auf ihren japanischen Production Racern beide zeitgleich mit 2:16 und abgeschlagen. Manfred Fuchs schaffte mit 2:08
keine Steigerung im 2. Lauf, Jürgen Megel war zwar mit 2:03,8 geringfügig langsamer als vorher, aber immer noch sehr schnell und siegessicher, mit 116 km/h Durchschnitt war er wieder einmal der schnellste Motorradfahrer des Tages. Platz 2 dieser
Klasse ging an Fuchs und Bernd Tüngethal sicherte sich Platz 3 vor Höpfner und den
beiden Holländern. Der sympathische junge Niederländer Jaap Moojen verunglückte
wenig später bei einem Rennen der 50 ccm Klasse tödlich.
Peter Frank Findeisen am Start und auf der Rückfahrt von der Siegerehrung
Endlich kamen die Anhänger des Automobilrennsports auf ihre Kosten, am Start hatten die flinken Geschosse der Formel III Aufstellung bezogen, die Wertungsläufe
standen bevor, die Wertung erfolgte getrennt nach den beiden Leistungsklassen. Am
Sieg des Dresdners Heinz Melkus gab es keine großen Zweifel, obwohl schon im
Training außer Heinz Melkus, Findeisen und Käppler starke Zeiten fuhren.
Der Sieger Heinz Melkus auf dem Weg zum Sieg und auf dem Rückweg
In der Leistungsklasse II gab es neue, aufstrebende Talente, Ulrich Melkus, Sohn
von Heinz Melkus, auch Berger, Röber und Küther dürfen nicht unterschätzt werden.
Heinz Melkus fuhr in allen drei Renndurchgängen die Bestzeiten des Tages überhaupt. Peter Findeisen und Jürgen Käppler zeigten mit Zeiten unter der 2 Minuten
Marke auch tolle Leistungen und belegten in der genannten Reihenfolge die Positionen hinter Heinz Melkus. Manfred Berger aus Wolfen - Bitterfeld auf SEG Wartburg
siegte in der LK II vor Ulrich Melkus und Ralf Röber aus Bautzen auf Melkus Wartburg. Ein schöner Renntag ging zu Ende und keiner ahnte die nahenden politischen
Wolken.
Albert Gärtner ehrt die Sieger, Heinz Melkus und Peter Frank Findeisen
Wenige Wochen später marschierten die Truppen der „Roten Armee“ in die CSSR
ein. Die im Zittauer Raum in Bereitschaft liegenden Verbände der Sowjetarmee, unter ihnen auch starke Panzereinheiten, wählten ihre Einsatzroute über die Rennstrecke den Berg hinan. Welche Folgen das auf den Straßenbelag hatte, kann sich jeder
gut genug vorstellen. Nicht wenige tiefe Löcher zierten danach die Strecke, der Winter und der Frost konnten so noch besonders einwirken und die Strecke bedurfte einer grundhaften Instandsetzung. Die Mittel dafür waren nicht vorhanden und somit
musste das für Anfang August 1969 angesetzte Bergrennen abgesagt werden.
Aufgrund ständigen Vorsprechens von Rennleiter Albert Gärtner bei den zuständigen
staatlichen Organen kam es zu einer Ausbesserung der Lückendorfer Bergstrecke.
Diese erfolgte, von der Qualität der Ausführung, zumindest zumutbar für die Durchführung eines Bergrennens mit dem obligatorischen Einzelstart.