Louis Chiron glänzte beim 9. Lückendorf Bergrennen am 14.05.1933 leider nur im Training Die Strecke beim 9. Lückendorf Bergrennen ist die gleiche wie im vorigen Jahr, die Durchführung obliegt dem ADAC Gau XXI mit Unterstützung des Hauptclubs München - Berlin. Eine Neuerung wurde vom Hohnstein Bergrennen übernommen, alle Teilnehmer kommen gemeinsam, korsoartig den Berg wieder herab gefahren, eine sehr zuschauerfreundliche Geste. Die Teilnahme wird nur Fahrern mit internationaler Lizenz ermöglicht, damit wird die Veranstaltung qualitativ angehoben, die Forderungen einzelner Fahrer betreff des Startgelds wurden aber übersteigert und es kam dadurch zu Ablehnungen durch die Rennleitung, trotzdem dürfte die 100er Grenze erreicht werden. Die Sensation wird sicher die bereits vorliegende Meldung des internationalen Spitzenfahrers Louis Chiron sein. Stuck musste leider ablehnen, da sein Wagen, die neueste Kreation des Dr. F. Porsche noch nicht fertig war, ebenso muss v. Brauchitsch auf einen Start verzichten, da in einer Woche das Avus Rennen stattfindet und die Umrüstung des Wagens zu lange dauern würde. Caracciolas Zusage war da, leider machte aber der schwere Unfall in Monaco einen Strich durch die Rechnung, „Caracc“, der in Bologna, mit schweren Beinverletzungen im Krankenhaus liegt, gel- ten die besten Genesungswünsche aller Lückendorfstarter. Der Alfa - Romeo Fahrer Chiron spendet einen Teil seiner Einnahmen vom Rennen an seinen Stallkollegen Caracciola. Auch Toni Babl kann nicht da sein, bei einem schweren Unfall im Leitmeritz Rennen, wobei sein Beifahrer das Leben lassen musste, zog er sich schwere Verletzungen zu. Die härteste Tragik aber ist der tödliche Unfall des tapferen Georg Gschwillm, welcher im vergangenem Winter beim Eibseerennen verunglückte, nachdem er einen Rekord aufstellte und das Ziel bereits durchfahren hatte, kam es zu dem schweren Sturz mit Todesfolge. Rekordhalter Lewy hat den Helm an den berühmten Nagel gehängt und seinen Bugatti fährt jetzt der Ungar Hartmann. Der eidgenössische Staatsmeister Stuber steht auch bereits in der Nennliste. Stehend im Leder Gerhard Semmt, daneben sitzend mit Mütze Rennleiter Karl Ertelt Die Zeichen des Nationalsozialismus lagen über dem Land und allein in der zeitgenössischen Berichterstattung hatte sich der Ton geändert, Auszug aus Z.M.Z. „Zum 9. Male wird in 8 Tagen die landschaftlich überaus reizvolle Lückendorfer Passstraße der Schauplatz erbitterter Kämpfe durchweg international anerkannter Helden des Volants und des Kraftrades sein. Wieder werden die Motoren ihr metallenes Lied in den deutschen Grenzwald hinein donnern, und erneut werden Zehntausende von Besuchern begeistert sein über diese alljährliche Sinfonie unerhörter Kraftentfaltung und gigantischen Kämpfertums. Der Mensch von heute liebt nun einmal die Sensation, den Nervenkitzel, sie entsprechen am besten seinem ewigen Hasten, Jagen. Und doch ist es noch etwas anderes, etwas Besonderes, das ihn hier wirklich fesselt und ohne Ablenkung voll und ganz gefangen nimmt : Das Hämmern der Motoren inmitten der neuen gebirgichen Maienpracht, die sonst ein stilles Verweilen und Ergehen gewährleistet und nun durchtobt wird von den stählernen zeit- und raumgreifenden Zeugen eines technischen Zeitalters, sind das Gegensätzliche, das ihn anzieht wie das Licht die Motte. Hier begegnen wir Menschen von unerhörter Willenskraft, Na- men von bestem Klang, verwegene Schnelligkeitsfanatiker, die in vielen internationalen Rennen ihren Schneid und ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt haben. .“ Vorteile bringt sie auch mit sich, die neue Ordnung, neben den bereits bekannten polizeilichen Absperrmaßnahmen wird es einen erheblichen Zuwachs durch Mitglieder der SA geben, an Schwerpunkten stehen zusätzlich 4 Überfallkommandos mit jeweils 10 Leuten, zusammen kommen von der Gendarmerie und der „Standarte 102“, 390 Absperrmannschaften, außerdem werden für die Kassierung zusätzlich 350 SA - Leute eingesetzt. Die Nennliste wurde mit der Zahl 108 beendet, gegenüber im Vorjahr 97, die Meldungen verteilen sich wie folgt: 68 Motorräder, 15 Seitenwagenmaschinen, 14 Sportund 11 Rennwagen. Bei den Motorradfahrern sind, außer Rüttchen - Erkelenz, alle deutschen Spitzenfahrer vertreten, für die Wagenfahrer wurden bereits einige Namen genannt. Das Freitagtraining war, was das Wetter anbetrifft, buchstäblich ein Schlag ins Wasser, trotzdem beschäftigten sich einige Fahrer mit dem Kennenlernen der glitschigen Strecke. Viel war noch nicht zu erwarten, aber die Meister Chiron und Stuber zu beobachten war schon eine Augenweide und versprach viel Dampf für das Rennen. Der verregnete Beginn des Haupttraininstages änderte sich schließlich durch einsehen der „himmlischen Schleusenwärter“ und die Strecke konnte abtrocknen, es konnte also Gas gegeben werden und die Könner machten Gebrauch davon. Jellen jagte den schlanken, roten Alfa beachtlich den Berg hinauf. Alle folgten und es ging richtig zur Sache. Erfreulich gab es nur geringfügige „Ausrutscher, so beim Riesengebirgler Glombek und einem abermaligen Kreisel von Wimmer. An Zeiten war noch zu wenig bekannt und die mehr oder weniger ungenauen Handstoppungen gaben nicht die Realität wieder, viele Asse legten auch nicht ihre Karten offen auf den Tisch. Erstaunlich war die Eleganz des blaubemützten Monegassen Chiron, man musste es schon gesehen haben, wie er beim Nehmen der Haarnadelkurve den Oberkörper um keinen Zentimeter bewegte und dann andererseits mit zusammengebissenen Zähnen die Geraden hinauf trieb. Louis Chiron Viel war sicher auch von „Burg“ (Burggaller) zu erwarten, der in einem Affenzahn den neuen Bugatti bewegte. Bei den Motorradfahrern imponierte Bauhofer, Prelle und Giggenbach, Winkler schien in Höchstform auf der brüllenden DKW zu sein. Bergeuropa - Seitenwagenmeister Möritz, nach seinem jüngsten Erfolg in Barcelona, machte einen überaus motivierten Eindruck. Das Rennen wird es beweisen und noch vieles kann sich ändern. Herrenabend im Sommerhaus von Karl Ertelt in Lückendorf, v. l. Hans Simons, Rudolf Steinweg, Ertels Tochter am Arm von Chiron, halb verdeckt Paul Pietsch, darunter Bobby Kohlrausch, mit Brille Freiherr von Michel-Raulino, Walter Oestreicher, Hans Stuber und Charly Jellen Regenwolken hingen über dem Gebirge und den 25 000 Zuschauern, noch war es trocken. Walfried Winkler eröffnete als erster Fahrer das Rennen in der kleinsten Motorradklasse bis 175 ccm, mit 3:18 min. absolvierte er die 5 Kilometer, um in der nächst höheren 250er die Zeit auf 3:01,4 zu drücken. Pech hatte der Europameister von 1927, Sepp Giggenbach, dessen Rudge in der Haarnadelkurve den Geist quittierte, Anton Bauhofer, ebenfalls auf DKW, belegte hinter Winkler Platz 2 und 3. im Bunde wurde Hans Kahrmann aus Fulda auf Herkules. Die Klasse 350 ccm gewann Karl Bodmer aus Ebingen auf Viktoria, er war auch der erste Fahrer des Tages welcher unter 3 Minuten fuhr, Anton Fleischmann aus Nürnberg auf Norton erkämpfte vor dem Dresdner Kurt Franke auf Rudge den 2. Platz. In der Klasse bis 500 ccm wurde ein harter Zweikampf zwischen Bauhofer und Otto Ley erwartet und so kam es denn auch, Bauhofer jagte die DKW in 2:45,6 min. über die Strecke und Ley, trotz aller Tricks und kühnster Fahrweise auf seiner Norton benötigte er 4/10 Sekunden mehr als der Sieger. Für die stärkste Motorradklasse waren die Erinnerungen an Bullus noch wach und man drückte dem Nürnberger Anton Fleischmann, als NSU Fahrer besonders die Daumen, es half, in 2:46 min. benötigte er zwar 6 Sekunden mehr als Bullus, aber zum Sieg reichte es vor Otto Ley, welcher wieder der englischen Marke Norton zum 2. Platz verhalf, Adolf Brudes vervollständigte mit Platz 3 das gute Ergebnis für Norton. Der Dresdner Willy Krenkel siegte auf Rudge in der Seitenwagenklasse bis 600 ccm vor dem Münchner Hans Schneider auf Norton. Was würde wohl Möritz zuwege bringen, stand er doch unter der sehr enormen Belastung, erst am Samstag die Strecke Barcelona - Lückendorf beendet zu haben, zwei Tage war er auf Achse und nun dieses Rennen, er zeigte wer der Meister ist, mit einem klaren Sieg führte er seine Viktoria durch das Ziel, vor Konrad Dürr aus Ludwigsdorf auf Standard. Der Rekord von Bullus konnte nicht gedrückt werden, damit war Toni Bauhofer der schnellste Motorradfahrer des Tages und die Wagenfahrer waren an der Reihe zu beweisen, ob sie in der Lage sind den Rekord zu brechen. Der schweizer Meister Stuber beim Training am Ziel (oben) und bei der Fahrzeugkontrolle, aber dann am Sonntag leider im Graben Die Spannung auf den Endsieg zwischen den beiden Meistern, Stuber und Chiron war auf dem Höhepunkt. Aber bedauerlicherweise kam es nicht zu dem erwarteten Duell, da beide Fahrer vorzeitig aus dem Rennen schieden. Stuber erlitt einen Unfall, der recht leicht sehr böse Folgen hätte haben können, aber dank gewisser Glücksumstände und der Geistesgegenwart des schweizer Bergmeisters noch glimpflich ablief. Der Berner raste ausgangs der Kurve an der König - Johann - Quelle an einen Baum, blieb aber wie durch ein Wunder unverletzt, da er im letzten Augenblick angesichts der Gefahr aus dem Wagen sprang. Der Unfall wurde durch das Lösen einer Führungsrolle der Seilzugbremse ausgelöst, dadurch verwickelte sich das Bremsseil und ein Bremsen war nicht mehr möglich. Zum Glück war der Baum, an welchen der Bugatti prallte, mit Sägespänen gefüllten Säcken gepolstert, wodurch die Heftigkeit des Aufpralls gemindert wurde. Die zweite Enttäuschung für die Zuschauer war die, dass Chiron, wie bekannt gegeben wurde, wegen Auslaufens dreier Pleuellager auf den Start verzichten musste. Der Monegasse Louis Chiron hatte bereits während des Trainings einen irreparablen Motorschaden Ein ausgesprochenes Pech wollte es also, dass die Zuschauer gerade um das kamen, was es nach Ansicht der Fachleute bestimmt gegeben hätte: Um einen um Zehntelsekunden gehenden Kampf der beiden Ausländer. Ein kleines Trostpflaster auf die schmerzliche Wunde war, dass in Pietsch, dem dritten Favoriten des Rennens, wenigstens ein deutscher Fahrer den Siegeslorbeer an sich riss. Paul Pietsch aus Neustadt auf Alfa Romeo, er war der spätere Chef vom Motor Presse Verlag in Stuttgart Der Neustädter, der im Vorjahr durch einen schweren „Rumpler“ in der Haarnadelkurver. um alle Aussichten gekommen war, feierte endlich einen verdienten Erfolg, der, wie abends bei der Preisverteilung zum Ausdruck kam, auch Anerkennung fand. Pietsch brachte seinen Alfa Romeo in einer allerdings um 5 Sekunden schlechteren Zeit als Lewy anno 1932 über die 5 Kilometer, erzielte jedoch mit 2:43,6 min.= 110,024 km/h die beste Zeit des Tages. Er wurde damit auch Sieger für die Rennwagenkategorie. Dicht auf den Fersen waren ihm die in dem Anderthalbliter - bzw. 2000er Klasse gen-starteten Burggaller und Steinweg, die ebenfalls ein famoses Rennen fuhren, aber trotzdem einige Sekunden hinter dem Schwarzwälder zurückblieben. In der kleinsten Klasse drückte im Alleingang Kohlrausch mit seinem Austin trotz Zündungsproblemen den Macherschen Rekord um eine volle Sekunde. Bobby Kohlrauch aus Eienach mit seinem Austin am Start in Eichgraben Auch noch unter der Drei - Minuten - Grenze blieb der in der großen Klasse gestartete Münchner Wimmer. Bei den Sportwagen erwies sich erwartungsgemäß der München - Grazer Jellen als der Schnellste, doch er erreichte mit 2:47,2 min. nicht seine Vorjahreszeit. Charly Jellen in seinem 3 Liter Alfa Auch in dieser Kategorie blieb der alte Lückendorfrekord von Stuck unangetastet. Kotte und Simons belegten die Plätze, Bretschneider auf dem alten Jellenschen Bugatti vom Vorjahr schied vorzeitig aus. Bei den „Kleinen“ gab es eine Überraschung, da Freiherr von Münchhausen mit seinem MG - Midget dem Austin von Walter Bäumer um 3,3 sec. das Nachsehen gab. In der größten Klasse war der Mercedes von Lehmann nicht am Start. Der Tscheche Proskowetz hatte mit Grenzschwierigkeiten zu kämpfen und musste dem Rennen fernbleiben. Rennpause am Forsthaus Lückendorf, v. l. Walfried Winkler, Toni Bauhofer und Anton Fleischmann Das 9. Lückendorf Bergrennen war Geschichte und fand am Abend in den Kronensälen einen würdigen Abschluss. 1100 Helfer hatten zum guten Gelingen beigetragen, leider gab es im Vorfeld eine erhebliche Anzahl von Ausfällen, so dass bei weitem nicht die geplante Anzahl von 108 Teilnehmern am Start erschienen. Dieser Umstand führte zu erheblichen Misshelligkeiten beim Publikum, und es wurden Gerüchte verbreitet, dass dies vom Veranstalter gewollt und gefördert worden wäre. Dem war auf keinen Fall so, selbst wenn man bedenkt, dass Chiron durch sein Pech volle 2000 RM Startgeld einbüßte und dass an die Fahrer vom Veranstalter eine Summe von allein 10 000 RM nur für Spesenzuschüsse bereitgestellt wurden. In einer extra Presseveröffentlichung nahmen die Verantwortlichen gesondert Stellung zu diesem Problem und verwahrten sich gegen ungerechtfertigte Anschuldigungen, ein bitterer Wehrmutstropfen auf so ein Rennereignis. Dokumente waren schon immer wichtig
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