2015-04-26 - Joh. 15,5 Jubilate - Evangelische Kirche Rentweinsdorf

Predigt am Sonntag Jubilate, 26.04.2015, in Heubach und Rentweinsdorf
Thema: Rebe am Weinstock – eine faszinierende Angelegenheit
Text:
Joh. 15,1-8
1 Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. 2 Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt,
wird er wegnehmen; und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe. 3 Ihr seid schon
rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. 4 Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht
bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. 5 Ich
bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt
ihr nichts tun. 6 Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und
wirft sie ins Feuer und sie müssen brennen. 7 Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. 8 Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und
werdet meine Jünger.
Liebe Gemeinde!
Unser Text ist das letzte der sieben „Ich bin Worte“ im Johannesevangelium. In diesen „Ich bin Worten“ stellt sich Jesus in großer Einfachheit und Schlichtheit vor. So sagt er z..B. von sich:
Ich bin das Brot des Lebens
das Licht der Welt
die Tür zu den Schafen
der gute Hirte
die Auferstehung und das Leben
der Weg und die Wahrheit und das Leben
In all diesen Vergleichen lüftet Jesus ein wenig das Geheimnis, das seine Person umgibt, und er macht
dabei deutlich, wer er wirklich ist. Auffällig ist dabei, dass in all diesen Sätzen von elementaren
menschlichen Bedürfnissen die Rede ist.
Mit dem „Brot“ ist nicht nur unsere tägliche Versorgung angesprochen, sondern es geht dabei zugleich
auch um unseren Hunger nach Leben, nach Lebenserfüllung, nach ein wenig wirklichem Glück – was ja
zumindest als Wunsch in jedem Menschen steckt.
Mit „Licht“ ist nicht nur die Ausleuchtung unserer Räume gemeint, sondern die Ausleuchtung unseres
Lebens – denn auch in unserem Leben kann es bisweilen sehr sehr finster sein. Jesus hat die Vollmacht,
sein Licht da mitten hinein zu geben.
Und so könnten wir jetzt fortfahren – in all diesen „Ich bin Worten“ macht Jesus eines klar: Alles, was
die Menschen letztlich suchen – sie finden es bei mir!
Zugegeben - ein hoher Anspruch ist das. Aber so steht’s da. Keine zugespitzten Sätze sind das, mit denen
Jesus ein wenig gemeindliche Diskussionsforen anleiern wollte. Also kein: „Lasst uns doch mal ein wenig über Lebensgrundsätze oder Lebensnotwendigkeiten diskutieren.“ Jesus sagt vielmehr: „Leute, so ist
es!“
Klar, dass damit Schwierigkeiten vorprogrammiert sind. Viele Menschen mögen das nicht, wenn einer
Behauptungen aufstellt. In unserer Zeit muss alles erst mal durchdiskutiert (in Klammern: und damit
meistens auch zerredet) werden.
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Jesus aber wollte keinen Diskussionsstoff liefern, sondern Tatsachen benennen. Natürlich kann man das
tun. Natürlich kann jemand steile Behauptungen aufstellen. Aber lassen sich diese Behauptungen wenigstens nachvollziehen, überprüfen bzw. erleben?
Bei vielen Menschen ist das leider nicht so. Sie stellen zwar Behauptungen auf. Aber wenn man dann ein
wenig hinter die Kulissen guckt – na ja!
Jesus jedoch wollte keine kalten, sturen Behauptungen aufstellen, die dann vom Leben doch nicht gedeckt werden. Vielmehr sind seine „Ich bin Worte“ Einladungen dazu, in den unterschiedlichen Lebenssituationen zu ihm zu kommen. Und wer zu ihm kommt, wird die Wahrheit dieser unterschiedlichen
Worte bzw. Behauptungen in seinen jeweiligen unterschiedlichen Lebenssituationen erleben.
Liebe Gemeinde – Jesus ist jedenfalls die Antwort auf das, was der Mensch unbedingt braucht – vielleicht nicht unbedingt auf das, was er sich bisweilen wünscht, sondern Jesus ist die Antwort auf das, was
der Mensch braucht.
Mein Eindruck ist, dass wir diesbezüglich noch sehr in den Kinderschuhen stecken, dass an diesem
Punkt noch eine Menge Wachstum möglich ist, dass da ein riesengroßes Potential ist, in das wir mehr
und mehr hineinwachsen können. Und genau hierfür gibt es einen Weg bzw. gibt es nur diesen Weg:
Mehr auf Jesus zugehen, ihm vertrauen und ihn bei seinem Wort nehmen, also zu ihm sagen: „Du hast
doch deutlich gemacht, dass du das Brot des Lebens bist, das Licht der Welt, der Weinstock, der seinen
Reben Kraft und Lebenssaft gibt. Du hast es gesagt. Und nun bitte ich dich: ‚Gib mir Brot; gib mir das,
was mich neu stärkt. Gib mir Licht in meiner momentanen Finsternis. Lass es hell werden in meinem Leben. Erfülle mich mit neuer Lebenskraft...!’“
Nochmal: alles, was wir Menschen suchen, finden wir in ihm.
Was aber finden wir denn nun genau in dem letzten „Ich bin Wort“ aus unserem Predigttext: „Ich bin
der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne
mich könnt ihr nichts tun!“?
Trifft auch dieses Jesuswort unsere Lebensbedürfnisse?
In diesem einfachen Bild geht es um eine faszinierende Sache. Wir sollen Reben am Weinstock sein und
Frucht bringen. Unser Leben soll also nicht – von mir aus - einer Orchidee gleichen, die man lediglich
bestaunt. Unser Leben soll auch nicht einem Kaktus gleichen, dem man besser nicht zu nahe kommt.
Vielmehr soll unser Leben einer Nutzpflanze gleichen, von der andere etwas haben. Unser Leben soll
eine Bedeutung für andere Menschen bekommen.
Ist damit aber etwas angesprochen, was wir Menschen wirklich suchen?
Ich denke schon! Die Sinnfrage ist hier nämlich angesprochen. Jeder Mensch sucht einen Sinn für sein
Dasein. Der Psychotherapeut Victor Frankl geht deshalb so weit, dass er schreibt: Jeder Mensch habe
einen absoluten Willen zum Sinn. Er brauche einen Sinn für sein Leben. Wenn er diesen Sinn nicht findet, gerät er in tiefe Lebenskrisen bis hin zu Depressionen.
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Dieser Sinn wird hier in diesem Weinstock-Gleichnis angesprochen. Es zeigt: Unser Leben solle eine
Bedeutung bekommen für andere Menschen. Jesus macht deutlich: Gott sucht – wie ein Weingärtner –
Frucht in vielfältigster Hinsicht. Und welche Frucht ist hier gemeint? Ich denke: Gott möchte Heilkräfte
der neuen Welt in diese unsere kaputte, vergehende Welt hineinbringen. Und w i r dürfen sozusagen als
Reben am Weinstock diese Frucht hervorbringen. An u n s darf das wachsen: Heilkräfte der neuen
Welt für unsere vergehende, kaputte Welt. Wir dürfen also etwas Entscheidendes dazu beitragen, dass
Menschen aufatmen können in ihren Sorgen, Ängsten, Nöten und Belastungen. Durch u n s kann es geschehen. Ist das nicht etwas Großartiges? Welche Aufwertung bringt Jesus doch damit in unser Leben
hinein!?
Aufwertung? Ist das wirklich eine Aufwertung? Uns erscheint das doch eher wie eine zusätzliche Belastung. Wir sollen für andere Menschen etwas sein? Man hat doch schon mit sich selbst genug zu kämpfen. Nun soll ich auch noch an andere denken und für sie hilfreich sein? Ich soll etwas Entscheidendes
dazu beitragen, dass andere Leute wieder aufatmen können? Das kann ich doch gar nicht. Da bin ich
doch hoffnungslos überfordert!
Wie gut, liebe Gemeinde, dass sich Jesus immer wieder alltäglicher Bilder bedient, um entscheidende
Dinge unseres Lebens deutlich zu machen.
Ist es etwa eine Überforderung für eine Weinrebe, Frucht hervorzubringen, an der sich Menschen dann
erfreuen? Ganz und gar nicht! Die Frucht wächst sozusagen ganz von alleine. Die Rebe darf einfach nur
der verlängerte Arm des Weinstocks sein. Nur eine Bedingung gibt es für die Rebe: Sie muss natürlich
fest mit dem Weinstock verbunden sein. Mehr braucht es eigentlich nicht!
Zurück zu uns: Jesus will unser Leben natürlich nicht mit zusätzlichen Belastungen belegen. Im Gegenteil – er will Grundbedürfnisse befriedigen, hier das Grundbedürfnis, in seinem Leben einen Sinn zu
erkennen. D.h. er will uns dazu gebrauchen, dass durch uns Frucht entsteht, was meint, dass Menschen in
einer kaputten Welt wieder aufatmen können. Genau das aber, was für uns so unmöglich erscheint, müssen wir nicht aus eigener Kraft bewerkstelligen. Die Lösung geht viel einfacher: Am Weinstock bleiben, und das meint: An Jesus dranbleiben. In ihm pulsiert das Leben der ewigen Welt; in ihm ist Kraft,
Energie, Heil, Ausdauer; in ihm ist Freude in Fülle vorhanden. Und genau das wird in mich sozusagen
hineinfließen, wenn ich mit Jesus fest verbunden bin. Und dann kann auch ich durch Jesus für diese
Welt und die Menschen auf ihr etwas äußerst Wichtiges sein. Durch seine Kraft wird durch uns Heil geschehen, wird durch uns das Heil Gottes in eine heillose Welt fließen können. Nochmal: wenn das geschieht, dann nicht durch unsere ach so tollen Fähigkeiten, sondern durch die Möglichkeiten, die in Gott
real vorhanden sind und von ihm zu uns kommen.
Nur für e i n e Sache müssen wir sorgen: Wir haben darauf zu sehen und daran zu arbeiten, dass die
Verbindung zu Jesus stimmt. Solange diese Verbindung in Ordnung ist, wird heilendes Leben aus der
Ewigkeit in diese Welt strömen können.
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An einer anderen Stelle des Johannesevangeliums hat Jesus es so gesagt: „Wer an mich glaubt, von dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers ausfließen.“
Wo das geschieht – so ein Mensch muss sich um die Frage nach dem Sinn seines Lebens keine besonderen Gedanken machen. Er spürt ganz einfach: Gott will und Gott kann mich gebrauchen – übrigens
auch alte Menschen kann und will er gebrauchen. Zum Beispiel durch das treue Gebet eines solchen
Menschen, durch seine Fürbitte kann Gott unter Umständen ganz Wesentliches zum Bau seiner Gemeinde beitragen. Was wäre das toll, wenn mich alte Menschen anrufen und mich fragen würden: „Herr
Pfarrer – wie läuft es zurzeit in der Gemeinde? Wo sind die Sorgen und Nöte? Wo sind die Schwierigkeiten? Was steht an? Ich möchte gerne in der kommenden Woche dafür beten!“ Glauben Sie mir: Ich
könnte eine ganze Menge von Auskünften geben. Und ich würde mich sehr freuen, dass Gemeinde besonders vom Gebet der Alten getragen würde. Und ich glaube ganz fest: Das würde Frucht bringen!
Zwei Gedanken zum Schluss – eine Frage und eine Feststellung.
Zunächst die Frage:
Wenn unter uns relativ wenig von den heilenden, mutmachenden Kräften der neuen Welt Gottes in unserer so kaputten Welt zu spüren ist, was sagt das wohl aus über die Verbindung vieler Christen zu ihrem
Herrn Jesus? Ist hier nicht der Umkehrruf des Neuen Testamentes sehr sinnvoll und dringend geboten:
„Kehrt um, wendet euch Jesus zu, folgt ihm nach!“? Wir erinnern uns ja daran: Wo die Verbindung der
Rebe zum Weinstock stimmt, wird Nährkraft durchfließen und Frucht entstehen können.
Nun noch die Feststellung:
Ich bin dankbar für die Einfachheit der Verkündigung Jesu. Schon ein Kind kann das Wesentliche verstehen. Man muss keine großen Reden führen, keine komplizierten Beweise erbringen. Mit wenigen Worten, mit einem einfachen Vergleich ist das Wesen eines Christen dargestellt – ich fasse es noch mal zusammen:
Das Wesen bzw. das Kennzeichen eines Christen ist schlicht und einfach ein Dransein an Jesus, eine
innige Lebensbeziehung zu ihm haben, wie die Rebe zum Weinstock. Das wird dann Heilkräfte Gottes
aus seiner Welt in unsere kaputte Welt fließen lassen. Amen.