Pressetexte von Stadtpfarrer, Dechant Mag.Ernst Windbichler

Die Woche 21.10.2015
Amol seg ma uns wieda
Kaum ein Begräbnis, bei dem nicht Andreas Gabalier mit rauer Stimme dieses Lied intoniert.
Dabei hat es durchaus christliche Anleihen: „A Liacht soll da leichtn, in alle Ewigkeit…“ z.B.. Nur: „Auf
meine altn Tag leg i mi dankend nieda…“, das ist ein frommer Wunsch, der selten in Erfüllung geht.
Wenn einer geliebt wird, dann möchten wir ihn festhalten, und wem es gut geht, der möchte
bleiben, auch wenn „du zu die Engal aufe fliagst“. Ja, „es gibt wos nach dem Lebm“, aber unser
Glaube sagt: Gott ist alles und mehr als etwas.
Kleine Zeitung 18.10. 2015
Karriere nach unten -Bei euch aber soll es nicht so sein
„Könnt ihr den Leidenskelch trinken, den ich trinke?“- fragt Jesus seine karrierebewussten Apostel.
„Wir können es!“, sagen die beiden voller Selbstbewusstsein. Aber der erste Thron für ihren Herrn ist
dann das Kreuz gewesen, und rechts und links von ihm haben sich nicht zwei vorbildliche
apostolische Privilegienritter die Macht geteilt, sondern da haben zwei Verbrecher mit ihm die
Ohnmacht geteilt.
Nicht heldenmütig sterben ist als erstes gefragt, sondern jene unblutige Art des Martyriums, die Jesus
uns auch vorgelebt hat, nämlich das Dienen. Zeit und Geduld einzusetzen, nicht den Kopf hinhalten,
aber dafür Ohr und Hand und Herz leihen, eine Eselsgeduld haben mit manchen lästigen
Mitmenschen, mit Ausdauer jemanden pflegen, immer wieder verzeihen und neu beginnen, nicht
verstanden werden und doch weitermachen…
Jesu Leben ist eine einzige Ermunterung, diesen Weg zu wagen. Er hat uns gezeigt, dass wir an
einen Gott glauben dürfen, der sich vom Himmel herabbückt zu uns Menschen, am Kreuz noch einmal
tiefer, sogar bis ins Grab hinein bückt er sich.
Es wird nicht gesagt, dass die Apostel das alles begriffen hätten und schon gar nicht der Rest der Welt
Wie die Geldgier gibt es auch die Machtgier, wie den Goldrausch gibt auch den Machtrausch, dass
man machthungrig und machtgeil wird, dass die Macht den Menschen korrumpiert- auch in der Kirche.
Aber es gibt doch immer wieder viele, und das auch in der Kirche, die diese Karriere nach unten ganz
bewusst gehen. Ihnen und uns allen ist auch der Trost mitgegeben: dass all das, wenn schon in den
Augen der Menschen, aber doch niemals in den Augen Gottes vergessen ist.
Die Woche, 30.09.2015
Schnelles Oktoberfest oder Unendlichkeit?
Für die alten Römer begann das Jahr im März, der Oktober (=der Achte) war also der achte Monat.
Nicht sehr kreativ, nicht wahr? Außer man legt den Achter zur Seite, dann ist er das Zeichen für
„Unendlich“. Das Oktoberfest vergeht, aber der Erntemonat lässt mich fragen: was bleibt von meinem
Leben für die Ewigkeit? Welche Spuren hinterlasse ich? Sind es Spuren der Liebe? Bin ich eine
Frucht oder ein Früchtchen? Dann aber auch: läuft mein Leben rund, oder hat es einen Achter? Jaja,
auch der Oktober hat es in sich!
Die Woche, 09.09.2015
Wer fliegt furt an Maria Geburt?
Die Schwalben - sagt das Sprichwort. Am 8.9., am „kleinen Frauentag“, ist es so weit. Die Schwalben
fliegen immer dem Sommer entgegen, unverdrossen über weite Strecken. Maria hat uns das
vorgezeigt: die Wintereinbrüche auf dem Weg mit ihrem Sohn hat sie überstanden in der Gewissheit,
dass es da einen Sommer gibt, für den uns die Vorstellungen fehlen. Nicht nur ein Energydrink verleiht
Flügel, es ist der Glaube, der uns eine Ahnung der Leichtigkeit des Seins geben will. Eine Schwalbe
macht noch keinen Sommer. Ihr Geburtstag kann uns allen ein Anlass sein, für diese Flughilfe wieder
dankbar zu sein. Wünsche guten Flug!
Kleine Zeitung, 06.09.2015
Geschüttelt, aber nicht gerührt!
Geschüttelt sind viele, zu viele: von Schicksal und Krankheit, Krieg, Not und Flucht gebeutelt. Aber
nicht gerührt sind auch viele, zu viele. In Jesu zeigt sich uns ein Gott, der sich rühren und berühren
lässt. Sein „Effata- Öffne dich!“ ist seitdem zum geflügelten Wort geworden, mehr noch: zum
Lebensprogramm. Jedem Täufling wird es auf den Kopf zugesagt, auch wenn er gute Ohren hat und
einen Mund, der ganz schön laut sein kann. Aber auch die Gabe der Unterscheidung ist wichtig. Wer
für alles offen ist, ist nicht ganz dicht, heißt es. Paulus sagt deshalb einmal: „Prüft alles und behaltet
das Gute!“(1Thes 5,21). „Öffne dich, dass du Gottes Wort vernimmst und den Glauben bekennst, zum
Heil der Menschen und zum Lobe Gottes!“, sagt der Taufspender.
Ob der Geheilte des Evangeliums erschreckt war über die Lautstärke, die Oberflächlichkeit, die
Schärfe und Unschärfe der Worte? Ob er sich nicht manchmal wieder nach seiner stillen Welt gesehnt
hat? Wer weiß! Über die Stimme seines Helfers wird er sich sicherlich gefreut haben und über den
Klang seines Namens. Über Musik, Töne, die Laute aus der Natur…
Hörvermögen und Sprachfähigkeit sind heute mehr gefragt, denn je. Die Musiker und Dichter, die
Rede der Weisen, die Stimme der Leisen, die Stillen im Land: sie gehen oft unter im Lärm und in den
Schlagzeilen. Auch die Stimme Gottes drängt sich nicht vor und auf.
Der Glaube kommt zwar vom Hören, Gott ist das Wort, aber das Wort braucht auch Antwort. „Er
konnte wieder richtig reden“, heißt es deshalb heute am Schluss. Nicht zu viel und nicht zu wenig, mit
Anteilnahme und Intuition. Seine Kommunikationsfähigkeit wird erweitert.
Die vielen elektronischen Verständigungsmöglichkeiten, die wir heute haben, erreichen oft das
Gegenteil. Menschen sitzen stumm nebeneinander und verständigen sich per Handy. Auf dem
Bildschirm öffnen wir per Mausklick viele „Windows“ und schauen, was sich dahinter verbirgt. „Effata“
heißt aber nicht: öffne etwas, sondern: öffne dich! Für Menschen und Probleme, für neue Sichtweisen,
für ungewöhnliche Zugänge, schließlich hat auch Gott selber seinen Himmel geöffnet, wir leben von
seiner Offen-barung.
Die Woche, 19.08.2015
Wir alle sind Flüchtlinge
Jeden Tag über Flüchtlinge lesend, denke ich mir, dass Christen da besonders sensibel sein könnten.
Der alte Abraham, zieht fort aus seinem Land, das Volk Israel flieht in Hungersnot nach Ägypten und
von dort aus der Versklavung durch die Wüste ins gelobte Land, später wieder in die Verbannung
nach Babylon. Jesus wird unterwegs geboren, wo kein Platz war, und muss als Kind schon vor
Herodes fliehen.Wir alle fliehen immer wieder: vor der Stille, vor der Leere, vor der Wahrheit, vor dem
Tod. Aber doch in die ewige Heimat.
Kleine Zeitung , 27.07.2015
Jesus der Leibsorger
Herr über Wind und Wellen, Arzt und Therapeut, Lehrer und Tröster, so wird uns Jesus an den letzten
Sonntagen vorgestellt. Dass er Seelsorger ist, wissen wir ja, viele Mitglieder seines Bodenpersonals
nennt man ja auch so. Heute aber ist er Leibsorger. Sogar das Magenknurren seiner Zuhörer bemerkt
er. Jetzt aber nicht: der Papa im Himmel wird’s schon richten, sondern: gebt ihr ihnen zu essen! Die
Zentralbank der Apostel sagt: das Geld reicht nicht. Nicht erst seit Griechenland. Solidarität ist gefragt.
Die großzügige Gabe des kleinen Jungen beschämt uns: 5 Brote und zwei Fische. Geheimnisvoller
Hinweis auf die Hl. Schrift: sie besteht aus den 5 Teilen der Thora und den beiden Teilen: Propheten
und Schriften. Brot ist mehr, als sich den Bauch vollschlagen. Nicht alle verstehen das: er soll unser
Brot- und Spielekönig sein. Jesus entzieht sich solchen Ambitionen und flieht die Sympathie der
Menge. Welcher Politiker könnte sich das leisten! Die Aufgabe bleibt: die Sorge füreinander kann nicht
auf Gott abgewälzt werden. Und die Hoffnung bleibt: Wunder sind nicht ausgeschlossen.
Die Woche 22. 07.2015
In alle Himmelsrichtungen
Mein Kompass zeigt nach N, S, O und W. N könnte auch bedeuten: Nächstenliebe. S wie Selbstliebe,
das vergisst man oft. O: Orientierung und W wie Weisheit. Die 4 Dimensionen sind auch wie ein
Kreuz. Es zeigt nach oben- zu Gott, nach unten- in die eigene Tiefe, nach links und rechts: zum
Mitmenschen, oder in die Vergangenheit und Zukunft. In der Erde verankert, nach Gott ausgestreckt,
die Schöne und kompliziert Welt nicht aus dem Herzen verlieren. So gesehen sind alle Richtungen
Himmelsrichtungen. Himmel ist überall drinnen.
Die Woche, 8.Juli 2015
Fremde, Sommerfrischler,Gäste, Freunde
In meiner Jugend hieß es immer: Kinder ins Heu, Eltern in den Keller, die Fremden kommen. Dann
wurden sie zu Sommerfrischlern. Seltsam, dass es keine Winterfrischler gibt, obwohl es da doch viel
frischer ist. Später hießen sie „die Gäste“, obwohl wir ja alle nur Gast auf Erden sind, immer unruhig,
nie ganz daheim. Nun sagt man „Touristen“, auch wenn sie keine Touren machen. Wenn sie jetzt
kommen, oder wenn wir uns nun kurzfristig in solche verwandeln, dann hoffe ich, dass auch die
Bezeichnung „Freunde“ wachsen kann.
Die Woche 17.06.2015
Lieber kein ewiges Leben
Im Internet hinterlassen wir Spuren, die nicht mehr gelöscht werden. Auch wenn jemand längst
gestorben ist, im Facebook lebt er weiter. Alles bleibt irgendwo gespeichert. So ein ewiges Leben
brauche ich nicht. Im Glauben aber darf ich wissen, dass Einer in Liebe auf mich schaut, auf Hoffnung
und Sehnsucht, auch auf Unvollendetes, Misslungenes. Er kann auch auf krummen Zeilen gerade
schreiben, nicht auf seiner Festplatte bin ich verewigt, sondern in seinem Herzen. Selbst wenn im Tod
die „Entf“ -Taste gerückt wird, er hat schon längst die „Einfg“-Taste betätigt.
Kleine Zeitung 14.06.2015
Von der Senfstaude zum Vogelpark
Der erste Landwirt meines Seelenackers, das ist zwar Gott selber. Aber wir sollen es ihm gleich
machen und voll Vertrauen ausstreuen, was wir selber nur geschenkt bekommen haben: Gute Worte,
Aufmerksamkeiten, freundliche Augen/Blicke, offene Ohren, helfende Hände.
Die Dynamik des Weizenkorns geschieht unter der Decke des Alltags, mitten in aller Gefährdung. Wo
aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch, heißt es. Möge das auch heute wieder gelten dieser Welt
und Kirche mit all ihren täglichen Schreckensnachrichten.
Das Gute Wort und Werk, einmal ausgesät von Gott und Mensch, es wächst auch in der Nacht, auch
im Winter, und was herauskommt, ist unbegreiflich anders: die Raupe ist kein Schmetterling und das
Korn kein Brot. Allen gemeinsam aber ist die Wandlung, die Veränderung. Aber es braucht dazu
Sonne und Regen und v.a. Zeit und Geduld.
Aber nun wieder zum winzigen Senfkorn, aber dann so groß, dass in seinem Schatten die Vögel des
Himmels nisten.
Diese Vögel des Himmels sind zunächst alle Völker, alle haben Platz. Dann aber auch die seltsamen
Vögel: die Unglücksraben , der stolze Schwan und das hässliche Entlein, der Pleitegeier und der
Nachtschwärmer, der freche Spatz, die einfältige Friedenstaube, die Schnattergans, Haubentaucher
und Zaunkönig, Sesshafte und Zugvögel, Gott hat einen reichhaltigen Vogelpark, ja sogar ich
seltsamer Vogel, ich darf auch in den Schatten der Senfstaude des Reiches Gottes. Nisten sollen wir
dort, aber auch fliegen lernen. Denn wir alle sind berufen, seine Paradiesvögel zu sein.
Die Woche 27.05.2015
Pfingsten macht uns (allen) Beine
Weihnachten: die Hl. Familie macht sich auf den Weg nach Bethlehem, auch die drei Könige, die
Hirten und die Engel, sogar der Stern am Himmel, nur Herodes nicht. Ostern: die Frauen laufen zum
Grab, die Wächter davon, die Jünger nach Emmaus und wieder zurück. Pfingsten: der Geist legt sich
ins Zeug, hinein in die Herzen derer, die meinen, von allen guten Geistern verlassen zu sein. Und die
Begeisterten selbst laufen aus dem Haus, in alle Welt und verkünden geistesgegenwärtig die
Frohbotschaft. Wer glaubt, bleibt am Laufen(den). Wir sehen: nicht nur Kärnten läuft, Glaube will uns
allen Beine machen.
Die Woche 06.05.2015
Psalm 23 für Autofahrer
Mit guten Hirten und Schafen können viele heute nichts mehr anfangen. Vielleicht könnte man dieses
bekannte Gebet so übersetzen:
„Der Herr ist mein Navi, nichts werd ich verfehlen. Er führt mich durch grüne Wellen bis zum Parkplatz
im Zentrum. Er nimmt alle meine Ziele an und leitet mich verkehrsgerecht, treu seinem Namen. Muss
ich auch fahren durch finstere Tunnel, ich fürchte keinen Unfall. Denn du bist bei mir, deine
unbeirrbare Stimme gibt mir Klarheit und Zuversicht. Du mahnst mich zur Vorsicht vor den Augen der
Polizei und im Parkhaus darf ich kostenlos bleiben für lange Zeit.“ (Nach A. Knapp)
Kleine Zeitung 03.05.2015
Eine evangeliumsgemäße Weinbaukunde
Ein naturverbundenes Bild: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Rebzweige. Auch wenn viele vom
Weintrinken mehr verstehen als vom Weinanbau, es weiß doch jeder, dass da derselbe Lebenssaft
fließt von der Erde in den Weinstock in die Zweige bis hin zu den köstlichen Früchten. Es ist ein
gegenseitiges Empfangen und Weitergeben, ein miteinander verbunden sein.
Gute Verbindungen sind wichtig. Wir dürfen heute stolz sein, denn wir haben wirklich Verbindungen zu
den allerhöchsten Stellen, wir sind mit Gott verbunden, das kann uns viele Türen öffnen, auch schon
diesseits der großen Schwelle. Verbindungen aber leben von Verbindlichkeit, sie müssen gepflegt
werden. „Falsch verbunden“ ist man nur am Telefon, bei Gott gibt es das nicht. Mit Gott verbunden
sein, da fällt mir aber auch ein Arzt ein: wenn er meine Wunden verbindet, dann bin ich gut
verbunden. Wer in Jesus drin ist und an ihm dran bleibt, der ist wirklich gut dran.
Gerade unsere in unserer westlichen Kirche gibt es so viel trockene Zweige. Statt dass er austreibt,
wird der Weinstock immer kleiner und schmächtiger. Vor allen Besserungskuren und
Pastoralkonzepten und Patentrezepten gilt auch da, dass nur die bleibende Einheit mit dem Herrn uns
weiter hilft, sonst ist all unser Mühen vergeblich. Nicht davonlaufen, nicht aufgeben, sondern an Jesus
dran bleiben und an seiner oft so ängstlichen Kirche, dann sind wir gut dran. Dann bringen wir Frucht.
Aber wenn ich alt bin, fragen manche? Ist Frucht bringen nicht etwas für junge und leistungsfähige
Menschen?
Auch da können wir lernen von den Rebzweigen: sie leisten nicht viel, sie lassen es zu, dass der
Lebenssaft in ihnen fließt. Wir sind seine Äste, seine Blätter. Er braucht uns, jeder von uns ist ein Teil
von ihm, und ohne dich und ohne mich ist die Welt ein Stück leer von Christus.
Die Woche 16.04.2015
Weißer Sonntag und weiße Weste
Der Sonntag nach Ostern heißt „Weißer Sonntag“: nicht der Erstkommunionkinder wegen oder der
eisigen Temperaturen, sondern weil die Osternacht der einzige Tauftermin der alten Kirche war und
die Neugetauften eine ganze Woche lang ihr weißes Taufkleid trugen. „Du hast Christus angezogen“
heißt es heute noch bei der Überreichung des Taufkleides. Wir sind in seine Haut geschlüpft. Auch
wenn wir nicht mit weißer Weste durchs Leben kommen, manchen Dreck am Stecken haben, aus
dieser Haut können wir nicht heraus.
Die Woche 25.03.2015
Die kostbare Last des Palmesels
Der Palmsonntag naht, das Tor zur Karwoche. Der Palmesel trägt den Herrn und erinnert mich, dass
ich ihn auch tragen darf und soll, ich (alter) Esel: manchmal störrisch, ungeduldig, grau und
unscheinbar. Aber ich trage eine teure Last, denn längst schon trägt er mich. Im Jubel der Palmzweige
lasse ich die Ohren hängen, ich bin nicht der Esel an der Krippe, jetzt geht ja ans Kreuz. Und erst
dann ins Licht. Immerhin! Und immer hin!
Kleine Zeitung 22.03.2015
Jesus: sehens-glaub- oder liebenswürdig?
„Herr, wir möchten Jesus sehen“. Mag sein, dass es reine Neugier ist, dass sie nur ein Selfie, einen
Ratschlag oder Segen brauchen. Oder ist es doch die Sehnsucht nach Gott, das Verlangen, ihm nahe
zu sein? Wozu aber dieser höchst komplizierte Instanzenweg?
Vielleicht um uns zu fragen: was würdest denn du tun, wenn dich jemand nach Jesus fragt? Leben wir
so, dass wir gefragt werden? Und wenn: weißt du denn wo er zu finden ist? Beachte auch: bevor du
Auskunft gibst, musst du, wie Philippus und Andreas, zu ihm gehen. Bevor man über ihn spricht muss
man zuerst mit ihm sprechen.
Dann seine rätselhafte Antwort: schau auf das Weizenkorn, wie es sich loslässt. Lass dich nicht
beirren von dieser Unscheinbarkeit, sondern erwarte geduldig und voller Hoffnung die Ernte, den Sieg
des Lebens, der uns allen bevor steht. All deine Lebenshingabe bringt Frucht, wenn auch nicht
immer so, wie wir es uns vorstellen. Dem Weizenkorn sieht man es nicht an, dass es zur Ähre wird,
zum Mehl oder zum Brot. Was am Schluss herauskommt, das ist nicht unsere Sache.
Deshalb kann Jesus ausgerechnet in dieser dunklen Stunde vor seinem Leiden von Herrlichkeit
sprechen. Es ist nicht der Augenblick, wo sich ein blindes Schicksal erfüllt, wo der Henker über das
Opfer triumphiert, sondern es ist die Stunde, wo ein himmlischer Plan in Erfüllung geht.
Die Woche 04.03.2015
Es ist zum aus der Haut fahren
Die Schlange kann das, aus der Haut fahren, die alte Haut hinter sich lassen wie eine lästige Hülle
und neu beginnen. Die Schmetterlingsraupe kann es auch, Altes und Unbrauchbares zurück lassen.
Und auch das Küken durchbricht die Eierschale wie die Umklammerung eines Grabes und beginnt ein
neues Leben. Aus welcher Haut kann ich fahren, über welchen Schatten springen, welche Schale
durchbrechen, damit Ostern werden kann, jetzt schon und auch in mir?
Die Woche 11.02.2015
Können Tiere lachen?
Vielleicht tun sie es, wir merken es bloß nicht. Auf jeden Fall aber ist das Lachen eine typisch
menschliche Eigenschaft, die wir zu wenig pflegen. Ob Gott lacht? Er hat auf jeden Fall Humor, wenn
ich mir sein Bodenpersonal anschaue. Und ein todernster Jesus, der auf der Hochzeit auch noch den
Wein vermehrt, den kann ich mir auch nicht vorstellen. Humor, so sagt man, ist der Schwimmgürtel
des Lebens und der Knopf, der verhindert, dass einem der Kragen platzt. Das Wort Humus (Erde)
steckt darin. Das Korn stirbt in der Erde und bringt Frucht. Das schenkt unbesiegbare Heiterkeit.
Kleine Zeitung 08.02.2015
Die Macht der Liebe
Ein alter Witz: Pfarrer und Chauffeur treffen sich vor der Himmelstür, der Zweite wird sofort
eingelassen. Der Pfarrer protestiert und Petrus antwortet: „Bei deiner Predigt haben die Leute
geschlafen, bei seiner Fahrt haben sie gebetet!“. Von Jesus könnte man das nicht sagen, denn „…er
lehrte sie wie einer, der göttliche Vollmacht hat…“. Und das sicherlich nicht wegen Stimme, Rhetorik,
Intelligenz. Er hat nicht nur Machtworte gesprochen, sondern Machttaten gesetzt, und war trotzdem
kein Machtmensch, der Angst und Schrecken verbreitet. Die Macht der Liebe hat Menschen geheilt an
Seele und Leib. Auch die Schwiegermutter des Petrus nimmt er wortlos bei der Hand und das Fieber
verschwindet. Das unspektakulärste Wunder der ganzen Bibel. Manche interpretieren, sie sei nur
deshalb krank geworden, weil Jesus ihr den Schwiegersohn genommen hat und mit ihm die sichere
Zukunft, ein Protestfieber sozusagen, das sofort weicht, als sie dem Herrn so persönlich und
handgreiflich begegnet. So viele dürfen spüren: in seiner Nähe ist Heil(ung), innen und außen. Das
Gebet in der stillen Morgendämmerung ist eine seiner Kraftquellen, die Frühe wird zur Herrgottsfrühe.
Ora et labora, Kontemplation und Aktion müssen im Gleichgewicht sein.
Die Freunde finden ihn und sprechen dieses wahre Wort: „Alle suchen dich!“. Ja, nicht nur damals in
Kapharnaum, auch heute noch und überall, bewusst und unbewusst, auch in oft selbstzerstörerischen
Irrwegen und Sackgassen, in allen Konfessionen und Religionen, letztlich suchen sie ihn, suchen die
neue Welt und den neuen Menschen, der befreit und stärkt, ermutigt und aufrichtet. Und „…wer
suchet, der findet…“, wird er dann später sagen. Dass wir beim Suchen nicht müde werden, dass die
Sehnsucht nicht in Sucht endet, dass Er uns durch andere oft an der Hand nimmt und aufrichtet, das
möge uns und allen in der Stunde der Not geschenkt sein.
21.01.2015 Die Woche
Je su(i)s Charlie!
Wenn man nicht genau hinschaut, könnte man aus dem französischen Protest- und Solidaritätsruf den
Namen „Jesus“ herauslesen. Ein versteckter Hinweis, der uns aufruft, die Botschaft Jesu, christliche
Werte, unsere abendländische Identität, Glaubenswissen und Traditionen wieder ernster zu nehmen
und dankbar zu schätzen. Gottes- und Nächstenliebe, Verzeihung und Toleranz, Solidarität und
Zuwendung wirken ansteckend. Gewalt gehört jedenfalls zu keiner Religion, wie manche
behaupten, wie auch ein Messer vorerst neutral ist, erst die Absicht des Besitzers kann es zur
Mordwaffe machen.
04.01.2015 Kleine Zeitung
Beim Wort genommen
Die kürzeste und ursprünglichste Weihnachtsgeschichte der Welt steht im Johannesevangelium
nachzulesen: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,11). Und heute
noch kennt jedes Kind den Reim. „Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Erst eins, dann zwei, dann
drei, dann vier, dann steht das Christkind vor der Tür.“ Könnte es sein, dass es da immer noch steht,
draußen vor der Tür? Oder schon wieder?
Gott sei Dank lässt sich Gott nicht entmutigen und spricht sein Wort, und „das Wort wird Fleisch“,
schwaches, schmerzendes, müdes, mit Hand und Fuß, mit Haut und Haaren. Zwar meint Goethes
Faust, es müsse wohl eher heißen: „Im Anfang war die Tat“, aber für Gott gibt es diese Trennung
nicht. Bei ihm stimmen Wort und Tat überein. Oft schon habe ich mir gedacht, wie es wohl heißen
könnte, jenes Wort, das Gott im Anfang gesprochen hat, in dem wie in einem Samenkorn schon alles
zusammengefasst ist. Wie könnte es gelautet haben? Sicherlich muß es ein sehr schönes Wort sein,
ein seltenes, ein kostbares, aber auch ein einfaches und kurzes. Wie auch immer dieses Wort lautet,
man kann es mit zwei Buchstaben übersetzen: JA!
Ein Neujahrsvorsatz für 2015: das Ja zum Guten öfter sagen und tun! Und manchmal auch das Ja zu
Schwerem. Oft ist ja beides dasselbe. Und dann mit Vertrauen weiter gehen in Gottes Namen.
31.12.2014 Die Woche
An der Schwelle stehen
Mit Dankbarkeit und ein bisschen Wehmut zurückschauen, loslassen und innehalten. Das gilt es zu
versuchen an der Schwelle zu einem neuen Jahr, bevor wir mit Vertrauen und Hoffnung hinübergehen
(und nicht nur gut rutschen). Der Hl. Papst Silvester (gestorben am 31.12.335) hat auch an so einer
Schwelle gelebt: in seiner Zeit ist das verfolgte Christentum zur Staatsreligion geworden, mit allen
positiven und negativen Auswirkungen. Auch er hat geglaubt: „Von guten Mächten wunderbar
geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen, und
ganz gewiss an jedem neuen Tag!“.
10.12.2014 Die Woche
Adventliche Gestalten
Elisabeth, die Rosenkönigin, Franz Xaver, der große Indienmissionar und Nikolaus, der gute Bischof,
der Bienenvater Ambrosius, Barbara mit den Zweigen, die lichte Lucia, der Mystiker Johannes von
Kreuz, Johannes der Täufer, der Rufer in der Wüste und Wegbereiter des Herrn, und natürlich die
gottschwangere Maria…so viele kraftvolle, ermutigende und mitreißende Vorbilder und Wegbegleiter
auf der Weihnachtsstraße. Nie sind wir allein auf dunklen Wegen, sichtbar und spürbar sind viele an
unserer Seite, aber auch unsichtbar und doch wirksam gehen viele mit, die uns schon Spuren des
Glaubens gelegt haben.
Die Woche 19.11.2014
Die Hl. Elisabeth, die Rosenkönigin
Dargestellt wird sie mit einem Korb voll Rosen. Als sie nämlich wieder einmal verbotenerweise mit
einem Korb voll Brot zu den Armen eilt, stellt man sie zur Rede. Aber es zeigt sich, dass im Korb nur
Rosen sind. So kann sie unsere Denkrichtung ändern: denk nicht daran, dass die Rosen Stacheln
tragen, sondern denk daran, dass die Stacheln Rosen tragen. Trotzdem glauben, trotzdem vertrauen,
trotzdem aufblühen, trotzdem sich und sein Leben verschenken, das möchte ich von der Hl. Elisabeth
lernen. Ob es die Rosen aus Athen sind oder nur die Rose vom Wörthersee, sie müssen jedenfalls in
Liebe gegeben werden.
Kleine Zeitung 16.11.2014
Das Leben, ein Spiel?
Kennen Sie noch das Brettspeil DKT? Jeder bekommt einen Würfel und als Spielkapital eine gewisse
Menge an Häusern und Spielgeld: nun gilt es mit Glück und Verstand zu wirtschaften. Ob Gott mit uns
auch so spielt? Jeder bekommt sein Lebenskapital, und damit gilt es zu arbeiten. Ein faszinierender
Gedanke: das Leben, ein Spiel, ein ernsthaftes, einmaliges, manchmal kompliziertes, weil es nicht die
letzte, endgültige Wirklichkeit ist, dieses Leben. Wir gleichen Reisenden im fahrenden Zug: sie
meinen, ihr Abteil sei die Wirklichkeit, während die Landschaft draußen vorüberfliegt. In Wirklichkeit ist
es umgekehrt: erst wenn wir aussteigen, wartet das eigentliche Leben.
Die Woche 29.10.2014
Die Tugend der Könige
Ein Feuerwehrmann erklärt: „Wenn bei unserer Übung einer fünf Minuten zu spät kommt und die
anderen 20 warten auf ihn, dann kommt er in Wirklichkeit 100 Minuten zu spät!“. Bei vielen
Veranstaltungen ist es eine Untugend, dass alle auf noch ausstehende wichtige Persönlichkeiten
warten. In der Kirche fangen wir deshalb immer pünktlich an, es sollen ja nicht die Anwesenden
bestraft werden. Pünktlichkeit ist zwar keine göttliche Tugend, wie Glaube, Hoffnung und Liebe, aber
sie taugt für den Weg zur Heiligkeit. Tugend kommt von “taugen“. „Wie kann ich heilig werden?“ fragt
ein junger Mann den Hl. Franz von Sales. „Indem du die Tür leise zumachst!“, antwortet er lächelnd.