„Der Glaube – die andere Art zu siegen“ Predigt über 1. Joh 5,1-4 17.4. 2016 Jubilate Bangkok Schriftlesung (Evangelium): Joh 15,1-8 15,1 Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. 2 Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe. 3 Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. 4 Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. 5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. 6 Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und sie müssen brennen. 7 Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. 8 Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger. 3 Denn darin besteht die Liebe zu Gott: dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer. 4 Denn alles, was aus Gott gezeugt ist, besiegt die Welt. Und das ist es, was uns die Welt besiegen lässt: unser Glaube. Liebe Gemeinde, Jubilate - dass es Grund zum Jubeln gibt, behauptet auch der Predigttext dieses Sonntags. Der Spitzensatz am Ende verspricht nämlich einen Sieg Und was für einen! Dass sie die ganze Welt besiegen können, wird da behauptet. Sie – das sind die, die Glauben haben. Die können, nein: die werden ihn erringen. Ganz schön vollmundig, oder? Siegen, das heißt doch: Kämpfen müssen, hartes Training, Enthaltsamkeit, ja Entbehrungen. In jedem Fall: Fleiß und unermüdlicher Einsatz und Konsequente Arbeit – nicht nur im Sport. Siege haben ihren Preis. Und siegen kann nur einer. Einer wird gewinnen und der kriegt oft genug alles. „The winner takes it all“ - und die anderen gehen leer aus. So ist es oft. Und hier nun: Der Glaube ist der Weg, das Mittel zum Sieg. Der Glaube – das, was allen offensteht, was alle finden können, woran alle Anteil haben sollen. Kein bisschen exklusiv. Kein Hauch von Glamour… Ist das überhaupt verlockend? Predigt: 1. Joh. 5,1-4 Der Glaube – das heißt der Glaube an Jesus Christus. Text in der Übersetzung der Zürcher Bibel: Also das Vertrauen in seine Haltung zur Welt und zu den Menschen um ihn herum. Die Orientierung an dieser Haltung und an seinen Worten und seinem Tun. 1 Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott gezeugt, und wer den liebt, der ihn gezeugt hat (Gott), liebt auch den, der aus ihm gezeugt ist (JC). 2 Daran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben: wenn wir Gott lieben und tun, was er gebietet. Aber auch die Überzeugung, dass dieser Jesus von Gott gekommen ist und eins ist mit Gott – der Predigttext drückt das so aus: JC - aus Gott gezeugt. Er ist sozusagen Gottes eigenes Wesen – so wie wir sagen, dass unsere Kinder unser eigen Fleisch und Blut sind und damit meinen, dass sie etwas von uns mit sich tragen, das so oder so in ihnen lebt, auch wenn sie ein eigener Mensch sind. Durch den Glauben an Jesus Christus sind wir also ganz nah bei Gott. Sitzen an der Quelle von allem, was von Gott her uns Gutes und Lebendig machendes zukommen soll. Das Bild vom Weinstock (s. Evangelium) macht das wunderbar anschaulich: Christus ist der Weinstock. Und wer an ihm hängt wie die Reben am Weinstock, dem fließen Kraft und Lebenssaft zu und sein Leben wird fruchtbar sein. Unser Altarkreuz, in das Weinreben und Trauben geschnitzt sind, führt uns das in jedem Gottesdienst vor Augen. (Kreuz vom Altar in die Mitte holen) Und heute will ich es bewusst in unsere Mitte holen…, damit deutlich wird – hier gehört es eigentlich hin. Das ist nicht nur zum Ansehen, zum distanzierten Betrachten – das verdient echtes Interesse. Inter esse – lateinisch: „Dazwischen“ oder auch: „in der Mitte“ sein. Das Kreuz mit den Weinranken ist eine Einladung, es zum Zentrum unserer Aufmerksamkeit zu machen. Mehr noch: uns selbst mit unserem ganzen Wesen mit ihm zu verbinden. Mit allem, was wir sind dürfen wir uns an dieses Kreuz binden – mit den starken und den schwachen, den hellen und den dunklen Seiten, mit den gern gezeigten wie mit den peinlich versteckten Seiten, die zu unserem Leben gehören. In diesem Kreuz ist ja auch beides zu erkennen und aufgehoben: Das Kreuz steht für das Leiden, durch das Jesus gegangen ist, dem auch er nicht ausweichen konnte und wollte. Und der Kreis dahinter – der steht für das Licht des neuen Morgens, die Auferstehung. Heiligenschein oder Sonne – jedenfalls das Symbol der Freude, der Vollkommenheit, all dessen was verheißen ist und was wir nach Ostern kräftig feiern sollen. Jubilate! Auf die Verbindung kommt es also an! Wo sie besteht, kann etwas fließen. Wo wir mit Jesus Christus in Verbindung bleiben, kann Gott uns erreichen. Und können wir uns dazugehörig fühlen, eingebunden, aufgehoben in der Gemeinschaft seiner Kinder. Aber nun ist in unserem Predigttext zugleich etwas gesagt, was einem nach 2000 Jahren Glaubensgeschichte auch unangenehm aufstoßen kann. „Das ist es, was uns die Welt besiegen lässt: unser Glaube.“ Die Welt besiegen durch den Glauben – wird da nicht ein gefährlicher Gegensatz konstruiert: da die böse Welt – hier der gute, rettende Glaube? Man versteht die Botschaft des Textes vielleicht nur richtig, wenn man bedenkt, dass diese Sätze einmal einer kleinen, verschwindenden Minderheit von Christen geschrieben worden sind. Die sich außerdem bedroht fühlte, weil sie den herrschenden ihrer Zeit verdächtig war. Sich weigerte den Kaiser in Rom wie einen Gott zu verehren und seine gnadenlose Gewaltherrschaft zu unterstützen – durch Militärdienst oder Beteiligung an Zeremonien, mit denen der Kaiser verehrt wurde. Unser Glaube lässt uns die Welt besiegen – das ist dann ein Satz der Ermutigung und des Trostes. Er sagt dann nämlich: der Glaube wird Dir helfen, standhaft zu bleiben, Dich nicht korrumpieren zu lassen von denen, die Dich einschüchtern wollen. Das Vertrauen auf Gott, das verbunden sein mit ihm wird Dich stärken, damit Du Deinem Gewissen treu bleibst und Dich nicht ängstlich anpassen musst. Ein Blick in die Nachrichten zeigt, wie bedrückend aktuell das ist. Auch heute haben viele Christen gar nicht die Wahl, wie sie sich zu den Mächten der Welt, in der sie leben, stellen wollen. Denn diese Mächte fragen nicht – sie kommen mit aller Gewalt zu den Christen in Syrien oder im Irak, in Ägypten, in Nigeria, in Pakistan oder Sri Lanka oder – die Liste der Länder, die man hier nennen müsste, ist noch viel länger… Und nun schrieb mir neulich ein bekennender und missionarisch engagierter Christ: „Nicht die Kriege oder die Konflikte der Welt sind unsere Probleme - sie berühren auch die Freude der Osterbotschaft somit keineswegs - sondern der Unglaube in unserer Gesellschaft, der weit in Teile auch deutscher christlicher Gemeinden hineinreicht.“ Das hat mich bedrückt. Denn natürlich wünsche ich mir auch, dass mehr Menschen im Glauben Grund und Halt und Orientierung für ihr Leben finden. Und österliche Freude! Grund zum Jubeln. Aber als Christ in einem Atemzug zu sagen, dass die Kriege und Konflikte der Welt nicht unsere Probleme sind und dass sie nicht die Freude der Osterbotschaft berühren – das empfinde ich als zynisch gegenüber den verzweifelten Opfern von Machtmissbrauch und Gewalt – auch wenn das scheinbar weit weg von uns geschieht. Jesus hätte dazu etwas ganz anderes gesagt: „Selig sind die, die sich um den Frieden mühen.“ (Matth. 5,9) z.B. Und: „Was ihr den Geringsten – unter meinen Schwestern und Brüdern angetan habt, das habt ihr mir getan. (Matth. 25) Auf die Verbindung kommt es an! Und alle sollen dazugehören, niemand wird übersehen, ausgegrenzt, für unwichtig oder überflüssig erklärt. Wo wir uns das Leid und die Freude unserer übersehenen und überhörten Schwestern und Brüdern etwas angehen lassen, da sind wir Jesus Christ ganz nah – und er uns. Und in dieser globalisierten Welt muss man heute immer mitdenken: auch die Entferntesten unter meinen Schwestern und Brüdern. Wir wissen es doch längst: Ihr Leid hat oft seine Ursache bei uns – in unserer Geschichte, in der erbarmungslosen Politik der reichen Länder, in unserem um jeden Preis verteidigten Lebensstil. Die Welt besiegen durch den Glauben – das kann also nicht heißen, die Welt zu verachten und sie hinter sich zu lassen und sich in eine fromme Sonderwelt zurückziehen. Oder sie im Namen des Glaubens mit aller Gewalt retten und das Böse, (das dann natürlich immer bei den anderen zu finden ist), ausrotten zu wollen. Das sind Wege, die ein Glaubender mit Jesus niemals gehen kann. Man muss es ab und zu aber betonen, denn viele religionskritische Menschen haben eine solche verzerrte Vorstellung von der Haltung aller, die einen Glauben haben. Und es sind leider auch nicht nur die frommen Weltverächter oder unbelehrbaren Fundamentalisten, die so denken. Seien wir ehrlich: Es gibt auch einen sanften und selbstgerechten Triumphalismus des Glaubens, vor dem Christ nie automatisch geschützt sind. „Wir die Gläubigen, die es begriffen haben – und da draußen die armen, verirrten Seelen…“ Kann es uns wirklich wundern, wenn Gemeinden, in denen eine solche Haltung spürbar ist, eher abschreckend wirken auf Menschen, die ehrlich suchen und fragen? Vielleicht ist das sogar die größte Gefahr, den Glauben zu verfehlen und damit den Sieg über die Ängste und Sorgen, die uns mächtig bedrücken können, zu verspielen: Dass wir die Unterschiede zwischen uns mehr betonen, als die Gemeinsamkeiten – und uns so voneinander zu trennen.. Trennung aber geht immer auf Kosten der Schwächeren. Auch deshalb kommt es im Glauben immer auf die Verbindung an. Die Verbindung immer neu zu suchen und zu halten – zu Gott und zu den anderen. Was uns immer wieder auf die richtige Spur bringt, das ist die Liebe. Sie ist das eigentliche große Thema des ganzen 1. Johannesbriefes. Für Verfasser ist die Liebe ein anderes Wort für Gott selbst. „Gott ist die Liebe“, schreibt er (4,16),“und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ Und Liebe, das ist kein sentimentales Gefühl – das ist eine Haltung und eine Praxis. Das Tun des Gerechten. Oder auch: Das Gute, was getan, das Böse, was unterlassen wird. Und eben das unermüdliche Bemühen um das, was uns verbindet. Und darum, das zu stärken. Das ist Liebe. Da ist Gott. Unser Predigttext bringt es dann noch etwas konkreter auf den Punkt: „Darin besteht die Liebe zu Gott: dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer“. Seine Gebote – das sind natürlich die 10 Gebote – die großen Lebensregeln, auf die erstaunlich viele, die nach tragfähigen Werten fragen, immer wieder zurückkommen – auch wenn sie sonst religiös eher distanziert sind. Aber die Gebote wollen ja vor allem eines: helfen, das wir gerecht zusammenleben können. Aber es ist vor allem das größte Gebot, das hier im Blick ist – und von dem Jesus gesagt hat, dass alle anderen darin zusammengefasst sind: „Gott mehr als alles lieben – und unseren Nächsten wie uns selbst.“ Mit anderen Worten: Mit Gott durch Jesus Christus in Verbindung zu bleiben. Dann wird auch unter uns eine Gemeinschaft, ein Netz echter tragfähiger Verbindungen, entstehen. Und daraus dann den Mut und die Kraft gewinnen, in jedem Menschen, der uns begegnet, den Nächsten zu erkennen, den Gott uns über den Weg schickt. Und ihm zu begegnen, wie wir es uns selbst für uns wünschen würden – so fremd oder so herausfordernd er oder sie auch ist. Das wäre ein lohnender Sieg – für uns alle. Und der Friede Gottes… Amen. Annegret Helmer
© Copyright 2024 ExpyDoc