Was wir schon immer über Planung wis- sen sollten, uns aber nie zu

Paul C. Zucker: What your planning professors forgot to tell you – 117 Lessons every planner should
know. APA Planners Press, Chicago 1999. 210
Seiten, ISBN 1-884829-29-5.
Was wir schon immer über Planung wissen sollten, uns aber nie zu fragen trauten
(kmo) Einer der 117 Ratschläge von Paul C.
Zucker lautet: «Unterschätze nie ein gutes
Cover und einen guten Slogan.» Und er hat
diesen Ratschlag bei seinem Buch What your
planning professors forgot to tell you – 117
Lessons every planner should know beherzigt. Während in Europa Bildungsromane zumeist in der dritten Person geschrieben werden – Emile, Grüner Heinrich, Wilhelm Meister etc. – sind die Nordamerikaner in dieser
Beziehung weitaus unbefangener. Im vorliegenden Fall ist das Buch ein den Autor selbst
darstellender Lebenslauf bzw. eine persönliche Erfolgsbilanz.
Der ehemalige Kandidat für den US-amerikanischen Präsidentenposten, Michael S. Dukakis, schreibt über das vorliegende Buch, es
hätte in ihm zum einen viele Erinnerungen an
seine eigene Jugend wiedererweckt, und
zweitens wäre es eine Denknahrung, die
man für Planung und Politik dringend
benötige. Das Buch ist – hierin stimmt der Autor dieser Buchrezension mit seinem prominenten «Vorredner» überein – Planern und
Politikern wie auch Möchtegern-Planern und
-Politkern unbedingt zur Lektüre zu empfehlen!
Schwierigkeiten mit dem Titel von Paul C.
Zuckers «What your planning professors forgot to tell you» hatte Eric D. Kelly, der ehemalige Präsident der American Planning Association (APA) und Professor in Indiana. Er
bezweifelt, dass die Professoren es nicht
«vergessen» hätten, die 117 Ratschläge zu
DISP 151
2002
unterrichten. Denn in diesem Fall hätten ihnen die 117 «lessons» geläufig sein müssen.
Kelly befürchtet vielmehr, dass die Herren
Professoren wohl überwiegend zu wenig
praktische Erfahrung besässen und auch ansonsten ihre Prioritäten eher im Bereich der
demografischen Analysen, des Designs und
der Stadtentwicklung und weniger im Bereich
der Planungsmethodik gesetzt hätten. Kelly
würde daher das Buch lieber unter den Titel
«117 Lektionen, die im ersten Jahr in der Planungspraxis studiert werden sollten» stellen.
Sir Abercrombie – er entwarf den ersten
Flächennutzungsplan für London nach dem
Krieg – soll gesagt haben, ein Stadtplaner
müsse drei Sachen beherrschen: Erstens
müsse er zuhören können, zweitens alle möglichen Fehler schon einmal selbst gemacht haben und drittens müsse er wissen, dass das
Wasser nicht bergauf fliesst. Nach diesen
Kriterien untersucht, zeigen die Ratschläge
von Paul C. Zucker folgendes Bild: 10 Prozent fallen in die Kategorie der Ratschläge
zur Persönlichkeit eines Planers, 35 Prozent
betreffen die erforderliche Erfahrung, 25 Prozent das nötige Handwerkszeug, 30 Prozent
vermitteln eine eigene Philosophie von Paul
C. Zucker.
Zucker entwirft und präsentiert seine Lektionen im Zusammenhang seiner eigenen beruflichen Biografie. Er entwickelt pro lesson eine
These und gibt am Ende eine Gegenthese
oder eine Bestätigung der These. Dabei ändern sich seine Ratschläge im Laufe der Zeit
und mit wachsender Erfahrung. Dieser Erkenntniszuwachs spiegelt sich auch in seinem
Buch wider. Ein wichtiger Ratschlag Kellys
aus seiner Erfahrung als junger Stadtplaner
lautete beispielsweise: «Mach kleine Pläne,
die Leute könnten sie vielleicht verstehen»
(lesson 23). Auf diesen Ratschlag kommt er
in fortgeschrittenem Alter als Regionalplaner
zurück und ändert diesen in: «Mach keine
kleinen Pläne» (lesson 80) und «Finde die
grossen Ideen – sie verkaufen sich von
selbst» (lesson 50). Und später noch einmal
als Stadtentwickler: «Mach keine kleinen
Pläne, die grossen Ideen sind wichtiger» (lesson 101).
Andere Ratschläge Kellys sind (in der zeitlichen Reihenfolge ihres Erscheines): «In kurzen Planschritten denken, aber mit langfristigen Lösungen» (lesson 14); «Da die Zukunft
unsicher ist, sollten wir flexible Pläne machen» (lesson 48); «Grosse Pläne benötigen
einen Sponsor – umso besser, wenn er tiefe
Taschen hat» (lesson 83); «Manchmal ist der
Inkrementalismus die beste Herangehensweise» (lesson 87) – Ob hier Altersweisheit
zum Vorschein kommt?
Es ist schwer, eine Zusammenfassung von
117 Thesen und Gegenthesen zu geben. Das
Buch ist – so viel kann gesagt werden – eine
entspannende Urlaubs- oder Wochenend-Lektüre mit vielen «Ahas» oder «Genau-wie-bei
uns»-Effekten. Manchmal mündet die Lektüre
beim Leser sogar in ein befreiendes Lachen.
Die Spannweite des Buches ist sehr breit, es
geht sehr pragmatisch und beispielhaft vor:
von städtebaulichen Details wie Blumentöpfen und einem zum Sessel umgebauten Whiskeyfass bis hin zur Landes- und Umweltplanung. Und dazu gibt es auch allgemeine Lebensregeln. Ob diese Regeln und Ratschläge
alle für Europa taugen, bleibt zu bezweifeln.
Zum Glück sind wir noch nicht ganz US-amerikanisiert.
Konrad Mohrmann, Darmstadt