Was kostet der Schmerz? - Archiv - Hamburger Abendblatt

NORDDEUTSCHLAND
Montag, 19. Februar 2001
Tödliche
Unfälle mit
Autos und Zug
HA Rade/Pinneberg − Zwei
20-Jährige sind in der Nacht
zum Sonntag auf der Autobahn A 1 Hamburg− Bremen
zwischen Rade und Hollenstedt (Landkreis Harburg)
ums Leben gekommen. Der
Fahrer war mit dem Auto in
die Böschung geschleudert.
Er und ein Mitfahrer, beide
nicht angeschnallt, wurden
auf die Autobahn geschleudert und tödlich verletzt. Ein
21 Jahre alter Insasse wurde schwer verletzt.
In Oldendorf (Landkreis
Stade) fuhr der Fahrer (30)
eines VW auf einen BMW
auf, dem das Benzin ausgegangen war. Der VW prallte
gegen einen Baum; der Fahrer war sofort tot. Der BMWFahrer (21) wurde verletzt.
In Pinneberg wurde ein
24-Jähriger auf der Bahnstrecke Hamburg−Itzehoe
von einem Zug getötet. Der
Mann war wohl neben den
Schienen gegangen und vom
Luftsog des fahrenden Regionalzuges erfasst worden.
In Mecklenburg-Vorpommern endeten am Wochenende drei Fahrten an Alleebäumen. Die Todesopfer waren 36, 20 und 19 Jahre alt.
Mahnmarsch
gegen BSE-Politik
dpa Cloppenburg − Mit einem Mahnmarsch haben
1500 Bauern und Sympathisanten in Cloppenburg gegen die BSE-Politik der Bundesregierung
protestiert.
Sie forderten eine klare Entscheidung über die Finanzierung der BSE-Krise.
Autokorso für
die Bundeswehr
dpa Werlte − Mit einem Autokorso haben 300 Menschen im Emsland für den
Bundeswehrstandort Werlte
und seine 729 Arbeitsplätze
demonstriert.
Für und Wider der
anonymen Geburt
ddp Schwerin/Kiel − Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Martina Bunge (PDS) unterstützt den
Plan, anonyme Geburten in
Krankenhäusern zu legalisieren. Das sei besser, als
Frauen zu Verzweiflungstaten zu treiben. Nach Ansicht
von
Schleswig-Holsteins
Justizministerin Anne Lütkes (Grüne) können anonyme Geburten nur wenige
hochgradig belastete Konfliktsituationen entschärfen.
Erfolgreiche
Fernsehfahndung
dpa Hannover − Die Polizei
in Hannover hat einen 33Jährigen
festgenommen,
der eine Familie in Großostheim (Franken) ausgeraubt
haben soll. Ein Zuschauer
hatte den Mann am Freitagabend in der ZDF-Sendung
„Aktenzeichen XY . . . ungelöst“ erkannt und der Polizei
einen Hinweis gegeben.
Was kostet der Schmerz?
Hinterbliebene des Eschede-Unglücks fordern 550 000 Mark pro Opfer
dpa Hannover/Berlin − Zweieinhalb Jahre nach der ICE-Katastrophe von Eschede verlangen
die Hinterbliebenen der Opfer
Schmerzensgeld von der Deutschen Bahn. Sie fordern mindestens 550 000 Mark für jedes Todesopfer. Bei dem Zugunglück
am 3. Juni 1998 waren 101 Menschen ums Leben gekommen.
Bahnsprecher Dirk GrosseLeege bestätigte am Wochenende
den Eingang eines Schreibens mit
der Forderung einer Interessengemeinschaft der Hinterbliebenen von Eschede.
Der Anwalt der Interessengemeinschaft hat der Bahn nach einem Bericht des Magazins „Der
Spiegel“ eine Frist bis Ende Februar gesetzt. Danach sollen Klagen in Deutschland und den USA
eingereicht werden. Unter den
Zuginsassen befanden sich laut
Bahn auch US-Bürger.
In den USA ist gerichtlich erfahrungsgemäß ein deutlich höheres Schmerzensgeld zu erzielen als in Deutschland. Millionenund sogar Milliardenurteile sind
keine Seltenheit.
Eine Zivilklage in den USA ist
für die Selbsthilfe Eschede offenbar nicht nur eine Drohung, um
die Bahn zum Einlenken zu bewegen. Präzedenzfälle hätten gezeigt, so der Anwalt im „Spiegel“,
dass US-Gerichte sich für zuständig erklären würden, weil sowohl
Hersteller ThyssenKrupp als
auch die Bahn in den USA vertreten und geschäftlich tätig seien.
Nach Angaben eines zitierten USRechtsfachmannes liegt es im Ermessensspielraum des jeweiligen
Richters, ob das Gericht sich einer solchen Zivilklage annimmt.
Die Bahn werde die Forderung
bis zu dem verlangten Zeitpunkt
auf keinen Fall erfüllen, sagte der
Bahnsprecher. Solange das juristische Verfahren um die Katastrophe noch laufe, könne die
Bahn sich auch zu Einzelheiten
nicht äußern.
Der Sprecher wies jedoch darauf hin, dass die Bahn unabhängig von der Schuldfrage bereits
freiwillig 30 000 Mark als besondere Zuwendung für jedes Unglücksopfer an die Hinterbliebenen gezahlt habe. Sachschäden
seien in Einzelfällen mit Beträgen
von mehr als einer Million Mark
beglichen worden.
Aus den Ermittlungsakten der
Staatsanwaltschaft Lüneburg soll
eine „erhebliche Mitschuld“ der
Bahn an der Katastrophe hervorgehen. Der Anwalt sagte, die Hinterbliebenen seien nach Einsicht
in die Ermittlungsakten sicher,
dass die Bahn bis in den Vorstand
hinein gewusst habe, dass der vor
Hinterbliebene trauern am Ort des ICE-Unglücks in Eschede. Ein Foto vom zweiten Jahrestag der Katastrophe
mit 101 Toten. Für jeden einzelnen soll die Bahn jetzt 550 000 Mark Schmerzensgeld zahlen.
Foto: DDP
Zwei Beamte untersuchen die gefährliche Zerstörung.
Foto: DPA
Was die Bildungsmesse 2001 zeigt
fert Hannover − Die Zukunft des
Lernens ist von heute an in Hannover zu besichtigen − auf Europas größter Bildungsmesse. Die
schnell wachsenden Einsatzmöglichkeiten von Computer
und Multimedia in allen vier
klassischen Bildungsstufen vom
Kindergarten über Schule und
Hochschule bis zur Weiterbildung werden aber dramatisch
eingeengt: durch leere öffentliche Kassen.
Was theoretisch möglich ist,
kann man jetzt auch im Internet
nachlesen.
Unter
www.
bs-atlas.de sollen von heute an
mehr als 600 Software-Produktionen für alle Bildungsbereiche
präsentiert werden.
Die von der Technischen Universität Berlin und dem Verband der Bildungsmedien (VDS)
betriebene Datenbank „Bildungssoftwareatlas“
dürfte
Lehrende aber vor allem frustrieren. Mangels Computerausstattung der Schulen und Etats
für Software ist mit einer raschen Umsetzung in den Alltag
nicht zu rechnen.
Wie groß der Kontrast zwischen Chancen und Realitäten
ist, dafür hat unfreiwillig der
niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) das
Paradebeispiel geliefert. Er forderte kurz nach Amtsantritt publikumswirksam einen Laptop
für jeden Schüler, zu finanzieren notfalls durch Umschichtung von Mitteln, die heute für
die Lernmittelfreiheit fließen.
Für knapp eine Million Schüler an allgemein bildenden
Schulen in Niedersachsen würde das, vorsichtig geschätzt,
zwei Milliarden Mark Kosten
ausmachen. Für öffentliche
Schulbücher gab das Land im
Jahr 2000 gerade 41 Millionen
Mark aus, 7,5 Millionen Mark
weniger als ein Jahrzehnt zuvor. Bundesweit waren es 520
Millionen Mark, gegenüber 782
Millionen Mark im Jahr 1991.
Mit ihren Pilotprogrammen
zur Ausstattung der Schulen mit
Computern kommen die Länder
zudem derzeit über einen einzelnen Computer mit InternetAnschluss im Lehrerzimmer
kaum hinaus.
Über Multimedia wird viel geredet, während die bis zu 15mal ausgeliehenen Schulbücher
zerfleddern. Sie bleiben, so die
pessimistische Prognose des
VdS, noch viele Jahre das „Leitmedium“ der Schulen. Die
Fachleute würden gern ein
„Medienpaket“ einsetzen, bei
dem Bücher und Computer einander ergänzen.
Was die Bildungspolitiker auf
der Bildungsmesse zusätzlich
beschäftigen dürfte, ist dies:
Der VdS verkauft zwar jährlich
Lernsoftware für 60 Millionen
Mark, aber höchstens 20 Millionen Mark davon gehen in den
„Vormittagsmarkt“, also an
Schulen.
Steigerungsraten
beruhen
vorwiegend auf dem „Nachmittagsmarkt“, weil Eltern für ihre
Kinder in Prüfungs- und Lernhilfe-Software
investieren.
Neue Bildungschancen durch
Multimedia sind so vom Einkommen der Eltern abhängig.
Die Gewerkschaft Erziehung
und Wissenschaft (GEW) will
auf der Bildungsmesse den
nicht eingelösten Anspruch auf
Chancengleichheit im Bildungswesen thematisieren.
Bildungsministerin Edelgard
Bulmahn (SPD) kommt heute
zur Eröffnung. Erstmals tagt die
Kultusministerkonferenz
auf
der Bildungsmesse.
Die gewerbliche Wirtschaft,
so VdS-Vorstand Wolf-Dieter
Eggert, habe ihre Lektion gelernt, investiere in diesem Jahr
die Rekordsumme von 34 Milliarden Mark in Weiterbildung:
„Den Nutzen von Bildung sollten auch Bund und Länder erkennen und würdigen. In einem
rohstoffarmen
Land
wie
Deutschland ist ein hoher Qualifikationsgrad der Rohstoff.“
Die Messe erwartet bis Freitag einen Rekordbesuch von
65 000 Menschen. Lehrern
winkt Unterrichtsbefreiung.
725 Aussteller machen auf
26 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche ihre Angebote von
Büchern über Software bis zu
Schul- und Kindergartenmöbeln. Es wird mehr als 900 Seminare, Foren, Workshops und
Vorträge geben.
dem Unfall gebrochene Radreifen
ein Risiko darstellte. Aus kommerziellen Gründen habe die
Bahn dennoch das neue gummigefederte Rad der Bauart 064 unter den ICE montieren lassen.
Der Bruch des Radreifens gilt
als alleinige Ursache für das
schwerste Unglück in der Geschichte der deutschen Bahn.
dpa Lüneburg − Auf die Bahnstrecke Lüneburg−Dannenberg
ist in der Nacht zum Sonntag ein
Anschlag verübt worden. Auf der
Strecke soll Ende März ein Atommülltransport nach Gorleben rollen. Die Täter sägten zwischen
den Orten Vastorf und Bavendorf
auf beiden Seiten jeweils ein
zweieinhalb Meter langes Schienenstück heraus. Ein Zugführer
bemerkte die Zerstörung und
bremste rechtzeitig. Niemand
wurde verletzt. Vor dem Anschlag war anonym gewarnt worden. Es ist der erste vor den neuen Castor-Transporten.
L 800 Menschen haben gestern
auf dem Rathausplatz von Ahaus
(Westfalen) gegen Atommülltransporte in die Zwischenlager Gorleben und Ahaus protestiert.
Wie sicher ist die Ostsee?
Neue Debatte nach der Havarie mit einem Öltanker vor Hiddensee
dpa Stralsund − Der Zusammenstoß des Stahlfrachters „Maria“
mit dem leeren russischen Öltanker „Lena Neft“ am Freitag vor
Hiddensee hat die Diskussion um
die Sicherheit auf der Ostsee neu
entfacht. Der World Wide Fund
for Nature (WWF) und Hiddensees Bürgermeister Gino Leonhard (FDP) forderten die sofortige Einführung von Lotsenpflicht
in gefährlichen Teilen der Ostsee
sowie für Gefahrguttransporte.
Der Leiter des Amtes für Wasser und Schifffahrt Stralsund,
Falk Meyer, hält eine allgemeine
Lotsenpflicht für nicht nötig. Mit
Unfällen müsse immer gerechnet
werden, „auch bei besten Sicherheitsmaßnahmen“, sagte er.
Bei schlechter Sicht war am
Freitag um 16.10 Uhr die 223 Meter lange „Maria“, die unter maltesischer Flagge fährt, dem 124
Meter langen russischen Tanker
in die Backbordseite gefahren.
LL
Die Unglücksursache war auch
gestern noch unklar.
Verletzte gab es bei dem Unfall
zehn Seemeilen nördlich von
Dornbusch auf Hiddensee nicht.
Ein halber Kubikmeter WasserÖlgemisch aus dem Tanker floss
ins Meer − so wenig, dass es nicht
bekämpft werden musste.
Hiddensees Bürgermeister forderte eine raschere Einführung
doppelwandiger Öltanker als geplant. „Es ist nur eine Frage der
Zeit, bis hier ein richtig großer
Unfall passiert“, sagte er und
wies auf den starken Schiffsverkehr auf der Ostsee hin.
Die EU-Verkehrsminister wollen in diesem Frühjahr beschließen, dass alle Öltanker mit nur einer Rumpfwand bis spätestens
2015 aus dem Verkehr gezogen
werden. Sie sollen durch Schiffe
mit Doppelhülle ersetzt werden.
Die Ostsee gehört zu den am
dichtesten befahrenen Meeren
der Welt. Allein auf der Schifffahrtsstraße nördlich von Hiddensee verkehren jährlich etwa
60 000 Schiffe.
Die am Freitag vor Hiddensee
verunglückten Schiffe setzten ihre Fahrt 18 Stunden nach der
Kollision fort. Der Frachter reiste
mit seiner stählernen Ladung
nach Antwerpen, der Öltanker
fuhr Richtung Riga. Er wurde in
der Wirtschaftszone noch von
dem
Schadstoffbekämpfungsschiff „Scharhörn“ begleitet.
Beide Schiffe waren nach dem
Unfall ineinander verkeilt und zunächst manövrierunfähig. Sie
lösten sich aber noch am Abend
aus eigener Kraft wieder voneinander.
Die Wasserschutzpolizei und
der Bundesgrenzschutz waren an
der Unglücksstelle. Auch ein Seenotrettungskreuzer und das Ölbekämpfungsschiff waren hinzugezogen worden.
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Nr. 42
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Schwarz
E-Blau
E-Rot
E-gelb
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So schön könnte
Lernen sein
Anschlag auf die
Castor-Strecke
Weg mit der
Kurtaxe!
dpa Lübeck − Die deutsche
Ostseeküste braucht die
Ganzjahressaison, um als
Tourismusregion zu überleben. Die Kurtaxe gehört abgeschafft, der Gast muss
rund um die Uhr versorgt
werden. Das fordert der
Freizeitforscher Horst W.
Opaschowski in den „Lübecker Nachrichten“.
Hamburger Abendblatt
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