1 SWR2 MANUSKRIPT SWR2 Musikstunde „Musicus, ey potz! Vermagst Stroh zu Gold zu spinnen?!“ Literarische Musiker-Porträts (5) Mit Thomas Rübenacker Sendung: 24. Februar 2017 Redaktion: Dr. Bettina Winkler Produktion: SWR 2017 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2 … mit Thomas Rübenacker. „Musicus, ey potz! Vermagst Stroh zu Gold zu spinnen?!“ Literarische Musiker-Porträts, Teil vier. … von Thomas Rübenacker, der leider immer noch krank ist – weiterhin gute Besserung an dieser Stelle! – als Ersatz am Mikrophon: Bettina Winkler. Und unser Thema in dieser Woche: „Musicus, ey potz! Vermagst Stroh zu Gold zu spinnen?!“ Heute: Teil fünf. MUSIK Indikativ ca. 0‘30 Das Genialste an Thomas Manns Faust-Variante ist: dass er den Wissenschaftler „Zwar weiß ich viel, doch möcht' ich alles wissen!“ - zum Künstler macht, zum Komponisten. Und zwar zum umstrittensten Tonsetzer zwischen den beiden Weltkriegen, zumindest vorrangig zu einer Art Arnold Schönberg; der mag nicht der Erfinder der Dodekaphonie sein, der Zwölfton-Reihentechnik (das war sein Lehrer Josef Matthias Hauer), aber keiner hat sie so rigoros propagiert und so weit entwickelt. Natürlich geht es Thomas Mann nicht um Schönberg, sein Doktor Faustus trägt auch Züge von Franz Schreker, Gustav Mahler, Ferruccio Busoni und, ja!, Friedrich Nietzsche, der übrigens auch komponierte. Es geht Mann um den Künstler an dieser Zeitenwende, den Menschen, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Klang sucht für die immer komplexere, immer mehr sich entziehende Welt: Zwar kann ich viel, doch möcht' ich alles können! Also natürlich auch um sich selbst. Beantworten will er, ganz nebenbei, eine der größten aller Fragen: Wie kann ein Volk, das stolz ist auf seine Dichter und Denker, einem Vorstadt-Mephisto wie Adolf Hitler auf den Leim gehen? MUSIK: SCHÖNBERG, VERKLÄRTE NACHT, TRACK 3 (2:14) 1) Arnold Schönberg, Verklärte Nacht op. 4; Juilliard String Quartet, Walter Trampler, Yo-Yo Ma; Sony SK 47 690 (LC 6868) Arnold Schönberg, das Streichsextett nach Richard Dehmel, „Verklärte Nacht“ – das Opus 4 des Komponisten, ein Jugendwerk also, das Thomas Mann zwar schätzte, aber doch auch für „allzu wagner-starr“ hielt. Das Juilliard Quartet spielte, dazu Walter Trampler und Yo-Yo Ma. 3 Thomas Manns Doktor Faustus ist nicht einfach „Thomas Manns Doktor Faustus“, ein Untertitel präzisiert: „Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn erzählt von einem Freunde“. Das gehört natürlich zu den ältesten literarischen Tricks, dieses Wiederum-Entfernen, das vor einem deutschen Gericht aus einer soliden Zeugenaussage etwas machen würde, was dort Hörensagen genannt wird. Es ist eine Rückversicherung des Autors, sozusagen die Lizenz zur Falschaussage; andererseits macht es Kommentare zu den Jahren 1943 bis 47 möglich, von ebenjenem Jugendfreund Serenus Zeitblom, sodass fiktive Biographie und Zeitgeschichte deckungsgleich werden – Adrian Leverkühn ist Deutschland, und umgekehrt. All dies wiederum trifft sich mit der Genese des Werks. Der Autor hatte bereits als junger Mann den Plan, diesen deutschesten aller deutschen Mythen aufzugreifen, den des Sinnsuchers Faust. Aber es dauerte und dauerte, erst nach der riesenhaften Anstrengung der Joseph-und-seine-Brüder-Tetralogie machte sich Mann daran, die so weit verzweigten Fäden seines Faust-Stoffes miteinander zu verknüpfen – in der Weimarer Republik hätte das alles ja auch wirklich nicht spielen können. Ein Werk des Exils musste es sein, so viel ist klar. Notiert Mann im Tagebuch: „Mittwoch, 29. Januar 1947, Pacific Palisades. Klares Wetter. Schrieb um ½ 12 Uhr die letzten Worte des 'Dr. Faustus'. Bewegt immerhin. Rückblickend.“ MUSIK: BUSONI, DOKTOR FAUST, CD 1, TRACK 10 (7:46) 2) Ferruccio Busoni, Doktor Faust; Henschel, Begley, Orchestre et Choeur de l'Opéra National de Lyon, Kent Nagano; Erato 3984-25501-2 (LC 0200) Ein Ostermorgen auf der Opernbühne, der blutrot wird, als Doktor Faust den Vertrag mit Mephisto unterschreibt – in Ferruccio Busonis unvollendeter Oper „Doktor Faust“. Adrian Leverkühn bei Thomas Mann komponiert – übrigens zum ersten Mal rein dodekaphon! - ein Oratorium namens „Dr. Fausti Weheklag“, aber er kann es dann nicht mehr seinen Freunden vorspielen, weil er zusammenbricht. Mann deutet den Teufelsvertrag sehr irdisch als eine schleichend wirksame Syphiliserkrankung – die den erfolgreichen Komponisten Leverkühn nach 30 Jahren oder so einholt. Übrigens, noch ein Wort zu Ferruccio Busoni: Seine revolutionäre Veröffentlichung von 1907, „Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst“, nutzt Thomas Mann reichlich – für all die kunsttheoretischen Betrachtungen, mit denen sein Roman gepfeffert ist. Die zweite Quelle: „Philosophie der neuen Musik“ von Theodor W. Adorno, einem 4 Schönberg-Schüler und Ober-Famulus dieses Künstlerromans; Mann zitiert ihn oft nahezu wörtlich in des Teufels Text – allerdings mit Genehmigung des Autors; Adorno verdiente sich so den Ehrentitel „mein wirklich Geheimer Rat“. Denn Thomas Manns Liebe zur Musik beschränkte sich aufs Hören, und da zumeist von Wagner und Brahms … In unserer Aufnahme war Dietrich Henschel Faust, Kim Begley Mephisto, dazu Orchestre et Choeur de l'Opéra National de Lyon, die Gesamtleitung hatte Kent Nagano. Natürlich sind die beiden so unterschiedlichen Protagonistenfreunde, der nüchterne Erzähler Zeitblom und das „tragische Genie“ Leverkühn, zwei Seiten von Thomas Mann selber. Im Zeitblom entdeckte Walter Jens „des Autors humanistische Emphase, ausschweifende Erzählkunst, vertrackte Diktion und, nicht zuletzt, den Humor als Mitgift“; er vermerkt allerdings auch, „wesensverwandter ist ihm, trotz aller Dämonie und tief fragwürdigen Unheimlichkeit, der eigentliche Held des Buchs, Adrian Leverkühn, Tonsetzer und Theolog – ein Künstler vom Schlag der Gezeichneten, einerlei, ob sie nun Aschenbach (in 'Tod in Venedig') oder Nietzsche, Dostojewski oder … Goethe heißen: Goethe, wie Thomas Mann ihn in 'Lotte in Weimar' beschrieb – einen Artisten (...) von der Kälte des Interesses, aber nicht von warmem Mitgefühl bestimmt ...“ Jedenfalls ziehen sich die Gegensätze nicht nur an, sie erscheinen manchmal geradezu siamesisch verbrüdert. Mein Name ist Dr. phil. Serenus Zeitblom. Ich selbst beanstande die sonderbare Verzögerung dieser Kartenabgabe, aber, wie es sich trifft und fügt, der literarische Gang meiner Mitteilungen wollte mich bis zu diesem Augenblick nicht dazu kommen lassen. Mein Alter ist sechzig Jahre, denn A. D. 1883 wurde ich, als ältestes von vier Geschwistern, zu Kaisersaschern an der Saale, Regierungsbezirk Merseburg, geboren, derselben Stadt, in der auch Leverkühn seine gesamte Schülerzeit verbrachte, weshalb ich ihre nähere Kennzeichnung vertagen kann, bis ich zu deren Beschreibung komme. Da überhaupt mein persönlicher Lebensgang sich mit dem des Meisters vielfach verschränkt, so wird es gut sein, von beiden im Zusammenhang zu berichten, um nicht dem Fehler des Vorgreifens zu verfallen, zu welchem man, wenn das Herz voll ist, ohnedies immer neigt. 5 Sogar die musikalische Prägung der beiden Freunde ist nahezu identisch. Wir sehen das an jener Episode, wo sie gemeinsam ins Latium reisen, auf den Spuren des großen Renaissance-Komponisten Giovanni Pierluigi da Palestrina. Denn so, wie auch dieser Meister zwiegesichtig war – er komponierte ebenso sicher in „alter“ Polyphonie wie in „neuer“ Einstimmigkeit -, so sind es auch Leverkühn und Zeitblom und, qua Verlängerung, Thomas Mann. MUSIK: PALESTRINA, CD 1, TRACK 3 (5:58) 3) Giovanni Pierluigi da Palestrina, Missa Benedicta es; The Tallis Scholars, Peter Phillips; Gimell 454 890-2 (LC 8591) So weit das Kyrie aus Palestrinas „Missa Benedicta es“, gesungen von The Tallis Scholars, die Leitung hatte Peter Phillips. Adrian Leverkühns Kommunikation mit der Hölle ist ganz und gar modern, eine vielfältig fragmentierte Stimmenschar, nicht ein weißgeschminkter Harlekin, der Lästerliches absondert: Leverkühns ganze Mitwelt wispert auf ihn ein, versucht ihn zu beeinflussen, wie's die Mitwelt ja so an sich hat. Zwar tritt Mephisto im zentralen Kapitel XXV persönlich auf, gibt sich zu erkennen und plaudert mit seinem Opfer – aber man weiß nicht: Ist's ein Traum? Eine Vision? Eine Halluzination gar …? Schon der Musiklehrer Wendell Kretzschmer ist ein Verführer – zwar zur Musik, aber die gehört hier schon nicht mehr Gott allein. Das sieht man am Sektengründer Beisel, der Musik nur nachahmt – und Sirenengesang erntet, der, so Mann, „engelhaft über den Köpfen der Versammelten geschwebt“ habe, „unähnlich allem menschlich Gewohnten, unähnlich jedenfalls jedem bekannten Kirchengesang“. Hier lebt die alte Frage wieder auf, ob Musik Gott zu dienen habe – oder aber dem Menschen als pure Lustbarkeit. Auch der Privatdozent Schleppfuß, der das Geschlechtliche verteufelt, ist ein Sprachrohr Mephistos; oder der Erznazi Breisacher; der US-Gelehrte Capercailzie, der Leverkühn in der Tauchkugel mitnimmt und dann das All erklärt; der Musikagent Fitelberg, der den Komponisten zu einer Karriere à la „Bunte“ oder „Gala“ überreden will; der „Kunstnazi“ Dr. Sixtus Kridwiß; oder der hinkende Dienstmann in Leipzig, der den ortsunkundigen Leverkühn in den Puff führt. Dort waltet im übrigen Mephistos 6 wirksamstes Werkzeug: Die Hure „Esmeralda“, die Leverkühn mit Syphilis infiziert und so den Teufelspakt besiegelt. Das tut sie übrigens nicht mit Absicht. Im Gegenteil, sie warnt den Musiker sogar, aber der geht sehenden Auges ins Unglück: Mit der zersetzenden Kraft der Krankheit hofft er, die Schwelle zum Genie zu überwinden! Auch später noch beherrscht der „schwarze Engel“ Leverkühns Gedanken, als hetaera Esmeralda taucht sie, in der Tonfolge h-e-a-e-es, immer wieder in seinen Werken auf. Hans Werner Henze hat den „Doktor Faustus“ nicht vertont, das wäre ein Ding der Unmöglichkeit; selbst eine Große Oper müsste daran scheitern. Aber sein drittes Violinkonzert greift in den drei Sätzen je einen Aspekt und/oder eine Figur des Riesenwerks auf, porträtiert sie liebevoll. Im ersten Satz ist das die syphilitische Esmeralda, im zweiten „das Kind Echo“, im dritten „Rudi S.“, ein Geiger namens Rudolf Schwerdtfeger, dem alles leicht von der Hand geht, wozu Leverkühn in seiner emotionalen Kälte nicht fähig ist. Schwerdtfeger übrigens will dem Freund ein Violinkonzert schreiben, wird von diesem dann aber in den Tod gedrängt. Hören wir nun den „Esmeralda“-Satz mit Torsten Janicke und der Magdeburgischen Philharmonie unter der Leitung von Christian Ehwald. MUSIK: HENZE, VIOLINKONZERT NR. 3, (1. SATZ) (7:10) 4) Hans Werner Henze, Violinkonzert Nr. 3; M0036617 005 Hans Werner Henze als Rudi Schwerdtfeger, das Violinkonzert schreibend, das diesem verwehrt blieb: Wir hörten den 1. Satz, ein Porträt der Hure „Esmeralda“, die Adrian Leverkühn mit der Syphilis infiziert. Torsten Janicke war der Solist, Christian Ehwald leitete die Magdeburgische Philharmonie. Ich muss gestehen: Besonders gespannt war ich, wie ein Dichter vom Range Thomas Manns eine Unterhaltung mit dem Teufel gestalten würde – ungeachtet der Überlegung, ob es sich etwa um einen Traum oder eine Halluzination handle. Nun, dieses Kapitel XXV ist über weite Strecken gebaut wie ein Theaterstück; Mann schreibt nur Ich:(Doppelpunkt) oder Er:(Doppelpunkt), dann spricht der Jeweilige. Das hat mir gefallen, weil ich ein krampfhaftes Bewerten: „... sagte er mit verächtlicher Miene“ oder „... bemerkte sie hintergründig, wobei sie sich eines leisen Lachens nicht erwehren konnte“ - also das mag ich nun gar nicht leiden! Ich erinnere 7 mich an ein Vorlesen zur Nacht, als meine Kinder noch klein waren; die Autorin war eine heute hochberühmte, und nie reichte ihr ein „sagte er“ oder „sagte sie“, immer musste das Reden auch qualifiziert werden. Das lähmte beim Vorlesen geradezu den Fluss, und während ich las, langweilte ich mich selber. So also nicht. Dann mit Handkuss Er: oder Ich:. Leider aber unterscheidet sich der Dialog kaum von Thomas Manns sonstiger Schreibmanier, man redet auf beiden Seiten recht gedrechselt, eben so, wie ein deutscher Großdichter und Nobelpreisträger schreibt. Es geht um das eine, um das Meisterwerk. Er (lachend): „Eine sehr theoretische Möglichkeit, in der Tat! Mein Lieber, die Situation ist zu kritisch, als dass die Kritiklosigkeit ihr gewachsen wäre! Übrigens weise ich den Vorwurf einer tendenziösen Beleuchtung der Dinge zurück. Deinetwegen brauchen wir uns nicht mehr in dialektische Unkosten zu stürzen. Was ich nicht leugne, ist eine gewisseGenugtuung, die die Lage des 'Werkes' ganz allgemein mir gewährt. Ich bin gegen die Werke im großen ganzen. Wie sollte ich nicht einiges Vergnügen finden an der Unpässlichkeit, von der die Idee des musikalischen Werkes befallen ist! Schiebe sie nicht auf gesellschaftliche Zustände! Ich weiß, du neigst dazu und pflegst zu sagen, dass diese Zustände nichts vorgeben, was verbindlich und bestätigt genug wäre, die Harmonie des selbstgenügsamen Werks zu gewährleisten. (…) Die prohibitiven Schwierigkeiten des Werks liegen tief in ihm selbst. Die historische Bewegung des Materials hat sich gegen das geschlossene Werk gekehrt. Es schrumpft in der Zeit, es verschmäht die Ausdehnung in der Zeit, die der Raum des musikalischen Werkes ist, und lässt ihn leer stehen.“ Gedankentief. Aber ich muss sagen: Ein bisschen raschelt es mir hier. Ich würde diesen Text nicht gerne am Bett einer sterbenskranken Tante vorlesen, so viel ist sicher. Dabei gibt es eine Oper, die in Deutschland damals noch wenige kannten, aber einer davon war Thomas Mann. Und in einem Brief an Katia schwelgt er vor allem von den „knisternd-quasierotischen Dialogen, die sich Faust und Mefistofele um die Ohren schleudern“ - ja, gemeint ist der „Mefistofele“, den Giuseppe Verdis bester Textdichter, Arrigo Boito, auch selbst komponierte. Er bekümmert sich kaum um die Unmöglichkeit, bestimmte Dinge noch auszusprechen; er spricht sie aus – 8 und befördert so das Denken darüber eher, als ein selbstungewisses Verstummen es täte. MUSIK: BOITO, MEFISTOFELE, CD 1, TRACKS 11, 12 + 13 (10:04;leicht anblenden!) 4) Arrigo Boito, Mefistofele; Luciano Pavarotti, Nicolai Ghiaurov, National Philharmonic Orchestra, Oliviero de Fabritiis; Decca 410 175-2 (LC 0171) Arrigo Boito, „Mefistofele“, mit Luciano Pavarotti und Nicolai Ghiaurov in den Rollen der beiden Widersacher, das National Philharmonic Orchestra spielte, der Dirigent war Oliviero de Fabritiis. Musiktheorie wird reichlich gesponnen im „Doktor Faustus“, aber tatsächlich existierende Musikstücke nennt Thomas Mann so gut wie nie. Ein kleines Klavierstück allerdings erwähnt er gleich an zwei Stellen, ein Apercu, eine stille Liebe Adrian Leverkühns. Es stammt von Franz Schubert und macht den Eindruck, ohne große Ambition auf einer Manschette notiert zu sein: Die „Ungarische Melodie“ hmoll. An ihr liebt Leverkühn das „Sanguinische“, das „scheinbar Gleitende, in Wahrheit Stürzende“, die ganze „unterspielt-genialische Haltung auf geringstem Raume“. Einer von Schuberts Freunden hat ja mal berichtet, der Franzl verwahre des Nachts Brille, Papier, Feder und Tinte auf dem „Nachtkastl“, damit er eventuelle Traumeinfälle nach dem Erwachen gleich niederschreiben könne. Nun, vielleicht war dieser „Ungarische Melodie“ ein solcher. Auf jeden Fall neidet ihn Leverkühn dem Schubert-Franzl ein wenig; ja, er deutet einmal sogar an, dass er sich nicht den Rücken hätte krumm machen müssen und eine neue Kompositionsweise erfinden – wenn er so etwas hätte schreiben können! Alfred Brendel spielt. MUSIK: SCHUBERT, UNGARISCHE MELODIE, TRACK 5 (3:24) 5) Franz Schubert, Ungarische Melodie; Alfred Brendel; Philips 422 229-2 (LC 0305) 9 Die heutige Musikstunde ging zu Ende mit der Ungarischen Melodie von Franz Schubert, gespielt von Alfred Brendel. Literarische Musikerporträts waren das Thema dieser Musikstundenwoche von Thomas Rübenacker, den eine heftige Erkältung vom Mikrophon ferngehalten hat. Ihre Stimme hat ihm Bettina Winkler geliehen, die noch einmal gute Besserung wünscht! Und wie immer gilt: Sie können die Musikstunden auf www.swr2.de nachhören, dort finden Sie auch die Manuskripte. Morgen gibt es dann wieder die Musikalische Monatsrevue mit Lars Reichow, der einen nicht immer ernst gemeinten Blick auf die vergangen vier Wochen wirft.
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