SWR2 Wissen – Programmübersicht Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr im Radio Januar 2017 Sonntag, 1. Januar Aula: Gib dem Zufall eine Chance Warum die Welt nicht planbar ist Von Vince Ebert „Der Zufall unterliegt keinem Algorithmus“, sagt der Physiker und Wissenschaftskabarettist Vince Ebert. In diesem Sinne symbolisiert der Zufall das Nicht-Planbare, das Chaos, dem wir auch mit noch so hochgerüsteter Software nicht beikommen können. Leider gibt es in vielen Bereichen wie der Wirtschaft immer noch ein Denken, das der Ideologie der Planbarkeit anhängt. Vince Ebert zeigt, warum das eine Sackgasse ist. (Produktion 2015) Montag, 2. Januar Mehr „Science“ als „Fiction“ Der Einfluss wissenschaftlicher Berater auf Science-Fiction-Filme Von Guido Meyer Ist es möglich, wie im Film „Jurassic Park“, aus versteinerter DNA Dinosaurier zu züchten? Für solche wissenschaftlichen Erklärungen greifen die Produzenten von Science-Fiction-Filmen sicherheitshalber auf Experten zurück, die mehr davon verstehen als Hollywoods Drehbuchautoren. So hat eine Botanikerin für den Film Avatar die fiktive Pflanzenwelt auf dem Mond Pandora entworfen und ein Linguist hat eine eigene Sprache für die Avatar-Wesen entwickelt. Für den Film „Interstellar“ hat ein Astrophysiker die Produzenten in Sachen Schwarzes Loch und Wurmloch beraten. Ob die Filmemacher aber immer auf die wissenschaftlichen Besserwisser hören, das ist eine andere Frage. Denn sachliche Fehler, die passieren trotzdem ... (Produktion 2015) Dienstag, 3. Januar Die Wiederbelebung schrumpfender Dörfer Von Dirk Asendorpf Kein Laden, kein Arzt, keine Kneipe und viel Leerstand – demografischer Wandel und Abwanderung in die Städte gefährden das Landleben. Doch das Schrumpfen der Bevölkerung muss nicht zwangsläufig zu Niedergang und Verödung führen. Bundesweit wird nach Rezepten zur Wiederbelebung der Dörfer gesucht – im dünn besiedelten Osten, aber auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Entscheidend ist das Engagement einzelner Bürger. Wo sie den Dorfumbau aktiv in die Hand nehmen, wird das Landleben wieder attraktiv. Nachbarschaftshilfe, regionale Kooperation und moderne Informationstechnik können dabei helfen. (Produktion 2015) Mittwoch, 4. Januar Trimm Dich krank Gesundheitliche Schäden durch Freizeitsport Von Peggy Fuhrmann Etwa zwei Millionen Menschen in Deutschland verletzen sich jährlich beim Freizeitsport. Und es werden immer mehr, weil die Risikobereitschaft der Hobbysportler wächst. Besonders viele Unfälle passieren beim Fußball, Handball, Reiten und Skifahren. Aber auch Fitnesstraining und als sanft geltende Übungen wie bei Yoga oder Pilates können Verletzungen verursachen. Diese Gefahr steigt, weil immer mehr Fitness-Freunde nicht mehr mit einem Trainer üben, sondern mit einer App. Doch wer unter fachkundiger Anleitung lernt, sich konsequent vor dem Sport aufwärmt und persönliche Belastungsgrenzen berücksichtigt, hat ein deutlich kleineres Verletzungsrisiko. (Produktion 2015) SWR2 Wissen – Januar 2017 2 Donnerstag, 5. Januar David Bowie – Chamäleon der Popkultur Von Manfred Heinfeldner Selten lagen Triumph und Tod bei einem Künstler so nahe beieinander wie bei David Bowie. Vor einem Jahr, am 10. Januar 2016, starb der britische Kultmusiker im Alter von 69 Jahren. Wenige Tage vorher hatten seine Fans noch das neue Album „Black Star“ gefeiert. Bowie war einer der großen Stars des 20. Jahrhunderts – und ein Chamäleon der Popkultur. Seine Wandelbarkeit ist Legende: Er gilt als Miterfinder des Glam-Rock, produzierte eingängigen Disco-Pop und experimentierte mit Sounds und Stilen jenseits aller Schubladen. Zugleich entwickelte der „Mann aus Eis“ die Künstlichkeit zum Performance-Prinzip; seine Shows waren perfekt choreografierte theatralische Gesamtkunstwerke. Was fasziniert so an diesem Mann, der sich immer wieder neu erfand? Freitag, 6. Januar Aula: Krank, asozial, kreativ Der Mythos von Genie und Wahnsinn Von Rainer Holm-Hadulla Die Geschichte des genialen Mathematikers und Spieltheoretikers John Forbes Nash wurde für das Kino verfilmt und begeisterte ein Massenpublikum. Nash litt unter Schizophrenie und gewann den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Er fasziniert bis heute, weil er einen Mythos verkörpert, der besagt: Kreative geistige Höchstleistungen entspringen eben nicht einem „normalen“ konventionellen Geist, sondern einem, der Grenzgebiete erkundet und alles andere als alltagstauglich ist. Doch stimmt das? Was ist dran am Mythos vom wahnsinnigen Genie? Antworten gibt Rainer Holm-Hadulla, Professor für psychotherapeutische Medizin an der Universität Heidelberg. Samstag, 7. Januar Schulfach Programmieren Von Silvia Plahl In Polen, Großbritannien und den Niederlanden wird Informatik meist ab Schuleintritt gelehrt – nicht aber in Deutschland, obwohl das Programmieren als Schlüsseltechnologe des 21. Jahrhunderts gilt. Nur wer die Technik beherrscht, kann auch die digitale Gesellschaft mitgestalten. Doch an deutschen Schulen werden die Grundlagen der Maschinensprache offenbar nicht als Teil der Allgemeinbildung verstanden. Erst Universitäten und junge Start-Up-Unternehmen schließen dann später die Lücke. Brauchen wir ein Schulfach Informatik? (Produktion 2015) Sonntag, 8. Januar Aula: Kaltes Leben Über die Renaissance des Begriffs „Verdinglichung“ Von Axel Honneth In den 20er- und 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts war „Verdinglichung“ ein Leitmotiv der Sozialund Kulturkritik. Verbunden waren damit zugleich folgende Diagnosen: Menschliche Beziehungen werden dominiert vom nüchtern-pragmatischen Zweckdenken, die Liebe zu den Dingen macht einer kalten Verfügbarkeitsideologie Platz, eine Ökonomisierung aller gesellschaftlichen Bereiche lässt Empathie kaum mehr zu. Und genau dieser Begriff „Verdinglichung“ erfährt heute wieder eine Aktualisierung. Professor Axel Honneth, Direktor des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, erläutert diesen Zusammenhang. (Produktion 2016) Montag, 9. Januar Rechtlos – Frauen unter dem IS Von Anne Allmeling und Anna Osius Irakische Streitkräfte und ihre Verbündeten versuchen die Großstadt Mossul vom IS zu befreien. Geflohene Bewohner berichten von Gräueltaten und Hinrichtungen. Vor allem Frauen haben es schwer unter den Dschihadisten: Sie dürfen das Haus nur vollverschleiert verlassen, werden gedemütigt und gefoltert. Mehrere tausend Jesidinnen sind in Mossul immer noch in den Händen der SWR2 Wissen – Januar 2017 3 Terroristen - sie wurden ve rsklavt und unter IS-Kämpfern verkauft. Gegen solchen Terror greifen manche Frauen selbst zu den Waffen: Kurdische Peschmerga haben mehrere Einheiten, die nur aus Frauen bestehen. Sie kämpfen gegen den IS, für das kurdische Volk - aber auch für Gleichberechtigung und Frauenrechte. Dienstag, 10. Januar Verloren im Eis Shackletons Rossmeer-Gruppe Von Udo Zindel Es hätte die großartigste Polarfahrt ihrer Zeit werden sollen: 1915 plante Sir Ernest Shackleton, mit fünf Gefährten und 100 Schlittenhunden das noch weitgehend unerforschte Innere der Antarktis zu durchqueren, 3000 Kilometer weit, von Küste zu Küste. Dafür begann ein zweiter Teil der Expedition – die Rossmeer-Gruppe – auf der anderen Seite der Antarktis lebensrettende Lebensmitteldepots anzulegen. Doch Shackletons Schiff Endurance wurde auf der Anreise vom Eis zerdrückt. Unter unsäglichen Mühsalen überlebte die Besatzung die folgenden zehn Monate, in der größten Wildnis der Erde. Erfolgreich war nur die Rossmeer-Gruppe: Obwohl sie Kontakt zu ihrem Schiff Aurora verlor, schaffte sie es, alle Depots anzulegen – trotz Skorbut, ständiger Blizzards und miserabler Ausrüstung. Eine beispiellose Leistung, die drei Männer das Leben kostete – und letztlich sinnlos blieb. Mittwoch, 11. Januar Exoplaneten Die Suche nach einer zweiten Erde Von Guido Meyer Unser Planetensystem hat keine Sonderstellung im All inne. Immer wieder entdecken Astronomen neue „exosolare“ Planeten, mittlerweile sind es fast 4000. Exosolar bedeutet, dass die Planeten um andere Sterne kreisen als um unsere Sonne. Im August 2016 konnten Forscher mit „Proxima b“ in unserer kosmischen Nachbarschaft den bislang erdnächsten Exoplaneten nachweisen. Aber ist er auch erdähnlich? Besitzt er eine Atmosphäre so wie die Erde? Es zeigt sich, dass Exoplaneten in allen Größen, Formen und in unterschiedlichen Entfernungen zu unserem Sonnensystem existieren. Donnerstag, 12. Januar Friedrich Dürrenmatt: „Der Besuch der alten Dame“ Wir sind käuflich – es geht uns gut Aus der Reihe: Klassiker der Schullektüre (3/3) Von Eberhard Falcke Mit dem Theaterstück „Der Besuch der alten Dame“ (1956) ist Friedrich Dürrenmatt eine AllzeitParabel auf die Korrumpierbarkeit gelungen. Die Geschichte über das notleidende Städtchen Güllen und seine ausgestoßene Tochter, die zur rachsüchtigen Milliardärin wird, ist ein Dauerbrenner auf deutschen Bühnen. Wie elastisch wird Moral, wenn Geld lockt? Wann kippt die Sorge ums Gemeinwohl um in Gemeinheit? Wo verkehrt sich die Forderung nach Gerechtigkeit zu Tyrannei? Dürrenmatt zeigt, wie diese Fragen unablässig in Bewegung bleiben. Denn Güllen ist überall: Produktionsstandorte werden aufgegeben, Gemeinden stürzen in wirtschaftliche Depressionen, in kommunalen Kassen herrscht Ebbe. Mancher mag da auf den Besuch einer Milliardärin hoffen, die einen unerhörten Geldsegen in Aussicht stellt, wenn nur ein paar Bedingungen erfüllt werden. Freitag, 13. Januar Archivradiogespräch: Menschenraub im Kalten Krieg Der Fall von Dr. Walter Linse Gábor Paál im Gespräch mit Wolfgang Bauernfeind Bis zum Mauerbau 1961 ließ die Stasi in West-Deutschland Hunderte von Personen entführen: Regimegegner, abtrünnige SED-Funktionäre, Flüchtlinge, mutmaßliche Agenten. Besonderes Aufsehen erregte 1952 der Fall des Menschenrechtsaktivisten Walter Linse: Bei hellichtem Tag wurde er vor der eigenen Haustür zusammen geschlagen, in ein Auto gezerrt und nach Ost-Berlin gebracht. Dass er ein Jahr später in Moskau zum Tode verurteilt wurde, erfuhr die Öffentlichkeit erst viel später. SWR2 Wissen – Januar 2017 4 Das SWR2 Archivradio dokumentiert den Fall Linse in zahlreichen historischen Tonaufnahmen – kommentiert vom Journalisten Wolfgang Bauernfeind, der jene Zeit in einem Buch aufgearbeitet hat. Buchtipp: Wolfgang Bauernfeind: Menschenraub im Kalten Krieg. Täter, Opfer, Hintergründe. Mitteldeutscher Verlag, 2016. Samstag, 14. Januar Schule als Spiel – Leben als Schule Die Pädagogik des Johann Amos Comenius Aus der Reihe: Große Erzieher (1/4) Von Sabine Stahl „Erstes und letztes Ziel unserer Didaktik soll es sein, die Unterrichtsweise aufzuspüren und zu erkunden, bei welcher die Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler dennoch mehr lernen; in den Schulen weniger Lärm, Überdruss und unnütze Mühe herrsche ...“ So schrieb Johann Amos Comenius 1657 in, so scheint es, zeitlos gültigen Worten. Die Schule sollte eine „liebliche Stätte der Menschlichkeit“ für Mädchen und Jungen jeden Standes sein, in der sie das Rüstzeug für das spätere Leben erhalten. Comenius’ Forderungen würden wir heute als Chancengleichheit bezeichnen, prozessuales Lernen und Anschauungsunterricht – und sie klingen für manchen genauso aktuell wie seine Idee vom lebenslangen Bildungsprozess oder seine friedenspädagogischen Appelle. Comenius (1592 – 1670) wird das „erste große geschlossene System der Pädagogik“ zugeschrieben. Doch er war nicht nur Didaktiker und Philosoph, sondern in erster Linie ein Mann Gottes: „Was ich für die Jugend schrieb, habe ich als Theologe, nicht als Pädagoge, verfasst.“ (Produktion 2008) Sonntag, 15. Januar Aula: Starke Märkte, schwacher Staat (1/2) Warum der Kapitalismus die Demokratie bedroht Von Wolfgang Streeck Die Finanz-, Fiskal- und Wirtschaftskrise ist ein Resultat eines langen Umbaus des Sozialstaates in eine neoliberale Demokratie, die immer mehr Macht und Verantwortung an die Märkte abgegeben hat, an das starke Kapital. Aus der neuen Spannung zwischen Kapitalismus und Demokratie, zwischen den Kapitalinteressen und den Interessen der Bürger, Politiker und Staaten entstehen neue Konflikte und Krisen, die das demokratische System bedrohen. Professor Wolfgang Streeck, Direktor am MaxPlanck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln, beschreibt in zwei Teilen Ursachen dieser Entwicklung und zeigt Auswege. (Teil 2, Sonntag, 22. Januar, 8.30 Uhr) Montag, 16. Januar PFC – Gift in Umwelt, Tier und Mensch Von Alice Thiel-Sonnen PFC, kurz für per- und polyfluorierte Chemikalien, sind Stoffe, deren Eigenschaften wir uns gerne zunutze machen: Sie weisen Wasser, Öl und Schmutz ab und sind in Regenjacken, Fassadenfarben, Pommes-Schälchen und Feuerlöschschaum. PFC tauchen allerdings auch in der Leber von Eisbären auf, in Meeresproben, in Angelweihern, Trinkwasser oder auf Äckern. Das ist ein Problem, denn viele von ihnen sind krebserregend und einige stören den Hormonhaushalt. Einmal in die Umwelt gelangt, bauen sie sich kaum ab. Nach und nach werden immer mehr Fälle von PFC-Verunreinigungen bekannt, auch im Südwesten. Dienstag, 17. Januar Bester Freund der Menschen Die Deutschen und ihre Hunde Von Detlef Berentzen In Deutschland leben 7,9 Millionen Hunde: als Familien-, Schoß-, Dienst- und Assistenzhunde, gern auch als letzte Gegeneinsamkeit. Hunderassen und Hundemoden unterliegen aktuellen Trends, die Designs von Hundefutter wechseln ständig und attraktive Vierbeiner träumen längst von einer Modelkarriere. In der Regel gilt: Das Verhältnis zum Hund ist psychologisch eng ... und es hat eine hoch interessante Geschichte. Die historische Entwicklung der Beziehungen von Herr, Dame und SWR2 Wissen – Januar 2017 5 Hund spiegelt facettenreich die Veränderung von Moral, Kultur, Zivilisation und Psychologie der Deutschen. Der Hund, seine Zucht, seine Dressur, seine Haltung sind ein veritabler Spiegel gesellschaftlicher Zustände. Detlef Berentzen trifft Menschen und ihre Hunde, erforscht und besichtigt deren Kulturgeschichte und debattiert mit engagierten Forschern. Mittwoch, 18. Januar Therapie mit Überdruck Behandlungen in der Tieftauchkammer Von Mirko Smiljanic Für Taucher ist die Überdruckkammer lebensrettend. Sie werden dort auf die Tiefe gebracht, aus der sie zu schnell aufgestiegen sind. Dadurch, dass die Patienten reinen Sauerstoff einatmen, kann der zu viel gelöste Stickstoff aus dem Gewebe heraus transportiert werden. Dramatische Gesundheitsschäden werden vermieden. Die „hyperbare Sauerstofftherapie“ kann aber noch mehr. Sie reduziert Ödeme, fördert die Neubildung von Blutgefäßen, verdrängt Giftstoffe wie Kohlenmonoxid, baut Luftblockaden in Blutgefäßen ab, wird bei Tinnitus eingesetzt und seit einiger Zeit sogar zur Behandlung von Krebs bei Kindern: Einige sauerstoffgesättigte Tumore lassen sich besonders gut bestrahlen. Die Überdruckkammer der Uniklinik Düsseldorf ist speziell dafür konstruiert worden. Donnerstag, 19. Januar Geheimlabor Obninsk Erinnerungen an ein sowjetisches Atomprojekt Von Gisela Erbslöh Sowjetunion, 1948: Versteckt in einem Wald, rund 100 Kilometer südwestlich von Moskau, wird ein geheimes Laboratorium für die Atomforschung aufgebaut. Die Regierung hat dafür auch deutsche Wissenschaftler angeworben. Sie leben hier mit ihren Familien und sind zu strikter Geheimhaltung verpflichtet. Den Arbeitsalltag teilen sie sich freilich mit russischen Mitarbeitern. Privater Kontakt zwischen Deutschen und Russen ist jedoch untersagt, und lange wissen viele von ihnen nicht, wofür sie eigentlich arbeiten. Rund um das Geheimlabor entstand mit der Zeit die Wissenschaftsstadt Obninsk, in der heute noch einige der ehemaligen russischen Mitarbeiter leben. Über 60 Jahre später erinnern sie sich an den Beginn des Kalten Krieges und das eigentümliche Zusammenleben mit den deutschen Forschern im Geheimlabor. (Produktion 2014) Freitag, 20. Januar Stille Gegner – Quäker in der NS-Zeit Von Hans Rubinich In den 1930er-Jahren spitzte sich in Deutschland die Lage zu für politisch Andersdenkende und für Menschen jüdischen Glaubens. Spätestens nach den Pogromen im November 1938 mussten Juden aus Deutschland fliehen, um ihr Leben zu retten. Bei ihrer Flucht half ihnen auch eine Gruppe von Menschen, die bisher kaum beleuchtet wurde: die Glaubensgemeinschaft der Quäker. Hans Rubinich hat über diese „Stillen Helfer“ recherchiert und auch mit der Quäkerin Giesela Faust gesprochen. Die heute 95-Jährige hat hautnah miterlebt, wie es den Quäkern in den 30er- und 40er-Jahren gelang, Menschen zur Flucht aus Deutschland zu verhelfen. (Produktion 2016) Samstag, 21. Januar Supernanny liest Rousseau Lernen vom Vater des „Émile“ Aus der Reihe: Große Erzieher (2/4) Von Beate Krol Man könnte ihn auch einen „pädagogischen Totalversager“ schimpfen: Erst macht Jean-Jacques Rousseau als Privatlehrer dieselben Fehler, die er bei seinen eigenen Erziehern aufs Schärfste kritisiert hatte. Dann schiebt er – einer gesellschaftlichen Mode folgend – seine fünf Kinder in Waisenhäuser ab. Doch so sehr der Philosoph und Schriftsteller in der Praxis auch gescheitert ist, so grandios und wegweisend ist sein 1762 erschienener Erziehungsroman „Émile“. Rousseau entwirft in dem tausend Seiten starken Werk nicht nur die erste Pädagogik vom Kind aus. Er benutzt auch SWR2 Wissen – Januar 2017 6 erstmals das Alter als Ordnungsschema und weist auf den Eigenwert von Kindheit und Jugend hin. Hinzu kommt ein klarer Blick für die Spannungsmomente einer Erziehung in der Moderne. Ein Blick, dem man auch die aktuellen pädagogischen Debatten noch unterziehen kann. Was würde der Vater des „Émile“ zu PISA, Werteerziehung und Supernanny sagen? (Produktion 2008) Sonntag, 22. Januar Aula: Starke Märkte, schwacher Staat (2/2) Warum der Kapitalismus die Demokratie bedroht Von Wolfgang Streeck Die Finanz-, Fiskal- und Wirtschaftskrise ist ein Resultat eines langen Umbaus des Sozialstaates in eine neoliberale Demokratie, die immer mehr Macht und Verantwortung an die Märkte abgegeben hat, an das starke Kapital. Aus der neuen Spannung zwischen Kapitalismus und Demokratie, zwischen den Kapitalinteressen und den Interessen der Bürger, Politiker und Staaten entstehen neue Konflikte und Krisen, die das demokratische System bedrohen. Professor Wolfgang Streeck, Direktor am MaxPlanck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln, beschreibt in zwei Teilen Ursachen dieser Entwicklung und zeigt Auswege. Montag, 23. Januar Macht der Raketen Der drohende Krieg in Ostasien Von Michael Hänel Gegenseitige Rücksichtnahme ist in Ostasien gelebte Alltagskultur. Ganz anders, wenn es um die nationale Verteidigung geht. Seit 1500 Jahren kämpfen Japan, China und Korea um die regionale Dominanz. Einst mit Holzschiffen des Feldherren Hideyoshi im 16. Jahrhundert beim Versuch Korea zu erobern, oder mit den Panzern der Kaiserlichen Armee bei der Unterwerfung der Mandschurei ab 1937. Heute sind es die chinesischen Atom-U-Boote und „Carrier Killer“-Raketen, die auch die militärische Überlegenheit der USA infrage stellen. Dabei hätte jeder militärische Konflikt weltweite ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen. Heute gilt in Ostasien die Macht der Raketen. Dienstag, 24. Januar Absturz in Zeitlupe: Der Krisenstaat Ägypten Von Jürgen Stryjak Als Mubarak 2011 entmachtet wurde, wollten die Ägypter einen neuen, freieren Staat schaffen. Jetzt steht das Land am Abgrund. Wegen des enormen Bevölkerungswachstums müssen jedes Jahr zwei Millionen Ägypter mehr versorgt werden. Derzeit leben 90 Millionen Menschen auf einer Fläche so groß wie Bayern, der Rest ist Wüste. Es mangelt an Touristen, Rohstoffen, Wasser – und an Geld. Ägypten ist pleite und die Sponsoren vom Golf wollen nicht länger zahlen. Und es mangelt an Aufbruchsstimmung, weil das Regime von Präsident Al-Sisi die Zivilgesellschaft lähmt. Es lässt immer mehr Gefängnisse bauen, weil es Angst vor Extremisten und demokratisch gesinnten Aktivisten hat. Angesichts der Repressalien erwartet kaum einer eine neue Revolution, stattdessen befürchten viele Hungerrevolten. Mittwoch, 25. Januar Von BUND bis DUH Wie Umweltorganisationen Politik machen Von Anja Schrum und Ernst-Ludwig von Aster Egal ob groß oder klein, Umweltorganisationen haben Macht. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) zählt über 500.000 Mitglieder, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nur 300. Trotzdem gehören beide zu den schlagkräftigsten Umweltorganisationen der Republik. „Die Umweltszene hat sich in den letzten Jahren stark professionalisiert“, beobachtet der Soziologe und Protestforscher Prof. Dieter Rucht. BUND und Nabu mobilisieren die Basis, die DUH und Greenpeace kämpfen vor Gericht, damit Umweltstandards gesetzt oder eingehalten werden. Das Internet bietet bei Konfliktthemen zudem die Möglichkeit, binnen kürzester Zeit Zehntausende Unterschriften zu organisieren. Während Vereine und Kirchen über Mitgliederschwund klagen, wächst die Zahl der Umweltengagierten in den Verbänden. SWR2 Wissen – Januar 2017 7 Donnerstag, 26. Januar Whistleblower – Helden oder Verräter? Von Karin Lamsfuß Wiki-Leaks, Doping-Skandal, Panama-Papers – wer Missstände im großen Stil enthüllt, wird von der Öffentlichkeit meist als Held gefeiert. Doch es gibt auch weniger spektakuläre Fälle: Immer wieder weisen einzelne Mitarbeiter auf Vernachlässigung in Pflegeheimen hin, melden Korruption im Baugewerbe oder Schlamperei bei Umweltauflagen. Dabei riskieren sie nicht selten ihren Arbeitsplatz. Der Hinweisgeber wird als Nestbeschmutzer und Verräter betrachtet und oftmals kaltgestellt. Deutschland liegt einer Studie zufolge beim Schutz von Whistleblowern weit unter dem Durchschnitt. Viele Organisationen fordern deshalb ein Gesetz, das die Informanten schützt. Denn ihr Mut, Missstände zu benennen, dient dem Wohl der Öffentlichkeit. Freitag, 27. Januar Zuflucht auf der Alb Die Mendelssohns im Nationalsozialismus Von Eckhard Rahlenbeck Im Nationalsozialismus verlassen die großbürgerlichen, jüdischen Mendelssohns ihre Villa in Berlin und ziehen sich auf die Schwäbische Alb zurück. Die einflussreiche Familie, aus der der Philosoph Moses Mendelssohn und der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy stammen, hatte eine der größten Privatbanken Europas aufgebaut. In ihrem Zufluchtsort, dem Georgenhof bei Zwiefalten, umgeben sie edles Mobiliar und bedeutende Kunstwerke; Hauskonzerte werden auf einer Stradivari gespielt. Andererseits müssen sie eine immer größere Schar ausgebombter Familienangehöriger durchbringen. Die Frau des Hausherrn wird denunziert und wochenlang im Gestapo-Gefängnis inhaftiert. Nach Kriegsende überfallen marodierende Banden den Georgenhof, bis französischen Besatzer wieder für Sicherheit sorgen. Samstag, 28. Januar „Hilf mir, es selbst zu tun!“ Maria Montessori und die kindliche Entwicklung Aus der Reihe: Große Erzieher (3/4) Von Andrea Edler Vor 100 Jahren eröffnete Maria Montessori in Rom ihr erstes Kinderhaus. Das 1907 gegründete „Casa dei Bambini“ gilt als Geburtsstätte der Montessori-Pädagogik. Dabei wollte die damals 37-jährige Medizinerin zunächst gar keine neue Erziehungsmethode begründen. Sie interessierte sich für die biologische Entwicklung des Kindes und für die Frage, wie sich Kinder gemäß ihres natürlichen Potentials und mit so wenig Erziehung wie möglich selbständig entwickeln. „Hilf mir, es selbst zu tun“ – dieser Ansatz Maria Montessoris durchwirkt längst unser Bildungssystem. Streitbar dagegen bleiben die Person und ihr Entwurf einer „kosmischen Erziehung“. Doch ihre Vision, mit einer neuen Erziehung auch eine „bessere“ Menschheit zu erschaffen, ist unter anderem der Schlüssel für ihren Welterfolg. Auch der heutige Montessori-Boom entspringt dem Bedürfnis vieler Eltern nach einem Lernumfeld, in dem Bildung mehr bedeutet als Leistung und Zensuren. (Produktion 2008) Sonntag, 29. Januar Aula: Leben auf Kosten anderer Die Struktur der Externalisierungsgesellschaft Von Stephan Lessenich Wir lagern die sozialen und ökologischen Kosten unseres Wohlstands systematisch aus. Diesen Prozess beschreibt der Begriff „Externalisierung“. Es wird dabei vom Zentrum in die Peripherie ausgelagert – von der entwickelten zur nicht entwickelten Welt. Wir beuten Rohstoffe in Afrika, Asien, Lateinamerika aus und lassen die Menschen dort mit den oft katastrophalen Folgen allein. Wir profitieren von Kinderarbeit, weil wir billige T-Shirts und ebenso billige Handys wollen, dabei blenden wir konsequent die sozialen und ökologischen Wirkungen unseres Handelns aus. Professor Stephan Lessenich, Soziologe an der LMU München, macht deutlich, warum es so nicht weiter gehen kann. SWR2 Wissen – Januar 2017 8 Montag, 30. Januar Gebärmuttertransplantationen Von Christine Westerhaus Im Oktober 2016 ist es einem Ärzteteam in Tübingen erstmals in Deutschland gelungen, einer Frau den Uterus einer Spenderin einzupflanzen. Erste Erfolge gab es bereits in Schweden – dort wurde im September 2014 Vincent geboren, das erste Baby weltweit, das in einer gespendeten Gebärmutter herangereift ist. Später kamen vier weitere Kinder auf diesem Weg zur Welt. Doch der neue Weg zum eigenen Kind ist mit hohen Kosten und großen Risiken verbunden – nicht nur für die Mutter, auch für die Frau, die das Organ spendet. Bisher gibt es keine Langzeiterfahrungen. Und es gäbe Alternativen. Dazu kommen ethische Fragen. Dienstag, 31. Januar Yosemite – Der zweitälteste Nationalpark der USA Von Wolfgang Stuflesser Vier Millionen Menschen jährlich besuchen den Yosemite Nationalpark, vier Autostunden östlich von San Francisco. Ein einzigartiges Stück Natur, mit riesigen Granitwänden, kristallklaren Wasserfällen und Jahrtausende alten Mammutbäumen. Auf der Suche nach Ausgleich zwischen dem Ansturm der Touristen und dem Naturschutz geht die Parkverwaltung inzwischen ungewöhnliche Wege: Asphaltierte Wege werden rückgebaut, Souvenirläden versetzt, ganze Mammutbaum-Wälder über Jahre gesperrt. „Unsere beste Idee“, nannte der amerikanische Schriftsteller Wallace Stegner die Nationalparks. Im 19. Jahrhundert war es in der Tat visionär, weite Flächen des amerikanischen Kontinents zum Wohle aller von wirtschaftlicher Nutzung auszunehmen und zu bewahren. Bis heute verkörpern die Parks auch den Stolz der Amerikaner auf ihre Jahrhunderte alte Demokratie. SWR2 Wissen – Januar 2017 WISSENSCHAFT UND BILDUNG IN SWR2 SWR2 Campus Wissenschaft lebt! Samstag, 10.05 – 10.30 Uhr Was treibt die Wissenschaft gerade – und was treibt sie um? SWR2 Campus informiert über aktuelle Trends und ordnet neue Forschungsergebnisse ein. Was bedeuten sie wirklich? Wie passen sie mit anderen zusammen? Anders als oft dargestellt, ist Wissenschaft nicht die Abfolge von „Durchbrüchen“. Wissenschaft streitet und kämpft. Sie steht in Wechselwirkung mit Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir berichten deshalb auch über Entwicklungen im Wissenschaftssystem: Wohin führt die derzeitige Hochschul- und Forschungspolitik? SWR2 Impuls Das Wissensmagazin Montag bis Freitag, 16.05 – 17.00 Uhr SWR2 Impuls gibt täglich Denkanstöße: mit Wissenswertem, Außergewöhnlichem und Skurrilem aus dem Wissenschaftsbetrieb. Dazu aktuelle Titel aus Jazz, Pop und Weltmusik. 1000 Antworten Warum sind Pilze keine Pflanzen? Wie entstand der Kuss? Warum haben wir zwei Nasenlöcher? Riechen Männer anders als Frauen? Wie misst ein Flugzeug die Windgeschwindigkeit? Warum bekommt man im Gesicht keine Gänsehaut? Stellen Sie Ihre Fragen im Internet unter swr.de/blog/1000Antworten SWR2 Archivradio Das SWR2 Archivradio befördert historische Tonaufnahmen zurück an die Öffentlichkeit und ordnet sie ein. Ein Webchannel für alle zeitgeschichtlich Interessierten. Im Netz unter: swr2.de/archivradio SWR2 WISSEN – SERVICE SWR2 Wissen Podcast – Webradio SWR2 Wissen können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/wissen.xml Manuskriptdienst Manuskripte der Sendungen SWR2 Wissen und Aula finden Sie unter swr2.de/wissen. Auch als E-Book für mobile Endgeräte. Programm-Informationen per E-Mail Die Wochenübersichten des Programms von SWR2 WISSEN können Sie sich regelmäßig über den SWR2 Newsletter zuschicken lassen – einfach E-Mail-Adresse eintragen bzw. austragen unter www.swr2.de/wissen (Service). 9 SWR2 Wissen – Januar 2017 10 SWR2 Programmfragen Bei SWR2 Programmfragen erhalten Sie allgemeine Informationen zum Programm SWR2 und auch Manuskripte. SWR2 Programmfragen, 76522 Baden-Baden, Telefon 07221 300 222 (Mo – Fr 10 – 12 Uhr). Kennen Sie das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. 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