SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE, SWR2 DIE BUCHKRITIK Marica Bodrozic: Das Wasser unserer Träume Luchterhand Verlag 220 Seiten 22 Euro Rezension von Margrit Irgang Montag, 02. Januar 2017 (14:55 – 15:00 Uhr) Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Marica Bodrozic wurde in Dalmatien geboren; ihre Familie zog, als sie zehn Jahre alt war, nach Hessen. Sie studierte Kulturanthropologie, Psychoanalyse und Slawistik und veröffentlichte Gedichte, Romane, Erzählungen und Essays, die mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet wurden. Margrit Irgang stellt den neuen Roman von Marica Bodrozic „Das Wasser unserer Träume“ vor. In irgendeiner Stadt in irgendeinem Land liegt ein Mann in einem Klinikbett und kann nicht sprechen, die Augen nicht öffnen und sich nicht bewegen. Er hatte offenbar einen Unfall, soviel wird ihm allmählich klar, aber jede Erinnerung an sein früheres Leben ist verschwunden. Für die Menschen, die ihn betreuen, ist er ein Patient im Koma; niemand weiß, dass der Geist in dem bewegungslosen Körper zu hochsensibler Wahrnehmung fähig ist. „Von der anderen Seite des Wassers werde ich im Lesen unterrichtet“, denkt er. Mühelos erkennt er die Gedanken, Gefühle, Sorgen und Absichten der Menschen, die sein Zimmer betreten; all dies dringt ungebeten und ungefiltert ein in seinen Geist. Aber er Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT erfährt auch die liebevolle Zuwendung von drei Krankenschwestern und begreift zum ersten Mal, dass Menschen ohne einander nicht existieren können. Der neue Roman von Marica Bodrozic ist der in poetischer Sprache geschriebene Gedankenfluss eines hier namenlosen Ich-Erzählers, der uns als Ilja bereits in den beiden früheren Romanen ihrer Trilogie begegnete; das muss man aber nicht wissen, das Buch steht für sich. Wir begleiten den Erzähler ein Jahr lang bei seiner allmählichen Rückkehr in den eigenen Körper. Fetzenweise kommt die Erinnerung an sein altes Leben zurück, seine ehemalige Frau erscheint in der Klinik; er hofft, dass niemand die Geräte abstellt, die ihn am Leben halten, und versucht, seine neuen Erkenntnisse mit seinem alten Ich in Einklang zu bringen. Die Metapher des Wassers durchzieht das Buch; Wasser als lebensnotwendige Körperflüssigkeit, aber auch als der Fluss, der in der Mythologie die Lebenden von den Toten trennt. Hier nun ist einer, dem die Welt auf der anderen Seite des Wassers zugänglich ist, obwohl er noch zu den Lebenden zählt. Dieser Bewusstseinsraum jenseits der Zeit schenkt ihm Erkenntnisse, die ihn bereichern, ohne dass er sie den Menschen, die sein Zimmer betreten, mitteilen könnte: Er begreift auf einmal die unauflösliche Verwobenheit von Naturerscheinungen und menschlichem Leben und durchschaut die Illusion, ein von anderen abgetrenntes autonomes Ich zu sein, das sein Leben selbst kontrollieren kann. Wer sich mit der Mystik vor allem der östlichen Religionen befasst hat, erkennt darin klassische Erleuchtungs-Erfahrungen. Wie nun erzählt man in einem Roman von Erfahrungen, die sich – wie alle Mystiker wissen – der linearen Sprache entziehen? Marica Bodrozic hat der Sprache die Führung überlassen; sie scheint ausloten zu wollen, wie weit es der Poesie möglich ist, in unerzählbare Bewusstseinsräume einzutreten. Dabei entstehen Bilder von betörender Schönheit. Wir lauschen einem großen Gesang, der uns unablässig neue Bilder anbietet, aber diese Überfülle ist auch ermüdend; die Sprache von Marica Bodrozic berührt noch nicht den Urgrund der Stille, von dem die Mystiker eben auch berichten. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 MANUSKRIPT Als der Erzähler nach einem Jahr sein Zimmer verlässt, hat er Liebe erfahren und Dankbarkeit gelernt. Er begreift: „Die Fähigkeit, alles aus dem Blickwinkel eines anderen Menschen zu fühlen, wird im ungepanzerten Leben erworben.“ Das, was andere Menschen Leben nennen, stellt sich ihm im Licht seiner neuen Erkenntnisse als ein schmerzhaftes Gefangensein in falschen Vorstellungen dar. Die entscheidende Frage lässt Marica Bodrozic offen: Kann der Erzähler seine Verletzlichkeit und Offenheit in der sogenannten Gesundung bewahren? Als er die Straße betritt, werden die Sätze schon erdenschwer, fliegen die Gedanken nicht mehr ins Unendliche. Marica Bodrozic hat ein ungewöhnliches Buch geschrieben, das sich nur dem Leser öffnet, der sich vorbehaltlos darauf einlässt, ohne jede kritische Distanz. Und man sollte es sehr langsam lesen. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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