Diabetes Typ 1 - Bayerischer Rundfunk

Gesundheitsgespräch
Leben mit Diabetes
Sendedatum: 12.11.2016
Dieses Dossier umfasst die Themen „Diabetes Typ 1“, „Diabetes bei Kindern“
und „Diabetes Typ 2“.
Zugrunde liegen Interviews der Autoren mit jeweils verschiedenen Experten.
Diabetes Typ 1
Experte:
PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut für Diabetesforschung, Helmholtz
Zentrum München
Autor: Moritz Pompl
Patienten mit Diabetes Typ 1 sind von den ersten Symptomen meist ziemlich
überrumpelt: Sie müssen plötzlich ständig pinkeln und entwickeln einen schier
unstillbaren Durst. Wenn diese Krankheitszeichen auftreten, ist höchste Eile
geboten, denn die Patienten können schnell ins Koma fallen – und alles nur,
weil der Körper mit seinem Immunsystem Teile der Bauchspeicheldrüse zerstört
hat. Ohne Behandlung verläuft die Erkrankung tödlich. Die aktuelle Forschung
sucht nach Möglichkeiten, die Krankheit zu erkennen, bevor sie ausbricht.
Selbst Impfstoffe werden erprobt.
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Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
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Was ist Diabetes Typ 1? Wie die Krankheit entsteht
Der Begriff Diabetes mellitus bedeutet „honigsüßer Durchfluss“: Im Altertum
probierten die Ärzte den Urin ihrer Patienten und stellten damit die Diagnose.
Beim Diabetes Typ 1 greift das körpereigene Immunsystem die
Bauchspeicheldrüse an. Dadurch sinkt die Insulinausschüttung, und der
Blutzucker steigt.
Dem Diabetes Typ 1 liegt ein Mangel an Insulin zugrunde. Das Hormon wird in
den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse gebildet und sorgt dafür, dass Zucker
aus dem Blut in die Körperzellen aufgenommen wird, vor allem in die Muskel-,
Fett- und Leberzellen. Nach der Nahrungsaufnahme steigt der Blutzucker an –
entsprechend mehr Insulin gelangt dann aus der Bauchspeicheldrüse ins Blut.
Umgekehrt ist der Insulinspiegel im Blut bei Hunger besonders niedrig. Dadurch
wird der Blutzucker in engen Grenzen gehalten: Er liegt im Normalfall bei 60 –
100 Milligramm pro Deziliter Blut (direkt nach dem Essen darf er auch höher
sein).
Der Körper bekämpft sich selbst
Hat ein Patient Diabetes, dann ist die Blutzucker-Regulierung gestört. Beim
Diabetes Typ 2 liegt in der Regel eine Insulinresistenz zu Grunde – das
bedeutet, dass die Körperzellen nicht mehr so gut auf Insulin reagieren. Sie
sind aufgrund falscher Essgewohnheiten mit vielen schnell-resorbierbaren
Kohlenhydraten (v.a. Zucker) und Fetten ständig mit einem Überangebot an
Blutzucker bombardiert worden und dadurch „abgestumpft“. Genauer gesagt
haben sich die Rezeptoren für Insulin an den Zielzellen zurückgebildet. Die
Patienten mit Diabetes Typ 2 sind meistens älter und übergewichtig.
Beim Diabetes Typ 1 dagegen zerstört das körpereigene Immunsystem die
Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse, in denen das Insulin gebildet wird.
Außerdem wenden sich Antikörper gegen das Insulin und teilweise auch gegen
seine Vorstufe, das Pro-Insulin. Die Ärzte sprechen von einem Diabetesspezifischen Autoimmunprozess. Dieser tritt relativ häufig zusammen mit
weiteren Autoimmunprozessen auf, die sich dann auch noch gegen andere
Organe richten können, etwa gegen die Schilddrüse.
Die Gene spielen eine Rolle
Die Krankheit entwickelt sich meist im Kinder- und Jugendalter, und sie führt
dazu, dass früher oder später die Insulinproduktion der Beta-Zellen nicht mehr
ausreicht, um den Blutzucker auf gesundem Niveau zu regulieren. Später kann
der Körper nur noch sehr wenig oder gar kein Insulin mehr bilden. Ohne
Behandlung stirbt der Patient.
Wodurch der Autoimmunprozess ausgelöst wird, ist trotz intensiver Forschung
noch nicht restlos geklärt. Fest steht, dass die Gene eine Rolle spielen: Das
Risiko für Diabetes Typ 1 ist um fünf bis zehn Prozent erhöht, wenn ein
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Elternteil oder Geschwisterkind erkrankt ist – und es steigt auf 25 Prozent,
wenn mehrere enge Verwandte die Krankheit haben. Entscheidend bei der
Vererbung sind Oberflächenproteine auf den weißen Blutkörperchen
(sogenannte HLA = Humane Leukozyten-Antigene). Sie haben im
Immunsystem die Aufgabe, Antigene zu präsentieren, also Stoffe, gegen die
das Immunsystem kämpfen soll. Immunzellen, die gegen körpereigene Stoffe
gerichtet sind, werden normalerweise aussortiert und vernichtet. Bestimmte
Varianten der HLA-Oberflächenproteine begünstigen es aber offensichtlich,
dass einige der selbstreaktiven Immunzellen ungeschoren davonkommen.
Dann gerät das Immunsystem ins Wanken.
„Es gibt über 50 bekannte Gene und Genregionen, die dabei eine Rolle spielen.
Aber das allein erklärt nicht den rasanten Anstieg der Erkrankungszahlen in den
vergangenen Jahren.“ PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut für
Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München
Beim Diabetes Typ 1 beobachten Mediziner einen kontinuierlichen Anstieg der
Fallzahlen: Derzeit hat in Deutschland rund jeder 170ste Bürger Diabetes Typ
1, aber die Zahl der Neuerkrankungen steigt pro Jahr um rund drei bis vier
Prozent.
„Bei Kindern unter fünf Jahren liegt die jährliche Anstiegsrate sogar bei sechs
Prozent. Wenn der Prozess weitergeht, dann haben wir in zwölf Jahren eine
Verdoppelung der Neuerkrankungszahlen bei den Jüngsten. Bereits heute gibt
es in Deutschland rund 300.000 Betroffene in allen Altersgruppen.“ PD Dr. med.
Peter Achenbach, Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München
Viren als Ursache?
Verschiedene Umweltfaktoren werden als Auslöser für diesen Anstieg
diskutiert, unter anderem auch Virusinfektionen: Bevor Patienten die ersten
Diabetes-Symptome bekommen, haben viele von ihnen einige Tage oder
wenige Wochen vorher eine Infektion gehabt. Die Bandbreite reicht von
Erkältungen mit dem Coxsackie B-Virus bis hin zu Kinderkrankheiten wie
Mumps oder Röteln und dem Pfeiffer‘schen Drüsenfieber. Auch
Stesssituationen wie eine Operation oder Umweltfaktoren wie etwa Feinstaub
oder Stickstoffdioxid stehen im Verdacht, Diabetes Typ 1 zu begünstigen.
„Leider wissen wir hier noch zu wenig. Es gibt eine ganze Reihe an
Umweltfaktoren, die in kleineren Studien genannt worden sind, und die zum Teil
auch signifikante Ergebnisse gezeigt haben. Diese Ergebnisse konnten aber
nicht immer bestätigt werden.“ PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut für
Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München
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Deshalb glauben viele Mediziner, dass Umweltfaktoren oder Viruserkrankungen
nur das „Tüpfelchen auf dem i“ sind und den Krankheitsprozess beschleunigen:
Sie treffen auf ein besonders empfängliches Immunsystem, das dann
überreagiert und die volle Ausprägung des Autoimmunprozesses ermöglicht.
Meist war dieser zum Zeitpunkt der Infektion schon lange unbemerkt im Gange.
„Die gestörte Regulation der Immunantwort ist das Grundproblem.
Umweltfaktoren leisten einen wesentlichen, aber nicht ursächlichen Beitrag in
der Krankheitsentwicklung.“ PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut für
Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München
In dieses Bild passt auch die Theorie, dass Diabetes Typ 1 mit einem zu
sauberen Lebensstil zu tun hat: Je weniger ein Kind „im Dreck“ spielt und mit
Keimen verschiedenster Art in Berührung kommt, desto weniger muss sich sein
Immunsystem mit der Umwelt auseinandersetzen. Dadurch können aber auch
wichtige Trainingseinheiten wegfallen, durch die das Immunsystem lernt, nicht
unangebracht und überschießend, sondern angemessen zu reagieren.
Symptome von Diabetes Typ 1 - Wenn Zucker den Körper austrocknet
Wenn jemand ständig pinkeln muss und mit dem Trinken nicht mehr
hinterherkommt, ist höchste Eile geboten: Dann droht der Patient ins Koma zu
fallen.
Die Symptome von Diabetes Typ 1 machen sich bemerkbar, wenn etwa 80
Prozent der Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört sind. Die Patienten
sind meist unter 40 Jahre alt, besonders häufig sind Kinder und Jugendliche
betroffen. Sie müssen plötzlich häufig pinkeln und verlieren dadurch viel
Wasser. Das liegt daran, dass die Nieren den vielen Zucker, den sie aus dem
Blut filtern, nicht mehr wieder aufnehmen können (bei einem normalen
Blutzuckerwert schaffen sie das problemlos). Der überschüssige Zucker gelangt
über die feinen Röhrchen der Nieren in die Blase und wird letztlich als
„honigsüßer“ Urin ausgeschieden – daher auch der griechisch-lateinische
Name „Diabetes mellitus“. Auf seinem Weg durch die Nieren sorgt die süße
Zuckerlösung dafür, dass wegen der osmotischen Wirkung Wasser aus dem
Gewebe nachfließt und dem Körper entzogen wird.
Durst und Gewichtsverlust
Der Körper versucht, den Wasserverlust auszugleichen, und aktiviert das
Durstzentrum im Gehirn: Die Patienten können quasi ohne Unterlass trinken,
auch nachts. Entsprechend schlecht schlafen sie, fühlen sich müde und
kraftlos. Gleichzeitig verlieren sie an Körpergewicht, maßgeblich aus zwei
Gründen: Erstens scheidet der Körper massenhaft Zucker über den Urin aus,
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und verliert dadurch Kalorien, die er eigentlich bräuchte. Zweitens leiden die
Körperzellen paradoxerweise an einem Zuckermangel, obwohl im Blut mehr als
genug davon herumschwimmt: Der Insulinmangel führt dazu, dass kaum mehr
Zucker in die Zellen aufgenommen wird. Diese reagieren darauf, indem sie
selbst anfangen, Zucker herzustellen, und zwar aus gespeicherten Fetten und
aus Proteinen. Entsprechend nehmen die Fettreserven ab und die
Muskelmasse schrumpft.
Das Blut wird sauer
Der massive Fettabbau führt dazu, dass viele „Ketonkörper“ gebildet werden –
saure Abbauprodukte, die ins Blut gelangen. Das Blut wird sauer
(„Ketoazidose“), was über Elektrolytverschiebungen letztlich bis zum Koma
führen kann. Gleichzeitig trocknen die Körperzellen wegen des hohen
Blutzuckerspiegels aus, auch im Gehirn. Das Bewusstsein trübt zunehmend
ein.
„Rund ein Drittel aller neuen Diabetes Typ 1-Patienten gelangen bereits mit
einer Ketoazidose in die Klinik und müssen auf die Intensivstation.“ PD Dr.
med. Peter Achenbach, Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum
München
Um die Diagnose zu sichern wird der Blutzuckerspiegel bestimmt, der bei
einem Diabetes Typ 1 über 200 Milligramm pro Deziliter Blut liegt (Normalwert
nüchtern 60 – 100 mg/dl). Der Langzeit-Zuckerwert HbA1c gibt zudem Auskunft
darüber, wie hoch der Blutzucker in den letzten sechs bis acht Wochen war.
„Der Verlauf kann dramatisch sein: Eines von 400 Kindern mit Ketoazidose
stirbt auch heute noch. Im Vergleich zu früher sind das zwar deutlich kleinere
Zahlen. Aber das müsste trotzdem nicht sein.“ PD Dr. med. Peter Achenbach,
Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München
Chronische Folgen drohen
Manche Patienten mit einem Diabetes Typ 1 leiden an Wadenkrämpfen und
Sehstörungen. Beides hat mit Verschiebungen des Wasser- und
Elektrolythaushaltes zu tun, der unter anderem auch die Linse im Auge
betreffen kann.
Die chronischen Folgen ähneln dem des Diabetes Typ 2: Der Körper zeigt
häufiger als ein gesunder Organismus Zeichen einer Abwehrschwäche, etwa in
Form einer Blasenentzündung oder als Pilzbefall im Genitalbereich. Außerdem
werden durch den hohen Blutzucker auf lange Sicht die Gefäße am Auge, in
den Nieren, den Beinen, am Herzen und im Gehirn geschädigt – es drohen
Blindheit, Nierenversagen, Herzinfarkt, Schlaganfall und die
„Schaufensterkrankheit“ (periphere arterielle Verschlusskrankheit, PAVK).
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Darüber hinaus kann sich eine Polyneuropathie entwickeln, weil die Nerven
etwa in den Beinen teilweise absterben – dadurch haben die Patienten an
manchen Stellen zum Beispiel weniger Gespür oder können
Temperaturunterschiede schlechter wahrnehmen (z.B. heißes oder kaltes
Wasser).
Entscheidend ist eine möglichst optimale und rasche therapeutische Einstellung
des Blutzuckers. Je früher ein Patient adäquat behandelt wird, desto besser
lassen sich die chronischen Schäden hinauszögern.
Therapie bei Diabetes Typ 1 - Ohne Insulin geht nichts
Je früher ein Patient mit Diabetes Typ 1 diagnostiziert wird, desto besser lassen
sich gravierende Schäden für die Gesundheit hinauszögern. Die Therapie
beeinflusst den Alltag aber maßgeblich, denn „Urlaub“ von der Krankheit gibt es
nicht.
Bekommen neu diagnostizierte Typ-1-Diabetiker eine passende Therapie, dann
normalisiert sich der Blutzucker. Die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse
erholen sich sogar vorübergehend und produzieren wieder vermehrt
eigenständig Insulin – allerdings ist diese Erholung nur von kurzer Dauer. Nach
ein bis zwei Jahren verebbt die Insulinproduktion meist endgültig. Entsprechend
ist der Körper spätestens dann endgültig auf künstlich zugeführtes,
gentechnisch hergestelltes Insulin angewiesen. Und weil Insulin im MagenDarm-Trakt abgebaut wird, muss es gespritzt werden. Als Ort für die Injektion
eignet sich zum Beispiel das Unterhautfettgewebe am Bauch, von wo aus das
Insulin dann resorbiert wird.
„Konventionelle“ und „intensivierte“ Therapie
Insulinmenge und Anzahl der Injektionen richten sich nach dem Blutzucker (den
die Patienten regelmäßig über einen Blutstropfen aus der Fingerspitze
bestimmen müssen) und den Mahlzeiten. Es gibt unterschiedliche
Therapiemöglichkeiten: Bei der „konventionellen“ Insulintherapie spritzt sich der
Patient zweimal täglich - zum Frühstück und zum Abendessen - , und zwar mit
einer Mischung aus normalem Insulin und einem Verzögerungsinsulin, das
langsamer abgebaut wird und damit länger vorhält. Die Mahlzeiten müssen zu
relativ festen Zeiten eingenommen werden und von der Menge an
Kohlenhydraten auf die Insulinmenge abgestimmt sein.
Flexibler ist die „intensivierte“ Insulintherapie: Der Patient spritzt sich ein bis
zweimal täglich mit einem Verzögerungsinsulin, und zusätzlich jeweils vor den
Mahlzeiten mit einem schnell wirksamen Insulin. Dadurch ist er wesentlich
flexibler, was die Mahlzeiten angeht. Allerdings muss er sich häufiger spritzen
und den Blutzucker häufiger kontrollieren.
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Auch die Therapie mit einer Insulinpumpe kommt in Frage: Der Patient trägt
dabei eine kleine Pumpe am Körper und bekommt einen kleinen Katheter unter
die Haut gepflanzt. Darüber wird Insulin in den Körper abgegeben.
Eine gute Schulung ist wichtig
Unabhängig von der Therapie müssen die Patienten ihre Ernährung genau im
Blick haben und wissen, wie viel Insulin sie dem Körper je nach Mahlzeit
zuführen müssen. Sinnvoll ist eine vollwertige Mischkost mit langkettigen
Kohlenhydraten. Schnell resorbierbare Zucker (wie in Süßigkeiten) dagegen
sollten die Patienten meiden, ebenso wie zu viel Eiweiß in der Nahrung. Das
beansprucht die Nieren besonders, und die sind ohnehin schon vom hohen
Blutzucker gestresst.
Die Patienten müssen gut geschult werden, um zum Beispiel schnell zu
erkennen, wenn sie Symptome einer Unterzuckerung entwickeln (etwa durch zu
viel gespritztes Insulin). Da der Diabetes die Gefäße schädigt, sollten die
Patienten auf andere Faktoren verzichten, die ebenfalls schlecht für die Arterien
sind (vor allem Rauchen, Bluthochdruck, Übergewicht,
Fettstoffwechselstörungen).
Früherkennung - Wie Insulin als Impfstoff wirken könnte
Forscher suchen nach Möglichkeiten, Patienten mit Diabetes Typ 1 zu
erkennen, bevor sie überhaupt Symptome entwickeln. Selbst eine Impfung wird
erprobt.
Die aktuelle Forschung zielt unter anderem darauf ab, Diabetes Typ 1 bereits
zu erkennen, bevor die Krankheit klinisch mit Symptomen ausbricht. Eine
Möglichkeit, die derzeit in Bayern in Zusammenarbeit mit vielen Haus- und
Kinderärzten in der Fr1da-Studie (www.fr1da-studie.de) erprobt wird, ist die
Bestimmung von Beta-Zell-Antikörpern im Blut von Zwei- bis Fünfjährigen im
Rahmen einer routinemäßigen Kinder-Untersuchung. Die Antikörper gegen die
Insulin-bildenden Beta-Zellen sind nämlich bereits im Blut nachweisbar, bevor
die ersten Symptome von Diabetes Typ 1 auftreten. Sie weisen auf ein
Frühstadium der Erkrankung hin. Hat ein Kind erhöhte Antikörper-Werte, dann
werden die Familien entsprechend geschult, um im Ernstfall schnell handeln zu
können.
„Wir hoffen, dass der Gesetzgeber reagiert und die Krankenkassen das
Programm dauerhaft übernehmen. Mit steigenden Zahlen würde die
Bestimmung der Antikörper auch billiger. Ich schätze, der Test allein würde in
Zukunft noch etwa einen Euro kosten.“ PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut
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Ziel der Präventionsprogramme und einer frühzeitigen Therapie ist es, sowohl
lebensbedrohliche Akut-Komplikationen (Ketoazidose) als auch Spätschäden
zu vermeiden.
„So gut wie jeder Patient entwickelt irgendwann Folgeschäden, zum Beispiel an
den Gefäßen. Aber je früher der Blutzucker gut eingestellt wird, desto länger
lassen sich die Schäden hinauszögern.“ PD Dr. med. Peter Achenbach, Institut
für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München
Geforscht wird auch an einer Impfung gegen Diabetes Typ 1, ähnlich einer
Desensibilisierung bei allergischen Erkrankungen. Kinder bekommen hierbei
Insulin als Pulver. Da es im Magen abgebaut wird, verändert es den Blutzucker
nicht. Allerdings setzt sich das Immunsystem mit dem Insulin auseinander.
Dadurch soll das Immunsystem so verändert werden, dass es das Insulin und
auch die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse nicht mehr angreift. Ob sich
Diabetes Typ 1 mit einer solchen Impfung irgendwann vielleicht sogar komplett
verhindern lässt, muss sich aber erst noch zeigen.
Diabetes bei Kindern
Expertin: Prof. Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für
Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, und Vorstand der Deutschen
Diabetes Gesellschaft (DDG)
Autorin: Beate Beheim-Schwarzbach
Diabetes mellitus Typ 1: Zuckerkranke Kinder
Bei der Autoimmunerkrankung Diabetes Typ 1 stuft das Immunsystem die
Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse als feindlich ein und
bekämpft sie. Der Körper braucht das Hormon Insulin jedoch, um Zucker aus
dem Blut in die Zellen zu bringen. Insulinmangel führt dazu, dass der Blutzucker
steigt, behandelt man das nicht, kommt es zu Organ- und
Nervenschädigungen. Diabetes Typ 1 kann in jedem Lebensalter auftreten, die
höchste Neuerkrankungsrate wird jedoch bei Kindern und Jugendlichen
beobachtet. Derzeit sind in Deutschland ca. 30.000 unter 20-Jährige von
Diabetes Typ 1 betroffen, die Anzahl der Neuerkrankungen steigt weltweit
jährlich um drei bis fünf Prozent an.
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Späte Entdeckung
Bei vielen Patienten wird Typ-1-Diabetes spät erkannt, oft erst dann, wenn ein
akutes Krankheitsgefühl und schwerwiegende Stoffwechselentgleisungen
vorliegen. Weil sich der Typ-1-Diabetes aber durchaus schleichend entwickelt,
könnte er in der Vorphase ohne weiteres durch einen Bluttest zur Bestimmung
von Diabetes typischen Autoantikörpern diagnostiziert werden. Dieser wird
einzigartig in Bayern allen Kindern im Alter zwischen 2 und 5 Jahren im
Rahmen der Fr1da-Studie angeboten. Das Pilotprojekt wurde von Prof. Dr.
Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung,
Helmholtz Zentrum München, unter der Schirmherrschaft der Bayerischen
Gesundheitsministerin Melanie Huml initiiert. 39 Prozent der Bayerischen
Kinderärzte beteiligen sich an der Durchführung des Bluttests. Wird die
Diagnose eines frühen Stadiums des Typ-1-Diabetes gestellt, erfolgt eine
Diabetesschulung und die Bestimmung des Blutzuckers zur Festlegung der
Therapie.
Autoimmunerkrankung
Vergleichbar mit der Entstehung einer Krebszelle können auch die Zellen des
Immunsystems entarten.
„Das passiert vermutlich bei jedem Menschen hin und wieder, doch dann
werden solche Zellen gleich wieder zunichte gemacht. Bei Menschen mit einer
Autoimmunerkrankung funktioniert der Prozess nicht so perfekt.“ Prof. AnetteGabriele Ziegler
Bei Typ-1-Diabetikern zerstört der Körper die Insulin produzierenden Zellen der
Bauchspeicheldrüse unaufhörlich, mit erheblichen Konsequenzen.
Die häufigsten Symptome
Charakteristisch für Diabetes Typ 1 bei Kindern und Jugendlichen sind
eine ganze Reihe von Symptomen:
• häufiger Harndrang
• Durst
• Müdigkeit
• Hautjucken
• Gewichtsverlust
• charakteristischer Atemgeruch
• Erbrechen und Bauchschmerzen
Tipp: Zum Testen einen Arzt aufsuchen
Haben Eltern den Verdacht auf Diabetes Typ 1, sollten sie nicht selbst zu einem
Test greifen, sondern einen Arzt aufsuchen, der anschließend das Labor damit
beauftragt.
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Wichtige Marker: Autoantikörper
Diabetes-spezifische Autoantikörper sind ein sehr wichtiger Marker zur
Frühdiagnose und können oft schon lange vor Ausbruch der Erkrankung im Blut
nachgewiesen werden. Charakteristisch ist: Diese Diabetes-spezifischen
Autoantikörper sind gegen Insulin und Teile der sie produzierenden Zellen
gerichtet.
„Wir haben herausgefunden, dass bei etwa 80 Prozent aller Menschen, die vor
dem 18. Lebensjahr Diabetes entwickeln, bereits im Alter von zwei bis drei
Jahren die Antikörper dagegen nachweisbar sind.“ Prof. Anette-Gabriele Ziegler
Die ersten Jahre entscheiden
Deswegen liegt es nahe, dass die ersten Lebensjahre beim Diabetes
entscheidend sind. Heute weiß man: In dieser Zeitspanne ist die
Bauchspeicheldrüse in Punkto Autoimmunität besonders anfällig. Hat man
diese Altersgrenze überschritten, dann ist die Wahrscheinlichkeit für Typ-1Diabetes viel geringer. Warum das so ist, können Wissenschaftler noch nicht
sagen.
Früherkennung
Aus der Tatsache, dass man Diabetes bereits so früh erkennen kann, leiten
Prof. Anette-Gabriele Ziegler und ihre Kollegen die Forderung ab, bereits
innerhalb der ersten vier Lebensjahre ein Diabetes-Screening durchzuführen.
Denn wer schon so früh Autoantikörper im Blut hat, wird mit großer Sicherheit
Diabetes entwickeln - wer nicht, wird vermutlich verschont bleiben. Gibt es in
einer Familie bereits ein Kind mit Diabetes Typ 1, dann sollten sich
Geschwisterkinder auf jeden Fall testen lassen.
Ursachen: Warum entsteht Diabetes Typ 1?
Wie bei vielen Autoimmunerkrankungen gibt es bei Diabetes Typ 1 bestimmte
Empfänglichkeitsgene, insgesamt fünfzig davon sind bereits identifiziert vermutlich spielt das Zusammenwirken aller eine Rolle. Da Diabetes aber in
den letzten fünfzig Jahren deutlich zugenommen hat, können nicht nur
Vererbungsmechanismen eine Rolle spielen, sondern auch Umwelteinflüsse.
Die TEDDY-Studie
Welche Rolle Umwelteinflüsse auf Diabetes Typ 1 ausüben, untersucht zum
Beispiel das Forschungsprojekt TEDDY (The Environmental Determinants of
Diabetes in the Young). Beteiligt daran ist neben den USA, Finnland und
Schweden auch Deutschland. Ziel ist es, herauszufinden, welche
Umweltfaktoren zu Diabetes Typ 1 führen, und welche davor schützen. Bei über
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8.000 Kindern weltweit wurden von Geburt an bis zum 15. Lebensjahr
regelmäßig Blutuntersuchungen gemacht, außerdem Trinkwasser, Ernährung
und Lebensstil genau beobachtet.
Hinweise in zwei Richtungen
Die Ergebnisse der TEDDY-Studie zeigen, dass sowohl Ernährungsfaktoren als
auch Infektionen im frühen Kindesalter Diabetes Typ 1 beeinflussen. Hinzu
kommt noch die genetische Veranlagung.
„Früher haben wir gedacht, es gebe den einen Auslöser für Diabetes, davon
sind wir abgekommen. Wir wissen heute, dass es ein Zusammenspiel
verschiedener Faktoren ist.“ Prof. Anette-Gabriele Ziegler
Ernährung
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Ernährung in den ersten
sechs Lebensmonaten das Immunsystem offenbar beeinflusst: Bekommt ein
Baby vor dem dritten Lebensmonat Beikost, dann kann sich das auf die Reifung
des Immunsystems ungünstig auswirken. Ob es sich dabei nur um ein einziges
Nahrungsmittel handelt, ist jedoch fraglich - im Moment spricht nichts dafür.
Landestypische Unterschiede
Vermutlich kommen verschiedene Nahrungsmittel als Risikofaktoren des
Diabetes Typ 1 in Betracht. Das Risiko für die Entwicklung von Diabetes
spezifischen Autoantikörpern erhöhte sich bei Kindern einer finnischen Studie,
wenn sie sehr früh Beeren zu essen bekamen. In den USA war es das Getreide
und in Deutschland Gluten (Kleber-Eiweiß in Getreide).
Infektionen als Auslöser
Eine ähnliche Vermutung legen Ergebnisse der Studie für einen weiteren
Risikofaktor für Diabetes Typ 1 nahe: Nicht EIN Virus ist schuld, sondern ein
wiederholt erhöhtes Level von Entzündung in den ersten Lebensjahren, zum
Beispiel bei häufigem Schnupfen.
„Je mehr von solchen Infektionen der oberen Atemwege im ersten Lebensjahr
aufgetreten sind, desto höher war die Empfänglichkeit für Diabetes Typ 1.“ Prof.
Anette-Gabriele Ziegler
Kein Umkehrschluss
Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder Infekt bei einem Kind Diabetes Typ 1
auslöst. Doch viele Infekte erhöhen die Wahrscheinlichkeit und wenn dann
noch die genetische Disposition für Diabetes Typ 1 vorliegt, wird das Risiko
immer größer.
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Coxsackie-Viren
Warum genau eine Vielzahl von Infektionen Diabetes Typ 1 auslösen können,
ist noch nicht eindeutig erforscht. Bekannt ist jedoch, dass z.B. CoxsackieViren, die unter anderem eine Grippe auslösen, bei einer Entzündung in die
Bauchspeicheldrüse wandern und das Organ für die Auto-Reaktivität anfällig
machen können.
„Wer schon eine genetische Veranlagung für Diabetes Typ 1 mitbringt und dann
immer wieder eine Entzündung hat, bei dem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass
er sie irgendwann nicht mehr selbst bekämpfen kann.“ Prof. Anette-Gabriele
Ziegler
Therapie - Neue Behandlungen bei Diabetes Typ 1
Bei Typ-1-Diabetikern ist der Blutzucker zu hoch, weil der Körper kein Insulin
mehr produzieren kann. Sie müssen sich ihr Leben lang kontinuierlich das
Hormon spritzen, entweder mit Hilfe eines Pens oder einer Pumpe. Diabetes
stellt als chronische Erkrankung die ganze Familie vor eine enorme
Herausforderung, doch die lässt sich meistern.
Errungenschaft
In den letzten 20 bis 30 Jahren konnten die Komplikationen bei Diabetes Typ 1
durch neue Techniken und Erkenntnisse der Insulin-Ersatz-Therapie
beträchtlich gesenkt werden. Die Folge: Mittlerweile haben Kinder mit Diabetes
nahezu dieselbe Lebenserwartung wie Nicht-Diabetiker, sie können
Extremsport machen, tauchen oder klettern. Inzwischen leben viele
Erwachsene bereits 50 bis 60 Jahre ohne Komplikationen mit Diabetes.
Blutzuckergedächtnis
Ob eine Diabetes-Therapie langfristig wirksam ist oder nicht, hängt ganz
entscheidend von der ersten Zeit ab. Vor allem die ersten fünf Jahre der
Behandlung mit Insulin sind entscheidend, da der Körper ein sogenanntes
Blutzuckergedächtnis hat. Werden Kinder und Jugendliche in den ersten fünf
Jahren gut eingestellt, profitieren sie ihr ganzes Leben davon - es lohnt sich
also, sich am Anfang anzustrengen.
Forschungsrichtung
Momentan arbeiten Forscher daran, eine künstliche Bauchspeicheldrüse zu
entwickeln, die automatisch genügend Insulin ausschüttet und den Blutzucker
kontrolliert, ohne dass man von außen eingreifen muss. Dabei zeichnen sich
zwei Wege ab:
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Computertechnik
Auf der einen Seite versucht man computertechnisch die Bauchspeicheldrüse
zu ersetzen. Dabei soll eine Pumpe nicht nur Insulin abgeben, sondern
gleichzeitig soll ein Sensor den Blutzucker messen. Der Patient muss gar nichts
tun. Solche Systeme gibt es bereits, aber sie funktionieren noch nicht perfekt.
Organspende
Daneben wird daran geforscht, entweder die Bauchspeicheldrüse insgesamt,
oder die Insulin produzierenden Zellen des Organs zu transplantieren. Das
Hauptproblem dabei ist die Abstoßungsreaktion, die sich nur mit Hilfe von
Medikamenten eindämmen lässt, die erhebliche Nebenwirkungen haben.
Außerdem versuchen Wissenschaftler, die Insulin produzierenden Zellen in
einer Art Kapsel unterzubringen, so dass sie vom Immunsystem nicht als
Feinde erkannt werden. Ein Routineverfahren ist das jedoch noch nicht.
Chance
Die frühe Erkennbarkeit von Diabetes Typ 1 beinhaltet eine große Chance:
Schon bevor das Kind oder der Jugendliche einen erhöhten Blutzuckerspiegel
hat, können Patient und Angehörige ihre Aufmerksamkeit schulen und
verhindern, dass es - wie derzeit noch häufig - zu schweren BlutzuckerEntgleisungen kommt. Wer weiß, dass er betroffen ist, kann vorbeugen und
sich bereits im Vorfeld mit Diabetes vertraut machen: Die bei der bayerischen
Fr1da-Studie positiv getesteten Kinder und ihre Angehörigen erhalten eine
Schulung, in der sie u.a. lernen, den Blutzuckerspiegel zu bestimmen und auf
typische Symptome zu achten. Dies soll z.B. dazu beitragen,
Stoffwechselentgleisungen und damit einen Krankenhausaufenthalt zu
umgehen, denn dann ist ggf. eine ambulante Behandlung möglich. Neue
Therapien werden derzeit erprobt, um das Fortschreiten der
Diabeteserkrankung zu verhindern.
Am Fortschreiten hindern
Eine sichere Prävention für Typ-1-Diabetes gibt es bisher noch nicht, immerhin
aber können bestimmte Medikamente das Fortschreiten der
Diabeteserkrankung aufhalten. Das große Ziel der Wissenschaftler ist es, das
Immunsystem von Diabetikern so zu verändern, dass die Krankheit nicht
fortschreitet und der Blutzucker sich nicht erhöht. In dem Zusammenhang
forscht man an sogenannten Impfungen oder Antigen-Therapien.
Antigen-Therapie
Dabei wird ähnlich wie bei der Desensibilisierung (bei Allergikern) versucht, die
Patienten über einen längeren Zeitraum mit den Protein-Bausteinen
(Antigenen) zu impfen, die auf der Bauchspeicheldrüse produziert werden.
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„Es gibt schon einige Studien wie die Fr1da-Insulin-Interventionsstudie für
Kinder mit einem frühen Diabetes-Stadium (d.h. positive Autoantikörper) oder
die Pre-POINTearly Studie für Risikopersonen, d.h. Angehörige von Typ-1Diabetikern im Alter von sechs Monaten bis zwei Jahren, bei denen Insulin als
Pulver oral verabreicht wird. Offensichtlich induziert es im Immunsystem eine
gewisse Toleranz, ohne den Blutzuckerspiegel zu beeinflussen.“ Prof. AnetteGabriele Ziegler
Medikamente
Daneben gibt es Studien, die untersuchen, ob sich Medikamente, die bisher nur
bei Diabetes-Typ-2-Patienten erfolgreich waren, auch für Typ-1-Diabetiker
eignen. Das Prinzip dahinter: Diese Medikamente können helfen, den
Blutzucker einzustellen, sie glätten das Profil des Blutzuckerspiegels. In
manchen Studien wird auch untersucht, ob es Sinn macht, Insulin und
Medikamente zu kombinieren, doch das ist noch keine Standardtherapie.
Diabetes Typ 2
Experten:
Dr. med. Christoph Neumann, Internist und Diabetologe in MünchenSchwabing
Dr. med. Marianne Koch, Internistin
Autorinnen: Prisca Straub, Monika Dollinger
Diabetes mellitus hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu einer
wahren Volkskrankheit entwickelt. Falsche Ernährung und mangelnde
Bewegung sind dabei Ursache Nummer eins.
Laut dem Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2015 (DDG und
diabetesDE) sind in Deutschland etwa 7,6 Mio. (inkl. Dunkelziffer) von Diabetes
betroffen. Etwa 400.000 Menschen sind an einem Diabetes mellitus Typ 1
erkrankt, etwa 7,2 Mio. haben einen Diabetes mellitus Typ 2.
Die Krankheit Diabetes: Erklärung
Bei Diabetikern produziert die Bauchspeicheldrüse entweder kein Insulin mehr
(Typ-1-Diabetes), oder aber es besteht eine unzureichende Insulinbildung bei
gleichzeitig verminderter Insulinwirkung (Typ-2-Diabetes), man spricht hier von
Insulinresistenz. Der Körper braucht aber Insulin, um Energie in Form von
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Kohlenhydraten über das Blut in Muskulatur und Fettgewebe einschleusen zu
können. Ist dieser Mechanismus gestört, kommt es zu einem erhöhten
Blutzuckerspiegel. Unbehandelt führt die Zuckerkrankheit zu einer Schädigung
von Augen, Nerven, Nieren, hirn- und beinversorgenden Gefäßen sowie
Herzkranzgefäßen. Das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und schwere
Durchblutungsstörungen der Füße und Beine bis hin zu einer Amputation ist
deutlich erhöht.
Typen - Krankheit mit zwei Gesichtern
Diabetes mellitus (griechisch für "honigsüßer Durchfluss") - eine der ältesten
bekannten Stoffwechselerkrankungen überhaupt - tritt in zwei unterschiedlichen
Varianten auf.
Diabetes mellitus Typ 1
Etwa 0,5 Prozent der Bundesbürger sind von dieser Form betroffen. Der
Erkrankungsgipfel liegt im Kinder- und Jugendlichenalter; die Krankheit kann
jedoch in jedem Lebensalter auftreten. Es handelt sich hierbei um eine
Autoimmunerkrankung: Das körpereigene Abwehrsystem zerstört aus bisher
ungeklärter Ursache die insulinproduzierenden Zellen (beta-Zellen) in der
Bauchspeicheldrüse. Folge ist ein Versiegen der Insulinproduktion. Im Blut
lassen sich häufig bestimmte Abwehrzellen (Antikörper) finden, die das
Vorliegen eines Typ-1-Diabetes bestätigen.
Diabetes mellitus Typ 2
Die frühere Bezeichnung "Altersdiabetes" ist heute nicht mehr zutreffend, da
zunehmend auch junge Menschen einen Diabetes mellitus Typ 2 bekommen.
Ca. 7,2 Prozent der Deutschen sind daran erkrankt. Bei ca. 2,1 Prozent wurde
der Diabetes bisher noch nicht diagnostiziert. Ursache ist eine zunehmende
Resistenz der Zellen gegen das Insulin, ausgelöst durch Übergewicht und
Bewegungsmangel. Der Zustand führt zunächst zu einer erhöhten
Insulinproduktion, bevor dann die Bauchspeicheldrüse überfordert ist und die
Insulinproduktion nachlässt oder ganz versiegt.
Regel:
In beiden Diabetes-Typen ist Glucose (Zucker) im Blut erhöht und führt zu
Schädigungen der Arterien und dadurch zu Organschäden, vor allem an Augen,
Nieren, Herz und Gehirn.
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Diabetes Typ 2 erkennen – keine klare Diagnose
Der eine Typ des Diabetes (Typ 1) ist relativ leicht zu erkennen, der andere
(Typ 2) eher schwerer. In beiden Fällen ist aber der Arzt gefragt.
Diabetes mellitus Typ 1 ist in der Regel leicht zu erkennen, denn er bricht meist
schlagartig oder innerhalb weniger Wochen aus.
"Durst, vermehrtes Wasserlassen, Schwächegefühl bis hin zum
Gewichtsverlust sind typische Symptome einer Typ-1-Erkrankung." Diabetologe
Dr. Neumann
Typ 2: Schwierige Diagnose
Ganz anders sieht es bei dem Typ-2-Diabetes aus. Die Krankheit entsteht meist
über einen längeren Zeitraum und wird oft nur durch Zufall diagnostiziert - nicht
selten sind zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Folgeschäden eingetreten. Die
meisten Menschen, bei denen ein Diabetes mellitus Typ 2 festgestellt wird, sind
übergewichtig und bewegen sich zu wenig.
"Durch Überernährung und Bewegungsmangel treten auch bei Kindern immer
mehr Fälle von Diabetes mellitus Typ 2 auf." Dr. Neumann
Risiko und Schutz - Erkrankungsrisiko und Vorbeugung
Das Risiko Typ-2-Diabetes wird durch entsprechende Erbanlagen
weitergegeben. Aber ein Schutz ist durch entsprechende Lebensweise möglich.
„Ein Typ-2-Diabetes wird mit 30 bis 50 Prozent Wahrscheinlichkeit vererbt.
Fehlernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel spielen eine
entscheidende Rolle." Diabetologe Dr. Neumann
Zum Schutz vor einem Typ-2-Diabetes empfiehlt sich:
• Rasch resorbierbare Kohlenhydrate (Fruchtsäfte, Limonaden,
Süßigkeiten) vermeiden, stattdessen Vollkornprodukte, Obst und
Gemüse verzehren
• Auf fettarme Kost achten
• Unbedingt Übergewicht abbauen
• Regelmäßig bewegen (mind. 150 min./Woche)
"Letztlich schützt eine allgemein gesunde Lebensweise davor, einen Typ-2Diabetes zu bekommen. Existiert außerdem eine erbliche Vorbelastung, sind
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regelmäßige Blutzuckerkontrollen dringend notwendig. Diabetische
Folgeerkrankungen wie etwa Nieren-, Augen-, Nervenschäden oder
Durchblutungsstörungen im Beinbereich bis hin zur Amputation sind oft eine
Folge eines zu spät erkannten oder unzureichend behandelten Diabetes."
Diabetologe Dr. Neumann
Tipp: Zuckerbelastungstest
Zur Beurteilung der Blutzuckerregulation beziehungsweise zur Abschätzung
des eigenen Risikos empfiehlt sich die Durchführung eines
Zuckerbelastungstests (insbesondere, wenn Typ-2-Diabetes in der Familie
vorkommt). Die korrekte Durchführung des Tests erfordert gutes Fachwissen
und sollte möglichst von darauf spezialisierten Ärzten vorgenommen werden.
Therapie - Diät, Pillen oder Spritze?
Der Blutzucker wird von vielen Faktoren beeinflusst, daher ist eine regelmäßige
Kontrolle sehr wichtig. Ein wichtiger Bestandteil der Diabetes-Therapie ist
deswegen die Blutzuckerselbstkontrolle.
"Während früher nur der Zucker im Urin gemessen werden konnte, so ist heute
die Bestimmung des Blutzuckers mit einfachen, handlichen Geräten innerhalb
von Sekunden und einem winzigen Tropfen Blut aus der Fingerkuppe möglich."
Diabetologe Dr. Neumann
Seit 2014 steht in Deutschland ein kontinuierliches Messsystem (Flash
Glucose) zur Verfügung. Dieses ermöglicht eine lückenlose Darstellung des
Gewebszuckers. Kohlenhydratmenge und Insulindosen können direkt ins
Messsystem eingebeben werden. Da eine Listung als Hilfsmittel noch nicht
erfolgt ist, besteht derzeit allerdings kein Anspruch auf Kostenerstattung durch
die Krankenkassen. Es handelt sich jeweils um Einzelfallentscheidungen. Die
Kosten für zwei Messsysteme à 14 Tage belaufen sich auf 120 Euro, das
Messgerät, das gleichzeitig als Scanner fungiert, kostet 60 Euro. Das Produkt
ist frei verfügbar ohne Verordnung nur im Internet erhältlich. Der Erwerb dieses
Gerätes ist grundsätzlich für Menschen mit Typ-1-Diabetes sinnvoll.
Wann der Blutzucker steigt
In erster Linie bestimmt natürlich die Nahrungsaufnahme den Zuckerspiegel.
Heute weiß man, dass dabei nicht nur die Kohlenhydrate, sondern auch Eiweiß
und Fett Einfluss auf die Werte haben.
"Art und Dauer von Bewegung, Krankheiten, Stress, Schlafmangel, seelische
Schwankungen bis hin zu Wetterwechsel sind ebenfalls Parameter, die ein
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Diabetiker gemeinsam mit dem Arzt berücksichtigen und in die Behandlung mit
einbeziehen muss, denn sie alle haben ihre Wirkung auf den Glukosepegel im
Blut." Diabetologe Dr. Neumann
Gute Werte - gute Gesundheit
Nach neuesten internationalen Empfehlungen der Amerikanischen (ADA) und
Europäischen (EASD) Diabetes-Gesellschaften (Management of
Hyperglycemia in Type 2 Diabetes, Diabetes Care online published 4/2012)
sollten die Ziele der Blutzuckereinstellung individuell vom Therapeuten
festgelegt und mit dem Patienten besprochen werden. Motivation,
Unterzuckergefahr, Krankheitsdauer, Lebenserwartung, Begleit- und
Folgeerkrankungen müssen hier jeweils berücksichtig werden.
Schule für Diabetiker
Elementarer Bestandteil ist die Teilnahme an einer strukturierten
Diabetesschulung.
"Zielbereiche für die Blutzuckerwerte vor und nach den Mahlzeiten sowie das
HbA1c sind individuell zu vereinbaren. Der HbA1c-Wert im Blut ist eine Art
'Blutzuckergedächtnis' und fasst in einer Zahl die Blutzuckereinstellung der
letzten zwei bis drei Monate zusammen." Diabetologe Dr. Neumann
Wichtig: Grundsätzlich sollten Unterzuckerungen und Gewichtszunahme
vermieden werden.
Typ 2: Von Diät bis Insulin
Zu Beginn einer Therapie erfolgt eine Diabetesschulung, um die Ernährungsund Lebensgewohnheiten zu verändern. Wichtig ist für Dr. Neumann auch
regelmäßiges Muskelausdauertraining, das auf Alter und Fitness des Patienten
abgestimmt wird:
"Ideal wären ca. 150 Minuten pro Woche Radfahren, Schwimmen oder rasches
Gehen" Diabetologe Dr. Neumann
Warum man weniger wiegen sollte
Bereits eine moderate Gewichtsreduktion von fünf bis sieben Prozent kann zu
einer deutlichen Besserung des Blutzuckerspiegels beitragen oder sogar zu
Normalwerten führen. Wegen der meist späten Diagnose ist häufig zum
Diagnosezeitpunkt eine medikamentöse Therapie unumgänglich. Diese richtet
sich nach Blutzuckerhöhe, Alter und Begleiterkrankungen des Patienten. Dazu
stehen verschiedene Tabletten sowie Insuline zur Verfügung.
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Wissenswertes - Fakten zum Insulin
Das lebenswichtige Hormon wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet – genauer
in den Zellen der Langerhans-Inseln. Daher leitet sich auch der Name Insulin
ab.
Rasch wirkendes (nahrungsbezogenes) Insulin
Normalinsulin (Humaninsulin, körperidentisch) = Altinsulin:
Wirkbeginn nach ca. 30 min.
Spritz-Ess-Abstand von ca. 30 min. erforderlich
Wirkdauer ca. 5 bis 7 Stunden
Insulinanalogon:
(z.B. Lispro, Aspart, Glulisin)
Wirkbeginn ca. 0 bis 15 min.
nur geringer oder kein Spritz-Ess-Abstand erforderlich
Wirkdauer ca. 3 bis 4 Stunden
Basales (Verzögerungs-) Insulin
Protamin-verzögert, NPH-Insulin (Humaninsulin, körperidentisch):
(NPH = neutrales Protamin nach Hagedorn)
Wirkbeginn ca. 1,5 Stunden
Wirkdauer ca. 8 bis 12 Stunden
trüb, 20 Mal Schwenken
Insulinanalogon:
z.B. Glargin:
Wirkbeginn 5 bis 6 Stunden
Wirkdauer größer 24 Stunden
z.B. Detemir:
Wirkbeginn ca. 1 bis 2 Stunden
Wirkdauer abhängig von der Dosis bis zu 24 Stunden
Verträglichkeit
Im Einzelfall kann es bei jedem Insulin zu Unverträglichkeiten kommen.
1. Die intensiviert konventionelle Insulintherapie (ICT)
Mit der ICT wird versucht, durch Spritzen mehrmals täglich die natürliche
Insulinversorgung des Körpers so gut wie möglich nachzuahmen. Dabei decken
langwirkende Insuline den Grundbedarf des Körpers ab, während kurzwirkende
Insuline vor den Mahlzeiten gespritzt werden, um übermäßige
Blutzuckeranstiege durch die Nahrung zu vermeiden. Am Tag müssen in der
Regel vier bis sechs Injektionen gegeben werden.
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2. Die Insulin-Pumpentherapie (CSII)
Die Insulinpumpe ist etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel und pumpt
kontinuierlich eine kleine Menge Insulin über einen dünnen Schlauch in das
Unterhautfettgewebe.
"Zum Essen drückt der Diabetiker auf einen Knopf und ruft die zusätzliche
Dosis ab. Mit der Pumpe lässt sich noch wesentlich genauer auf den
tageszeitabhängigen Insulinbedarf des Körpers reagieren. Darüber hinaus
werden Insulinlücken vermieden." Diabetologe Dr. Neumann
Nachteil
Die Pumpe muss Tag und Nacht am Körper getragen werden und setzt ein
gewisses technisches Grundverständnis voraus.
Stand der Wissenschaft - Forschung und moderne Therapieformen
In den Medien taucht im Zusammenhang mit dem Thema Genforschung oft
auch Diabetes als mögliches Einsatzgebiet auf.
"Theoretisch lassen sich Stammzellen aktivieren, um Insulin-produzierende
Betazellen zu züchten. Diese könnten dann implantiert werden und damit die
natürliche, automatische Regulierung des Blutzuckerspiegels übernehmen."
Diabetologe Dr. Neumann
Erste erfolgreiche Versuche an Mäusen haben gezeigt, dass dieser Weg
zumindest denkbar wäre. Ob sich die Ergebnisse allerdings auf den Menschen
übertragen lassen, und inwieweit es erneut zu einer Abwehrreaktion durch den
autoimmunkranken Körper kommt, ist bisher noch ungeklärt.
Das Neueste aus der Forschung auf dem Markt
"Es gibt seit einigen Jahren Medikamente auf dem Markt, die eine verbesserte
Insulin-Wirkung versprechen, ohne dass man dabei zunimmt. Wie wirken sie?
Im gesunden Darm werden die sogenannten Inkretine hergestellt, die die Zellen
der Bauchspeicheldrüse anregen. Gleichzeitig verlangsamen sie die Passage
der Nahrung durch Magen und Darm, sodass der Sättigungseffekt länger anhält
und die Bauchspeicheldrüse nicht so schnell viel Insulin herstellen muss. Zum
einen wurden nun Nachahmungen dieses Hormons entwickelt, die langsamer
als das im Körper produzierte Inkretin abgebaut werden, sogenannte GLP-1Analoga. Und zweitens wurden Hormone in Tablettenform entwickelt, die den
raschen Abbau des natürlichen Inkretin verhindern - sogenannte DPP-4Inhibitoren." Dr. Marianne Koch, Internistin
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Die Fakten
Sogenannte GLP-1-Analoga (zum Beispiel Exenatide, Liraglutide, Dulaglutid)
müssen ein- bis zweimal täglich bzw. einmal wöchentlich mithilfe eines "Pens"
gespritzt werden. DPP-4-Inhibitoren (zum Beispiel Sitagliptin, Saxaglin)
können ein- bis zweimal täglich als Tablette eingenommen werden.
Gemeinsame Merkmale
• Blutzuckerabhängige Steigerung der Insulinausschüttung ohne Gefahr
der Unterzuckerung
• Hemmung der Glukagonsekretion
Unterschiedliche Merkmale
DPP-4-Inhibitoren haben keinen Effekt auf Sättigungsgefühl und
Magenentleerung bei geringen Nebenwirkungen. GLP-1-Analoga führen zu
einer Verringerung des Appetits und einer deutliche verzögerten
Magenentleerung. Die Nebenwirkungen in Form von Übelkeit, Erbrechen,
Durchfällen, Schwindel, Kopfschmerzen, Blähungen, Unruhe und Schwitzen
sind häufig.
Vorteile der GLP-1-Analoga
• anhaltende Sättigung
• verzögerte Magenentleerung
• Gewichtsreduktion
Wie vielversprechend sind die neuen Therapien?
Zwei Einschätzungen der Experten:
"In der praktischen Anwendung ist der Effekt der DPP4-Inhibitoren
nachvollziehbar, die blutzuckersenkende Wirkung ist jedoch begrenzt und in
manchen Fällen zeitlich limitiert. Der Effekt der GLP-1-Analoga ist bei
Ansprechen zum Teil sehr beeindruckend auf Gewichtsreduktion und
Essverhalten. Allerdings scheint auch hier im zeitlichen Verlauf die Wirkung
nachzulassen. Manche Patienten sprechen auf diese teure Therapie nicht an.
In jedem Fall sollte eine kontinuierliche, sorgfältige Kosten-Nutzenanalyse
durch den behandelnden Therapeuten erfolgen." Dr. Christoph Neumann
"Eine mögliche Nebenwirkung ist Übelkeit, wahrscheinlich weil die
Magenentleerung langsamer stattfindet. Weitere Nebenwirkungen muss man
abwarten. Diese neuen Medikamente sind nur zugelassen in Kombination mit
anderen Diabetesmitteln, zum Beispiel Metformin, das ist eine sehr sinnvolle
Präparatgruppe, die die Insulinresistenz beeinflusst, sodass Insulin wieder gut
vom Körper aufgenommen wird. Beim GLP-1-Wirkstoff LIRAGLUTID sind
allerdings in letzter Zeit Bedenken entstanden, die Substanz könnte bei einigen
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Patienten Schilddrüsenkrebs und Entzündungen der Bauchspeicheldrüse
hervorrufen, man muss also abwarten, ob das Präparat weiterhin empfohlen
werden kann" Dr. Marianne Koch
SGLT-2-Inhibitoren
Eine neue Substanzklasse der Antidiabetika sind die sogenannten SGLT-2Inhibitoren, wie Dapaglifozin 5 mg oder 10 mg oder Empagliflozin 10 mg oder
25 mg. Sie wirken, indem sie die Reabsorbtion von Glukose in der Niere
hemmen. Dadurch wird Glukose vermehrt durch den Harn ausgeschieden und
der Blutzucker gesenkt.
Vorteile:
•
•
•
Risikoreduktion eines diabetesbedingten Herztodes um 38 Prozent (gilt
nur für Empagliflozin)
Einnahme einmal täglich, unabhängig von der Mahlzeit
Ausscheidung von Glukose (ca. 300 kcal) über den Urin begünstigt eine
Gewichtsabnahme
Nachteile:
•
•
•
Nebenwirkungen: Harnwegs- und Genitalinfekte, Austrocknung
Nicht in Kombination mit Schleifendiuretika (bestimmte harntreibende
Mittel) einzunehmen
Nicht wirksam bei eingeschränkter Nierenfunktion (GFR<60 ml/min)
"In der praktischen Anwendung ist der Effekt der SGLT-2-Inhibitoren
nachvollziehbar, die blutzuckersenkende Wirkung ist jedoch begrenzt und in
manchen Fällen zeitlich limitiert. Der Effekt der SGLT-2-Inhibitoren ist häufig
eindrucksvoller auf die Gewichtsreduktion als auf die Absenkung des
Blutzuckers. Die Ursache der deutlichen Risikoreduktion des Herztodes unter
Empagliflozin ist nicht klar." Diabetologe Dr. Christoph Neumann.
Diabetes-Chirurgie?
Neuere Studien zeigen, dass eine operative Behandlung der Fettsucht z.B.
durch Magen-Bypass-Methoden und die dadurch erreichte
Gewichtsverminderung einen sehr positiven Effekt auf den Zuckerstoffwechsel
hat. Allerdings können damit Risiken verbunden sein, sodass noch keine
schlüssige Aussage über die Sicherheit und positive Wirkung der Methode
gemacht werden kann.
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Seite 22
Ernährung - Was sollen Diabetiker essen, was nicht?
Wie für jeden anderen Menschen empfiehlt sich auch für den Diabetiker eine
gesunde, ausgewogene Ernährung - vor allem muss er auf sein Gewicht
achten.
Da Diabetiker ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen haben und
somit anfälliger für Herzinfarkt und Schlaganfall sind, spielen auch die Fettarten
eine wichtige Rolle. Und weil viele Diabetiker Übergewicht haben, ist es für
diese Personen besonders wichtig, gesund und bewusst zu essen und damit ihr
Gewicht zu reduzieren.
Empfohlen sind
• viel Gemüse und Obst, Rohkost, Salat und ausgewählte Obstsorten
• viele Ballaststoffe
• wenig Fleisch, Wurst und gehärtete Fette
• einfach ungesättigte Fettsäuren (zum Beispiel Rapsöl, Olivenöl, Distelöl)
• Fisch
Nicht günstig sind
• Weintrauben, Bananen, Trockenfrüchte, Nüsse
• Weißmehlprodukte, geröstete Brotsorten
• fette Wurst
• fetter Käse
• Sahne
• Speck
• Schokolade, Eis, Gummibärchen, Gebäck
• fettreiche Fertigprodukte
• Limonaden, Eistee, Säfte und Saftschorlen
Zucker für Zuckerkranke?
Von der Regel "Keinen Zucker für Diabetiker" hat sich die moderne
Diabetestherapie verabschiedet - der jahrzehntelang praktizierte Verzicht von
Haushaltszucker in der Nahrung hat sich schlicht als nicht notwendig erwiesen.
"Natürlich sollte ein Diabetiker - genau wie jeder Gesunde - sparsam mit Zucker
umgehen. Ein Verbot macht aber keinen Sinn. Spezielle Diät- oder DiabetikerLebensmittel werden von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft nicht empfohlen
und werden aus dem Sortiment genommen." Diabetologe Dr. Neumann
Tipp:
Der Diabetologe rät, diese Nahrungsmittel zu meiden, zumal sie meist teurer
sind und häufig einen ungünstigeren Fettanteil haben.
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Seite 23
Hilfe für Diabetiker - Tipps für den Alltag
Wegweiser durch die Bürokratie vom Behindertenausweis, Führerschein und
der richtigen Versicherung - hier erfahren Sie, worauf Sie als Diabetiker in
verschiedenen Lebensbereichen achten müssen.
Behindertenausweis
Diabetiker können unter bestimmten Bedingungen einen Behindertenausweis
beim Versorgungsamt beantragen. Dies bringt manche Vorteile
(Kündigungsschutz, Steuerersparnis und mehr Urlaubstage). Doch Vorsicht:
Der Behindertenausweis muss beim Arbeitgeber gemeldet werden und kann
vielleicht ein Problem bei einer erneuten Jobsuche sein.
Versicherung
Man ist bei Vertragsabschluss mit einer Versicherung verpflichtet, die volle
Wahrheit über den Gesundheitszustand zu melden - ansonsten kann die
Versicherung rückwirkend Leistungen streichen oder kürzen. Es ist für
Diabetiker oft schwer, Versicherungen gegen Berufsunfähigkeit oder auch
Lebensversicherungen zu bekommen - häufig gibt es massive Preisaufschläge.
Tipp: Achten Sie darauf, dass bei den Versicherungen diabetische
Folgeschäden nicht ausgeschlossen werden, sonst macht die ganze
Versicherung unter Umständen keinen Sinn. Fragen Sie bei Selbsthilfegruppen,
dem Deutschen Diabetiker Bund oder dem Sozialverband VdK nach
entsprechenden Angeboten.
Berufe
Bestimmte Berufe sind für Diabetiker ausgeschlossen, dazu zählen zum
Beispiel Pilot, Dachdecker oder Starkstromelektriker.
Führerschein
Beim Führerscheinneuerwerb muss die Diagnose Diabetes mellitus nicht
angegeben werden. Führerscheininhaber, die erst nach dem Erwerb der
Fahrerlaubnis an Diabetes erkranken, sind nicht verpflichtet, dieses
nachzumelden. Erfährt die Führerscheinstelle jedoch von der Diagnose
Diabetes, muss der Betroffene alle zwei Jahre ein meist teures Gutachten über
seine Fahrtauglichkeit erstellen lassen, das nicht erstattet wird.
"Selbstverständlich sollte jeder Diabetes-Patient gut geschult sein und die
Zeichen einer Unterzuckerung kennen. Sie sollten daher bei einer längeren
Autofahrt - auch aus juristischen Gründen - regelmäßig den Blutzucker messen.
Führen Sie außerdem ausreichend Traubenzucker und andere Kohlenhydrate
im Auto mit, denn es kann zu einem unvorhersehbaren Stau kommen. Und
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unterbrechen Sie die Fahrt bei den kleinsten Anzeichen einer Unterzuckerung."
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