Was ist ein guter Hummer?

Was ist
ein guter
Hummer?
Hummerkoch Filipe Alloin: «Es ist, wie es ist:
Der Hummer wird mit dem Kopf voran ins stark
kochende Wasser gegeben. So schreibt es übrigens
auch die Tierschutz-Schlachtverordnung vor.»
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10 FRAGEN AN FILIPE ALLOIN
Wenn es um Hummer geht, ist sie die erste Adresse in Zürich:
die legendäre Hummer- und Austernbar an der Bahnhofstrasse
(Hotel St. Gotthard), seit vielen Jahren Treffpunkt der High Society.
Hier haben schon Prinz Charles, Arnold Schwarzenegger, Udo
Jürgens oder der Aga Khan das Schalentier genossen, dem seit
genau 77 Jahren besondere Aufmerksamkeit zuteil wird. Hummerzeit heisst auch Festzeit – deshalb 10 Fragen an Küchenchef und
Hummerspezialist Filipe Alloin.
Amerikanischer oder europäischer
Hummer? Welchen bevorzugen Sie und
warum?
Erste Wahl ist für mich der europäische Hummer aus der Bretagne, weil er feiner in
der Konsistenz und betonter im Geschmack ist.
Merkt man einem Hummer sofort an,
dass er frisch ist?
Indem er lebt! Die Zangen des Hummers müssen ihre Kampfstärke zeigen,
indem er angreift, wenn man ihn aus dem Hummerbecken nimmt. Deshalb auch die Gummis um
die Zangen, damit die Tiere sich im Becken nicht
gegenseitig verletzen.
Spielt das Geschlecht des Tieres eine
Rolle?
Das erwachsene Männchen ist definitiv grösser als das Weibchen. Die Weibchen erkennt man natürlich auch, wenn sie Eier an
der Unterseite ihres Abdomens tragen.
Grundsätzlich sind die Scheren der Männchen
proportional zur Körperlänge grösser, und beim
Weibchen ist das Abdomen breiter. Und: Beim
Männchen ist das erste Paar der Schwimmbeine
verhärtet, während diese beim weiblichen Hummer weich und biegsam sind.
Hummer können fünfzig Jahre und älter
werden. In welchem Altersbereich
eigenen sie sich besonders für die Küche?
Ein fünfzigjähriger Hummer ist zäh.
Für die Gastronomie geeignet ist ein Hummer ab
fünf Jahren. Man sieht dem Hummer das Alter
an der Grösse und vor allem an den Verletzungen am Panzer an.
Was halten Sie von tiefgefrorenem
Hummer?
Gar nichts! Wir haben das Glück, zwei
Mal pro Tag von unserem Lieferanten mit lebendem Hummer beliefert zu werden.
Zudem haben wir ein Hummerbecken in unserer Hummer- und Austernbar, wo wir die bretonischen (blauen) Hummer den Gästen lebendig
zeigen können.
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Wie tötet man einen Hummer am
humansten?
Das ist die meist gestellte Frage im
Zusammenhang mit Hummer! Ich
frage mich, warum diese Frage nicht auch beim
Poulet de Bresse gestellt wird. Es ist, wie es ist:
Der Hummer wird mit dem Kopf voran ins stark
kochende Wasser gegeben. So schreibt es übrigens auch die Tierschutz-Schlachtverordnung
vor. Der Hummer leidet so am wenigsten.
WER IST FILIPE ALLOIN?
Der gebürtige Franzose (36) hat
sein Handwerk bei Jean-Louis Nomicos, einem mit zwei Michelin-Sternen geadelten französischen Starkoch gelernt. Seit sechs Jahren ist Alloin Küchenchef in der legendären Hummer- und Austernbar an der Bahnhofstrasse in Zürich. Zu den illustren Namen, die sich hier an Hummer
gütlich taten, gehören Marlene Dietrich, Igor Strawinsky, Luciano Pavarotti,
Cindy Crawford oder auch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder. Dass Hummer indes nur etwas für Menschen mit
dicker Brieftasche sei, könnte sich laut
Filipe Alloin bald ändern: «Der Klimawandel hat zu einem Wachstum der
Population geführt.» Dies mache die
Delikatesse voraussichtlich erschwinglicher und populärer. Aber noch gilt:
Zur Weihnachtszeit, wenn die Nachfrage steigt, werden die Preise für Hummer auch in diesem Jahr wieder in fast
unerschwingliche Höhen klettern.
www.hummerbar.ch
Worauf muss man beim Kochen eines
Hummers besonders achten?
Auf die unterschiedlichen Garzeiten.
Die Scheren brauchen nicht gleich
lange wie der Schwanz. Wird der Hummer überkocht, ist er zäh.
Wie richten Sie einen Hummer klassisch
an?
Hommard à la Sauce Champagne: das
ausgelöste Hummerfleisch wird mit
den beiden Scheren wie ein liegendes Tier auf
dem Teller dressiert. Dazu gibt es einen duftenden Basmatireis. Die Sauce Champagne serviert
der Kellner à part – und in ausreichender Menge
auf, neben oder zum Hummer – ein Genuss!
Welche speziellen Zubereitungsarten
für Hummer kennen Sie?
Hummer lässt sich ausgezeichnet mit
vielen extravaganten Zutaten kombinieren: Trüffel, Steinpilze, ja, auch Surf und Turf
mit Fleisch ist möglich oder der Hummer roh,
zubereitet als Carpaccio. Guten Anklang gefunden hat kürzlich auch ein neu kreiertes Rezept:
Man mischt Hummerfricassé mit karamellisierter Ananas, konfierten Tomaten und Kokosnuss
– die Gäste waren begeistert.
Welches Getränk würden Sie zu Hummer
empfehlen?
Einen schönen Tropfen Sancerre, zum
Beispiel. Nicht nur wegen der Sauvignon-Blanc-Traube, sondern auch wegen der
mineralischen Note, die sehr gut zum Hummer
passt. H
HINTERGRÜNDE ZUM HUMMER
Die Hummer (Homarus) sind eine
meeresbewohnende Gattung der Zehnfusskrebse (Decapoda) aus der Familie der Hummerartigen (Nephropidae).
Sie umfasst heute die zwei Arten Amerikanischer Hummer und Europäischer
Hummer. Der Amerikanische Hummer
ist heimisch in den Gewässern vor der
nordamerikanischen Ostküste von der
kanadischen Provinz Labrador im Norden bis zum US-Bundesstaat North
Carolina im Süden. Als Neozoon ist
diese Art seit 1999 an der Nordseeküste Schwedens, Dänemarks und Norwegens bekannt.
Der Europäische Hummer hat sein Verbreitungsgebiet im Schelf der europäischen Atlantikküste, in der Nordsee, im
Mittelmeer und im westlichen Schwarzen Meer. Es reicht von den Lofoten
im Norden bis Marokko im Süden, den
Azoren im Westen und Israel im Osten,
in der Ostsee ist er nicht heimisch.
Ausgewachsene Hummer haben üblicherweise Körperlängen zwischen 30
und 64 Zentimeter und ein Gewicht von
etwa 1 bis 6 Kilogramm. Das Wachstum eines Hummers kulminiert nicht,
verlangsamt sich aber mit zunehmendem Alter. Der grösste Europäische
Hummer, der jemals gefangen wurde,
war 1,26 Meter lang und 9,3 Kilogramm schwer, allein die Knackschere
wog 1,2 Kilogramm. Mit dem Rekordgewicht von 20,1 Kilogramm war ein
Amerikanischer Hummer sogar mehr
als doppelt so schwer.
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