SWR2 Zeitwort

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SWR2 Zeitwort
13.08.2002
Die "Jahrhundertflut" überschwemmt Sachsen und Sachsen-Anhalt
Von Werner Eckert
Sendung: 13.08.2016
Redaktion: Ursula Wegener
Produktion: SWR 2016
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Autor:
Die Elbe – ein Meer – nach sintflutartigen Regenfällen stand am Samstag, dem 13.
August 2002 – heute vor 14 Jahren- auch Dresden schließlich unter Wasser.
O-Ton eines Polizisten:
Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei. Auf Grund größeren Treibguts ist diese
Brücke einsturzgefährdet. Räumen sie die Bücke.
Autor:
Bis zu 300 Liter Regen pro Quadratmeter fielen in nur 24 Stunden – ansonsten ist
das die Menge eines halben Jahres.
Zunächst schwillt die Weißeritz – ein Nebenfluss – an. Wenig später kommt die Flut
auch über die Elbe. Die Menschen – verzweifelt.
O-Ton von Betroffenen:
Es ist schlimm, furchtbar.
Alles abgesoffen, aber so brutal.
Autor:
Die Wassermassen türmen sich immer höher: am 17. August steigt der Pegel in
Dresden mit 9,40 m auf den höchsten je gemessene Überflutungswert. Und nicht nur
dort. Die Elbe flutete insgesamt 600 Quadratkilometer Fläche. Die Schäden: 9-12
Mrd. Euro.
O-Ton von Betroffenen:
Hinter der Tür kommen einem einfach die Tränen, die Ängste, wie wird es weiter
gehen.
In gewisser Weise habe ich schon Angst, schon die Ungewissheit.
Schlimm bei mir, wie nach dem Krieg.
Autor:
Viele verlieren Hab und Gut. Aber schlimmer: 21 Menschen verlieren alleine in
Sachsen durch die Wassermassen ihr Leben.
Die Ursachenforschung kam zu den immer gleichen Erkenntnissen: die
Regenmassen waren extrem. Dagegen kann kein Mensch etwas unternehmen. Aber
es gab eben auch menschengemachte Ursachen: fast 90% der natürlichen
Überschwemmungsflächen der Elbe sind verschwunden. Die Auen trockengelegt, zu
Äckern geworden, zu Bau- und Industriegebieten. Der Fluss in Deiche gezwängt.
Wenn das Wasser keinen Platz findet, dann schafft es sich welchen, sagte damals
der Hochwasserexperte des WWF-Aueninstituts Georg Rast.
O-Ton von Georg Rast:
Was uns besonders erschüttert ist eigentlich, dass man nach dem Hochwasser 1997
an der Oder allerorten in Deutschland gesagt hat, ein vergleichbares
Niederschlagsereignis könnte auch am Rhein oder eben auch an der Elbe und an der
Donau eintreten, und trotzdem sind die Lehren daraus überhaupt nicht gezogen
worden.
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Autor:
Nach dem Hochwasser ist eben immer auch vor dem Hochwasser. Nach diesem von
– 2002 – hat der damalige Umweltminister Jürgen Trittin immerhin eine der größten
Deich-Rückverlegungen gestartet, die es je gab. In der Lenzener Elbtalaue
entstanden 420 Ha Überlauf-Fläche. Die hat – zumindest regional – dem nächsten
Hochwasser von 2013 die Spitze genommen. Das zweite Prestigeprojekt wurde
ebenfalls noch von Jürgen Trittin eingeleitet – und soll 2018 fertig werden: 600 Ha
Überflutungsfläche im Lödderitzer Forst an der Mittleren Elbe zwischen Mulde- und
Saalemündung. Der WWF hat dort Druck gemacht und beteiligt sich mit 10% an den
Kosten. Doch auch das ist nur ein Hundertstel der Fläche, die sich die Elbe eben
2002 genommen hatte.
Es geht bei solchen Renaturierungen eben immer um Land – um Land das Besitzer
hat. Und deshalb ist und bleibt es schwierig, Hochwasserschutz in der Fläche
durchzusetzen.
2007 hat der damalige Hochwasserexperte des Umweltbundesamtes Ulrich Irmer
schon kritisiert, dass die vorhandenen Möglichkeiten nicht genutzt würden, die
ursprünglichen Überflutungsflächen wenigsten teilweise wieder zu öffnen.
O-Ton von Ulrich Irmer:
Das Potential beläuft sich auf weitere 6 % etwa, das sind knapp 40.000 Hektar an der
Elbe. Derzeit in Planung sind aber leider nur 3.800 Hektar. Wir meinen, dass das zu
wenig ist.
Autor:
Jeder Euro, der in Hochwasserschutz investiert wird, zahlt sich fünffach aus. Das
zeigen viele Analysen. Aber unter dem Druck des Leids nach einer Flut fällt es eben
leichter, Geld locker zu machen. Gerhard Schröder, 2002 der Bundeskanzler, konnte
sich deshalb auch uneingeschränkt freuen über private Spenden und das
Engagement der Wirtschaft bei der Katastrophenbewältigung.
O-Ton von Gerhard Schröder:
Der Gemeinsinn der hier deutlich geworden ist, ist ein Schatz, den wir hüten und den
wir zu mehren haben.
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