SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Wissen Revolution in der Energieversorgung Digitale Stromzähler und ihre Tücken Von Richard Fuchs Sendung: Montag, 13. Februar 2017, 8.30 Uhr Redaktion: Gábor Paál Produktion: SWR 2017 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Wissen können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/wissen.xml Die Manuskripte von SWR2 Wissen gibt es auch als E-Books für mobile Endgeräte im sogenannten EPUB-Format. Sie benötigen ein geeignetes Endgerät und eine entsprechende "App" oder Software zum Lesen der Dokumente. Für das iPhone oder das iPad gibt es z.B. die kostenlose App "iBooks", für die Android-Plattform den in der Basisversion kostenlosen Moon-Reader. 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Ed Abbo (Übersetzer): ”Der größte Vorteil intelligenter Häuser und Städte ist sicher, dass sie den Energieverbrauch reduzieren und eine bessere Integration der erneuerbaren Energien ermöglichen." Debbie Raphael (Übersetzerin): "Unsere Treibhausgasemissionen in Kalifornien sind um 23,5 Prozent runter. Es funktioniert also. Das Problem ist jetzt, es muss alles noch viel, viel schneller gehen. Und genau hierbei können die digitalen Technologien uns helfen." Ansage: "Revolution in der Energieversorgung: Digitale Stromzähler und ihre Tücken", von Richard Fuchs. Musik Autor: In Deutschland geht die Energiewende in die nächste Runde: Digitale Stromzähler ersetzen zunehmend die alten mechanischen Drehzähler. Die Umrüstung ist seit 2016 Pflicht und soll jetzt Schritt für Schritt umgesetzt werden und bis 2032 abgeschlossen sein. Doch es gab Verzögerungen, der Einbau wird frühestens ab Herbst 2017 beginnen. Was das für die Verbraucher bedeutet, ist umstritten. Die digital gesteuerte Stromverteilung könnte helfen, die Netze besser auszulasten, sagen Befürworter. Erst diese Umstellung macht Häuser und Fabriken "energiewendetauglich ", argumentiert die Bundesregierung. Doch die neuen Stromzähler, sie führen auch zu Problemen beim Datenschutz, sagen Kritiker. Atmo: Silocon Valley Autor: Die Geschichte dieser digitalen Revolution beginnt, wie so viele Revolutionsgeschichten im heutigen Zeitalter, im kalifornischen Silicon Valley, also jenem 70 Kilometer langen Streifen, südlich von San Francisco. Ein karges Stück Land, von der Sonne ausgezehrt. Und doch: steinreich. Google, Facebook, Apple & Co arbeiten hier – und vernetzten uns: weltweit. Doch neben den Internet-Giganten mischt sich seit geraumer Zeit eine neue Spezies von Visionären unter die Tech-Pioniere im Valley. Es sind Start-Ups und Unternehmer, die in Deutschland "grün" – und in den USA "cleantech " genannt werden. Solarzellen, Stromspeicher, Elektroautos und digital vernetzte Energiedienstleistungen: Kalifornien ist binnen zehn Jahren zur Heimat der USCleantech-Industrie avanciert. Das Zauberwort der Stunde: SMART. Und das meint mehr als das Smartphone – denn SMART, oder intelligent, sollen jetzt auch 2 Alltagsgegenstände wie Kühlschränke oder Jalousien, Stromnetze, ja sogar ganze Häuser. Hier, im Silicon Valley, wird das Internet der smarten Dinge zelebriert. Eine Welt, in der Sensoren und digitale Bauteile in jeden erdenklichen Gegenstand eingebaut werden, – via Internet – mit einander zu kommunizieren. Mancher spricht schon nicht mehr vom Silicon, sondern lieber vom SMART Valley. Also einem Ort, an dem die digitale Revolution auf die Energiewelt trifft – und sie verändert. Der Türöffner für die schöne, neue Welt in der Energieversorgung ist der "digitale Stromzähler": Smart Meter. In den USA ist die Digitalisierung der Energiewende weit fortgeschritten. 40 Millionen digitale Stromzähler sind hier verbaut. Das heißt, zwei von drei US-Haushalten können Daten über ihren Stromverbrauch via Internet an ihren Energieversorger senden. Das macht völlig neue Geschäftsmodelle möglich, sagt Curtis Seymour. Er arbeitet als wissenschaftlicher Berater der Energy Foundation in San Francisco, einer von privaten Stiftern finanzierten Denkfabrik. O-Ton – Curtis Seymour, darüber Übersetzer: "Viele der Technologie-Firmen, die jetzt rasant wachsen, machen ihr Geld mit der Auswertung von Stromdaten. Sie wollen Kunden mehr Informationen bieten, damit sie selbst entscheiden, wie sie ihren Strom am besten nutzen." Autor: Der intelligente Zähler sammelt Daten und übermittelt sie in Echtzeit an die Energieversorger. So können minutengenaue Nutzungsprofile für den eigenen Stromverbrauch erstellt werden. Strom soll sichtbar werden. O-Ton – Curtis Seymour, darüber Übersetzer: "Was digitale Stromzähler besonders gut leisten, ist, den Stromverbrauch zu visualisieren. Und das erlaubt es uns langfristig, neue Stromtarife einzuführen, unterschiedlich hoch, je nach Tageszeit. Wenn Kunden also haarklein wissen, wann sie wie viel Strom verbrauchen, und sie wissen gleichzeitig, wie hoch zum jeweiligen Zeitpunkt der Strompreis sein wird, dann können sie anfangen, ihren Stromverbrauch danach auszurichten, um zu sparen." Autor: Verbraucher können so ihren Stromverbrauch in Echtzeit auf dem Smartphone verfolgen. Die Werkzeuge dafür werden im Silicon Valley gleich mitentwickelt. Von Start-Up-Unternehmen wie "Chai Energy". O-Ton – Evan Birenbaum, darüber Übersetzer: "Unser Produkt ist eine Gratis-App, die Kunden herunterladen, und damit direkt Strom sparen." Autor: Evan Birenbaum ist einer von drei Gründern des Start-Ups – und eines der Gesichter dieser Energierevolution Made in Silicon Valley. Finanziert durch Risikokapital privater Geldgeber und Microsoft, soll seine Stromspar-App eine Lücke schließen, sagt der blasse, schlanke Endzwanziger mit Strubbelfrisur und abgewetztem CordJackett. 3 O-Ton – Evan Birenbaum, darüber Übersetzer: "Ich glaube, die klassischen Energieversorger haben einfach keinen guten Job gemacht, die Leute mit einzubinden. Und jetzt fragen sich viele: Warum ist meine Stromrechnung so hoch?" Autor: Die App veranschaulicht, wieviel Strom wann und wo verbraucht wird. Für Licht, für Waschmaschine, für Kühlschrank, Computer, Boiler. All das lässt sich analysieren, weil unterschiedliche Elektrogeräte wiedererkennbare Signaturen im Stromprofil hinterlassen. O-Ton – Evan Birenbaum, darüber Übersetzer: "Jetzt mach ich Chai auf. Da schauen wir gerade auf das Haus eines unserer Kunden. Wöchentlich schicken wir ihm Updates, was er zum Energiesparen tun kann, und vergleichen sein Haus auch mit anderen baugleichen Modellen." Autor: Bleibt zuhause versehentlich der Herd an? Kein Problem, die App soll das künftig am Stromprofil erkennen – und eine Meldung aufs Smartphone schicken. O-Ton – Evan Birenbaum, darüber Übersetzer: "Wir geben den Leuten ein Instrument an die Hand, wie sie klug und selbstbestimmt über ihren Stromverbrauch entscheiden können. Die Stromversorger können so etwas, was wir als modernes Energieunternehmen anbieten, einfach nicht leisten." Musik Atmo: Downton San Francisco Autor: Den Stromverbrauch sichtbar machen – dabei darf es nicht bleiben, findet Debbie Raphael. Die charismatische Umweltbürgermeisterin San Franciscos arbeitet im Herzen der Stadt, in einem ockerfarbenen Bürokomplex, zwei Stockwerke über der Zentrale von UBER. Ihr Credo: Häuser mit digitalen Stromzählern können mehr, viel mehr – insbesondere in Verbindung mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien. In den USA wurde 2016 die ein-millionste Solaranlage auf ein Hausdach geschraubt. Mehr als die Hälfte dieser Anlagen befindet sich im sonnenreichen Kalifornien. Debbie Raphael, die mit ihrer zupackenden, kreativen Art auf den ersten Blick nicht so recht in den öffentlichen Dienst passen will, hat ihre Stadt auf eine CO2-Diät gesetzt. Und sie vertraut darauf, dass Apps und Algorithmen aus dem benachbarten Silicon Valley ihr zunehmend die Arbeit erleichtern. Atmo: Innenraum O-Ton – Debbie Raphael, darüber Übersetzerin: "Seit 1990, damit vergleichen wir es, ist unsere Wirtschaft um 50 Prozent gewachsen, unsere Bevölkerung um 15 Prozent größer geworden, aber unsere Treibhausgasemissionen in Kalifornien sind um 23,5 Prozent runter. Es funktioniert 4 also. Wir haben die Kurve beim Klimaschutz gekriegt. Das Problem ist jetzt, es muss alles noch viel, viel schneller gehen. Und genau hierbei können die digitalen Technologien uns eindeutig helfen." Autor: Ihr Beispiel, das Start-Up "Powertree Services", dass die Vorteile des Internets mit den Vorzügen des Solarstroms zusammenbringen will. O-Ton – Debbie Raphael, darüber Übersetzerin: "Die Powertree-Leute gehen zu einem Hausbesitzer, der einen Parkplatz zur Verfügung hat, und sie sagen ihm: Wir installieren Solarzellen auf deinem Dach und verbinden diese mit einer Ladestation für Elektroautos. Bedingung ist nur, dass dein Parkplatz jederzeit frei verfügbar ist. Wer dann ein Elektroauto besitzt, der kann sich auf der Powertree-App anmelden und weiß genau, wo er jetzt in diesem Moment eine freie Ladestation mit Parkplatz ansteuern kann. Für diesen Service zahlt der Elektroautobesitzer eine monatliche Gebühr. Was hat der Hausbesitzer davon? Der bekommt Geld dafür, dass er sein Hausdach und seinen Parkplatz zur Verfügung stellt." Autor: 58 Häuser rund um San Francisco hat das Start-Up bereits im System registriert. Im Laufe des Jahres ist der offizielle Kick-Off geplant. Bewährt sich das Prinzip, soll die Powertree App auch nach Deutschland kommen. Debbie Raphael ist überzeugt, dass sich die digitale Energiewende in diesem Gewand weltweit durchsetzen kann. O-Ton – Debbie Raphael, darüber Übersetzerin: "Ich denke, es gibt da eine Sehnsucht. Eine menschliche Sehnsucht, nicht nur eine amerikanische, nach dem nächsten coolen Ding. Was Wert verspricht, was Spaß macht, was das Leben verbessert – was auch immer dann besser bedeutet. Und genau da muss die Industrie ran und uns neue Möglichkeiten bieten.” Autor: Im Silicon Valley werden Sehnsüchte gerne bedient. Der Traum von der Energieunabhängigkeit in den eigenen vier-Wänden soll nicht länger ein Traum bleiben. Das Ziel: weg vom Diktat der Ölscheichs, weg vom Gängelband der Politik in Washington. Und weg von der Abhängigkeit vom Energieversorger. Und wie soll all das gehen? Beispielsweise dadurch, dass Kunden künftig ihren Strom nicht mehr vom Stromkonzern, sondern direkt von ihrem Nachbarn mit Solaranlage beziehen, bezahlt und abgerechnet über verschlüsselte Transaktionen im Internet – von Privatkunde zu Privatkunde. Möglich machen soll das die so genannte Blockchain-Technologie. Ein Wort, das Energie-Manager in diesen Tagen elektrisiert. Stromhandel mit Blockchain-Verfahren, das basiert auf dem Prinzip der digitalen Währung Bitcoin. Dabei werden verschlüsselte Datenpakete via Internet ausgetauscht. Zwischen demjenigen, der Solarstrom auf seinem Dach produziert, und demjenigen, der ihn kaufen will. Kunde und Produzent wissen so immer genau, wieviel Strom verbraucht wird. Und natürlich, wieviel bereits bezahlt ist. Der Energieversorger, über den der Stromeinkauf bislang abgewickelt wird, würde in diesem System – im Prinzip – überflüssig, könnte sich auf die Wartung der 5 Stromnetze konzentrieren. Vorausgesetzt natürlich, das Blockchain-Verfahren von Start-Ups wie Wattcoin oder LO3-Energy setzt sich wirklich durch. Musik Atmo: San Jose Autor: Doch nicht nur für Stromkunden haben sie in der Energiewelt 'Made in Silicon Valley' viel vor. Auch für Energieversorger und Dienstleistungsfirmen soll es eine Fülle neuer Möglichkeiten geben. San José, am südlichen Ende des Silicon Valley. Eric Dresselhuys, ein großgewachsener Kalifornier mit Wurzeln im Mittleren Westen, leitet Silver Spring Networks, eine Software-Schmiede mit rund 670 Mitarbeitern, die digitale Plattformen verkauft. An Energieversorger und Industriekonzerne, die ihre Stromnetze zu Datenautobahnen ausbauen wollen. Der Manager schätzt, dass Energieversorger weltweit in den kommenden zehn Jahren mehr als zwei Billionen US-Dollar investieren, um Netze und Geräte "intelligent” zu machen. So wird aus einfachen Stromnetzen ein Cyber-Netzwerk von Sensoren – ein Smart Grid. O-Ton – Eric Dresselhuys, darüber Übersetzer: "Wir sehen eine immer dynamischere, stärker vernetze Welt – wo das Gerät, das Strom produziert, mit dem Gerät reden wird, was den Strom verteilt oder ihn verbraucht. Das ist letztlich genau das, was das Internet der Dinge ausmacht, nämlich eine digitale Verbindung zu schaffen zwischen den physikalischen Geräten, mit denen wir unseren Alltag bestreiten." Autor: 50 Milliarden Dinge könnten in Zukunft über gemeinsame IT-Plattformen miteinander sprechen, schätzen Branchenkenner. Ampeln mit Straßenlaternen, Kühlschränke mit Solaranlagen, Kameras mit Stromzählern. Bislang Unvorstellbares werde damit Alltag, erklärt Dresselhuys. Zum Beispiel, dass eine Straßenlaterne eine Reparatur anmeldet, bevor bei ihr die Birne durchbrennt. Oder dass Industrieanlagen anzeigen, wann und wo Bauteile ersetzt werden müssen. Eine Revolution für die Instandhaltungsbranche. O-Ton – Eric Dresselhuys, darüber Übersetzer: "Bis heute gibt es wenige Möglichkeiten, das Stromnetz zu durchleuchten. Deshalb geben Energiekonzerne viel Geld aus, um möglichst viele Sicherheitsmaßnahmen ins Netz einzubauen, weil sie ja nicht genau wissen, wann und wo etwas kaputtgehen könnte. Oder wann und wo das Netz an seine Überlastungsgrenzen stößt. Das bedeutet, das Stromnetz wird hochgerüstet, nur um alle mögliche Krisenszenarien zu berücksichtigen. Mit unserer Technologie dagegen kann der Energieversorger nur noch da nachbessern, wo tatsächlich akuter Bedarf ist. Das heißt, Investitionen können gezielter passieren – und auch Reparatur-Crews können fokussierter eingesetzt werden. Und natürlich können sie auch den Strombedarf der Kunden besser decken, weil sie ihn deutlich besser vorhersagen können." 6 Autor: Glaubt man den großen Versprechungen der Branche, lassen sich selbst teure Fehlinvestitionen durch die systematische Auswertung von Stromdaten vermeiden. Die Stadt Los Angeles zum Beispiel ließ ihre Ladeinfrastruktur für Elektroautos gezielt nachrüsten. So wollten die Stadtverantwortlichen Überlastungen beim allabendlichen Stromtanken vermeiden. Eine Milliarde Euro kostete das – um später durch Datenanalysen festzustellen: Die befürchteten Überlastungs-Szenarien waren falsch berechnet, weil Elektroautos in Los Angeles über den Tag hinweg relativ gleichmäßig tanken. Für Eric Dresselhuys, den Smart-Grid-Enthusiasten aus dem Valley, ist das der Beweis: O-Ton – Eric Dresselhuys, darüber Übersetzer: "Wenn wir die Dinge smart machen, also vernetzen, dann verschieben sich die Machtverhältnisse hin zu den Stromkunden. Die können unabhängig entscheiden, wann, wie und wo sie Strom nutzen wollen." Musik Autor: Was bedeutet all das für Deutschland – ein Land, das erst ganz am Anfang der Entwicklung steht, die in den USA als digitale Energierevolution gefeiert wird. Vom Verband der deutschen Elektroindustrie VDE gibt es markige Worte: Wir brauchen mehr "Californian Spirit" – und weniger "German Angst". Deutschland, so heißt es weiter, müsse die digitale Goldgräberstimmung nutzen. Mit Mut – auch zu unkonventionellen Lösungen. Egal, ob über Blockchain, Big Data oder Smart Grids gesprochen wird. Musik: Lawrence Lab Hill Autor: Das sehen aber längst nicht alle so euphorisch. Auch in den USA werden die kritischen Stimmen inzwischen lauter. Bruce Nordman und Marco Pritoni gehören zu den Kritikern. Die beiden Forscher beobachten die digitale Revolution mit wissenschaftlichem Abstand: am Lawrence Energy Lab der kalifornischen Eliteuniversität Berkeley. Das Labor thront auf einem Bergrücken nördlich von San Francisco. Nur die orangefarbene Golden Gate Bridge begrenzt ihren Blick über die Bay. Gerade hier wird besonders viel über die Zukunft der digitalen Stromversorgung nachgedacht. Und die Risiken einer RundumVernetzung von Häusern und Stromnetzen rücken dabei in den Mittelpunkt. Bruce Nordman: O-Ton – Bruce Nordman, darüber Übersetzer: "Wenn wir weiter auf ein einheitliches und zusammenhängendes Stromnetz setzen, dann wird das schwer mit der Cyber-Sicherheit. Denn sie verbinden in einem Netz Dutzende von Millionen oder mehr intelligenter Geräte miteinander. Jedes einzelne kann ein Ziel von Hackerangriffen sein.” 7 Autor: Bruce Nordman rät den Deutschen deshalb, nicht nur die Stromproduktion durch Wind- und Solarkraftwerke konsequent dezentral auszubauen. Auch für das Stromnetz gelte: je dezentraler und kleinteiliger, desto sicherer. Aussagen, mit denen sich der Wissenschaftler bei den auftragshungrigen IT-Konzernen im Valley kaum Freunde machen dürfte. Denn dort heißt es, dass die verschlüsselten Stromdaten sicher seien. Doch der Wissenschaftler geht noch weiter. O-Ton – Bruce Nordman, darüber Übersezer: "Wir brauchen jetzt im nächsten Schritt digitale Technologien, die möglichst viele der Stromdaten innerhalb des eigenen Hauses halten. Und die den Anreiz, die Daten nach draußen geben zu müssen, auf ein Minimum reduzieren." Autor: Seine Vision: Jedes Haus, jede Wohnung sollte zur Dateninsel werden. Und auch das Stromnetz sollte aus vielen Tausend kleinen Strominseln bestehen, die lose miteinander verbunden, jeweils nur ein Stadtquartier, ein Dorf, eine Region mit Strom versorgen. Der Vorteil dieser Microgrids: Hackerangriffe könnten sich nicht mehr wie Lauffeuer durch die Stromnetz-Datenautobahnen verbreiten. Noch fehlt es in den USA, wie auch in Deutschland, an Zustimmung, Cybersicherheit so radikal zu denken. Aber das könne sich schnell ändern, sagt Nordman. Musik Autor: Bleibt ein weiteres, wichtiges Versprechen der digitalen Energierevolution: Mit dem Smart Home könne viel Energie eingespart werden. Forscher-Kollege Marco Pritoni hat das für San Franciscos Stromversorger PG&E in einer Studie genauer untersucht. Dafür durchforstete er die beinahe unüberschaubar groß gewordene Liste intelligenter Energiespar-Helfer. Also Thermostate, Leuchten, Lüftungen, Jalousien, kurz, die Brüder und Schwestern des digitalen Stromzählers. Mehr als 400 solch digital vernetzter Geräte nahm er in seine Studie auf. In Punkto Energiesparen – mit ernüchterndem Ergebnis. O-Ton – Marco Pritoni, darüber Übersetzer: "Die Kunden interessierten sich mehrheitlich für Gadgets, also Dinge, die ihren Alltag erleichtern oder etwas mehr Komfort bringen. Energiesparen war dabei nebensächlich. Eine Strategie könnte deshalb lauten, dass es das Energiesparen einfach oben draufgibt, als weiteren Vorteil, zusammen mit dem anderen System." Autor: Jede neue Vernetzung schafft auch neue Abhängigkeiten, sagt Marco Pritoni. Von Unternehmen wie Google, Apple & Amazon, die gerade jetzt um Anteile am Markt der Haus-Automation kämpfen – und ganz gezielt Kunden mit unausgereiften technischen Standards in Abhängigkeiten treiben. O-Ton – Marco Pritoni, darüber Übersetzer: "Einige Firmen wollen jetzt den Fuß in die Tür kriegen. Sie wollen mit irgendeinem Gerät ins Haus, Hauptsache, es macht irgendetwas. Und das kann später die Basis dafür sein, ein System Drumherum zu bauen." 8 Autor: Ist der digitale Thermostat von Google also erst installiert, dann funktionieren auch die anderen vernetzten Geräte am reibungsärmsten, wen könnte es überraschen, mit weiteren Google Produkten. Eine Abhängigkeitsspirale, die Google, aber auch besonders auch Apple besonders perfektioniert haben. Atmo: New York Autor: Doch sind das Warnungen und Bedenken überängstlicher Forscher? Nein, auch in der Geschäftswelt außerhalb von Silicon Valley wird vor einem Übermaß an Vernetzung gewarnt. Eine besonders prominente Stimme ist Jigar Shah. Der Sohn indischer Einwanderer in den USA lebt und arbeitet als Investor für grüne Start-UpUnternehmen im pulsierenden New York. 2002 gründete er mit SunEdison eines der ersten Solarunternehmen der USA. Atmo: Bar Autor: Auch Jigar Shah ist fasziniert von den schier grenzenlosen Möglichkeiten der digitalen Energiewende. Er profitiert und nutzt diese Möglichkeiten tagtäglich. Aber, davon ist der Querdenker auch überzeugt, die schöne, neue Energiewelt gibt es nicht zum Nulltarif. Der Preis, den Einzelne für vernetzte Stromzähler, Heizungsanlagen und Thermostate zahlen müssten, könne mitunter sehr hoch sein O-Ton – Jigar Shah, darüber Übersetzer: "Mit einem intelligenten Thermostat können Sie feststellen, ob jemand zuhause ist oder nicht. Wenn Diebe also die Daten des Geräts in Echtzeit abgreifen, können sie gezielt ins Haus einbrechen, während keiner da ist. Kurz, da steckt haufenweise privater und hochsensibler Informationen in den Stromverbrauchsdaten." Autor: Shah ist deshalb überzeugt, dass sich hier das große Dilemma der digitalen Energiewelt offenbart. Ein Dilemma, das sich heute in den USA, morgen in Deutschland und andernorts immer deutlicher zeigen werde. Mehr Klimaschutz durch mehr Vernetzung, das wird immer häufiger auf Kosten von Datenschutz und Cybersicherheit gehen. O-Ton – Jigar Shah, darüber Übersetzer: "Und die Frage wird jetzt sein, wie wägen wir das gegeneinander ab. Also den Schutz der eigenen Daten, die Möglichkeit, dass die gestohlen und missbraucht werden – und auf der anderen Seite die Chance, deutlich Energie zu sparen. Ich weiß die Antwort darauf nicht.” Autor: Star-Investor Jigar Shah bleibt trotz aller Bedenken gelassen. Denn auch wenn im Silicon Valley Goldgräberstimmung herrsche: Welche App oder welche digitale 9 Anwendung sich im Energiegeschäft letztlich durchsetze, das sei längst noch nicht ausgemacht. O-Ton – Jigar Shah, darüber Übersetzer: "Die Silicon Valleys der Welt, die glauben daran, dass ihre Technologien die Welt beherrschen werden. Dass man nur die richtige App entwickeln muss und dann werden die Menschen diese schon nutzen. Aber das stimmt im Energiesektor nicht. Denn da sind Regierungen involviert, Energieversorger, Unternehmen und viele, viele andere Interessen. Mit all denen muss man zusammenarbeiten und einen Weg finden, alle glücklich zu machen. Oder zumindest versuchen, dass sie einen nicht bekämpfen. Nur dann bekommt man ein neues Produkt in den Markt." Autor: Prominentes Beispiel: Google erwarb im Januar 2014 das Start-Up-Unternehmen NEST – ein Hersteller intelligenter Raumthermostate und Sicherheitslösungen. Mit Nest wollte der IT-Konzern das Smart Home im Sturm erobern. Mit formschönen Geräten, vernetzter Technologie und vielen, vielen Extras. Bislang, ein Sturm im Wasserglas, sagt Shah mit ironischem Unterton. Denn der Software-Riese habe es nicht für nötig befunden, sich mit lokalen Energieerzeugern abzustimmen. Die Quittung: Viele der smarten Möglichkeiten der Geräte sind bis heute kaum nutzbar, weil die lokalen Energieversorger sie nicht unterstützen. Und wer, so Shah, braucht schon smarte Geräte ohne smarte Ergebnisse. Ohnehin brauche ein Durchschnittshaushalt nicht wirklich viel Smartness, um Energiesparziele zu erreichen, sagt Shah. O-Ton – Jigar Shah, darüber Übersetzer: "Eigentlich gibt es da ohnehin nur fünf oder sechs Geräte im Haus, die sie intelligent kontrollieren müssen, um 95 Prozent der Energiesparvorteile zu bekommen. Da sind Dinge wie Klimaanlage, Heizung, Warmwasser, Kühlschrank. Diese Sachen reichen fast schon aus. Sie müssen ihren Fernseher nicht kontrollieren können. Ebenso wenig wie den Toaster oder die Mikrowelle oder die Waschmaschine und andere Sachen. All das hat fürs Energiesparen keinen Wert." Musik Autor: Ob das smarte Leben made in Silicon Valley also auch ein energiesparendes Leben sein wird, das muss sich erst noch beweisen. Wie gut, dass in Deutschland noch ein wenig Zeit bleibt, um die Weichen für die digitale Energiewelt richtig zu stellen. In den meisten Haushalten von privaten Stromkunden werden die digitalen Stromzähler nämlich erst ab 2020 Einzug halten. Nur die Industrie- und Großkunden müssen bereits ab Herbst 2017 umrüsten. So kann jetzt die Debatte beginnen – über die Chancen und die Risiken einer Entwicklung – in der die USA Vorbild und abschreckendes Beispiel zugleich sind. Musik ***** 10
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