SWR2 MANUSKRIPT

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2 DIE BUCHKRITIK
Ana Lilia Pérez: Kokainmeere
Die Wege des weltweiten Drogenhandels
Pantheon Verlag, München bei Random House
320 Seiten
14,99 Euro
Rezension von Widmar Puhl
Donnerstag, 21.07.2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Das Buch „Kokainmeere. Die Wege des weltweiten Drogenhandels“ von Ana Lilia Pérez
erzählt davon, wie die Drogenmafia die legale Seefahrt unterwandert hat. Was
Briefkastenfirmen dem Steuerhinterzieher, das sind anonyme Schiffe unter Billigflaggen
den Drogenkartellen. Ohne politische Einigkeit ist deshalb der „Krieg gegen die Drogen“
nicht zu gewinnen. Eine Buchkritik von Widmar Puhl.
Seit Präsident Felipe Calderón 2006 der Drogenmafia den Krieg erklärt hat, sind in Mexiko
mehr als 80 Journalisten ermordet worden. Deren Neugier scheinen Drogenbosse mehr
zu fürchten als die korrupte Staatsmacht Mexikos oder Interpol. Die Reporterin Ana Lilia
Pérez bekam schon mehrfach Todesdrohungen der mexikanischen Drogenmafia. Unter
dem Schutz der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte und des P.E.N.-Clubs schrieb
sie nun das Buch „Kokainmeere“: eine spannende Reportage über die kriminellen
Netzwerke, die seit 25 Jahren immer neue Drogen-Schmuggelrouten von Süd nach Nord
finden. Auf dem Rückweg bringen sie Waffen von Nord nach Süd: auch das ein wichtiges
Ergebnis von Pérez‘ Recherchen.
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Die Szene hat sich seit dem Fall der Mauer sehr verändert; dieses Buch zeigt, wie und
warum. Globalisierung, Freihandel und Tourismus haben in einem schier grenzenlosen
Europa Kontrollen erschwert und neue Märkte im Osten geschaffen – eben auch für
Drogen. Alle Fachleute für organisierte Kriminalität sind sich darin einig: Staaten, deren
Einnahmen ständig durch „Steueroptimierung“ schrumpfen, sparen auch bei der Polizei
und sind den Kartellen nicht gewachsen.
Panama, durch die Enthüllungen über Briefkastenfirmen wie Malta und andere
Kleinstaaten als Schwarzgeld-Paradies bekannt, bietet sogar noch mehr:
nämlich Billigflaggen. Damit kann die Drogenmafia Reedereien gründen und Schiffe
kaufen, deren Eigentümer niemand kennt. Sie heuert Seeleute an, die für kleines Geld
große Risiken tragen: Gefängnis, in manchen asiatischen Ländern die Todesstrafe. Aus
Armut bauen Bauern in Kolumbien Coca an und werden somalische Piraten zu
Drogenschmugglern.
Früher ging es meist um Heroin, synthetische Drogen oder Cannabisprodukte. Doch
längst ist Kokain massiv auf dem Vormarsch. Das hat schon 1972 begonnen, als USPräsident Nixon seinen „War on Drugs“ erklärte. Die kolumbianische Armee bekam
Milliarden für den Kampf gegen Coca-Pflanzungen, Kokainlabore und die Kartelle von Cali
und Medellín. Das trieb zunächst die Preise hoch. Produktion und Schmuggel von Kokain
wurden attraktiv für linke und rechte Bürgerkriegsmilizen, die damit Waffen finanzierten.
Dem Fahndungsdruck wichen viele der Anführer in andere Länder aus.
Heute dominieren mexikanische Kartelle aus Tijuana und Sinaloa mit Scheinfirmen das
Geschäft, assistiert von kriminellen Banden in aller Welt. Durch Bestechung unterwandern
sie Hafenbehörden, Reedereien, Banken und Polizei. Hobbysegler, die in der Ägäis eine
Yacht mieten, Passagiere einer Fähre oder Kapitäne von Containerschiffen haben oft
keine Ahnung, was noch so alles an Bord ist. Die Weltmeere sind ein rechtsfreier Raum
und kaum kontrollierbar.
Oft steckt der Stoff in verplombten Containern oder als „schwarze Fracht“ zwischen Obst,
Fisch und Schüttgut. Die Raffinesse der Schmuggelverstecke, die Logistik der Kartelle und
die Technik entwickeln sich ständig weiter. Fahnder und Geheimdienste versuchen zwar,
Drogenschiffe schon auf hoher See zu stellen. Die Schmuggler aber bekommen oft Tipps
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von bestochenen Beamten. Dann ändern sie kurzfristig die Routen oder verteilen den Stoff
um in Schnellboote, die in verschiedene Richtungen davonflitzen. Satellitenaugen und
Radar umgehen sie teils mit umgebauten U-Booten der Sowjet-Marine. Weil die Fahnder
den Stoff mit mobilen Röntgengeräten aufspüren können, wird Kokain inzwischen sogar in
flüssiger Form transportiert, so dass die Kameras nichts zeigen außer „Kunstdünger“.
Die Autorin hat in vielen Ländern Seeleute, Schmuggler, Reeder und Fahnder befragt. Sie
nennt die Schlüsselfiguren beim Namen, beschreibt alle wichtigen Routen des
Drogenschmuggels. Ein wichtiges Buch – aber es macht auch klar, dass der Kampf gegen
die Drogenmafia allein mit brutaler Gewalt töricht und nicht zu gewinnen ist. Wie im
Banken- und Finanzsektor ist die organisierte Kriminalität nämlich tief in die Strukturen
mächtiger Entscheidungsträger in Großkonzernen und Politik eingesickert. Es gibt einfach
zu viel Korruption. Deshalb fehlt die politische Einigkeit, um das schmutzige Geschäft zu
beenden.
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