Manuskript

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE,
SWR2 DIE BUCHKRITIK
Alexander von Schönburg: Weltgeschichte to go
Rowohlt Verlag 2016
288 Seiten
18 Euro
Rezension von Constantin Fellner
Dienstag, 05. Juli 2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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Histotainment kennen die meisten von uns vor allem aus dem Fernsehen. Doch man kann
sich auch abseits des TV-Geräts historisch bilden, ohne dass es langweilt. Der Berliner
Publizist Alexander von Schönburg beherrscht die Kunst des stilvollen Belehrens wie
kaum ein anderer. Unser Autor Constantin Fellner hat das neue Buch seines Kollegen
unter die Lupe genommen. Es heißt „Weltgeschichte to go“.
Alexander von Schönburg, Autor bei der BILD-Zeitung, hat geschafft, wovon viele im
Medienbusiness träumen: sich als Autor intelligenter, aber kurzweiliger Bücher einen
Namen zu machen und im Gespräch zu bleiben. Erst vergangenes Jahr erschien „Die
Kunst des stilvollen Mitredens“; nun wagt der Autor mit dem Brevier „Weltgeschichte to go“
endgültig den Sprung ins seriöse Fach.
„Sich für Geschichte zu interessieren heißt, sich für sich selbst zu interessieren“,
behauptet Schönburg und eröffnet seinen knapp dreihundertseitigen Parcours mit einer
anregenden Reflexion darüber, wieso wir uns eigentlich mit der Vergangenheit
beschäftigen. Was uns all das Zurückschauen bringe, fragt er, und gibt gleich die Antwort:
wir hätten schlicht nichts anderes. Denn physikalisch gesehen sei das Jetzt nicht
nachweisbar. Alles, was wir sehen, so Schönburg, sei Vergangenheit und verweist
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durchaus überzeugend darauf, dass jedes Licht, das auf die Erde falle, umso älter sei, je
weiter es sich von seiner Quelle entferne.
In zehn Kapiteln widmet Schönburg sich der Weltgeschichte als Ganzes, aber immer
wieder aus anderem Blickwinkel. Dem Kapitel über die wichtigsten Ereignisse der
Menschheitsgeschichte folgt eines, das die Weltgeschichte anhand des Aufstiegs wichtiger
Städte schildert, dann ein Kapitel über Helden der Geschichte, eines über die großen
Ideen, eines über die großen Kunstwerke, schließlich eines über bahnbrechende
Erfindungen. Am Ende dann ein Kapitel über die größten Schurken und über die großen
Worte, jedes von ihnen mit einem entsprechenden Listicle abschließend, das aber nicht
plump, sondern wohldurchdacht und witzig.
Viel Boulevard, ohne Zweifel, aber wie stets, so liegt auch in diesem Boulevard ein
Körnchen Wahrheit. Zum Beispiel hier: „Letztlich“, so Schönburg, „siegt einfach immer in
einer Ecke unseres Planeten ein Nomadenstamm über den nächsten, eine Hochkultur
über eine andere. Interessanter als das Aufzählen all des Gegeneinanders ist eigentlich, in
welch rasanter Geschwindigkeit aus komplett isolierten Kulturen am Ende die eine
vernetzte Welt wurde.“
Damit ist der Autor im Jetzt angekommen, einem Jetzt, in dem sich die
Geschichtsschreibung vielleicht in ihrer größten Krise seit ihrem Bestehen befindet. Denn
mit dem „ultimativen Zusammenbruch von Raumgrenzen mit der ersten Verbindung zur
Datenübertragung zwischen Computern und der Mondfahrt“ im Jahr 1969 – zufällig
Schönburgs Geburtsjahr – durchbricht die Menschheitsgeschichte ihren herkömmlichen
Definitionsraum: die Grenzen der Erde und des Raumes schlechthin.
Wohin wird die Reise gehen? „Bislang“, so Schönburg, „hat sich der Mensch stets auf
seinen Erfindungsreichtum verlassen können. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass
dies bei den nächsten Krisen anders sein wird. Wenn es auf der Erde eng wird, wer weiß,
vielleicht lässt sich ja eine irdische Kolonie schaffen, auf dem Mars oder sonst wo.“ „Der
Schlachtplan des Menschen, sich die Natur gefügig zu machen“, so Schönburg, sei dabei
ein spezifisches Produkt des europäischen Geistes. Dieser Geist aber, der sich die Welt –
im Guten wie im Schlechten – untertan gemacht habe, sei, so des Autors Liebeserklärung
an die Griechen, der Geist Athens.
In einer noch weiteren Perspektive sind es für Schönburg freilich die kognitive und die
landwirtschaftliche Revolution in der prähistorischen Zeit, die jener Entwicklung den Drive
gegeben haben, die Schönburg, ausgehend von den alten Reichen über die
Konsolidierungsphase des ersten christlichen Jahrtausends und die Befreiung des
Menschen von der Religion in der Renaissance bis in die atlantische Jetztzeit
nachverfolgt. Unüberhörbar sind in seiner fesselnden Erzählung ein melancholischer
Grundton, aber auch eine erfreuliche liberalistische Emphase, verbunden mit einer
deutlich positiven Wahrnehmung des Christentums, dem der praktizierende Katholik
Schönburg die Selbstaufwertung des Menschen in der nachheidnischen Periode
zurechnet – eine streitbare und darum gerade für so ein Buch wertvolle These.
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Schönburg beherrscht die im deutschen Literaturbetrieb seltene Kunst des gelehrten
Plauderns in ebenso seltener Vollkommenheit. In „Weltgeschichte to go“ kann man viel
lachen und viel – lernen. Beides gute Gründe, dieses Buch zu kaufen und zu lesen.
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