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 Kommentar von M7 Real Estate
Die Irrtümer der Brexit-Anhänger
Richard Croft hält das Konzept der nationalen Souveränität für veraltet. In seinem Kommentar zum Brexit
beschreibt der Vorstandsvorsitzende von M7 Real Estate die möglichen Auswirkungen, welche ein Austritt
Großbritanniens auf die Immobilienmärkte haben würde.
Als ich begann, diesen Beitrag vorzubereiten, war es mir wichtig, einen maßvollen Ton zu bewahren und nicht
allzu konfrontativ zu werden. Ich bin ein entschiedener Anhänger des „Remain"-Lagers, also für den Verbleib
Großbritanniens in der EU. Doch je länger die Debatte währt, desto ratloser werde ich – obwohl man
gegensätzliche Ansichten stets respektieren sollte – angesichts der Pro-Brexit-Argumente, die mir mehr emotional
als rational erscheinen. Das Konzept der nationalen Souveränität ist, obwohl verlockend, meiner Meinung nach
veraltet. Um aber im Rahmen dieses Artikels zu bleiben, werde ich mich auf die Auswirkungen konzentrieren,
welche ein Brexit auf die Immobilienmärkte haben würde.
Fast jeder Brexit-Anhänger behauptet, das Remain-Lager verbreite eigentlich nur Angst, und die tatsächlichen
Folgen eines britischen Exits aus der EU könne man heute nicht vorhersehen. An diesem Punkt irren unsere
Brexit-Freunde. Denn viele Personen und Institutionen haben unabhängig voneinander dargelegt, was geschehen
wird. Die Bank of England, der IWF, die Weltbank, der Präsident der Vereinigten Staaten, J. P. Morgan und vor
Kurzem Michael Bloomberg, um nur einige zu nennen, haben übereinstimmend vor den wirtschaftlichen Folgen
gewarnt. Dass das Brexit-Lager diese Warnungen ignoriert und sie populistisch als „Project Fear“ von der Hand
weist, ist ein schwerer Irrtum. Denn ein Brexit hätte sicherlich das Potenzial, einen globalen systemischen Schock
auszulösen.
Im besten Fall würde ein Brexit eine mittelfristige Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in Großbritannien
und wahrscheinlich in Europa herbeiführen, während die Wirtschaft die Auswirkungen eines Brexit verarbeitet. Im
schlimmsten Fall würde der Brexit eine Ereigniskette auslösen, die bis zur Auflösung der Europäischen Union und
einer weiteren globalen Finanzkrise führen könnte. Während ich hoffe und glaube, dass ein Abstimmungserfolg
zugunsten des Brexits verhindert werden kann, so darf man doch das Gesetz der unbeabsichtigten Folgen nicht
außer Acht lassen. Nachdem der populäre ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson sich offen zum
Brexit-Lager bekannte, stürzte das Britische Pfund empfindlich ab. Dies war ein deutlicher Hinweis darauf, wie
die Kapitalmärkte im Falle eines Abstimmungsausgangs zugunsten des EU-Austritts reagieren würden.
Auswirkungen auf die Immobilienbranche in Großbritannien und insbesondere in London wären vermutlich eine
erhebliche Verringerung der Liquidität und folglich eine Verringerung der Investitionsbereitschaft. Im Unterschied
zu 2008 liegen die Zinsen heute bei null Prozent, was Rendite generierende Immobilien kurzfristig vor Schäden
bewahren wird. Doch bei der Abwägung der Wahrscheinlichkeiten würde dies eine Kluft zwischen Investoren
einerseits schaffen, die dann nur mit erheblichem Abschlag zu investieren bereit wären, und potentiellen
Verkäufern andererseits, die ausreichend Cashflow hätten, die Situation auszusitzen. Das Problem wäre kurzfristig
nicht so sehr ein Zusammenbruch der Kapitalkosten, sondern die Auswirkung auf den Vermietungsmarkt, die mit
Verzögerung einen Dominoeffekt auf die Renditen haben wird, die aus den Immobilien generiert werden können.
Dies wiederum wird mittelfristig die Kapitalwerte drücken.
Angesichts der hohen Zahl potenzieller geopolitischer Risiken weltweit, von einem verlangsamten
Wirtschaftswachstum in China, über eine mögliche Trump-Präsidentschaft in den USA bis hin zu den anhaltenden
Umwälzungen im Nahen Osten mit enormen Auswirkungen auf die Sicherheit in der EU, und im Hinblick auf die
gleichzeitig relativ schwache Performance der Aktien-, Renten- und Rohstoffmärkte ist die eigentliche Frage, die
wir den Brexit-Anhängern stellen müssen: Warum jetzt? Ohne Zweifel benötigen die EU-Kommission und das
EU-Parlament Strukturreformen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass diese ohnehin anstehen, denn die Briten
sind nicht die einzigen EU-Mitglieder, die Zweifel am aktuellen Kurs hegen. Dies dahin gestellt, scheinen wir die
vielen enorm positiven Dinge zu vergessen, welche die EU erreicht hat, vom Binnenmarkt bis hin zur
marktwirtschaftlichen Liberalisierung sowie, wir sollten es nicht vergessen, 70 Jahre Frieden auf dem Kontinent.
Natürlich hat das Brexit-Lager in dem Punkt Recht, dass wir die langfristigen Folgen eines Votums zugunsten des
Austritts nicht vorhersehen können, weil so viel davon abhängen wird, wie andere Menschen und Nationen
reagieren werden. Aber genau dies ist der Irrtum der Brexit-Kampagne. Bei dieser Abstimmung geht es nicht
wirklich um uns Briten; es geht um die globalen Auswirkungen unseres Handelns und wie der Rest von Europa
und die internationale Gemeinschaft reagieren.
Die Pro-Brexit-Kampagne scheint die Tatsache zu ignorieren, dass die Welt sich fortentwickelt hat und sich, durch
stetig verbesserte Kommunikation, immer stärker vernetzt. Ich für meinen Teil würde es vorziehen, die
Konstruktion der EU von innen her zu verbessern, statt uns sowohl wirtschaftlich als auch politisch isoliert
wiederzufinden, was meiner Meinung nach eine sehr reale Gefahr ist, wenn die Briten am 23. Juni gegen den
Verbleib in der EU stimmen. Es scheint ganz klar, dass wir Briten, wenn wir für den Austritt stimmen, uns als
Nation keine neuen Freunde machen werden, während wir gleichzeitig unsere bestehenden Freunde verärgern. Das
kann auch für die Immobilienbranche nicht positiv sein.
Dieser Artikel erschien am 21.06.2016 unter folgendem Link:
http://www.dieimmobilie.de/-die-irrtuemer-der-brexit-anhaenger-1466515984/
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