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Klaus Hempel
21.06.2016
ARD-Angebot: BVerfG Urteil EZB / OMT – Kommentar
Trotz ihrer formalen Niederlage können die Kläger sehr zufrieden sein.
Sie haben viel erreicht. Die Europäische Zentralbank und all ihre
Maßnahmen unterliegen der vollen Kontrolle durch die Gerichte. Das war
vorher so nicht klar. Die deutschen Staatsbürger sind gegenüber
übermächtig erscheinenden EU-Institutionen wie der EZB nicht völlig
schutzlos. Jeder einzelne Bürger hat das Recht, in Karlsruhe zu klagen,
sollten EU-Organe wie die EZB ihre Kompetenzen maßlos
überschreiten. Dafür bürgt das Bundesverfassungsgericht. Auch das
steht so im Urteil.
So mächtig, frei und unabhängig die EZB nach wie vor sein mag, sie darf
nicht einfach tun und lassen was sie will. Wenn sie Staatsanleihen
aufkauft, darf sie das nur unter bestimmten Bedingungen tun. So muss
sie z.B. das Volumen den Anleihekäufe vorher genau festlegen. Für
diese Klarstellung haben die Kläger ebenfalls gesorgt.
Auch die Verfassungsrichter des zweiten Senats dürfen zufrieden sein.
Wer behauptet, sie wären vorm Europäischen Gerichtshof eingeknickt,
liegt falsch. Mit ihrer äußerst kritisch formulierten Vorlage an den EuGH
haben sie ihre Luxemburger Kollegen dazu gebracht, dass die EZB
eingezäunt wird. Für den Aufkauf von Staatsanleihen gelten künftig
genaue Vorgaben. Diese muss nun auch die Bundesbank befolgen.
Bundesregierung und Bundestag müssen die Vorgaben künftig
überwachen. Werden sie nicht eingehalten, muss Deutschland aus der
Krisenpolitik aussteigen. Auch das stärkt die deutsche Position.
Alles in allem ist die Strategie des Bundesverfassungsgerichts
aufgegangen. Viele Bedenken der Verfassungsrichter gegen das OMTProgramm hat der EuGH aufgegriffen. Deshalb gab es auch keinen
Grund für Karlsruhe, am Ende den offenen Konflikt mit Luxemburg zu
suchen. Herausgekommen ist vielmehr ein europafreundliches Urteil.
Zwar haben die Verfassungsrichter die EuGH-Entscheidung zur EZBPolitik sehr kritisch auseinandergenommen und viele Schwachstellen
aufgezeigt, sind ihr am Ende aber doch gefolgt. Dass man
unterschiedlicher Meinung ist und bei der Auslegung von Gesetzen zu
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Klaus Hempel
21.06.2016
unterschiedlichen Ergebnissen kommt, ist gerade unter Juristen völlig
normal. Auch Richter müssen deshalb Kompromisse finden und
eingehen. Genau das ist dem Europäischen Gerichtshof und dem
Bundesverfassungsgericht
gelungen.
Gerichtspräsident
Andreas
Voßkuhle sagte heute: Die Europäische Rechtsgemeinschaft ist aus
diesem Verfahren gestärkt hervorgegangen. Ich finde, damit hat er recht.
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