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Gigi Deppe
21.06.2016
ARD-Angebot
Bundesverfassungsgericht: Urteil EZB-Programm, BmE
Andreas Voßkuhle: „Sehr geehrte Damen und Herren, mit dem heutigen
Urteil geht ein langes und aufwendiges Verfahren zu Ende.“
Gleich zu Beginn der Urteilsverkündung deutet Verfassungsgerichtspräsident
Andreas Voßkuhle an: Dieses Verfahren hat die Richter belastet. Dreieinhalb
Jahre lang haben sie versucht zu ermitteln, ob das vollmundige Versprechen
der EZB, sie würde notfalls unbegrenzt Staatsanleihen der europäischen
Staaten aufkaufen, ob diese Ankündigung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Solch ein Versprechen geht zu weit, fanden Politiker aus verschiedenen
Parteien und auch die Bürgerinitiative „Mehr Demokratie“ mit über 10.000
Klägern. Sie befürchteten, dass durch die Aktionen der EZB Schulden in
Milliardenhöhe auf den deutschen Staatshaushalt zukommen könnten. Die
Verfassungsrichter hatten auch Zweifel. Sie legten deshalb die Sache dem
Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vor. Die europäischen Richterkollegen
aber sahen im letzten Sommer kaum Probleme.
Das hat die Verfassungsrichter nicht komplett überzeugt. In der
Urteilsverkündung sagte Andreas Voßkuhle recht deutlich:
Andreas Voßkuhle: „Der Gerichtshof der Europäischen Union und das
Bundesverfassungsgericht sind sich nicht in allen Punkten einig. Das
gemeinsame Ringen um das Recht ist aber konstituierender Teil einer
funktionierenden Rechtsgemeinschaft.“
Das heißt, die Verfassungsrichter finden zwar, dass die Luxemburger zu
großzügig sind, zu viel durchgehen lassen, was nach den Verträgen eigentlich
nicht sein darf. Aber sie sagen auch: Wir mischen uns nicht in alles ein.
Andreas Voßkuhle: „Kontrollvorbehalte
europarechtsfreundlich auszuüben.“
sind
zurückhaltend
und
Die Aktionen von EZB und EuGH seien nach deutschem Maßstab nur dann
nicht bindend, wenn sie auf einer offensichtlich nicht mehr vertretbaren
Auslegung der europäischen Verträge beruhten. Erst bei Willkür greifen die
Richter ein. Ansonsten müsse man in Europa kompromissbereit sein.
Deswegen haben sie die Verfassungsbeschwerden abgewiesen. Das
Versprechen, notfalls unbegrenzt aufzukaufen, das sei grundsätzlich in
Gigi Deppe
21.06.2016
Ordnung gewesen. Jedenfalls in dem Rahmen, den der europäischen
Gerichtshof vorgegeben habe. Denn ….
Andreas Voßkuhle: „… danach muss gesichert sein, dass Ankäufe nicht
angekündigt werden, das Volumen der Ankäufe im Voraus begrenzt ist.“
Wenn die EZB also Sicherungsmaßnahmen ergreift, dass keine unendlichen
Schulden gemacht werden, dann würde die deutsche Verfassung nicht
verletzt.
Alle Klagen, die noch beim Verfassungsgericht wegen anderer europäischer
Finanz-Programme liegen, werden in Zukunft mit diesem Maßstab gemessen.
Solange die EZB nicht völlig losgelöst riskante Geschäfte eingeht, solange
haben die Karlsruher Richter aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts gegen
die Europäische Zentralbank. Sie finden, es ist schon ein Erfolg, dass die
Zentralbank überhaupt von Gerichten überprüft wird. Andreas Voßkuhle:
„Die Europäische Rechtsgemeinschaft ist aus diesem Verfahren gestärkt
hervorgegangen.“
Denn mit der Ungebundenheit der obersten Banker sei jetzt Schluss. Notfalls
müssten sie sich doch für ihre Handlungen rechtfertigen.
Gigi Deppe, Karlsruhe.