SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Robert Habeck, Stellvertretender Ministerpräsident Schleswig-Holstein, Grüne, gab heute, 17.06.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema „Status der Maghreb-Staaten in der Flüchtlingspolitik.“ Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Rudolf Geissler. Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 17.06.2016 Habeck (GRÜNE) zum Maghreb-Disput: Kein Vertrauen in Altmaiers Zusagen Baden-Baden: Der stellvertretende Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Habeck, verlangt von der Bundesregierung Garantien gegen eine pauschale Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern aus dem Maghreb. Der Grünen-Politiker sagte im Südwestrundfunk (SWR), in den nächsten Wochen sei eine Einigung im Bundesrat noch nicht ausgeschlossen. Wenn für einen Personenkreis von heute rund 4000 Asylbewerbern aus der Region eine zweifelsfreie Regelung gefunden werde, komme man "schon einen Schritt weiter". Es müsse ausgeschlossen sein, dass diese Flüchtlinge zwangsweise zurück geführt und damit dem Risiko ausgesetzt würden, in ihren Heimatländern verfolgt zu werden. Kanzleramtsminister Altmaier habe etwas "ähnliches" schon vorgeschlagen, sagte Habeck. Allerdings habe er kaum mehr Vertrauen in Altmaiers "Protokollerklärungen", nachdem es in der Vergangenheit von dessen Seite Zusagen gegeben habe, die dann nicht eingehalten worden seien. Wortlaut des Live-Gesprächs: Geissler: Das Thema wird vertagt, nur wenn die Maghreb-Staaten nicht sicher sind und auch nicht dadurch sicher gemacht werden können, dass der Bundesrat weiterverhandelt, was macht es dann eigentlich für einen Sinn, das Thema nur zu verschieben, statt es vollends zu kippen? Habeck: Wir werden nicht durch die Gespräche in den nächsten drei Wochen die Staaten sicher machen, aber man kann vielleicht eine Lösung finden, dass die Menschen, die Asyl beantragen, aber den Bescheid noch nicht bekommen, nicht zurückgeschickt werden und dann ein Klageverfahren weiter aus diesen Ländern raus betreiben müssen. So etwas ähnliches hat Altmaier schon angeboten als Protokollerklärung. Nun ist mein Vertrauen in Altmeiers Protokollerklärungen ziemlich geschrumpft im Laufe der letzten Jahre. Die Grünen haben ein Interesse daran, wie alle anderen, die Verfahren schneller zu machen, und sie haben kein Interesse daran, Menschen die möglicherweise verfolgt werden aus verschiedenen Gründen, abzuschieben und möglicherweise dadurch erst Verfolgung auszulösen. Wenn man das geklärt Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) bekommt, was eigentlich im System der sicheren Herkunftsländer nicht möglich ist, weil alle zurück müssen, dann wäre man ein Schritt weiter. Geissler: Für ihren Parteikollegen Ministerpräsident Kretschmann ist es parteiintern gesehen, natürlich eine Atempause, wenn er heute gar nicht in die Verlegenheit kommt, pro Gesetz abstimmen zu müssen. Er hat ja aber die Regierungsvorlage selbst schon durchaus für verhandlungsfähig oder ergänzungsfähig erklärt. Ganz anders als sie gestern in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“. Wie bewerten Sie diesen Dissens? Habeck: Das ist eine schwierige Frage. Alle tun sich damit schwer, auch ich. Wir haben lange versucht, die Prüfung voranzutreiben. Letztlich kann das nur die Bundesregierung tun. Es gibt einen Beschluss des Bundesrates, der sagt: „Wir erwarten Antwort auf folgende Fragen“. Dann kamen die ganzen Menschenrechtskriterien. Dieser Beschluss ist wirklich mau und mäßig umgesetzt worden, und dann kam ich zu dem Entschluss, das reicht nicht, was die Bundesregierung macht. Winfried Kretschmann hat sich genauso schwer getan, ist aber zu einem anderen Entschluss gekommen. Ich teile in diesem Fall seine Meinung nicht, aber das ist kein Problem für unser bilaterales Verhältnis, zumal jetzt die Ablehnung insgesamt dazu geführt hat, dass weiter gesprochen wird, und jetzt sind wir natürlich gut beraten, wenn wir auch möglichst eine gemeinsame gesunde Linie aufbauen. Mal gucken, ob das geht. Geissler: Bei der Bundesratsabstimmung zuletzt über die Westbalkanländer, waren sie noch ganz an der Seite von Herrn Kretschmann und damals dafür, diese Länder als sichere Herkunftsstaaten auszuweisen. Warum haben sie sich damals nicht so schwer getan? Habeck: Aus zwei Gründen: Einmal sind es andere Länder und andere Staaten. Wir sind mit den Westbalkanstaaten in Beitrittsverhandlungen zu der EU. Es gibt da auch Probleme, die Sinti und Roma werden nicht gut behandelt, aber die Folterverwürfe, die Diskriminierung von Minderheiten, wie wir sie als Vorwürfe oder als bestätigte Berichte aus den Maghreb-Staaten haben, die gibt es da so nicht. Und es gab vor allem Lösung in der Sache. Wir haben gesagt: Das Asylrecht, Leute ist für euch der falsche Weg. Ihr kriegt kaum Chancen auf Anerkennung, das gilt übrigens parallel tatsächlich für die Maghreb-Staaten. Aber dann haben wir auch gesagt, es gibt eine legale, zwar regulierte, aber eine legale Zuwanderungsmöglichkeit in den Arbeitsmarkt, und wir helfen den Sinti und Roma und den unterdrückten Minderheiten direkt vor Ort, in dem wir da auch Programme lostreten. Geissler: Aber einige Konzessionen hat es ja jetzt auch schon in diesem Fall gegeben. Die Bundesregierung hat Ausnahmeregelungen für besonders gefährdete Personengruppen vorgeschlagen, die als Flüchtlinge vom Maghreb kommen, neben Homosexuellen vor allem für Journalisten und Politiker. Warum ist das keine Brücke, über die auch Sie gehen können? Habeck: Erstens formal, weil das nur eine Zusage ist. Das sollte per Protokollerklärung zur Selbstverpflichtung der Bundesregierung eingelöst werden, und da habe ich vorhin schon gesagt, mein Vertrauen ist sehr geschwunden. Wir sind ein paar Mal, jetzt muss ich das richtige Wort wählen, dass ich politisch höflich bleibe, hingehalten worden, will ich mal sagen. Geissler: Aber in dem Fall wäre es vielleicht nicht so gewesen… Habeck: Ja, vielleicht auch nicht. Altmeiers Protokollerklärungen kann ich leider nicht trauen. Zumal er nicht mehr alleine unterwegs ist. Das ist das Innenministerium, die CDU-Fraktion, so geht es einfach nicht. Damals war ein fertiges Gesetzespaket da. Wir haben über alles gemeinsam abgestimmt. Das hat auch den Unterschied ausgemacht. Geissler: Sie selbst hatten kürzlich eine Alternative zu dieser starren Liste sicherer Herkunftsländer vorgeschlagen. Die Idee war, immer dann, wenn sich beim Herkunftsland dauerhaft zeigt, dass nur sehr wenige Flüchtlinge von dort bei uns Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) anerkannt werden, dann kann man, haben auch Sie gesagt, bei Menschen aus diesen Ländern das Asylverfahren tatsächlich verkürzen. Nur, Herr Habeck, genau das ist ja bei den Maghreb-Staaten im Moment der Fall, dass die Anerkennungsquote so niedrig ist. Das heißt, nach ihrem Konzept würde jetzt jeder Algerier und jede Marokkanerin in ein kurzes Verfahren kommen. Nichts anderes will die Bundesregierung. Wo liegt denn dann der Vorteil ihres Modells? Habeck: Nur wenn man sie zusammenfasst, die Maghreb-Staaten! Die Länder sind durchaus unterschiedlich. Tunesien, da haben sie Recht, Marokko und Algerien haben eine höhere Anerkennungsquote. Vor allem ist mein Vorschlag mal der Versuch gewesen, etwas zu durchbrechen. Ich wollte ohne Ausweis der sicheren Herkunftsländer ein beschleunigtes Verfahren, das will ich noch immer. Gerade wir Grünen wollen ja, dass die Möglichkeiten, Asyl zu beantragen wieder stärker werden. Es kommen ja im Moment gar keine Leute aus den Maghreb-Staaten nach Deutschland und nach Europa, weil die Balkanroute, über die die gekommen sind, auch geschlossen wurde. Geissler: Aber wenn sie selbst für ein verkürztes Asylverfahren sind, in einigen Fällen, dann scheinen sie doch davon auszugehen, dass man auch in einem verkürzten Verfahren herausfinden kann, ob jemand tatsächlich schutzbedürftig ist. Sind dann ihre Zweifel am Regierungsentwurf nicht doch übertrieben? Habeck: Mit dem Unterschied, dass die Menschen die Asyl beantragen, das ist ungefähr ein Viertel der Gruppe - in 2015 waren es 26.000 Leute und ungefähr 4.000 haben Asyl beantragt dass die, wenn die den Antrag abgelehnt bekommen, nicht zurückgeschickt werden dürfen. Stellen sie sich vor, jemand sagt, ich bin ein politisch Verfolgter, wir sagen: das glauben wir dir nicht, wir schicken ihn zurück, und dann ist er tatsächlich einer, dann wird er alleine auf Grund seiner Anklage, ich bin politisch verfolgt, wahrscheinlich zu einem politisch Verfolgten werden. Das muss ausgeschlossen werden. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
© Copyright 2025 ExpyDoc