SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Robert Habeck (Grüne), Minister für Umwelt in Schleswig-Holstein, gab heute, 15.07.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Karlsruher Atom-Tage“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Florian Rudolph. Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 15.07.2016 „Endlagersuche ist nationalstaatliche Aufgabe“ Baden-Baden: Der Umweltminister von Schleswig-Holstein, Robert Habeck (Grüne) hat davor gewarnt, die Empfehlungen der Endlagersuchkommission zu zerreden. Das Gremium, dem Habeck angehört, geht in seinem vergangene Woche vorgelegten Abschlussbericht davon aus, dass alle Bundesländer als Standorte in Frage kommen. Bayern und Sachsen lehnen das ab. Habeck sagte dazu im SWR-Tagesgespräch, es gehe beim Thema Endlagerung nicht um Landtagswahlkampf sondern um eine nationalstaatliche Aufgabe, die die Grundlage für eine Befriedung der Debatte schaffen kann. Wenn man jetzt wie Bayern und Sachsen ausschere, dann werde auch jedes andere Land zu recht fragen „warum dann bitte bei uns?“ Als besonders wichtigen Punkt hebt Habeck hervor, dass die Endlagersuchkommission die Bevölkerung in die Standortsuche einbinden will. Hundertprozentige Zustimmung werde es nie geben und sie sei auch nicht erstrebenswert, so Habeck im SWR. Wenn man aber Betroffene zu Beteiligten mache und transparente Prozesse schaffe, könne man erreichen, dass die Mehrheit der Bevölkerung sagt „das war ein fairer Prozess“. Man müsse darauf hinarbeiten, dass selbst diejenigen, die nicht überzeugt sind, am Ende zugeben müssen, dass das Suchverfahren das Bestmögliche war. Gleichzeitig warnt Habeck vor einem Widerspruch: je mehr Beteiligung, um so länger dauere die Endlagersuche. Niemand könne garantieren, dass Deutschland über Jahrzehnte immer demokratisch sei, und immer genug Geld für die Endlagersuche und die Bewachung der Atomkraftwerke habe. „Diese Sicherheit dürfen wir uns nicht vorgaukeln“, meint Habeck. Der schleswig-holsteinische Umweltminister nimmt an den Karlsruher Atomtagen teil, die gestern Abend begonnen haben. Thema der dreitägigen Diskussionsreihe der Grünen ist die Endlagersuche und die Zwischenlagerung von Atommüll. Wortlaut des Live-Gesprächs: Rudolph: Mehr als fünf Jahre ist Fukushima her, warum haben wir jetzt überhaupt erst mit dem Papier der Endlager-Suchkommission eine Grundlage für ein Gesetz, um einen Standort zu suchen? Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Habeck: Sehr gute Frage, nur auch fast schon zu kurz gefragt. Wir sind seit 40, geplant seit 50 Jahren in der Atomkraft, warum haben wir eigentlich noch kein Endlager. Nach Fukushima gab es einen Neustart, mit dem dann im Konsens beschlossenen Ausstieg aus der Atomkraft und dann sollte auch das letzte Kapitel, die Endlagerfrage, gelöst werden und die Kommission hat zwei Jahre gebraucht, um Kriterien zu erarbeiten, um diesen Streit, der sich ja mit Gorleben immer wieder zugespitzt hat, auf ein breites, wirtschaftliches Fundament zu stellen. Aber sie haben völlig Recht, wir müssen in die Pötte kommen. Rudolph: Wie macht man jetzt aus dieser weißen Karte der Endlager-Suchkommission einen Masterplan? Habeck: Aus diesem langen, dicken Bericht wird jetzt ein Gesetz gemacht. Das soll noch in dieser Legislaturperiode durch Bundestag und Bundesrat. Und dann soll in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erst ein Suchraster geschaffen werden, dann das Endlager identifiziert werden. Das sollte bis 2032, wenn das alles funktioniert, gefunden sein. Dann soll es bis 2050 in Betrieb gegangen sein. Scheint sehr lang zu sein, aber in Wahrheit ist es ein ganz schön knapper Zeitraum, hoffentlich schaffen wir das. Rudolph: Längst gibt es ja auch schon Widerstand: bei uns nicht! Ja, was entgegnen Sie denn Ihren Kollegen aus Sachsen und Bayern, die Ihnen so kommen? Habeck: Das sie nicht verstehen, dass es hier nicht um Landtagswahlkämpfe geht, sondern um eine, wenn ich das pathetisch formulieren darf, nationalstaatliche Aufgabe, die alle Politiker einbindet und die uns allen, auch den Grünen oder den norddeutschen Politikern, schwere Kompromisse abgenötigt hat, die aber die Grundlage schaffen kann, für eine Befriedung dieser ganzen Debatte. Und nur auf dieser Basis finden wir dann das bestmöglich geeignete Lager. Wenn man jetzt ausschert und sagt, ja, ja, könnt ihr gerne suchen, aber nicht in Bayern oder nicht in Sachsen, dann wird natürlich jedes andere Land sagen, ja, warum denn dann bitte bei uns? Rudolph: Stichwort: Befriedung, haben Sie gerade eben gesagt, Bürgerinnen und Bürger sollen eingebunden werden, Akzeptanz geschaffen werden, aber sicher ist ja, sobald Erkundungstrupps irgendwo anrücken, kommen auch die Proteste. Lässt sich ein seit Jahrzehnten andauernder Streit, wie durch die politische Vorfestlegung auf Gorleben entstanden, lässt sich der wirklich befrieden? Habeck: Es wird nur die Erfahrung zeigen. Der andere Weg hat halt nicht funktioniert, in dem man obrigkeitsstaatlich gesagt hat, wir wissen sowieso wie es geht, wir haben die Macht, wir haben das Recht, ihr haltet alle die Klappe. Zack, das ist euer Endlager. Der Weg hat auch ins Nirwana geführt. Ich glaube, und die Erfahrung gibt ein bisschen Hoffnung, dass man, wenn man Betroffene zu Beteiligten macht, wenn man transparente, offene Prozesse organisiert, gläserne Akten schafft, dass man dann am Ende des Tages so viel Wissenschaft schafft, dass die Menschen vielleicht nicht sagen: OK – ich nehme das Endlager vor meine Haustür und bin begeistert oder finde das gut. Aber, dass die Mehrheit der Bevölkerung sagt, es war ein fairer Prozess. Man wird am Ende des Tages nie 100 Prozent Zustimmung bekommen, das ist gerade zu ausgeschlossen in der Demokratie, vielleicht auch gar nicht erstrebenswert. Aber dass, worauf wir hinarbeiten müssen ist, dass selbst diejenigen, die nicht überzeugt zugeben müssen, dass das Suchverfahren das Bestmögliche war. Rudolph: Wenn wir auf den zeitlichen Horizont dieser Aufgabe schauen, dann sehen wir auch, dass noch sehr lange Atommüll irgendwo zwischengelagert werden müssen. Da laufen Genehmigungen aus. Wie soll man das denn in Griff bekommen? Habeck: Dass ist die große, große Frage und auch der Widerspruch in allem. Je mehr Beteiligung, je sorgfältiger man Prozesse einstielt, umso länger dauert das Ganze. Und auf der anderen Seite, woher nehmen wir eigentlich die Sicherheit, dass diese Gesellschaft immer demokratisch, politisch korrekt ist, immer reich ist. Dass wir eine Milliarde mehr oder weniger, immer genug Geld für Endlagersuche und die Sicherheit der Atomkraftwerke oder Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Zwischenlager haben? Ich finde, wir sollten die nicht uns vorgaukeln, diese Sicherheit. Wir reden ja über wirklich Jahrzehnte Zeiträume und wer weiß schon, was Mitte des Jahrhunderts hier in Deutschland oder in Europa los ist. Dass heißt, auf der einen Seite müssen wir uns sputen und auf der anderen Seite müssen wir möglichst sorgfältig sein. Genau in der Schaltstelle dazwischen sind die Zwischenlager. Der Atommüll ist ja da, er steht an den Standorten und je länger die Zwischenlager da stehen, um so weniger Wissen ist an den Standorten vorhanden, um so mehr Personal wird ausgewechselt. Am Ende haben wir lauter Zwischenlager ohne Atomkraftwerke. Wer garantiert für die Sicherheit? Also auch da muss ein atmendes Kriterium sein: Je länger die Endlagersuche dauert, umso mehr müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, wie geht es eigentlich an den Zwischenlagern weiter? Sprich: Lösen wir die mal irgendwann auf und bilden zentrale, leichter zu bewachende Zwischenlager in Deutschland? Rudolph: Blicken wir jetzt noch auf den europäischen Kontext: Während Deutschland aussteigt, wird anderswo Atomenergie gefördert, stehen marode Meiler in Grenznähe und werden neu gebaut. Habeck: Ja, und das ist falsch aus meiner Sicht, aus deutscher Sicht. Ich glaube man kann das tatsächlich auch mittelfristig, marktwirtschaftlich lösen. Das Atomkraftwerk, das in England gebaut werden soll, Hinkley Point, ist nur dann betriebswirtschaftlich, wenn die Kilowattstunde mit 13,5 Cent vergütet wird. Die machen also ein EEG für Atomstrom in England, weil es am Markt sich nicht mehr refinanzieren lässt. Dass die EU-Kommission das genehmigt, ist vielleicht vor dem Hintergrund von Brexit damals noch irgendwie politisch erklärbar gewesen, aber total falsch. Der Atomstrom ist teurer, als der Strom der erneuerbaren Energien. Und wenn wir das jetzt mal zulassen würden, würde sich die Atomzeit in Europa auch dem Ende neigen. Aber im Moment gibt es noch das ideologische Festhalten daran. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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