Shutterstock © MIT ACHTSAMKEIT MEHR ERREICHEN Achtsamkeit ist derzeit in aller Munde. Der Erfolg gibt dem Hype recht: Dass Achtsamkeit ein wirksames Konzept ist, konnte vor allem im medizinischen und therapeutischen Bereich bereits durch zahlreiche Studien eindrucksvoll belegt werden. Doch lässt sich das Prinzip von Achtsamkeit auch im Kontext von Organisationen und Führung erfolgreich anwenden? Neu ist das Achtsamkeits-Prinzip eigentlich nicht. Vielmehr beruht es auf einer jahrtausendealten Tradition, die im Buddhismus wurzelt. In den letzten Jahren hat Achtsamkeit (auf Englisch „Mindfulness“) allerdings sowohl an Popularität als auch an wissenschaftlicher Beachtung gewonnen. 2013 hatte das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ das Thema bereits unter dem Titel „Der heilende Geist“ auf dem Cover. Zukunftsforscher Matthias Horx bezeichnet Achtsamkeit in seinem Vorwort für den Zukunftsreport 2016 sogar als den Begriff, „der in den kommenden Jahren eine Schlüsselrolle spielen wird“. Doch was genau verbirgt sich hinter der Achtsamkeit? Und welche Auswirkungen können sich für Arbeitswelt und Organisationen ergeben? Vom Buddhismus … Wer bei Achtsamkeit zunächst an Yoga oder Meditation denken muss, liegt damit nicht falsch. Denn das Konzept der Achtsamkeit hat seine Wurzeln in der buddhistischen Meditation. Man könnte sagen, Meditation ist „die höchste Stufe der Achtsamkeit“, so Dr. Sonja Littig-Wengersky, Coach und Managementtrainerin im WIFI Management Forum. Auch beim Yoga werden entsprechende Techniken der Achtsamkeit oftmals eingesetzt. Nach Horx war es zudem der Yoga-Boom der vergangenen Jahre, der dem Megatrend Achtsamkeit den Boden bereitet hat. Wahrnehmen, was ist, und nicht bewerten. Das ist im Prinzip der Kern von Achtsamkeit. Empfindungen, Gedanken oder Emotionen sollen zum 4 INFORMATION UND ANMELDUNG: www.wifi.at/managementforum jeweiligen Zeitpunkt wertfrei wahrgenommen und angenommen werden. Littig-Wengersky bringt es auf den Punkt: „Es geht primär darum, mit der eigenen Aufmerksamkeit und Konzentration genau dort zu sein, wo ich gerade bin, bei der Tätigkeit, die ich gerade mache, und mich auf diese eine Sache zu fokussieren.“ Was zunächst überaus simpel erscheint, erweist sich in der Praxis jedoch oftmals als schwierig. Denn evolutionsbiologisch ist unser Gehirn eigentlich darauf eingestellt, einlangende Informationen auf Basis vorangegangener Erfahrungen und Erlebnisse zu beurteilen, einzuordnen und zu interpretieren. Was durchaus sinnvoll ist, denn das hilft uns, Entscheidungen schneller zu treffen. Die Wahrnehmung der Gegenwart wird dadurch jedoch eingeschränkt. Ein Achtsamkeitstraining kann helfen, uns wieder auf das zu konzentrieren, was in genau diesem Moment passiert. Nicht auf irgendwelche Dinge in der Vergangenheit, die uns beschäftigen, oder auf Sorgen, die wir uns über die Zukunft machen. Zudem können dadurch „Selbstreflexion und Selbsterkenntnis gefördert werden. Das führt dazu, dass man sich selbst besser führen kann, die Verantwortung für die eigenen Gefühle übernimmt und sie daher auch leichter regulieren kann“, so Eva Weissberg-Musil, Mediatorin und Trainerin für Führungskräfte beim WIFI Management Forum. Positive Effekte treten bereits nach kurzer Zeit auf, wobei in der Regel Trainings von mindestens 8 Wochen empfohlen werden. Studien zufolge können nach diesem Zeitraum neben subjektiven Verbesserungen, sichtbare Veränderungen auch im Gehirn nachgewiesen werden. So weisen Danny Panman und Mark Williams in ihrem Buch „Das Achtsamkeitstraining“ auf eine Untersuchung von Jon Kabat-Zinn und Richard Davidson hin. Diese konnte feststellen, dass Mitarbeiter/-innen einer Biotechfirma, die 8 Wochen an einem Achtsamkeitstraining teilgenommen hatten, nicht nur subjektiv glücklicher, kraftvoller und engagierter waren; es ließen sich anhand einer funktionellen MRI auch Auswirkungen auf die neuronale Aktivität messen. … zum Megatrend Woher kommt nun diese Entwicklung von einer wirksamen Methode, den Geist zu trainieren, hin zu einem zukunftsweisenden Trend? Laut Horx handelt es sich bei allen richtigen Trends eigentlich um „Gegentrends“. So auch bei Achtsamkeit. Die ständige mediale Überreizung und die Möglichkeit der andauernden Kommunikation mit der Welt führe dazu, dass wir von Informationen überreizt und überfordert sind. Medien versetzen uns zudem in eine „ständige Panikbereitschaft“. Achtsamkeit könne uns nun lehren, wie wir uns in dieser komplexen Welt wieder auf uns selbst besinnen. Außerdem könnten wir dadurch erkennen, dass wir uns die Welt selbst so konstruieren und diese gar nicht wirklich überkomplex oder überreizt ist. Nach Weissberg-Musil lässt sich Achtsamkeit auch „als Gegenpol zur Beliebigkeit, Oberflächlichkeit und zum Dauer-Multitasking der westlichen Kultur“ betrachten. „Man schützt sich damit vor äußerer Reizüberflutung und wendet sich mehr der eigenen Innenwelt zu.“ Auch Littig-Wengersky Im Rahmen der Gesundheitswissenschaften werden Techniken der Achtsamkeit bereits ausgiebig erforscht. Bereits über 100 Studien sollen die gesundheitlichen Effekte von Interventionen, die auf Achtsamkeit basieren, aufzeigen. Ergebnisse belegen hierbei die Wirksamkeit von Achtsamkeitstrainings sowohl auf die Gesundheit als auch auf die Leistungsfähigkeit von Personen. Beides Komponenten, die für Unternehmen und Organisationen überaus wichtig sind. Hier setzt auch die Studie der Bertelsmann-Stiftung „Die erschöpfte Arbeitswelt. Durch eine Kultur der Achtsamkeit zu mehr Energie, Kreativität, Wohlbefinden und Erfolg!“ an, die herausstreicht, dass Gesundheit und Produktivität sehr viel enger zusammenhängen, als bisher vermutet wurde. Denn gesunde Mitarbeiter/ -innen sind leistungsfähiger, kreativer und flexibler. Humanvermögen könne daher durch die Entwicklung einer „Kultur der Achtsamkeit für Gesundheit“ gefördert werden, so die Autoren/-innen. Besseres Stressmanagement, authentische Kommunikation und neue Denkweisen: Auch im konkreten Arbeitsalltag vermag eine achtsame Haltung einen positiven Beitrag zu leisten. So zeigt ein wissenschaftlicher Beitrag von Niko Kohls et al. auf, dass positive Effekte in verschiedenen Bereichen angenommen werden können. Ein Achtsamkeitstraining kann demnach helfen, mit Stress und Belastungen besser umzugehen bzw. Stress generell zu mildern. Doch auch in Hinblick auf die Entwicklung neuer Denkweisen und die Suche nach kreativen Lösungen kann Achtsamkeit etwas beitragen. Denn ein achtsames Verhalten hilft dabei, in neuen Mustern zu denken, und be- INFORMATION UND ANMELDUNG: www.wifi.at/managementforum Auch, oder insbesondere, Führungskräfte scheinen hier gefragt zu sein. Denn wenn man Achtsamkeit im Betrieb ernst nehmen möchte, bedarf das „einer Haltung, die persönliche Wahrnehmungen, Erfahrungen und Gefühle wohlwollend annimmt und ihnen ohne Bewertung nachgeht – auch wenn es sich um unangenehme handelt“, so WeissbergMusil. Auch Littig-Wengersky sieht hier neue Anforderungen auf Führungskräfte zukommen: zum einen seien, als Voraussetzung, ein achtsamer Umgang mit sich selbst gefordert und in der Folge ein achtsamer Umgang mit den Mitarbeitern/-innen. Zudem seien eine achtsame und wertschätzende Kommunikation und Gesprächsführung gefragt. Denn „speziell in der zwischenmenschlichen Kommunikation ist Achtsamkeit ein ganz wichtiges Thema“, weiß Littig-Wengersky. Effektivere Informationsverarbeitung, konstruktive Interaktion und ein freier Blick beim Treffen von Entscheidungen Neben den Herausforderungen, die eine Haltung der Achtsamkeit für Führungskräfte mit sich bringt, liegen im Verfolgen dieses Konzeptes auch eine Reihe von Chancen. Dies legt ein wissenschaftlicher Beitrag von Sebastian Sauer et al. dar, der sich mit der Frage beschäftigt, ob achtsame Führungskräfte auch leistungsfähigere Führungskräfte sind. Achtsamkeit biete demnach das Potenzial, „Führungsaufgaben authentischer, besser und erfolgreicher ausführen zu können“. Neben positiven Auswirkungen in Hinblick auf Stressabbau und im Umgang mit kognitiven Ressourcen nennen die Autoren 3 Bereiche, in denen positive Effekte bei der Bewältigung von Führungsaufgaben angenommen werden können. So könne die Entwicklung neuer Sichtweisen, die durch Achtsamkeit begünstigt wird, die Fähigkeit erhöhen, in neuen Kategorien zu denken. Zudem würden durch Achtsamkeit nachweislich neuronale Aufmerksamkeitsprozesse verbessert. Beste Voraussetzungen also, um komplexe Informationen und Probleme effizient zu verarbeiten. Auch im Bereich der Interaktion und Kommunikation, die die Autoren/-innen als zentrale Führungsaufgabe werten, könne Positive Effekte auf die Gesundheit, die Leistungsfähigkeit, das Führungsverhalten – es scheint, als wäre Achtsamkeit ein Geheimrezept in vielerlei Hinsicht. Doch hier ist Vorsicht geboten, denn Achtsamkeit ist kein Schnellrezept für eine bessere Performance. Vielmehr geht es um eine generelle Haltung, um eine Lebenseinstellung. Weissberg-Musil bringt es auf den Punkt: „Es muss einem klar sein, dass Achtsamkeit auch ein ethisches Konzept ist. Es geht hier also nicht nur um Meditation, die Entspannung und Konzentration fördert, sondern um eine bestimmte Haltung – Wahrnehmung ohne Vorurteile, Freundlichkeit, Großzügigkeit, Mitgefühl, Offenheit und Mut – und zwar sowohl sich selbst als auch seinen Mitmenschen gegenüber.“ Quellen: Badura/Steinke (2011): Die erschöpfte Arbeitswelt, Horx [Hrsg.] (2015): Zukunftsreport 2016, Kohls et al. (2013): Achtsamkeit in Organisationen, Panman/Williams (2015): Das Achtsamkeitstraining, Sauer et al. (2011): Mindful Leadership: Sind achtsame Führungskräfte leistungsfähigere Führungskräfte? F to Wilke Fo Fot Von der achtsamen Organisation … … zum Mindful Leadership achtsames Verhalten zu konstruktiver Interaktion beitragen, indem Achtsamkeit dabei hilft, weniger ichzentriert zu kommunizieren. Weiters lasse sich das Entscheidungsverhalten von Führungskräften durch Achtsamkeit positiv beeinflussen. So kann die Gefahr, auf unvorhersehbare Ereignisse mit bereits bekannten Strategien zu reagieren, verringert werden. Denn Achtsamkeit verbessert die Fähigkeit, Situationen in neuem Licht zu sehen. © Die Folgen für die Businesswelt, die sich durch den Trend zur Achtsamkeit ergeben werden, bezeichnet Horx als fundamental: von einem anderen Umgang mit Menschen seitens der Personalabteilungen über die Rohstoffverwendung bis hin zum „Mindset der Führung“. Auch Weissberg-Musil ist sich sicher, dass diese Entwicklung Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben wird. Solle Achtsamkeit ernsthaft im Unternehmen etabliert werden, seien hier die Organisationen entsprechend gefordert. „Wenn man Achtsamkeit als Konzept mit all seinen Facetten ernst nimmt, muss Kooperation vor Konkurrenz gelten, müssen auch Gefühle in der Arbeitswelt salonfähig werden und es muss sich eine Firmenkultur etablieren, die Fehler annimmt und aus ihnen lernt und nicht nach Schuldigen sucht“, so Weissberg-Musil. Die positiven Folgen: „Wenn sich diese Haltung durchsetzt, dann wird Arbeit wieder mehr für Menschen da sein und nicht umgekehrt.“ wahrt uns zugleich davor, in altbewährte Routinen zu verfallen, die oftmals den Blick auf Neues verstellen. Aufgaben und Probleme lassen sich auf diese Weise wieder mit frischem Blick betrachten, was das Finden von alternativen Lösungsansätzen erleichtert. Zuletzt sehen die Autoren/-innen im Bereich der Kommunikation Potenzial für positive Auswirkungen achtsamkeitsbasierten Verhaltens. Denn auch die Fähigkeit, auf andere Personen einzugehen und sich in eine andere Perspektive zu versetzen, wird durch eine achtsame Haltung verbessert. Man lernt, das „Ich“ für einen Moment in den Hintergrund treten zu lassen und persönliche Interessen hintanzustellen. Auch Weissberg-Musil ist sich sicher, dass Achtsamkeit in der Kommunikation einen wichtigen Beitrag leisten könne: „Man lernt besser zuzuhören und zu verstehen ohne zu urteilen“, so die Trainerin. N lson Ne Nel s sieht in der ständigen Erreichbarkeit und in dem Drang, alles zugleich zu erledigen, eine Ursache für diese Entwicklung. „Viele Menschen machen permanent mehrere Dinge gleichzeitig, obwohl wir längst wissen, dass ‚Multitasking‘ nicht möglich ist“, so die Expertin. Eva Weissberg-Musil und Dr. Sonja Littig-Wengersky Expertinnen für Selbstmanagement und Selbst-Coaching TIPP Lassen auch Sie mal die Seele baumeln und gelangen Sie mit Gelassenheit zu mehr Energie und Erfolg! Wir empfehlen: „Kraft tanken und aktiv werden“ 10.6.2016 – 11.6.2016 (240016) „EQ in der Führung – mit Herz, Hirn und Humor führen“ 23.6.2016 – 24.6.2016 (240046) Weitere Informationen: www.wifi.at/managementforum 5
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