SWR2 Tagesgespräch

SÜDWESTRUNDFUNK
Anstalt des öffentlichen Rechts
Radio  Fernsehen  Internet
PRESSE Information
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin in
Rheinland-Pfalz, gab heute, 16.06.16, dem
Südwestrundfunk ein Interview zum Thema:
„
Chefredaktion Hörfunk
Zentrale Information
SWR Tagesgespräch
Postadresse 76522 Baden-Baden
Hausadresse Hans-Bredow-Straße
76530 Baden-Baden
Telefon
Telefax
07221/929-23981
07221/929-22050
Internet
www.swr2.de
Datum:
16.06.2016
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Rudolf Geissler.
Mit freundlichen Grüßen
Zentrale Information
Dreyer (SPD) zu Flüchtlingskosten: 2 Milliarden mehr vom Bund sind zu wenig
Baden-Baden: Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat bestätigt,
dass der Bund für die Flüchtlingskosten 2 Milliarden Euro mehr aufwenden will. Dieser
Vorschlag sei auch der Mainzer Staatskanzlei unterbreitet worden, werde aber für eine Lösung
"natürlich nicht ausreichen", sagte Dreyer im Südwestrundfunk (SWR). Die Länder seien nach
wie vor der Ansicht, dass aus Berlin eigentlich 4 Milliarden Euro fließen müssten, wenn es im
Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Kommunen einiger Maßen gerecht zugehen solle.
Wichtig sei vor allem, dass sich der Bund zur Zahlung einer "Integrationspauschale" an die
Länder durchringe. Außerdem müsse klar sein, dass die Hilfen aus Berlin für unbegleitete
Minderjährige nicht einmalig geleistet würden, sondern auf Dauer und in vollem Umfang
kostendeckend, sagte Dreyer. Zu begrüßen sei, dass der Bund jetzt die Unterkunftskosten für
Flüchtlinge voll übernehmen und damit die Kommunen entlasten wolle. Allerdings komme es
auch hier darauf an, diese Finanzspritze nicht zu befristen. Die Mainzer Regierungschefin
sprach sich dafür aus, dass die Länderchefs heute einen Grundsatzbeschluss fassen, um den
Schutz von Kindern und Frauen in Flüchtlingsunterkünften zu verbessern. Dazu müsse der
Bund einen Gesetzentwurf in Angriff nehmen, sagte Dreyer. Für die morgige Abstimmung im
Bundesrat über den Status der Maghreb-Länder erwarte sie keinen Kompromiss mehr, der die
Mainzer Ampelkoalition von der beschlossenen Stimmenthaltung abbringen könne.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Geissler: Angeblich will der Bund jetzt seinen Anteil an den Gesamtkosten um zwei
Milliarden Euro aufstocken. Wäre das ein akzeptabler Kompromiss aus Ihrer Sicht?
Dreyer: Es liegen immer noch ein paar Milliarden dazwischen. Die Länder gehen ja davon aus,
dass die Kosten erheblich höher sind und wir wünschen uns eigentlich eher ein Volumen von
circa vier Milliarden. Man wird sich jetzt in der Kanzlerrunde bewegen müssen, sowohl die
Länder als auch der Bund, so dass wir zu einem guten Kompromiss am Ende kommen, aber
die zwei Milliarden werden natürlich nicht ausreichen.
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Geissler: In einer Zeitungsmeldung hieß es gestern, das sei eine Beschlussvorlage für
die Ministerpräsidentenkonferenz, die mit den Staatskanzleien, so heißt es da,
abgestimmt sei. Mit Ihrer in Mainz also nicht, wenn ich Sie richtig verstehe?
Dreyer: Es gibt in dieser Vorlage durchaus noch offene Punkte, beispielsweise den Streit, ob
der Bund bereit ist, eine Integrationspauschale an die Länder zu leisten. Wir haben uns wohl
verständigt bei dem Thema unbegleidete Minderjährige, dass dort der Bund stärker in die
Finanzierung mit eintritt. Aber auch da gibt es Unterschiede, denn wir wünschen uns keine
befristete einmalige Übernahme von Mehrkosten, sondern tatsächlich eine dauerhafte und auch
die komplette Übernahme der Kosten. Einigkeit gibt es bei den Kosten der Unterkunft. Da
schlägt der Bund vor, dass er die Kosten übernimmt. Das sind Kosten, die bei den Kommunen
anfallen. Da gibt es eigentlich nur noch die Frage, müssen die befristet sein, so wie es der Bund
vorschlägt, oder können die auch unbefristet sein - was unser Wunsch ist.
Geissler: Der Bund zahlt im Moment eine Pauschale pro Flüchtling bis zum Asylbescheid
von 670 Euro im Monat. Besteht denn das Problem darin, dass die zu niedrig ist, oder
dass sie nicht lange genug gezahlt wird?
Dreyer: Es geht darum, dass wir zu der Pauschale, die ja nur für die Unterkunft gegeben
worden ist, auch eine Integrationspauschale gerne hätten, denn Länder und Kommunen geben
ja immense Summen aus für die Integration der Flüchtlinge, die wir uns alle wünschen – auch
der Bund. Sie muss gelingen und das kostet Geld und auch da gehen wir davon aus, dass der
Bund sich daran beteiligt.
Geissler: Der Berliner Bürgermeister, Ihr Parteikollege Müller, hat der Bundesregierung
gestern vorgeworfen, sie ziere sich nicht nur beim Geld, es müsse auch darum gehen,
sich auf gemeinsame Standards zu verständigen in der Flüchtlingspolitik, weil es sich
immerhin um eine Aufgabe für die nächsten 8-10 Jahre handle. Sehen Sie denn
Handlungsbedarf beim Bund für solche Standards, oder ist das im Föderalismus nicht
eher etwas, das die Länder unter sich vereinbaren können, ohne dass der Bund sich da
einzumischen braucht?
Dreyer: Es gibt eine klare Vorgabe von der Europäischen Union zum Thema „Schutz von
Frauen, Kindern und anderen Schutzwürdigen in Flüchtlingsunterkünften“. Da steht eigentlich
wirklich ein Gesetz seitens des Bundes aus. Darüber sprechen wir auch schon geraume Zeit.
Wir wünschen uns dieses Gesetz, wobei es da unterschiedliche Haltungen zu gibt, was den
Inhalt betrifft, aber klar ist schon, dass es eine Notwendigkeit von besonderen Schutzkonzepten
für Frauen, aber auch vor allem für Kinder gibt und dass es eine gemeinsame Verantwortung
von Bund und Ländern und Kommunen ist. Einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der den
Rahmen vorgibt, den halte ich für richtig, und ich hoffe auch, dass wir uns darauf verständigen
heute.
Geissler: Aber eine konkrete Vereinbarung heute mit der Bundeskanzlerin unter
Umständen in diesem Punkt ist nicht zu erwarten, oder?
Dreyer: Das ist für heute, glaube ich, offen. Da gibt es ganz viel Sympathien auf der Länderseite
und es ist auch angedacht, dass wir uns heute auf diesen Punkt verständigen können und
deshalb gehe ich optimistischer Weise davon aus, dass wir das auch werden.
Geissler: Flüchtlingspolitisch von Bedeutung, ist auch die mit Spannung erwartete
Bundesratssitzung morgen, allerdings nicht unter dem Gesichtspunkt von Integration,
sondern eher was das Gegenteil angeht. In der Länderkammer sollen die MaghrebStaaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Das geht arithmetisch nur, wenn
grün mitregierte Länder dazu Ja sagen. Ihre Mainzer Ampelkoalition hat beschlossen,
sich zu enthalten, weil die Grünen anderer Meinung sind. Steht denn diese Enthaltung
bombenfest, auch dann, wenn bis morgen noch ein Kompromiss präsentiert wird für die
Bundesratsentscheidung?
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Dreyer: Aus meiner Sicht schätze ich die Haltung der Grünen in unserem Land so ein, dass
dieser Kompromiss wirklich so feststeht. Wir haben eine klare Regelung in unserem
Koalitionsvertrag: Wenn die Haltungen unterschiedlich sind, dass wir uns enthalten und die
Grünen haben da eine sehr festgelegte Auffassung, weil sie zum Thema Herkunftsstaaten
schlicht und ergreifend eine andere Auffassung vertreten. Im Moment ist auch überhaupt gar
nicht in Sicht, dass es einen Kompromiss gibt auf Bundesebene, oder ein Angebot, das den
Flüchtlingen entgegenkommt und das ist das Anliegen der Grünen. Wir sind gespannt. Im
Moment sieht es aber so aus, dass wir bei dieser Haltung bleiben als Rheinland-Pfälzer.
Geissler: Das heißt, Sie haben auch keinerlei Signale des grünen Teils Ihrer Koalition ich frage nach, weil es aus Baden-Württemberg unter Umständen andere gibt - keinerlei
Signale, dass die Grünen in Rheinland-Pfalz sich vielleicht doch anschließen könnten,
wenn die Parteifreunde in Hessen und Baden-Württemberg Ja sagen wollen?
Dreyer: Nein, ich habe keine Signale. Unsere Grünen sehen das anders. Ich gehe ganz stark
davon aus, dass wir uns am Freitag im Bundesrat enthalten werden, und ich sehe auch gar
keine Signale seitens des Bundes, die irgendeine Bewegung in unserem Land noch
ermöglichen würden.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)