Bewerbung - Stefan Ebertsch

Bewerbung
Aus einem mir unerfindlichen Grund hatte man meine Arbeit gestoppt. Entweder
versuchte man, mich loszuwerden, oder die oberste Heeresführung wollte den
Unsinn, den ich fabrizierte, nicht länger mittragen.
Also dachte ich, bevor man mir eine Barcodenummer aufklebt und mich dann
nach drei Jahren verschrottet, suche ich mir eine andere Sklavengaleere, um
dort als Schaumschläger, Staubfänger oder Strumpfhalter anzuheuern. Ich fand
ein Schiff – eine Art Santa Maria – und beschloss, mich zu bewerben.
Ein vernünftiges Passbild hatte ich nicht, und um den Kapitän zu beeindrucken,
entschied ich, ein Ölgemälde von mir in Auftrag zu geben. Ich vereinbarte einen
Termin mit dem angesehensten Künstler der Stadt. Der schickte mich zuerst zu
einem Schneider, der mir innerhalb von zwei Tagen einen passenden Anzug
fertigte.
Jetzt war der Künstler bereit, mich zu porträtieren. Ich musste stundenlang
ruhig stehen und durfte nicht einmal denken, was mir nicht weiter schwer fiel.
Zwei Wochen später hielt ich tatsächlich ein respektables Ölbild in den Händen,
mit Goldrahmen und einem eingearbeiteten Stück Knoblauch. Denn ich fand,
eine individuelle Komponente macht sich immer gut.
Das Bild hatte Ähnlichkeit und ich bezahlte.
Stolz trug ich es nach Hause und zeigte es meiner Frau. Die fiel in Ohnmacht.
Nachdem sie aufgewacht war, packte sie ihre Koffer und flüchtete zu Johnny
Depp, der damals mit einer Piratenbande am Entenweiher ganz in unserer
Nähe wohnte.
"Das wäre früher oder später sowieso passiert", dachte ich, setzte mich an den
Sekretär und schrieb:
"Aus gegebenem Anlass und aufgrund meiner umfangreichen Kenntnisse in
allen Bereichen der modernen Sklavenhaltung bewerbe ich." Ich faltete das
Papier dreiunddreißig Mal und klemmte es hinten in den Porträtrahmen.
Nach vierzehn Tagen bekam ich Nachricht. Wenn ich es ernst meine, solle ich
mich online bewerben.
Also ging ich zum Copyshop und ließ mein Ölbild einscannen.
"Ungewöhnliches Format", meinte die Fachkraft, entfernte den Holzrahmen und
presste das Bild fest gegen die gläserne Kopieroberfläche. Sie stellte auf DIN
A2 und drückte den Startknopf. Ein heller Lichtblitz, fertig war die Kopie.
Aber das Original hatte sich verschmiert, zäh klebte es an der Glasscheibe.
Vorsichtig entfernten wir es, Original und Kopie waren nun stark von
poststrukturalistischen und impressionistischen Elementen geprägt.
"Interessant. Der Einfluss des Kopiergerätes. Ich habe schon lange das Gefühl,
dass ihn seine Arbeit langweilt und er sich mehr selbst verwirklichen will“,
meinte die Verkäuferin, der ich von meiner Bewerbung erzählt hatte. Dann
machte sie eine kurze Pause und sagte:
„Probieren sie es trotzdem! Man weiß nie, wie die Herrschaften ticken."
"Selbstverständlich!" sagte ich und bezahlte.
Daheim am Computer machte ich meine Bewerbung fertig und verschickte sie.
Vier quälende Wochen lang: keine Reaktion. Dann die Einladung zu einem
Gespräch.
Bei einem Psychologen.
Dort hatte ich mich zwar nicht beworben, aber ein Gespräch kann nie schaden,
vielleicht nimmt er mich ja, dachte ich und machte mich auf den Weg. Doktor
Dreyer setzte eine sorgenvolle Miene auf, als er mich sah. Wo mein Bild sei,
fragte er. Und ich erklärte ihm, dass ich montags, mittwochs und freitags auch
ohne das Bild aus dem Haus gehen könne. Und heute sei doch Donnerstag.
"Eben darum frage ich!"
Ich zuckte zusammen. Es war Donnerstag. Und ich hatte mein Bild vergessen.
Wie konnte das passieren? Ich wurde krebsrot, schnappte nach Luft, begann zu
zittern. Doktor Dreyer reichte mir ein Glas Wasser, ich trank in einem Zug.
Langsam beruhigte ich mich und fasste dann einen klaren Gedanken:
„Herr Dr. Dreyer, ich bitte um sofortige Zwangseinweisung.“
"Das ist leider nicht so einfach", sagte Doktor Dreyer und setzte sich an seinen
Arbeitstisch, "aber ich denke, man drückt bei ihnen gerne ein Auge zu."