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14 leben
F R A N K F U R T E R A L L G E M E I N E S O N N TAG S Z E I T U NG , 2 2 . M A I 2 0 1 6 , N R . 2 0
Pink
und saftig
Oft schmecken sie leicht staubig, aber
das muss nicht sein: Lisa Höfer über einen
Backkurs, in dem sie gelernt hat,
perfekte Himbeermacarons zu machen.
D
er Duft von frischen Himbeeren strömt durch das Restaurant in der ersten Etage des
„Iimori-Hauses“ in der Frankfurter Innenstadt. Fast alles erinnert an
eine andere Welt, eine längst vergangene
Zeit. Die dunkelrote Tapete ist mit Goldornamenten verziert, kleine, zweiarmige
Kronleuchter hängen über einem mit
dunkelblauem Stoff bezogenen Kanapee
auf der linken Seite des Raumes. Auch
die massiven dunklen Tische und die mit
Leder überzogenen Sitzkissen und Stuhllehnen fügen sich ins Bild. Doch der
Himbeerduft breitet sich von der anderen Seite des Raumes aus. Er kommt von
der modernen Kochinsel, die leicht erhöht auf der rechten Seite plaziert ist
„Wenn ihr alles Schritt für Schritt so macht
wie ich gerade“, sagt Azko Iimori, „dann begeistern sie jeden.“
und um die sich an diesem sonnigen
Nachmittag 14 Frauen und ein Mann
drängen.
Mit neugierigen Blicken beobachten
wir alle Azko Iimori, die ihre dunklen
Haare zu einem Dutt zusammengesteckt
hat und in ihrer weißen Rüschenkochschürze an der Arbeitsplatte steht. Gerade verfeinert die zierliche Japanerin mit
einem Becher Himbeerpüree die Buttercreme – das wohl wichtigste Element eines gelungenen Macarons. „Wenn die
Buttercreme nicht passt, dann bleibt das
Macaron schnell trocken und schmeckt
nicht so, wie es schmecken soll“, erklärt
sie. „Aber wenn ihr alles Schritt für
Schritt so macht, so wie ich gerade, und
ihr die fertigen Doppelkekse noch einen
Tag im Kühlschrank trocknen lasst, dann
begeistern sie jeden.“
Schnell schreiben wir den Tipp auf unsere Rezeptzettel – nicht der einzige nützliche Ratschlag, den wir heute von Iimori bekommen. Denn das französische Gebäck, das hierzulande fälschlicherweise
E
s gibt sie noch, die äußerst zuverlässigen, guten Restaurants, die immer ganz präsent und auf der
Höhe der Zeit wirken. Im Jahr 1999 kam
der aus dem Salzburger Land stammende Franz Gruber nach Köln, um dort
eine Dependance der bei uns so beliebten österreichischen Küche zu eröffnen.
Er stürzte sich allerdings nicht ins Getümmel von Zentrum oder Südstadt, sondern eröffnete sein Restaurant in den
schönen Räumen der ehemaligen Oberpostdirektion in einem Viertel, in dem
sich Anwälte, Notare, Gerichte und Verwaltungen finden.
Das Haus hat eine wunderbare Terrasse und seit 2010 gleich nebenan auch die
„Österia“, ein Äquivalent zur italienischen Osteria mit Weinen und kleinen
Gerichten. Dass die Küche Klassiker anbietet, passt gut zum entspannt gestalteten Interieur. Dass sie dies auf einem besonders hohen Niveau tut, lässt die weißen Deckchen und Weingläser auf den
Holztischen logisch erscheinen.
Die erste Probe ist eine Vorspeise aus
dem vegetarischen Menü, „Variation von
Buchenpilzen“ genannt. Sie repräsentiert
so etwas wie den modernen Aspekt in
noch oft mit der Makrone verwechselt
wird, findet immer mehr deutsche Liebhaber. Und manche wollen dann eben in
einem Backkurs lernen, wie die Süßigkeit auch in der heimischen Backstube gelingt.
Das klassische Doppelkeks-Macaron
wird aus Mandelmehl, Eiweiß und Zucker gebacken und von einer Cremeschicht in der Mitte zusammengehalten.
Seine Geschichte geht bis ins Mittelalter
zurück. Seit dem 17. Jahrhundert soll das
Gebäck sogar am französischen Königshof von Versailles serviert worden sein.
Vor allem die schillernde Königin Marie
Antoinette war angeblich eine große
Liebhaberin der Süßigkeit. Noch heute
gilt Frankreich als Heimat der Macarons,
und viele verschiedene Varianten des Baisergebäcks werden in Patisserien und
Feinkostläden für etwa zwei Euro pro
Stück verkauft. Erlaubt ist für die Cremeschicht, die den Geschmack bestimmt, alles, was schmeckt: Himbeere, Schokolade oder Zitrone zählen zu den Klassikern, aber auch exotische Kreationen aus
Olive, Traube oder Basilikum sind beliebt. Die Geschmacksrichtung ist für
die bunte Farbe der Macarons übrigens
nicht entscheidend, denn der Baiserteig
wird mit geschmacksneutralen Lebensmittelextrakten gefärbt.
Auch Azko Iimori, die die MacaronKurse in Frankfurt anbietet, hat das Gebäck zuerst in Frankreich kennengelernt.
„Als japanische Köchin in Deutschland
dachte ich, ich könnte am besten und
glaubhaftesten ein Sushi-Restaurant führen. Also habe ich vor über zwanzig Jahren meinen ersten Laden in Frankfurt eröffnet. Nachdem das gut geklappt hat,
bin ich nach Paris gezogen, um dort einen zweiten Sushi-Laden aufzuziehen“,
erzählt sie. „Dort habe ich entdeckt, dass
die französische Backkunst so viel zu bieten hat. Also begann ich einen Kurs in einer Schule für Patisserie.“
Das ist mittlerweile fast zehn Jahre
her, und Iimori wagte den Schritt, ihr japanisches Restaurant in Frankfurt um
französische Gebäckteilchen zu erweitern. In ihrem „Iimori-Haus“, gleich um
die Ecke des Frankfurter Römers, befindet sich im Erdgeschoss das Café, im ersten Stockwerk können die Gäste im Restaurant japanisches Sushi bestellen –
oder in der Küchenecke einen der Backkurse besuchen. Seit einem halben Jahr
boomen vor allem die Backstunden am
Freitagnachmittag, in denen die Teilnehmer das Herstellen von Macarons lernen.
Auch in dieser Woche sind alle Plätze
des Kurses ausgebucht, die ersten Nachwuchspatissiers kommen schon eine halbe Stunde vor Beginn, um dem Team
der 52-jährigen Kursleiterin bei den Vorbereitungen über die Schulter zu schauen. Für den Baiserteig stellen Iimoris
Helferinnen gemahlene Mandeln, Puderzucker, Eiweiß und raffinierten Zucker
in kleinen Schälchen auf die Arbeitsplat-
Noch heute gilt Frankreich als Heimat der Macarons, Marie Antoinette liebte sie angeblich besonders: Süßigkeit im Kurs.
Man nehme Himbeerpüree für die Farbe, eine Spritztüte für die perfekte Form . . .
. . . und viele gleich geformte Hälften für das Zusammenspiel zwischen oben und unten.
te, für die Himbeercreme braucht es neben einem Ei und einem Eigelb noch
Butter und Zucker. Weil heute Himbeermacarons gebacken werden, kommt
noch eine Schale mit Himbeerpüree
dazu. Außerdem liegt für jeden der 15
Kursteilnehmer das Rezept schon auf
der Kochinsel bereit, als Iimori auf die
Minute pünktlich vom Café hinauf in die
Küchenecke des ersten Stocks huscht. In
zwei Stunden will sie uns zeigen, wie die
perfekten Macarons gelingen – und wir
sollen kräftig mithelfen.
Und so geht es direkt los: Für den Baiserteig schüttet Iimori zuerst die gemah-
lenen Mandeln mit dem Puderzucker in
einer grauen Plastikschüssel zusammen.
Gekonnt bearbeitet sie das Gemisch mit
einer Teigkarte. „Man sollte die Mandeln und den Puderzucker nicht einfach
nur mischen. Man muss auch ein bisschen reiben und quetschen, dass die Konsistenz stimmt“, erklärt sie. Wichtig sei
vor allem auch, dass man wirklich eine
Teigkarte ohne Stiel verwende. „Es muss
keine Teigkarte aus dem Fachhandel
sein, eine alte Kreditkarte tut es auch“,
lacht die Japanerin und gibt Lebensmittelpulver ohne Geschmack und ungeschlagenes Eiweiß in die Schüssel dazu.
VON JÜRGEN DOLLASE
espuma und Preiselbeerschaum ohne weiteres anfreunden können. Natürlich ist
das nicht Backhendl plus Kartoffelsalat
und grünem Salat, aber es macht Sinn
und wirkt ein wenig wie eine kulinarische Erfrischung vor den ganz großen
Traditionsgerichten.
Nummer eins ist das „Wiener Schnitzel vom Kalb mit Salat, Preiselbeeren
und Erdäpfel-Gurken-Salat“ (21,90
Euro). Beim Servieren muss der Gast
schmunzeln, weil diese Fassung wahrlich
eine rekordverdächtig soufflierende Panierung hat. Weil diese aber nicht so
dick ist, bleibt der Akkord zum Fleisch
dennoch stabil. Es schmeckt prächtig,
vor allem mit dem Erdäpfel-Gurken-Salat, und man beginnt – ein gutes Zeichen
– nachzudenken, ob man das jemals besser bekommen hat. Die alternativ dazu
empfohlenen Röstkartoffeln sollte man
allerdings nicht unbedingt bestellen, weil
sie der Panierung ins Gehege kommen
können und die wohlabgestimmte Eleganz des Gerichtes verändern.
Auf dem gleichen hohen Niveau folgt
dann der „Traditionelle Tafelspitz vom
Rind im Gemüsesud mit Rahmspinatsauce, Apfelkren und Schnittlauchsauce“
HIER SPRICHT DER GAST
Auf schmalem und
faszinierendem Grat
In „Gruber’s Restaurant“ in Köln wandelt der Koch
zwischen bürgerlicher Küche und Gourmetküche
Grubers Küchenkonzept. Es gibt die Pilze roh mariniert, gebraten und zu Tatar
verarbeitet, begleitet von einem Buchenpilz-Sud, Gelee-Cannelloni mit Frischkäse und Kräutern und feingehacktem
Pumpernickel. Der Akkord Pilze/Pumpernickel ist eine prächtige Idee, die
gleich deutlich macht, dass „Gruber’s Restaurant“ auf dem schmalen, aber oft faszinierenden Grat zwischen bürgerlicher
Küche und Gourmetküche arbeitet.
Der erste Klassiker ist ein „Spinat-Kaspressknödel mit rahmigen Schwammerln“ (13,90 Euro). Es gibt einen leicht
flach gedrückten und dann angebratenen
Knödel mit einem Mix aus Röstnoten,
begrenzt Käse und deutlich schmeckendem Spinat auf einer klassisch-cremigen
Champignon-Sauce. Während der
klassische Kaspressknödel wegen großer
Mengen Käse schon mal eine echte Kalorienbombe sein kann, gelingt hier das
leichtere Bild einer verfeinerten Rustikalität.
Ein weiterer Vorspeisenklassiker ist
das „Wiener Backhendl mit Vogerlsalat
(Feldsalat)“ für 12,90 Euro. Hier trifft
Tradition auf Moderne, mit dem Ergebnis, dass sich die traditionell schmeckenden Backhendl-Stücke mit der zeitgenössischen Begleitung aus Wildkräutercreme, Wildkräutermousse, Wildkräuter-
Fotos Helmut Fricke
Nach kurzem Reiben mit der Teigkarte
entsteht eine dicke, pinkfarbene Teigmasse. Jetzt fehlen nur noch geschlagenes Eiweiß und gekochter Zucker. Während
die Rührmaschine die Arbeit des Eiweißschlagens übernimmt und der raffinierte
Zucker mit Wasser aufgekocht wird, diskutieren wir, was sich aus dem vielen Eigelb, das nun übrig ist, machen lassen
könnte.
Tatsächlich gibt es einige Möglichkeiten, das Eigelb noch sinnvoll zu verwenden und nicht wegzuwerfen. Carbonarasoße zu Spaghetti, Eierlikör oder einfache
Mürbeteigkekse sind nur einige der Ideen, die gemeinsam besprochen werden,
bis der aufgekochte und jetzt dickflüssige
Zucker zum geschlagenen Eiweiß dazugegeben wird. Alles wird noch einmal von
Hand vermischt, und kommt dann zur
pinkfarbenen Teigmasse in die Rührschüssel. „Vorsichtig unterrühren muss man
das geschlagene Eiweiß und den Zucker
nicht. Es muss sich nur alles gut verbinden und zu einer Masse werden“, erklärt
Iimori und rührt mit der Teigkarte in der
Plastikschüssel umher, bevor sie den fertigen Baiserteig in mehrere durchsichtige
Plastikspritztüten füllt.
Jetzt sind wir Schüler gefordert. Wir
müssen möglichst runde und gleich große Teigkleckse auf das Backblech bringen, so dass sich nach dem Backen je
zwei Kekse zu einem Macaron zusammensetzen lassen. Was bei Profibäckerin
Iimori so einfach aussieht, ist für uns
aber gar nicht so leicht. Die Kleckse verlaufen, werden unterschiedlich groß und
haben vor allem am Anfang oft noch
mehr Ähnlichkeit mit einem pink gefärbten Hundehaufen als mit der schönen
Kekshälfte eines Macarons.
Mit Hilfe Iimoris gelingt es dann aber
doch noch, die Backbleche mit gleichmäßig geformten Teigteilchen zu füllen.
Denn sie gibt uns einen entscheidenden
Tipp: das richtige Halten der Spritztüte.
Glücklich, den ersten Teil der französischen Gebäckstücke geschafft zu haben,
werden die Backbleche nun für rund
fünfzehn Minuten in den Ofen geschoben. Doch eine Pause gibt es nicht – die
Buttercreme muss gemacht werden.
Nicht nur für gelungene Macarons
braucht es eine gute Buttercreme. Auch
der Frankfurter Kranz, die Donauwelle
oder die Schwarzwälder Kirschtorte
schmecken nur, wenn die Buttercreme
stimmt. Da der klassische Baiserteig der
Macarons generell ein wenig trocken
schmeckt, ist die Cremeschicht zwischen
den beiden Kekshälften besonders wichtig. Sie ist der Hauptgeschmacksträger
des Gebäcks. Konzentriert beobachten
wir deshalb, wie Azko Iimori die Creme
zubereitet. Während die Rührmaschine
ein Ei und ein zusätzliches Eigelb
schlägt, wird, wie zuvor schon für den
Baiserteig, Zucker mit Wasser aufgekocht. Beides wird dann in einer silbernen Metallschüssel zusammengemischt,
während die weiche Butter von der Maschine geschlagen wird.
Die Grundlage für eine leckere Buttercreme ist geschafft, jetzt geht es an den
Geschmacksträger. Damit die Macarons
auch nach Himbeere schmecken, fehlt
noch Himbeerpüree. Und das lässt sich
ganz einfach selbst herstellen: Himbeeren aufkochen, nach Wunsch zuckern,
durch ein Sieb geben und abkühlen lassen, bevor man es in die Buttercreme
gibt. Für den Macarons-Backkurs hatte
Iimori das Himbeerpüree schon vorbereitet, so dass es nun direkt verarbeitet werden kann. Denn auch die Baiserkekse
sind in der Zwischenzeit fertig geworden
und können aus dem Backofen geholt
werden. Flink füllt Iimori die Creme in
mehrere Spritzbeutel um, denn jetzt
steht dem letzten Arbeitsschritt nichts
mehr im Wege. Je zwei Kekse werden
mit der Creme als Zwischenschicht zu einem Macaron zusammengesetzt.
Den Tipp, die fertigen Macarons am
besten erst einen Tag stehen zu lassen,
damit die Himbeercreme ein wenig in
die Doppelkekse ziehen kann, ignorieren
wir jedoch allesamt. Zu gut sehen die
Macarons aus – und zu gut schmecken
sie auch allen. „Hmmm, sehr lecker“
und „Oooh, wie köstlich“ ist von allen
Seiten rund um die Kücheninsel zu hören. „Ich glaube, jeder kann spätestens
jetzt verstehen, wieso viele Touristen ihren Freunden und Verwandten Macarons aus Paris mitbringen“, schmunzelt
Iimori.
Mit einem Geschenk endet auch unser Backkurs. Wir nehmen nicht nur viele Tipps mit nach Hause, sondern auch
eine Schachtel mit selbstgebackenen
Himbeermacarons.
(22,50 Euro). Die Küche glänzt mit sehr
zartem Fleisch von bestem Aroma, traditionell mit Gemüse im Topf serviert und
von den klassischen Beilagen begleitet.
Der Meerrettich zum Apfelkompott ist
Backhendl werden zu den beiden Hauptgerichten Rotweine serviert (obwohl
auch Weißweine naheliegend wären).
Ein 2012er Zweigelt Reserve vom Weingut Sepp Moser aus Rohrendorf bei
Krems/Wachau und eine 2010er Cuvée
„Rote Erde“ vom Weingut Muhr-van
der Niepoort aus Rohrau/Carnuntum
passen exzellent und runden das Ganze
zu einem sehr empfehlenswerten Essen
ab.
Da darf dann natürlich zum Abschluss
auch ein „Marillenpalatschinken“ nicht
fehlen, der als Rolle mit einem Eis und
Mandelsplittern serviert wird und – natürlich – demonstriert, dass die besten
Aprikosenprodukte nach wie vor aus
Österreich stammen. „Gruber’s“ ist eine
sehr gute Adresse für Freunde einer optimierten klassischen Küche, die auch
Freude an kleinen, wohltemperierten
Modernisierungen und einem entspannten Ambiente haben.
frisch, und man würde sich lediglich die
Schnittlauchsauce etwas leichter wünschen.
Was besonders auffällt, ist die Qualität der Weinbegleitung. Nach einem zuverlässigen Grünen Veltliner Federspiel
Kollmitz von der Domäne Wachau zum
Ein Video mit Backanleitung finden Sie unter
faz.net/macarons.
Gruber’s Restaurant. Clever Str. 32, 50668 Köln,
Tel. 02 21 / 72 02 670; www.grubersrestaurant.de; Küche
Mo–Fr von 12–14 und von 18–21.30 Uhr, Sa nur von
18–21.30 Uhr. Vorspeisen 9,90–17,50 Euro, Hauptgerichte
21,90–28,90 Euro. Diverse Menüs von 42 bis 85 Euro,
Mittagskarte inkl. Mittagsmenü.