EXISTENZ DER STAMMFUNTKIONEN 1. Homologisch triviale Gebiete SATZ 1.1. Für ein Gebiet G ⊂ C sind äquivalent: (1) Jede Funktion f ∈ O(G) hat eine Stammfunktion F . 1 (2) Für jede geschlossene R stückweise C -Kurve γ : [a, b] → G und jedes f ∈ O(G) gilt γ f (z) dz = 0. Beweis. Gilt (1), so ist das Integral in (2) gleich F (γ(b))−F (γ(a)) = 0, wie wir schon frher gesehen haben. Andereseits ist (2) äquivalent zu der Aussage, dass das KurveninR tegral η f (z) dz für jede stückweise C 1 -Kurve η : [a, b] → G nur von den Endpunkten von η abhängt. Wir wählen nun ein z0 ∈ G, und für jedes z ∈ G eine stückweise lineareR Kurve ηz : [a, b] → G, die z0 mit z verbindet. Wir setzten F (z) := ηz f (w) dw. Für jedes z1 in einer kleine Scheibe um R z gilt wie im Beweis des Satzes von Morera, dass F (z1 ) − F (z) = [z,z1 ] f (w) dw, wobei [z, z1 ] die linear parametrisierte Strecke von z nach z1 bezeichnet. Wie im Beweis des Satzes von Morera folgt, dass F stetig, in z komplex differenzierbar mit F 0 (z) = f (z) gilt. Definition 1.1. Ein Gebiet G das die obigen Bedingungen erfüllt nennen wir homologisch trivial. Andere Bezeichnungen sind homologisch einfach zusammenhängend. Wir haben in einer Hausaufgabe gesehen, dass jedes Sterngebiet, insbesondere jedes konvexe Gebiet homologisch trivial ist. Andererseits ist ein Kreisring oder für jedes Gebiet G das Komplement eines Punktes 1 in G nicht homologisch trivial, denn das Integral von f (z) = z−z über 0 einen Kreis um z0 ist gleich 2πi. Als ein wichtiges Beispiel ist die geschlitzte Ebene C− := C\(−∞, 0] homologisch trivial. 2. Holomorphe Logarithmen und Wurzeln Definition 2.1. Sei G ⊂ C∗ ein Gebiet. Wir sagen, dass l, qn ∈ O(G) ein (Logarithmus) Logarithmus bzw. eine (hoilomorphe) n-te Wurzel ist, wenn exp(l(z)) = z bzw. (qn (z))n = z für jedes z ∈ G gilt. 1 Ist l ein Logarithmus in G, so hat jeder andere holomorphe Logarithmus die Form lm (z) := l(z) + 2πim. Ist qn eine n-te Wurzel, so ist jede andere holomorphe n-te Wurzel die Form q̂n (z) = φ · qn (z) für eine n-te Wurzel φ aus 1. Jeder holomorphe Logarithmus l und jede holomorphe n-te Wurzel qn ist injektiv in G, also eine biholomorphe Abbildung auf das Bildgebiet. Existiert ein holomorpher Logarithmus l, so ist qn (z) := exp( n1 l(z)) eine holomorphe n-te Wurzel. Ist l ein holomorpher Logarithmus, so gilt nach der Kettenregel, 0 l (z) = z1 , d.h. l ist eine Stammfunktion von z1 . Folglich sehen wir, dass falls ein holomorpher Logarithmus in G existsiert, das Gebiet G keinen Kreis ∂Ds (0) um 0 enthalten kann. Ist andererseits p ∈ O(G) eine Stammfunktion von z1 in G, so betrachte h(z) = exp(p(z)) · z1 . Wir leiten h ab und bekommen 1 1 h0 (z) = exp(p(z)) · p0 (z) · − exp(p(z)) · 2 = 0 z z D.h. h ist konstant a, also ist exp(p(z)) = a · z. Subtrahiert man von p eine Konstante b, so dass exp(b) = a gilt, so erhält man also einen holomorphen Logarithmus l. Wir haben also beweisen: SATZ 2.1. Ein holomorpher Logarithmus existiert in G ⊂ C∗ genau dann, wenn z1 eine Stammfunktion in C besitzt. Ist G homologisch trivial, dann existieren in G holomorphe Logarithmen und holomorphe n-te Wurzeln für jede natürliche Zahl n. Wir werden in einer Hausaufgabe sehen, dass jede stetige Funktion p : G → C mit exp(p(z)) = z für alle z automatischer ein holomorpher Logarithmus ist. 2
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