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Brauner Untergrund
Brauner Klimakiller
Bunter Mehrwert
Untersuchungsausschüsse ermitteln
Hintergründe in Sachen NSU. Seite 6
Aktivisten planen ein Camp im
brandenburgischen Dorf Proschim. Seite 12
Kunst und Kapital: Malen für die
gut Betuchten. Seite 15
Foto: 123rf/get4net
Foto: AFP/Timothy A. Clary
Montag, 2. Mai 2016
STANDPUNKT
Redliche
Bemühungen
71. Jahrgang/Nr. 102
UNTEN LINKS
Hauptschwerpunkt der aktuellen
Klassenschlacht ist die Bekämpfung der AfD. Seit die oberrechten Unrechtspopulisten ein Lügengebäude über dem Islam errichtet haben, arbeiten Deutschlands fortschrittliche Werktätige
und ihre Organisationen unermüdlich daran, dieses perfide
Bauwerk zum Einsturz zu bringen
und aus seinen Trümmern den
»wahren Islam« (Papst Franziskus) erstehen zu lassen: eine zutiefst friedfertige, ausgeprägt integrationsfreudige, von unbändigem Gleichberechtigungsdrang
erfüllte Religion. Die islamischen
Verbände bereiten sich derzeit
schon auf Massenkonversionen
vor unter Führung des Erzbischofs von Köln, Kardinal Rainer
Maria Woelki (»Wer Ja zu Kirchtürmen sagt, der muss auch Ja
sagen zum Minarett«). Sollte die
AfD nächstens gar behaupten, die
Erde sei eine Kugel, sind die progressiven Kräfte gerüstet, um den
dreisten Demagogen Nachhilfe in
politischer Erd-Kunde zu erteilen.
Motto: »Der AfD die Kugel! Unsere Scheibe ist unantastbar!« ibo
ISSN 0323-3375
www.neues-deutschland.de
Farbenspiele zum 1. Mai
Tarifeinigung im
öffentlichen Dienst
390 000 bei Gewerkschaftskundgebungen / Neonaziaufmarsch in Plauen
Gewerkschaften sehen im Abschluss
von 4,7 Prozent gutes Ergebnis
Martin Ling über Steinmeiers neue
Syrien-Initiative
Der UN-Sondergesandte für Syrien kann jede Unterstützung gebrauchen. Erst vor wenigen Tagen warnte Staffan de Mistura
vor einem völligen Zusammenbruch der Waffenruhe in Syrien.
Die neue Initiative des deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist sicher im Interesse von de Mistura. Mit der Einladung an ihn und den syrischen
Oppositionsführer Riyad Farid
Hidschab nach Berlin soll den
verfahrenen Friedensgesprächen
in Genf wieder eine neue Perspektive eröffnet werden.
Steinmeiers Ansatz ist richtig:
»Nach fünf Jahren Bürgerkrieg
und 300 000 Toten bleibt es
wichtig, alle Akteure an den Verhandlungstisch zu kriegen und
dort zu halten.« Auch sein Doppelbesuch in Iran und Saudi-Arabien im vergangenen Herbst, mit
dem der deutsche Außenminister
eine Brücke zwischen zwei Staaten zu bauen versuchte, ohne die
eine Lösung des Syrien-Konflikts
schlechthin nicht vorstellbar ist,
war einen Versuch wert.
Doch Steinmeiers Engagement
in allen Ehren: In Syrien wird es
nur Fortschritte geben, wenn sich
die USA und Russland auf ein
konzertiertes Vorgehen einigen
können. Das hat der im Februar
maßgeblich von Washington und
Moskau durchgesetzte Waffenstillstand gezeigt, so brüchig er in
Teilen auch ist. Nur wenn Steinmeiers Plädoyer für eine Übergangsregierung – mit Vertretern
der Opposition und des Regimes
– in Washington und Moskau Gehör findet, könnte sich daraus eine realistische Option ergeben.
Noch ist sie nicht in Sicht.
Bundesausgabe 1,70 €
Potsdam. Die Einigung bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst ist von
den Gewerkschaften begrüßt worden. So
sprach die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) von einem »ordentlichen Ergebnis«. Es sei gelungen, »den Angriff der Arbeitgeber auf die Betriebsrenten der Beschäftigten der Kommunen abzuwehren: Es
wird keine Kürzungen bei den Leistungen der
Zusatzversorgung geben«, erklärte die GEWVorsitzende Marlis Tepe. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske sagte mit Blick auf die Befragung der ver.di-Mitglieder: »Wir empfehlen die Annahme – und das aus guten Gründen.« Die Einigung sieht vor, dass die mehr
als zwei Millionen Angestellten von Bund und
Kommunen 2016 und 2017 in zwei Schritten
insgesamt 4,7 Prozent mehr Lohn erhalten.
Die IG Metall verstärkt derweil den Druck
im Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie. Am Montag ruft die Gewerkschaft
wieder zu Warnstreiks auf, IG-Metall-Chef
Jörg Hofmann drohte mit einem unbefristeten Arbeitskampf. Agenturen/nd
Grenzkontrollen
bis November
EU-Kommission bewilligt Antrag
von sechs Schengen-Staaten
Unter strenger Beobachtung der Polizei: Bunter Protest gegen einen Neonaziaufmarsch in Schwerin am Tag der Arbeit
Berlin. Am Tag der Arbeit haben sich 390 000
Menschen an mehr als 500 Veranstaltungen
und Kundgebungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) beteiligt. Die Kundgebungen standen unter dem Motto »Zeit für
mehr Solidarität«. Bei der zentralen Veranstaltung in Stuttgart rief der Gewerkschaftsbund zu mehr Engagement gegen Rechts auf.
»Was die Rechtspopulisten fordern, das hat
nichts, aber auch gar nichts zu tun mit sozialem Zusammenhalt, nichts mit sozialer Gerechtigkeit, nichts mit fairer Globalisierung und
schon gar nichts mit Solidarität«, erklärte DGBChef Reiner Hoffmann. In Krefeld sprach sich
der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske für einen
Kurswechsel in der Rentenpolitik aus. »Nach
jahrzehntelanger Arbeit haben alle Menschen
das Recht, ein anständiges Leben in Würde führen zu können«, sagte er.
Wie in den vergangenen Jahren versuchten
Neonazis auch dieses Jahr, den 1. Mai für ihre
Zwecke zu missbrauchen – unter anderem in
der vogtländischen Stadt Plauen. Nachdem sich
die Polizei offenbar nicht in der Lage sah, eine
geplante Demonstration der extremen Rechten abzusichern, wurde der Protestzug aufgelöst. In der Folge gingen Neonazis aggressiv gegen die Polizei vor, die mit dem Einsatz von
Foto: dpa/Jens Büttner
Wasserwerfern und Pfefferspray antwortete.
Immer wieder versuchten die Rechtsextremen,
linke Gegendemonstranten zu attackieren. Organisiert wurde der Aufmarsch von dem »Nationalen und sozialen Aktionsbündnis 1. Mai«,
das sich unter anderem aus Kadern der Partei
»III. Weg« zusammensetzt. In Berlin rief die
NPD zu Versammlungen auf. In Schwerin behauptete NPD-Chef Frank Franz, dass sich das
Verbotsverfahren in Karlsruhe nicht alleine gegen die NPD, sondern gegen alle »Wutbürger«
richte. Er rief dazu auf »die Volksverräter in den
Parlamenten« bei der Landtagswahl »abzustrafen«. nd
Seiten 2, 3, 4 und 11
Aleppo zwischen Moskau und Washington
Syrische Stadt entscheidend im Ringen um landesweite Waffenruhe / Neue Steinmeier-Initiative
Die frühere Handelsmetropole
Aleppo gilt als wichtigstes
Schlachtfeld im syrischen Bürgerkrieg. Während die Gewalt
eskaliert, streiten die Großmächte Russland und USA.
Aleppo. Nach einer Eskalation der
Gewalt in der nordsyrischen Stadt
Aleppo laufen nach Angaben aus
Moskau neue Verhandlungen über
eine Feuerpause. Der russische
Generalleutnant Sergej Kuralenko nannte am Sonntag der Agentur Interfax zufolge jedoch keine
Details. Zuvor hatte US-Außenminister John Kerry eine dauerhafte und landesweit geltende
Waffenruhe gefordert.
Allerdings sind sich die USA
und Russland, ein enger Verbündeter des Regimes von Präsident
Baschar al-Assad, über das weitere Vorgehen in der Region Aleppo uneins. Russland lehnte dort
bislang eine Waffenruhe ab. Der
Kampf gegen Terrorgruppen sollte fortgesetzt werden, sagte Vi-
zeaußenminister Gennadi Gatilow. Russland werde keinen Druck
auf Syriens Führung ausüben.
Aleppo, wichtigstes Schlachtfeld in Syriens Bürgerkrieg, wird
im Westen von der Regierung
kontrolliert, im Osten durch Regimegegner. Seit Monaten versucht die Armee, die letzte Versorgungsroute der Regierungsfeinde zu kappen. In Aleppo und
seinem Umland ist neben moderateren Rebellengruppen auch die
Al-Nusra-Front präsent, ein Ableger des Terrornetzwerks Al Qaida. Diese ist wie die Miliz Islamischer Staat (IS) von der eigentlich seit Ende Februar geltenden
Waffenruhe ausgenommen. Seit
dem 22. April griff die Luftwaffe
Assads die östlichen Viertel der
Stadt täglich an.
Der russische Außenpolitiker
Konstantin Kossatschjow sagte,
vor einer Waffenruhe in Aleppo
müsse der Westen in Syrien seine
Unterstützung für bewaffnete
Kräfte einstellen, die Präsident
Assad stürzen wollen. »Dann wäre eine Feuerpause realistisch«, so
der Chef des Auswärtigen Ausschusses des Föderationsrates.
Syriens Armeeführung hatte am
Eine kurzfristige
Zukunft Syriens
ohne Assad kann
Steinmeier nicht
erkennen.
Freitag eine neue zeitlich begrenzte Waffenruhe für Teile des
Landes erklärt, Aleppo aber ausgenommen. Aus Protest gegen die
Gewalt vor allem im Norden des
Landes war Syriens Opposition
von den Genfer Friedensgesprächen abgereist.
Außenminister Frank-Walter
Steinmeier will jetzt die Blockade
bei den Friedensgespräche über-
winden. »Ich habe in dieser Woche bei dem syrischen Oppositionsführer Riyad Farid Hidschab
dafür geworben, nach Genf zurückzukehren«, sagte der SPD-Politiker der »Welt am Sonntag«. Er
fügte hinzu: »Hidschab und der
UN-Sondergesandte Staffan de
Mistura kommen am Mittwoch
nach Berlin, um gemeinsam mit
uns Ideen für eine Fortsetzung der
Genfer Friedensgespräche zu entwickeln.« Von einer Lösung des
Konflikts sei man aber noch »weit
entfernt«.
Eine kurzfristige Zukunft Syriens ohne Machthaber Assad kann
Steinmeier nicht erkennen. In den
Genfer Verhandlungen zwischen
syrischer Regierung und Opposition gehe es jetzt »noch nicht darum, Baschar al-Assad sofort und
unmittelbar als Präsident abzulösen, sondern eine effektive
Übergangsregierung – mit Vertretern der Opposition und des
Regimes – mit exekutiven Aufgaben zu bilden«. Agenturen/nd
Berlin. Deutschland und fünf weitere Länder
sollen ihre Grenzen noch bis November kontrollieren. Die EU-Kommission werde einen
entsprechenden Antrag am Mittwoch bewilligen, berichtete die »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. »Auch wenn sich die
Flüchtlingssituation an den Binnengrenzen
entlang der Westbalkanroute derzeit entspannt hat, blicken wir mit Sorge auf die Entwicklungen an den Außengrenzen der Union«, begründete Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Initiative. Neben
Deutschland gehören Österreich, Belgien und
Frankreich sowie Dänemark und Schweden
zu den Schengen-Staaten, die auf die Aktivierung eines »Krisenmechanismus« pochen.
Die Kontrollen waren im September 2015
aufgrund der vielen Flüchtlinge, die über Österreich einreisten, eingeführt worden. Nachdem im vergangenen Jahr pro Tag mehrere
tausend Personen nach Deutschland kamen,
ist die Zahl nach den Grenzschließungen entlang der Balkanroute deutlich zurückgegangen. Agenturen/nd
Kommentar Seite 4
AfD: Islam kein Teil
von Deutschland
Protest gegen Parteitag in Stuttgart
Daten der Teilnehmer veröffentlicht
Stuttgart. Die AfD hat ihren Anti-Islam-Kurs
bekräftigt. Die Delegierten des Bundesparteitags in Stuttgart verabschiedeten am
Sonntag mit großer Mehrheit das Kapitel »Der
Islam gehört nicht zu Deutschland« als Teil
ihres Grundsatzprogramms. Unter dem Punkt
»Kultur, Sprache und Identität« heißt es weiter, dass »ein orthodoxer Islam, der unsere
Rechtsordnung nicht respektiert oder sogar
bekämpft und einen Herrschaftsanspruch als
allein gültige Religion erhebt«, mit »unserer
Rechtsordnung nicht vereinbar« sei.
Bereits am Samstag hatten etwa 1500 Demonstranten zeitweise den Zugang zum Tagungsort versperrt. Die Polizei kesselte linke
Gruppen ein. Mehrere hundert Menschen
wurden in Gewahrsam genommen.
Linke Aktivisten haben unterdessen die
Daten der Teilnehmer des Parteitags im Internet veröffentlicht. Sie umfassen die Wohnadresse, Handynummer, Geburtsdatum und
E-Mail-Adresse der AfD-Mitglieder. Parteichef Jörg Meuthen kündigte strafrechtliche
Schritte an. Agenturen/nd
Seite 5