Datei herunterladen - Bürgerinitiative zum Erhalt des Waldfriedens

Neugraben/Harburg Kritik, ja – Fremdenfeindlichkeit, nein!
Von Lars Hansen
Foto: Lars Hansen / HA
Silke Ottow hatte bei der Gründung der Bürgerinitiative „Waldfrieden“ die
Diskussionsleitung übernommen
In Neugraben und Fischbek gründeten sich Bürgerinitiativen gegen geplante
Flüchtlingsunterkünfte – Gleichzeitig kritisieren Freiwillige Chaos an der ZEA.
Neugraben/Harburg.. In Sachen Flüchtlingsunterbringung im Süden bläst der Stadt
Hamburg derzeit der Wind ins Gesicht – und zwar egal, wohin sie sich dreht. In
Neugraben und Fischbek regt sich Unmut über geplante Unterkünfte, in Harburg
beklagen ehrenamtliche Helfer chaotische Zustände an der zentralen Erstaufnahme,
und selbst die Mitarbeiter der Einrichtungen protestieren. Am Mittwoch und
Donnerstag gründeten sich in Neugraben zwei Bürgerinitiativen gegen die derzeit
geplanten Unterbringungen am Aschenland und auf der Waldfrieden-Wiese.
Donnerstag, 19.30 Uhr. Der Saal der Gaststätte "Deutsches Haus" an der
Neugrabener Bahnhofstraße ist voll wie ein Uni-Seminar. Nichts geht mehr. Ein Teil
der Teilnehmer verfolgt die Diskussion von draußen durchs geöffnete Fenster. Bei
Bedarf wird das Mikrofon hinausgereicht. Silke Ottow atmet tief durch "Ich habe so
etwas noch nie gemacht", leitet sie die Moderation des Abends ein. Dafür wird sie es
in den kommenden 90 Minuten aber ziemlich gut hinkriegen.
Die "Bürgerinitiative zum Erhalt des Waldfriedens" hatte eingeladen, um mit
Anwohnern zu beraten, wie man die geplante 500-Personen-Unterkunft auf der
Lichtung beim Fischbeker Friedhof verhindern könne. "Uns geht es darum, jede Art
von Bebauung dort zu verhindern", sagte Ottow. "Uns geht es nicht speziell um
Flüchtlinge. Im Gegenteil: Fremdenfeindlichkeit lehnen wir ab und wollen wir hier
nicht dulden."
Bundeswehrsoldaten und Rotes Kreuz lieferten Hilfsgüter in die ZEA
Foto: André Lenthe / HA
Was Fremdenfeindlichkeit angeht, musste sie nicht eingreifen. Die wenigen
Äußerungen in diese Richtung, wie "kein Zigeunerlager am Friedhof" und "Deutsche
sind generell sauberer", wurden von den über 120 Teilnehmern gesittet aber
bestimmt weggemurmelt – den Anwesenden ging es um die Sache und um den Erhalt
ihres Siedlungscharakters.
Dabei war es für sie eine zentrale Frage, ob die Freifläche Naturschutzgebiet sei oder
nicht. Im Bebauungsplan von 1966 ist die Wiese als Naturschutzgebiet ausgewiesen.
In aktuellen Karten nur noch zur Hälfte. Ob und wann die Hälfte, auf der die Stadt
bauen möchte, entwidmet wurde, will Ralf-Dieter Fischer,
Bezirksfraktionsvorsitzender der CDU und selbst betroffener Anwohner, noch
herausfinden.
"Naturschutzgebiete werden nicht durch Bebauungspläne, sondern durch
Verordnungen festgelegt", sagte er. "Ich vermute, dass dieser Teil einst aus dem
Naturschutzgebiet herausgenommen wurde, damit er als Hundeauslauffläche dienen
kann."
Zu Gast war auch Jan Greve von der Tags zuvor gegründeten Bürgerinitiative
"Neugraben-Fischbek – Nein zur Politik", die sich vor allem gegen die geplante
Großunterkunft am Aschenland, aber auch gegen die Bebauung der WaldfriedenWiese wendet. "Nach den offiziellen Planungen würde Neugraben-Fischbek damit
5000 Flüchtlinge aufnehmen", sagte er. "Das kann man als ein Stadtteil gar nicht
integrieren und damit sind dann die Probleme programmiert!"
Greve forderte, die in Hamburg ankommenden Flüchtlinge gleichmäßig auf alle 104
Stadtteile zu verteilen. "Das wären dann 300 pro Stadtteil, und das kann jedes
Quartier schaffen", sagte er. "Auch im Jenisch-Park kann man Wohncontainer
aufstellen."
Auch die BI Neugraben-Fischbek betont ausdrücklich, nicht fremdenfeindlich zu
sein. Einzelne Teilnehmer nutzen die Facebook-Seite der BI allerdings durchaus für
Einträge, die darauf angelegt sind, Fremdenangst zu verbreiten.
Bei denen, die uneingeschränkt für die Aufnahme von Flüchtlingen sind, kommt die
Stadt derzeit aber auch nicht allzu gut weg. In der vergangenen Woche war es an der
ZEA Poststraße mehrmals zu Situationen gekommen. in denen angekommene
Flüchtlinge vor der Tür bleiben mussten, weil das Personal nicht auf sie eingestellt
war.
"Dabei wussten die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer schon Stunden vor dem ZEAPersonal davon, dass diese Leute aus Süddeutschland nach Hamburg unterwegs
waren, das muss den Behörden doch peinlich sein", sagt Werner Gottwald,
Administrator der Facebook-Gruppe "Harburger helfen geflüchteten Menschen".
Er kritisiert auch, dass die Freiwilligen mit der Organisation der Soforthilfe im Stich
gelassen wurden. "Es gibt so viele Katastrophenschutzorganisationen und die
Innenbehörde hat Kontakt zu allen. Die müssten doch einbezogen werden und sind
viel strukturierter, als wir es sein können."
Am Freitag hatte die Innenbehörde dann tatsächlich genug davon, sich von den
Freiwilligen beschämen zu lassen: Sie forderte die Bundeswehr zur Hilfe an. Die
Soldaten halfen, Matratzen, Decken und Essen zu verteilen.
Die gescholtenen Mitarbeiter der Einrichtungen haben sich derweil in einem offenen
Brief an ihre Dienstherren gewandt. Sie sehen die Ursache im jetzigen Mangel in der
Sparpolitik der CDU-Senate und fordern mehr Weitsicht in der Flüchtlingspolitik
sowie eine Abkehr vom reinen Reagieren: "Notmaßnahmen, die darin gipfeln, dass
alle Standards über Bord geworfen werden, stören den sozialen Frieden in den
Unterkünften", heißt es in dem Schreiben.
Solche Notmaßnahmen müssten Notmaßnahmen bleiben und klar befristet werden.
"Ohne ein schlüssiges Gesamtkonzept wird sich das Hilfepotenzial der amtlichen und
ehrenamtlichen Helfer erschöpfen", heißt es weiter. Dann drohe eine Gettoisierung
der Flüchtlinge und ein Kippen der Stimmung.