1 Manuskript radioWissen SENDUNG: 13.07.2015 9.05 Uhr/B2 AUFNAHME: STUDIO: GESCHICHTE Ab 9. Schuljahr TITEL: Das Ziel der Geschichte Wie sieht´s aus im letzten Akt? AUTOR/AUTORIN: Julia Devlin REDAKTION: Thomas Morawetz REGIE: PERSONEN Sprecherin Zitator Johannes-Offenbarung Zuspielungen Dr. theol. Robert Mucha, LMU/Gasteig, Dr. theol. Matthias Pöhlmann, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Prof. Dr. Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, München Besondere Anmerkungen: ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 2 ZITATOR (drohend) (Offenbarung des Johannes, Kap. 14) Und ich sah eine weiße Wolke. Und auf der Wolke saß einer, der gleich war einem Menschensohn; der hatte eine goldene Krone auf seinem Haupt und in seiner Hand eine scharfe Sichel. Und ein andrer Engel kam aus dem Tempel und rief dem, der auf der Wolke saß, mit großer Stimme zu: Setze deine Sichel an und ernte; denn die Zeit zu ernten ist gekommen, denn die Ernte der Erde ist reif geworden. Und der auf der Wolke saß, setzte seine Sichel an die Erde und die Erde wurde abgeerntet. SPRECHERIN Aus der Offenbarung des Johannes, Kapitel 14. ZITATOR (drohend) Und ein andrer Engel kam aus dem Tempel im Himmel, der hatte ein scharfes Winzermesser. Und ein andrer Engel kam vom Altar, der hatte Macht über das Feuer und rief dem, der das scharfe Messer hatte, mit großer Stimme zu: Setze dein scharfes Winzermesser an und schneide die Trauben am Weinstock der Erde, denn seine Beeren sind reif! Und der Engel setzte sein Winzermesser an die Erde und schnitt die Trauben am Weinstock der Erde und warf sie in die große Kelter des Zornes Gottes. Und die Kelter wurde draußen vor der Stadt getreten, und das Blut ging von der Kelter bis an die Zäume der Pferde, tausendsechshundert Stadien weit. SPRECHERIN Das letzte Buch der Bibel, die sogenannte Johannes-Apokalypse. In ihr wird ein Endzeit-Szenario beschrieben, mit drastischen, teils grausigen Bildern. ZUSPIELUNG O-Ton Mucha 1 8.09 Der Verfasser der Johannesapokalypse geht einfach davon aus, alles auf dieser Welt ist einfach schlecht und schlimm, ... ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 3 SPRECHERIN Der Theologe Dr. Robert Mucha hat sich in seiner Dissertation mit der Apokalypse beschäftigt. ZUSPIELUNG O-Ton Mucha 2 5.52 Also im ganz Kurzen gesagt, das Geschichtsdenken der Apokalyptik ist: Wir leben in einer Welt, die dem Abgrund entgegen läuft, jeder Tag wird nur noch schlimmer, und es geht alles stetig bergab, und an dem Punkt, wo es eigentlich nicht mehr schlimmer kommen kann, da wird das Eingreifen Gottes erwartet, und Gott greift dann ein durch eine Heilsgestalt, durch einen Messias, durch einen Retter, das wird an ganz unterschiedlichen Bildern eben auch beschrieben, und dann geht alles wieder steil nach oben, und dann geht die Gottesherrschaft los. Also im Grunde ein ganz simples Parabeldenken, also die Parabel verläuft zunächst nach unten und dann ganz steil nach oben im Reich Gottes. SPRECHERIN Die Johannesapokalypse entstand vermutlich am Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus in Kleinasien. Zu dieser Zeit waren die Christen eine unterdrückte Minderheit im römischen Reich, sie wurden verfolgt, viele erlitten den Märtyrertod. In solchen Zeiten großer Verunsicherung stellt sich die Frage nach dem Ende und dem Ziel der Geschichte mit besonderer Dringlichkeit. ZUSPIELUNG O-Ton Pöhlmann 1 4.22 Ich denke, die Frage nach dem Ende ist so alt wie die Menschheit. Es gibt natürlich Zeiten, wo diese Frage akuter wird, in Krisen, in Übergangszeiten. Wenn wir in die Geschichte des Christentums sehen, dann erkennen wir, dass diese Frage natürlich auch schon von Anfang an eine Rolle gespielt hat, wann kommt Christus wieder, gibt es den entsprechenden Tag, an dem Christus wieder kommen wird, er hat ja seine Wiederkunft verheißen, er hat verheißen einen neuen Himmel und eine ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 4 neue Erde. Und da haben sich natürlich Menschen die Frage gestellt, wann dieser Zeitpunkt sein wird. SPRECHERIN So der Theologe Dr. Matthias Pöhlmann. Er ist Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. ZUSPIELUNG O-Ton Pöhlmann 2 12.20 Leitend ist der Gedanke, dass man einen biblischen Endzeitfahrplan entschlüsseln könne. Das heißt, es tritt also jemand auf, der dann sagt, in der Bibel sind alle Daten enthalten, und demzufolge kann man die Endzeitereignisse genau in einer Reihenfolge beobachten und auch ablesen. SPRECHERIN Krise trifft auf Endzeitfahrplan. Das kam in der Geschichte häufiger vor. Wie oft wurde nicht schon das Ende vorhergesagt, als Untergang der gegenwärtigen Welt, in einem Weltgericht oder einer Katastrophe, und danach ein Neuanfang, eine Zeit des Friedens. So berechneten Gelehrte des Mittelalters das Weltende für das Jahr 1000, dann für 1033 - tausend Jahre nach Jesu Kreuzestod. Aber auch in späteren Jahrhunderten flackerten solche Prophetien auf, damals wie heute oft in religiösen Splittergruppen. Musikakzent SPRECHERIN Nun ist das Mittelalter und auch die Frühe Neuzeit ja schon eine Weile her. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Wohin führt uns auch die Technikfaszination, die Begeisterung, der Fortschritt, kann es nicht sein, dass uns die Technik am Ende dann auch in große Bedrängnis bringen wird? SPRECHERIN So ist gerade diese Zeit des technischen und naturwissenschaftlichen Aufbruchs auch eine Zeit, in der Endzeiterwartungen Hochkonjunktur hatten. ZUSPIELUNG O-Ton Pöhlmann 4 7.48 Im 19. Jahrhundert sind eine Reihe von verschiedenen endzeitlich ausgerichteten Gemeinschaften, oder Sekten, wie man auch sagte, entstanden, z. B. der sogenannte Adventismus. Advent heißt ja Ankunft, also Gemeinschaften, die sehr stark mit dem nahen Ende oder mit der Wiederkunft Jesu Christi gerechnet haben. Daraus hervorgegangen sind auch die "Ernsten Bibelforscher", heute Zeugen Jehovas genannt, die natürlich einen ganz starken Endzeitfahrplan oder eine starke Endzeiterwartung haben. SPRECHERIN Bei der Erwartung einer Endzeit geht es auch darum, Zeichen lesen zu können, die auf das Nahen des letzten Stadiums hinweisen. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 6 Nur Eingeweihte können angeblich diese Zeichen richtig interpretieren. Der Theologe Robert Mucha steht diesem Zeichenlesen kritisch gegenüber. ZUSPIELUNG O-Ton Mucha 3 32.24 Hier ist eben auch nur die Gefahr, wenn man jetzt heute durch die Lande stapfen würde und jedes Kind, das mit einem Finger mehr geboren wird, oder jeder rote Regen, der von Eisenoxidwolken daherregnet, wenn man das alles gleich als Wunder oder als Zeichen versteht, kommt man natürlich auch auf dieses Drama. Und da ist eben die Gefahr Missinterpretation zu betreiben. MUSIKAKZENT SPRECHERIN Traditionell waren die Endzeitvorstellungen religiös geprägt. In der Zeit nach der Aufklärung kommt aber ein ganz neues Element dazu. Die Vorstellungen vom letzten Akt nehmen eine weltliche Prägung an. Sie sind nun eher Ausdruck… ZUSPIELUNG O-Ton Wirsching 1 5.08 eines neuen Umgangs mit der diesseitigen Welt und der Realität seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Also es ist ja auch häufig gesagt worden, dass sich die Zeitwahrnehmung, die Zeitvorstellung, mit dem Beginn der Neuesten Zeit ändert, insofern als man beginnt zu glauben und dann auch konkrete Bemühungen unternimmt, dass die Wirklichkeit rational planbar, auch veränderbar ist. ... 5.40 Und da spielt natürlich die Sehnsucht nach einer gerechteren Welt ...schon eine wichtige Rolle. Und dann über die Idee einer Herstellung einer gerechteren Welt auch die Vorstellung man könnte gewissermaßen aus der Zeit aussteigen und hat so ein zeitloses Phänomen vor sich, eine zeitlos funktionierende Gesellschaft. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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ZUSPIELUNG O-Ton Wirsching 2 9.35 Dass also die Tendenz zur Verdiesseitigung der Weltvorstellung zur Konsequenz hat, wir können auch diesseits rationaler an die Welt rangehen und nach menschlichen Vorstellungen die Welt gestalten. Und das ist der Prozess des 18. Jahrhunderts. SPRECHERIN Die Menschen warten nun nicht mehr nur passiv auf Veränderungen. Sie greifen vielmehr selbst aktiv in Prozesse ein, um sie zu verändern, ja mehr noch, um möglichst einen Idealzustand zu erreichen. ZUSPIELUNG O-Ton Wirsching 3 12.26 Da spielen eben keine metaphysischen Letztbegründungen, keine Götter und keine Schicksale ...mehr eine Rolle, sondern das ist Menschenwerk. Menschenwerk for the better or for the worse, sozusagen. SPRECHERIN Leider häufig for the worse, wie sich im 20. Jahrhundert zeigen sollte. Das Paradies auf Erden zu schaffen, die Endzeit nach eigenen Vorstellungen herbeizuführen, das scheiterte mitunter entsetzlich. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 8 ZUSPIELUNG O-Ton Wirsching 4 12.50 Diese Idee einer Entwicklungsgeschichte, die auch menschlichen Steuerungsmöglichkeiten unterliegt, die liegt den ideologischen Großutopien des 20. und teilweise auch 19. Jahrhunderts zugrunde. Die Idee ist ja, dass der Mensch aktiv in alle Bereiche der Gesellschaft und Politik eingreifen und sie eben verändern kann, unter Verfolgung quasi naturgesetzlicher Entwicklungslinien,.. dass man, wenn man nur die Naturgesetze, die Quasi-Naturgesetze der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung kennt, dann kann man sie auch fördern, und entsprechend beeinflussen. 13.41 Und das ist natürlich im Marxismus etwa ist das ein ganz wichtiges Element. Aber auch später dann, wenn man an völkisches Ideengut denkt, Rassismus etwa, der ganz stark mit quasi naturgesetzlichen Vorstellungen argumentiert. SPRECHERIN In den beiden beherrschenden Ideologien des 20. Jahrhunderts, dem Kommunismus und dem Nationalsozialismus, spielten Endzeitvorstellungen eine große Rolle. Beide Ideologien waren stark auf die Zukunft ausgerichtet. Sie strebten die Überwindung der Gegenwart mit ihren Mängeln an und wollten eine neue Zeit anbrechen lassen, oft nach einem apokalyptischen Erlösungsszenario. Musikakzent SPRECHERIN Karl Marx prophezeite in seinem "Kommunistischen Manifest" ein Zukunftsreich, in dem kein Privateigentum und keine Klassenunterschiede mehr existierten, in dem der Mensch keine entfremdete Arbeit mehr leisten müsste, in dem keine Kriege mehr geführt würden, weil globaler Reichtum herrschte. Ein Leben in Frieden und Freiheit. Doch auf dem Weg dorthin hieß es: Klassenkampf, Diktatur des Proletariats. Der Feind musste vernichtet werden. Eine typisch dualistische Denkweise: Das Gute und das Böse, das Licht und die Finsternis, ringen miteinander. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Aber erst, nachdem in einem apokalyptischen blutigen letzten Gefecht alle Feinde niedergerungen, alle nach rassischen Vorstellungen unerwünschten Elemente ausgemerzt waren. Musikakzent SPRECHERIN So finden sich im Kommunismus und im Nationalsozialismus Vorstellungen einer Heilsgeschichte wieder - in säkularisierter Form: Hinarbeiten auf die Zukunft mit ihrem Versprechen einer besseren Welt, Endkampf, schließlich Erlösung. Bei den Kommunisten mit internationalen Ambitionen, bei den Nationalsozialisten nur auf die eigenen Gruppe bezogen. ZUSPIELUNG O-Ton Wirsching 5 14.41 Also die Idee, dass die totalitären Ideologien zugleich politische Religionen gewesen sind, die ist ja schon zeitgenössisch auch formuliert worden. Und ich glaube, dass da schon was dran ist insofern, als eben so eine Endzeit, so ein klassenloser Zustand oder eben eine rassenreine Herrschaft der Herrenrasse in Anführungszeichen natürlich alles gesagt, dass der dann so ein Endzustand ist, der dann auch die Geschichte stilllegt, wo die Geschichte im Sinne dieses ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Der Theologe Matthias Pöhlmann: ZUSPIELUNG O-Ton Pöhlmann 5 7.58 Verbunden mit einem Exklusivismus, wonach klar ist, wer zu der Gemeinschaft gehört, wird auch zu den Geretteten gehören, 8.36 die Rede ist dann von Harmaggeddon, der endzeitlichen Entscheidungsschlacht, wo eben dann die Getreuen Jehovas überleben sollen, während die anderen eben vernichtet werden oder eben keinen Zugang zum Paradies haben werden. SPRECHERIN Und das gilt für jegliche Gruppierung mit Endzeitvorstellung. ZUSPIELUNG O-Ton Pöhlmann 6 8.40 Damit ist natürlich ganz klar, wenn ich mich zu dieser Gemeinschaft halte und diese Vorstellung ist bis heute aktuell, dann gehöre ich auch zu den Geretteten. Und das ist für viele natürlich eine faszinierende Vorstellung, die feste Überzeugung nämlich, zu einer auserwählten Gemeinschaft zu gehören. SPRECHERIN Zu einer auserwählten Gemeinschaft, deren Treue am Schluss belohnt wird, deren Traum von Gerechtigkeit schließlich erfüllt wird. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 11 ZUSPIELUNG O-Ton Mucha 5 24.22 Der Trost resultiert aus dem Gedanken, dass am Ende doch irgendeine Form von Gerechtigkeit steht. Dass da eben die irdischen Taten in irgendeiner Weise doch Auswirkungen haben auf so etwas wie eine jenseitige Welt. Und das ist durchaus etwas, das bis in die heutige Theologie Einzug gefunden hat. Also dass da dieser Gedanke des Gerichts, der Gedanke von Himmel, von Hölle, auch von Fegefeuer, im Katholizismus etwa, im Grunde etwas ausdrücken, was die Johannesapokalypse auch ausdrückt, nämlich einen Ort zu schaffen für die Einen wie auch die Anderen. Wie das himmlische Jerusalem ein Ort für die Guten ist, und der Feuersee ein Ort für die Schlechten. SPRECHERIN Die Apokalypse, der Traum von der Endzeit ist eine bildmächtige Metapher, die die Zeiten überdauert hat. Dr. Robert Mucha: ZUSPIELUNG O-Ton Mucha 6 22.16 Sehr viele, sehr starke Bilder liefert da die Johannesapokalypse, deswegen ist sie auch das am meisten abgebildete Buch...22.57 Auch im Film ist es ... etwas, was extrem häufig vorkommt, also auch Anspielungen auf die Johannesapokalypse, die man als normaler Mensch so gar nicht verstehen würde. Wenn man mit einem theologischen Blick auf Filme guckt, ist es ziemlich häufig, dass man da einfach die Motivik der Siebener-Reihen, des Antagonismus zwischen Gut und Böse, der Himmlischen Frau in Offenbarung 12, der Hure Babylon, auch diese Vergleiche zwischen der Hure und der Sternenfrau, die oftmals auch mit Maria konnotiert wird, 23.38 also man muss in München nur auf den Marienplatz gehen, schon hat man ein apokalyptisches Bild, weil hier Maria auch als die Sternenfrau dargestellt wird. ZITATOR (Offenbarung des Johannes Kap. 12, 1) Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel: ein Weib, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone mit zwölf goldenen Sternen. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Gerade in diesen etwas mystisch und mythisch aufgeladenen Situationen wird immer wieder ... die Johannesapokalypse rausgeholt, und dann werden die Bilder auch als Folie auf diese entsprechenden Endzeiterwartungen draufgelegt, und da findet man immer irgendetwas. SPRECHERIN Also selbst in unserer so aufgeklärten Gegenwart kommt es immer wieder zu solch irrationalen Erwartungen. Trotz aller Wissenschaft und auch Wissenschaftsgläubigkeit bleiben die Menschen anfällig für geheimnisvolle Prophezeiungen. Denn die Wissenschaft bietet keine Antwort auf eine der grundsätzlichsten Fragen der Menschheit, nämlich die nach dem Sinn des Ganzen. MUSIKAKZENT SPRECHERIN Und in dieser Sinnfrage liegt vielleicht der Antrieb aller Endzeitszenarien, so unterschiedlich sie durch die Jahrhunderte sein mögen. Denn jedem Menschen steht eine unvermeidliche Apokalypse bevor, und das ist der Tod. Sich seiner eigenen Sterblichkeit, seiner eigenen Bedrohtheit bewusst zu sein, ist Grundausstattung des Menschen. Religionen und Mythen antworten auf diese Untergangsängste. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2015 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 01801/102033 (4 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk max. 42 Cent pro Minute) Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de 13 Prägend für die biblische Apokalypse ist aber nicht der schreckliche Untergang, sondern das hoffnungsvolle Danach. So betont Dr. Matthias Pöhlmann, als er auf die Johannesapokalypse zu sprechen kommt: ZUSPIELUNG O-Ton Pöhlmann 8 5.35 … dass dieses Buch eigentlich keine Schreckensbilder entwerfen will, sondern letztendlich Seelsorge ist für Geängstigte. Man muss sich auch die Zeitumstände ansehen, wann dieses Buch entstanden ist, es ist die Zeit der Christenverfolgungen. Es sind akute Fragen, die hier auftauchen. Hat sozusagen die Bedrängnis das letzte Wort, oder gibt es Hoffnung darüber hinaus? Und da entwickelt der Apokalyptiker eine Antwort und sagt: Gott hat euch immer begleitet, und er wird euch weiterhin auch begleiten. ... und da gibt es die schöne Formulierung in Offenbarung 21: Denn er wird abwischen alle Tränen. Es wird kein Geschrei und keine Angst mehr sein. Eigentlich ein sehr mutmachendes, tröstendes Bild. SPRECHERIN In vielen modernen Untergangsfantasien ist der Trostgedanke allerdings verloren gegangen. Stattdessen wird nur die Zerstörung betont. Vor allem in Filmen begegnet man Untergangsszenarien. Kometen, Flutwellen oder Mikroorganismen zerstören die menschliche Zivilisation oder gar alles Leben auf der Erde. Solche Visionen kommen der menschlichen Natur entgegen, die negativen Informationen eine größere Aufmerksamkeit schenkt als positiven. Und die resultierende Angst lässt sich auch gut als Druckmittel instrumentalisieren, wie es mitunter Sekten tun. ZUSPIELUNG O-Ton Pöhlmann 9 13.36 Dass es natürlich Anlass gibt für Furcht, für Verunsicherung, das ist klar, wenn man sich die Nachrichten ansieht, oder die weltpolitische Lage mit zahlreichen Krisenherden, aber dass dann eine Art Endzeitfahrplan entwickelt werden kann, damit wird die Bibel instrumentalisiert und letztendlich missbraucht. ________________________________________________________________________________________________ Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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