Käufe auf Pump liegen auf Rekordniveau

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Interview
„Käufe auf Pump liegen
auf Rekordniveau“
sind. Viele Unternehmen haben
sich sogar verschuldet, um eigene Aktien zurück zu erwerben.
Alles nur, um die Ergebnisse je
Aktie zu verbessern.
Wer fällt darunter?
Apple und IBM beispielsweise.
Besonders bemerkenswert in
negativer Hinsicht ist der Fall
Viacom. In den vergangenen
Jahren hat der bekannte Medienkonzern 15,1 Milliarden
Dollar für Aktienrückkäufe und
2,5 Milliarden für Dividenden
ausgegeben, über 19 Quartale
insgesamt. In diesem Zeitraum
lagen die Gewinne aber gerade
einmal bei 10,2 Milliarden Dollar. So liquidiert man sich selber.
Jürgen Flaskamp, 57,
ist Verwaltungsrat der
Flaskamp-Invest KAG
und an der GS+P Fondsgesellschaft beteiligt
Wir hatten unsere Kundenportfolios rechtzeitig an den Terminmärkten abgesichert, über
Futures und Optionen. Letztere
haben wir verkauft, da sie wegen
der hohen Schwankungen teuer
geworden sind, wir also gute
Verkaufspreise erzielt haben.
Über die Futures sichern wir
uns weiter nach unten ab.
ten weltweit Produkte des täglichen Bedarfs an. Swatch steht
dieses Jahr wegen der AppleWatch unter Druck, noch weitere Abschläge halten wir jetzt für
übertrieben. Die Eigenkapitalquote liegt jetzt bei über 82 Prozent. Und Gea baut unter anderem die besten Maschinen für
die Lebensmittelindustrie, erfreut sich dort dank hoher Qualität guter Nachfrage und kann
deshalb schöne Preise erzielen.
Weil es für Käufe noch zu
früh ist?
Dennoch glauben Sie, dass die
Börsen noch einmal nachgeben.
Herr Flaskamp, wie haben Sie
auf die scharfen Einbrüche an
den Börsen reagiert?
Ja, auf den Gesamtmarkt bezogen schon. Da erwarten wir
noch tiefere Kurse. Allerdings
gilt das nicht für Einzeltitel.
Denn wir haben für unsere Kunden selektiv Aktien gekauft.
Welche?
FOTOS: PICTURE-ALLIANCE DPA, PR
Die Gründe sind üblicherweise
Manager-Boni, die am Gewinn
je Aktie hängen.
BASF, Swatch, Danone und Unilever standen auf unserer Kaufliste, dazu Gea aus dem MDax.
Warum ausgerechnet diese fünf?
BASF erschien uns bei Kursen
unter 70 Euro wirklich preiswert; Danone und Unilever profitieren von ihren funktionierenden Geschäftsmodellen. Sie bie-
Ja, das signalisieren uns viele Indizes. So sind etwa die Rohstoffpreise abgestürzt, während die
Aktien weiter nahe ihrer Allzeithochs notieren, da stimmt etwas
nicht. Die Rohstoffmärkte signalisieren eine Weltkonjunkturschwäche, die wird die Unternehmensgewinne drücken.
Was wir in den USA schon sehen.
Genau. Dort waren die Gewinnmargen auf Rekordniveau um
zehn Prozent vom Umsatz. Üblich sind sechs bis sieben Prozent, da dürfte es wieder hingehen. Zumal die Gewinne über
Rückkaufprogramme geschönt
Das steht zu vermuten. Insgesamt beobachten wir bei USUnternehmen eine Selbstbedienungsmentalität, die inzwischen sogar die schlimmen Zeiten aus der New Economy übertrifft. Vorne dabei sind Technologiefirmen und Banken. Zusammen mit Gesundheitsunternehmen liefern sie übrigens 50
Prozent der Gewinne in den
wichtigsten US-Indizes. Das
zeigt, dass weite Teile der USWirtschaft gar nicht laufen.
Könnte die Verschuldung der
Unternehmen für Aktienrückkäufe zum Bumerang werden?
Ja, sie wird es schon zum Teil.
Der Markt für Hochzinsanleihen in den USA sendet bedrohliche Signale, er ist ein guter, sensibler Vorlaufindikator für das,
was an der Börse noch kommen
könnte.
Was erwarten Sie?
Der Dax könnte auf 8000 bis
8500 Punkte fallen, also bis zu
20 Prozent. In den USA ist es
noch gefährlicher. Die Käufe auf
Pump von Privatleuten liegen
mit 500 Milliarden Dollar auf
Rekordniveau. Das ist über der
Rekordverschuldung von 2007,
vor der damaligen Krise. Rutschen die Kurse, sind diese
Schulden nicht gedeckt, und es
muss noch mehr verkauft werden. Gefahren drohen auch aus
den Schwellenländern. Dort befinden sich 25 Volkswirtschaften in der Krise. Dann der Währungskrieg – China hat gerade
mal vier Prozent abgewertet
nach 35 Prozent Aufwertung gegen seine asiatischen Nachbarn
in den letzten drei Jahren –, das
heißt, diese ersten vier Prozent
waren nur ein Test.
Wo lohnt es sich, hinzugucken?
Wir finden Russland interessant, der ganze Markt kostet nur
so viel wie Intel. Auch China
wird langsam wieder spannend,
für Investoren mit Langfristperspektive.
[email protected]
Merkwürdige Differenz
S&P 500 und Bloomberg Rohstoff Index (in Punkten)
220
1800
S&P 500
1400
180
1000
140
600
100
Bloomberg
Commodity Index
200
93
95
97
99
01
03
05
07
09
11
13
15
Quelle: Zerohedge
4.9.2015/WirtschaftsWoche 37