Ausgabe 20 27. Mai 2016 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Finanzen Millionen Deutsche müssen sich auf Verluste einstellen Die EZB-Politik gefährdet die Altersvorsorge der Deutschen. Es ist zweifelhaft, dass die Sparer vom Staat gerettet werden können D ie Lebensversicherung ist die wich- Bilanzsumme. Für alle Lebensversicherer über 1000 Milliarden Euro. tigste Form der privaten Altersvor- mit einer Bilanzsumme von insgesamt Der effektive Bilanz-Leverage der Lebenssorge in Deutschland. Sie wurde von der über 850 Milliarden Euro per Ende 2014 versicherer, d.h. die Relation zwischen Politik regulatorisch und steuerBilanzsumme und effektivem Eigenkapital, ist also immens – lich stark gefördert, als Alternatigemessen an der statutarischen ve oder Ergänzung zur umlagefiBilanz im Schnitt somit über 50 nanzierten Rentenversicherung. Mal größer und damit größer als Rund 95 Millionen Versichebei den Banken 2008 vor der grorungsverträge existieren, davon rund 80 Millionen mit dem Chaßen Finanzkrise. Würden Aktiven und Passiven zu Marktwerten berakter der Altersvorsorge, dies mit einem angesammelten Kapiwertet, läge der Bilanz-Leverage des Eigenkapitals eher bei 65 bis tal von über 850 Milliarden Gut100. Auf der Holdingstufe hahaben. Über 90 Prozent des Sparkapitals aller Policen mit Sparteil ben die größeren Versicherungsbeinhalten ein Garantieprodukt. Unternehmen wie Allianz, Axa Die Versicherung garantiert dem oder Ergo/Münchner Rück naKunden somit einen Mindestzins. türlich genügend Eigenmittel. Neben der Zinspolitik der EZB ist die eklatante Eigenkapitalschwäche Ein in der öffentlichen DiskussiSie investieren diese aber wegen der Versicherungen für den massiven gegenwärtigen und zukünftigen der Regulation und Restriktionen on um die Lebensversicherung Einbruch der Renten und Kapitalauszahlungen für die Versicherten mitdes Geschäftsmodells nicht in vernachlässigter oder verschwie- verantwortlich. Foto: Flickr/Dennis Skley/Cc by nd 2.0 das Eigenkapital der dedizierten gener Punkt ist die schwache Lebensversicherung. TypischerAusstattung der Lebensversicherungen mit echtem Eigenkapital. In gibt es rund 16 Milliarden Euro Eigenkapi- weise haben sie GewinnabführungsverDeutschland beträgt das aggregierte Ei- tal der Versicherungsgesellschaften. Wür- träge, welche möglichst viel Gewinne und genkapital aller Lebensversicherungen de zu Marktwerten bilanziert, beträgt die Eigenkapital aus den dedizierten Lebensknapp 2 Prozent ihrer ausgewiesenen sta- zu Marktwerten gemessene Bilanzsum- versicherern herauslösen. tutarischen (versicherungstechnischen) me der Lebensversicherungen deutlich Wenn die größeren Versicherer Risikoka- Analyse Flüchtlingsstrom stützt deutsche Wirtschaft Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal so stark gewachsen wie seit zwei Jahren nicht mehr. Höhere Staatsausgaben und ein kräftiger Konsum haben das BIP nach oben getrieben. Vor allem die vermehrten Ausgaben für die vielen Flüchtlinge zeigen erste Auswirkungen. Im Vergleich zum Vorjahresquartal ist das BIP um 1,3 Prozent gestiegen. In den ersten drei Monaten ist das deutsche BIP Kalender- und preisbereinigt um 0,7 Prozent gegen über dem Vorquartal gewachsen. Im vergangenen Quartal war lediglich ein Wachstum in Höhe von 0,3 Prozent erreicht worden. Neben den anhaltend positiven Impulsen aus dem privaten Konsum (+0,4 Prozent) haben auch die Maßnahmen der Bundesregierung hinsichtlich des großen Flüchtlingsstroms bereits Wirkung gezeigt. Die staatlichen Konsumausgaben stiegen um 0,5 Prozent. Das spiegelte sich vor allem in der Baubranche wider. So lagen die Bauinvestitionen in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres zwischen Minus 2,2 und 0,2 Prozent. Erst im letzten Quartal stiegen diese: um 3,2 Prozent und dieses Jahr noch einmal um 1,9 Prozent gegenüber dem jeweiligen Vorjahresquartal. Bestätigt werden die Ergebnisse auch von den aktuellen Zahlen zu den genehmigten Wohnungen im ersten Quartal. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum ergab sich hier ein Plus von 30,6 Prozent. So wurden in den ersten drei Monaten 20.000 mehr Baugenehmigungen erteilt als 2015. Insgesamt wurden im ersten Quartal 84.800 Wohnungen genehmigt – so viel wie zuletzt vor 12 Jahren. Ein spezifischer Blick auf die Wohnungen in Wohnheimen zeigt ein Plus von 146,8 Prozent bei den Baugenehmigungen. „Zu dieser Kategorie zählen unter anderem Flüchtlingsunterkünfte“, so das Statistische Bundesamt. 1 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |20/16 pital im Versicherungsgeschäft einsetzen, dann eher auf Holdingstufe oder im Schadengeschäft. Denn dort ist der Verteilschlüssel zwischen Versicherer und Versicherten verschieden und viel günstiger für die Versicherungsgesellschaften. Kleinere und mittlere Lebensversicherer sind mangels Reserven auf Holdingstufe teilweise besser kapitalisiert, haben aber im Ernstfall keinen Zugriff auf die Mittel der Holding. Der Grund für diese Anomalie – eine de facto enorme Unterkapitalisierung – liegt im historischen Charakter der Lebensversicherung. Viele waren ursprünglich oder traditionell „Mutuals“, d.h. Genossenschaften, bei denen der Policenträger und der Aktionär identisch waren. Da brauchte es nicht viel Eigenkapital. Über Jahrzehnte lagen zudem die risikolosen Erträge weit über den Garantiesätzen. Auch von daher gab es keinen Bedarf für mehr Eigenkapital. Schließlich basierte die Berechnung des notwendigen Eigenkapitals auf aus heutiger Sicht unzureichender Berechnung der mathematischen Reserven für die Passivseite der Versicherungsbilanz. Garantien und Optionalitäten gegenüber den Kunden wurden überhaupt nicht oder nicht genügend eingerechnet oder berücksichtigt. Erst mit der Solvenz II-Verordnung, die auf EU-Ebene 2016 in Kraft getreten ist, wird den Garantien und Optionalitäten Rechnung getragen – allerdings auch dies in verzerrter Form. Was die Lebensversicherung als Branche dagegen auszeichnet, ist die merkwürdige Behandlung der Eigenmittel. Zur Erfüllung von regulatorischen Eigenmittelvorschriften können die Lebensversicherer nämlich auf Ansprüche der Kunden zurückgreifen. Die Versicherungen in Deutschland rechnen die Rückstellung für Beitragsreserven (RfB) zu den Eigenmitteln. Im Moment liegen diese bei rund 45 Milliarden Euro, also ungefähr dem Dreifachen des effektiven Eigenkapitals. Die RfB sind eine Reserveposition für Überschüsse, die noch nicht den einzelnen Policenhaltern zugeteilt worden sind. Es sind ganz klar den Kunden gehörende Anwartschaften. Es gibt wohl nicht viele andere Branchen, die ganz legal Kundenguthaben als Eigenmittel anrechnen können. Die Deregulierung des Lebensversiche- rungsmarktes in den 1990er Jahren ist unter anderem deshalb langfristig gescheitert, weil mit der Deregulierung gewinnorientierte Unternehmen in den vorher geschützten und kartellierten Markt drängten, welche eine regulatorische Arbitrage betreiben konnten. Sie gewährten aggressiv substantielle Garantien und schrieben den Versicherten zunächst hohe laufende Überschüsse gut, ohne entsprechend oder genügend Eigenkapital hinterlegen zu müssen. Man hätte, parallel zur Deregulierung, viel höhere echte Eigenkapital-Anforderungen unterlegen müssen. Ganz ähnlich lief die Deregulierung im Übrigen bei den Banken ab, mit den bekannten Ergebnissen, dass auch dort die Deregulierung gescheitert ist. Auch die Banken in vielen Ländern der Eurozone können wegen ihrer Eigenkapitalschwäche ihre elementare Funktion als Kreditinstitute nicht mehr erfüllen, verschärft noch durch die völlig verquere Politik der Negativzinsen. Sie können keine Kredite an den privaten Sektor mehr gewähren, sondern nur noch primär Staatsanleihen kaufen. Auch bei den Banken wurde die Konkurrenz in den 1990er Jahren durch die Deregulierung und Privatisierung sowie die Marktöffnung und Globalisierung massiv verschärft. Gleichzeitig und verzögert wurden bei den Banken durch Basel I und ab rund 2005 durch Basel II die Eigenkapital-Erfordernisse geradezu massiv gelockert, sodass die Banken von Mitte der 2000er Jahre an nur Bruchteile des Eigenkapitals von früher benötigten. Neben der Zinspolitik der EZB ist die eklatante Eigenkapitalschwäche der Versicherungen für den massiven gegenwärtigen und zukünftigen Einbruch der Renten und Kapitalauszahlungen für die Versicherten mitverantwortlich. In der Konsequenz gibt es für die Policen-Inhaber, d.h. die Versicherten, keinerlei Reserven, keine Polster der Versicherungsgesellschaften, nichts Substantielles, was den Effekt der Zinsbaisse auf ihre eigenen Erträge abzufedern vermag. Im Gegenteil: Regulatorische Vorgaben zur Sicherung der zukünftigen Solvenz der Versicherungsgesellschaften sorgen dafür, dass die Zinsbaisse für die Versicherten besonders brutal zuschlägt bzw. 27. Mai 2016 zuschlagen wird. Der Regulator hat sich primär um die Solvenz der völlig unterkapitalisierten Versicherungsgesellschaften Sorgen gemacht. Durch verschiedene Maßnahmen will er diese sichern. Merkwürdigerweise gehört aber im Unterschied zur Politik gegenüber den Banken nicht dazu, dass die Lebensversicherer ihre viel zu schmale Eigenkapitalbasis sofort aufstocken müssen. Es leuchtet wohl ein, dass bei Nullzinsen über Jahre hinweg und bei durchschnittlichen Garantiesätzen von 3 Prozent auf dem Altbestand eine Eigenkapitalbasis von 2 Prozent der Bilanzsumme nirgends hinreichen kann. Um die Garantieansprüche sicherzustellen, hat das BaFin als nationaler Regulator der Versicherungswirtschaft 2011 eine sogenannte Zinszusatzreserve geschaffen. Die Lebensversicherungen müssen vor allem die Kapitalleben- und Rentenversicherungen aus den 1980er und 1990er Jahren sowie aus den frühen 2000er Jahren mit zusätzlichen Reserven unterlegen. Diese Altverträge aus der Zeit hoher Zinsen haben hohe Garantiesätze von 4 Prozent, 3.5 Prozent, 3.25 Prozent und 3 Prozent einerseits. Und die Versicherungen schrieben damals Jahr für Jahr zusätzlich hohe laufende Überschüsse gut. Deren Verzinsung ist ebenfalls zum historischen Garantiesatz gewährleistet. Weil die erzielbaren Renditen am Kapitalmarkt weit unter diese Garantiesätze gefallen sind, werden diese garantierten Versprechen aus der Vergangenheit als besonders gefährdet angesehen. Diese Zinszusatzreserven werden in den nächsten Jahren explosionsartig ansteigen, sollten die Kapitalmarktrenditen niedrig bleiben. Die zur Anwendung kommende Formel garantiert dies. Die Formel ist genauso rückwärtsgerichtet wie die Formel für den Garantiesatz im Neugeschäft. In der Praxis geschieht diese Sicherstellung dadurch, dass die Versicherer Obligationen mit hohen Bewertungsreserven verkaufen und den Bewertungsgewinn gegenüber den Buchwerten als gesonderte Reserve halten müssen. Für die Versicherten bedeutet dies aber gleichzeitig viel niedrigere zukünftige Erträge. Denn die freiwerdenden Mittel werden dann von den Versicherungen zu tieferen Renditen (heute praktisch zu Nullzinsen) in Neukäufe investiert. 2 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |20/16 Damit wird die für die Zinszusatzreserve 2011 definierte und bis heute gültige Formel für den Referenzsatz zum Beschleuniger der Zinsbaisse in den zukünftigen Portfolio-Renditen – ein Akzelerator, der immer schneller und stärker wirkt. Denn nicht nur die Obligationen mit laufendem Verfall, sondern zusätzlich auch ein rasch ansteigender Teil der Papiere mit hohen Bewertungsreserven werden in immer hektischerem Rhythmus realisiert. Obligationen mit Bewertungsreserven sind typischerweise solche, welche noch lange oder signifikante Restlaufzeiten haben. Das Portfolio wird mit zunehmendem Tempo konzentriert in Papiere mit Niedrig- oder Nullzinsen umgeschichtet. Zwar reduziert sich der Garantiesatz auf den Altbeständen durch diese Zinszusatzreserve. Doch durch die Reinvestition zu Negativ- oder Niedrigzinsen wird die Differenz zwischen dem reduzierten Garantiesatz und der effektiven Portfolio-Rendite nur wieder vergrößert. Ein Rad, das immer schneller dreht, vor allem solange die Zinsen weiter sinken. Statisch, d.h. von einer Periode zur nächsten, macht die Formel der Zusatzreserve die Portfolios sicherer. Dies deshalb, weil sie nur die Passivseite der Versicherungsbilanzen betrachtet. Aber dynamisch, in einem Kontext, der nicht nur die Passivseite, sondern auch die Aktivseite und damit die Gesamtbilanz intertemporal über mehrere Perioden hinweg betrachtet, vernichtet die Zinszusatzreserve die Lebensversicherung bei tendenziell weiter sinkenden Zinsen am Kapitalmarkt. Die Formel für den Referenzsatz wird die Lebensversicherung in eine Existenzkrise bringen, sowohl die Kapitalien der Versicherten wie die Versicherungen selbst. Ein Teil der Versicherten spürt die Maßnahmen des Regulators schon heute. Im hastig durchgepaukten Lebensversicherungs-Gesetz von 2014 wurde deklariert, dass die Versicherten keinen Anspruch mehr auf Bewertungsreserven, auf Obligationen und andere festverzinsliche Werte haben, wenn ihre Police fällig oder vom Versicherten gekündigt wird. Aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts hatten die Versicherten von 2005 bis Mitte 2014 hälftig Anspruch auf solche Bewertungsreserven. Für jene Versicherten, deren Policen seither ablaufen oder welche selber kündigen, schlägt sich dies rasch in Verlusten von Tausen- 27. Mai 2016 den von Euro nieder. Prozentual kann dies bei einer fällig gewordenen Kapitallebensversicherung rasch 10 bis 15 Prozent des Kapitals betragen. Gemeinsam ist beiden Maßnahmen des BaFin als nationalem Regulator, dass sie zum Zweck die Sicherstellung der Solvenz der Versicherer haben. Insofern gibt es eine gewisse Legitimität. Doch das grundlegende Problem, dass diese viel zu wenig Eigenkapital halten dürfen, wurde gar nicht angegangen. Dieses Geschäftsmodell mit Garantieprodukten praktisch ohne Eigenkapital ist durch die Zinsentwicklung obsolet geworden. Die Schieflage des Geschäftsmodells wird von den Maßnahmen des nationalen Regulators überhaupt nicht korrigiert. Im Gegenteil: Die Zinszusatzreserve wird die Situation in den kommenden Jahren massiv verschärfen. Es wird nur der unhaltbare Zustand konserviert. Richtig durchschlagen wird die Krise aber dann, wenn die Effekte der neu gültigen Solvenz II-Vorschriften voll wirksam werden. In Verbindung mit den Maßnahmen des nationalen Regulators führen sie in einen Sumpf mit hohen Risikofaktoren. Mittelstand Unsichere Lage Mittelstand investiert vorsichtiger Neben der anhaltend schwachen Wirtschaft in den Schwellenländern bereiten auch die niedrigen Zinsen Sorgen W irtschaftliche und politische Schwierigkeiten wie in Brasilien, Venezuela und auch Russland gehen auch an den deutschen Mittelständlern nicht vorbei. Schließlich ist auch von China derzeit nicht mit größeren Wachstumsimpulsen zu rechnen. Entsprechend kritisch schauen viele Unternehmen in die zweite Jahreshälfte. Der aktuelle Mittelstandsindikator der DZ Bank steht momentan bei lediglich 26,7 Punkten – so niedrig wie zuletzt vor drei Jahren. Die optimistischste Branche im Mittelstand ist derzeit das Ernährungsgewerbe. „Dies ist insbesondere auf den soliden Konsum der privaten Haushalte im Inland und die in diesem Jahr merklich steigenden Supermarktumsätze zurückzuführen“, heißt es in der aktuellen Mittelstandsstudie. Das spiegelt sich auch bei den geplanten Investitionen wieder. 78 Prozent der Unternehmen planen zwar, in den kommenden sechs Monaten weiter zu investieren, doch während beispielswei- se in der Agrarwirtschaft die niedrigste Investitionsbereitschaft herrscht, ist sie in der Ernährungsbranche – vor allem in der Chemie – mit Abstand am größten. Hier wollen sogar 90 Prozent der Mittelständler investieren. Dies sei der Quelle: VR Mittelstandsumfrage Herbst 2015; Mehrfachnennungen möglich. 3 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |20/16 höchste Wert seit Bestehen unserer Umfrage. „Hauptursache für dieses Ergebnis dürften die anhaltend niedrigen Preise für Rohöl und das Erdöldestillat Naphta („Rohbenzin“) sein, das der bedeutendste Rohstoff für die Chemieindustrie ist.“ Entsprechend finden sich geplante Kapazitätsausbau-Maßnahmen noch am ehesten in der Chemie (61 Prozent). In den anderen Branchen investiert man vorsichtiger. Hier geht es größtenteils um Erhaltungsinvestitionen und Ersatzinvestitionen. Und je größer das mittelständische Unternehmen ist, umso eher ist es auch bereit, zu investieren. Hintergrund für die überwiegend vorsichtigen Investitionen des deutschen Mittelstandes ist aber auch der anhaltende Niedrigzins. Die EZB will eigentlich mit der Niedrigzinspolitik die Kreditvergabe an Unternehmen erleichtern und erhöhen. In Deutschland hat dies aber nicht zu einer entsprechend erhöhten Kreditnachfrage bei den Unternehmen geführt. „Nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen während der Finanzmarktkrise und des dementsprechend gestiegenen Eigenkapitalanteils 27. Mai 2016 finanziert sich ein immer größerer Teil des Mittelstands aus dem eigenen Cashflow heraus.“ 73 Prozent der Mittelständler gaben dies an. Darüber hinaus hatte die EZB-Politik sogar negative Folgen für den Mittelstand gehabt. 43 Prozent der Unternehmen gaben an, dass dadurch ihre Zinseinnahmen aus Anlagen gesunken seien. Nur etwa ein Drittel profitiert von Kostensenkungen, die die niedrigen Zinsen verursacht haben. Und noch weniger planen explizit mehr Investitionen aufgrund der Niedrigzinspolitik. Innovation Start-up setzt Elektro-Züge als Energiespeicher für Windkraft ein Ein kalifornisches Start-up hat einen Energiespeicher auf Schienen entwickelt E in kalifornisches Start-up hat einen Energiespeicher für Wind- und Sonnenenergie auf Schienen entwickelt, das nun erstmals die Zustimmung für die Nutzung der Technologie für ein kommerzielles Projekt in Nevada bekommen hat. Dazu fährt ein Zug mit Elektromotor mittels Windkraft ein schweres Gewicht einen Berg hinauf. Wird Strom benötigt, rollt der Zug auf seinen Schienen dank der Schwerkraft abwärts – und der Elektromotor läuft quasi rückwärts, während er dabei Strom erzeugt. Das gleiche elektromechanische Prinzip wird auch in einigen Elektrofahrzeugen zur Wiederverwertung der Bremsenergie genutzt: Wenn ein Induktionsmotor, der einen Zug oder Auto antreibt, umgekehrt wird, erzeugt er Strom. Das System nennt sich ARES – kurz für Advanced Rail Energy Storage und ähnelt dem eines Pumpspeicherwerks ohne Wasser. Bei den derzeit gängigen Pumpspeichersystemen wird Wasser mittels Windenergie von einem tiefen zu einem höheren Ort gepumpt, etwa in einen Speichersee, und dann bei Bedarf abgelassen, um die gespeicherte Energie mittels Schwerkraft wieder freizusetzen. Der Vorteil der ARES-Technologie ist im Vergleich dazu, dass sie ohne Wasser auskommt und dadurch nicht so massiv in die Landschaft eingreift wie es etwa der Bau eines Speichersees auf einer Bergkuppe tun würde. Keine Täler Das ARES-System nutzt Schwerkraft und einen Elektromotor zur Speicherung von Wind- und Sonnenenergie. Foto: Screenshot würden geflutet, keine Dämme gebaut werden. Zudem sei die Effizenz und der Wirkungsgrad höher, da das benutzte Gewicht zweimal schwerer ist als Wasser und zudem dreimal höher transportiert wird. „Wir brauchen keinen wissenschaftlichen Durchbruch in der Chemie oder in der Physik. Wir nutzen ganz einfach die Schwerkraft – und zwar mit einer Hunderte von Jahren alten Schienentechnik“, so der Gründer des Unternehmens aus Santa Barbara, Jim Kelly. Konkret will ARES dazu eine knapp 9 Kilometer lange Schienen-Strecke mit einem Steigungswinkel von acht Grad verlegen, womit gut 600 Höhenmeter zurückgelegt werden. Auf die Gleise kommen dann sieben Züge mit jeweils 8.600 Tonnen Gewicht, bestehend jeweils aus zwei Lokomotiven und vier Eisenbahnwaggons. Das gesamte System, einschließlich der Station und der Steuerungssysteme, würden umgerechnet etwa 174.015 Quadratmeter öffentlicher Fläche bei Pahrump im US-Bundesstaat Nevada einnehmen. Baubeginn ist 2017 geplant, 2019 soll der Betrieb aufgenommen werden. Gemeinsam mit der örtlichen Genossenschaft Valley Electric Association wolle ARES den Strom dann an den kalifornischen Strommarkt CAISO verkaufen, um dort Angebot und Nachfrage im Netz kurzfristig ausgleichen zu helfen. 4 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |20/16 Das Projekt soll zunächst 50 Megawatt Stromkapazität und 12,5 Megawattstunden Energie liefern. Allerdings will der CEO James Kelly auf bis zu ein Gigawatt Kapazität anwachsen und so effizienter werden. „Mit einem 500-Megawatt-Projekt würde sich die Kapazität verdoppeln und die Kapitalkosten dafür 27. Mai 2016 um 20 Prozent sinken“, so Kelly. Mit einem Gigawatt könnte der Zug sogar eine halbe Million Haushalte mit Strom versorgen. Innovation Bergbau der Zukunft: Luxemburg will Rohstoffe im Weltall abbauen Luxemburg plant, gemeinsam mit dem US-Unternehmen Deep Space Industries Rohstoffe auf Asteroiden abzubauen Luxemburg will gemeinsam mit Deep Space Industries Rohstoffe auf Asteroiden abbauen. Foto: Screenshot L uxemburg hat eine Kooperation mit dem US-Unternehmen Deep Space Industries (DSI) für den Bergbau im Weltraum geschlossen. Dem Vertrag zufolge wird die Regierung des EU-Landes die Entwicklung und den Start der ersten DSIRakete mitfinanzieren. Die Rakete namens Prospector-X soll zunächst die Schlüsseltechnologien in der Erdumlaufbahn testen, die für die Sichtung und Erschließung von Rohstoffen auf Asteroiden nötig sind. Dazu hatte Luxemburg im Februar als erstes EU-Land seine Absicht verkündet, die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für den kommerziellen Bergbau im Weltall zu schaffen. Die Initiative umfasst eine ganze Reihe von Maßnahmen, die Luxemburg zum europäischen Zentrum für die Erschließung von Weltraum-Rohstoffen machen soll. Mit dem sogenannten Space Mining könnte sich das kleine Land, das mangels natürlicher Ressourcen hauptsächlich als Steuerparadies bekannt war, langfris- tig neue Geldquellen erschließen und künftig wertvolle Rohstoffe auf Asteroiden abbauen. Die Erschließung von Rohstoffquellen im All ist umstritten: Rechtlich gesehen „gehören“ die gefunden Rohstoffe niemandem – und sollten nach Meinung vieler Forscher daher allen Menschen gleichermaßen zu Gute kommen. Andere sehen den „Eroberer“ eines Asteroiden als den Besitzer: Im vergangenen Jahr hat US-Präsident Obama einen Gesetzeszusatz zum Space Act Bill verabschiedet, der US-Unternehmen wie DSI oder den Konkurrenten Planetary Resources die Besitz- und Schürfrechte an Rohstoffen sichert, die sie im Weltall „finden“. Mit dem Fortschritt in der Raketentechnologie könnte sich ein Wettlauf um die Rechte an den potentiell lukrativen Rohstoffen entwickeln, da viele Asteroiden aus seltenen Metallen oder anderen wertvollen Materialien bestehen. Auch Asteroiden mit großen Eismassen sind wertvoll, da daraus im Weltall Raketentreibstoff und Sauerstoff gewonnen werden kann. Der Wert einzelner Asteroiden wurde bereits auf Summen von bis zu 100 Billionen Dollar geschätzt. Angesichts dieser Zahlen könnten sich selbst kostspielige Investitionen in Raketentechnik für die Investoren auszahlen. Energie Öl-Branche kommt nicht aus der Krise Die leichte Erholung des Ölpreises reicht mitnichten aus, um der angeschlagenen Branche zu helfen O bwohl die seit 2015 massiv gesunkenen Ölpreise sich wieder etwas erholt haben, gab es allein in der vergangenen Woche drei Pleiten. Steigt der Ölpreis nicht höher, wird es noch wei- tere Opfer dieses Preiskampfes geben. Seit 2015 sind allein in Nordamerika 130 Öl- und Gasproduzenten sowie Dienstleister Bankrott gegangen. Das berichtet Bloomberg mit Verweis auf die Anwalts- kanzlei Haynes & Boone. Das entspricht einer Größenordnung von etwa 44 Milliarden Dollar. Mit den drei Pleiten der vergangenen Woche – Chaparral Energy Inc., Penn Virginia Corp. und Linn Ener5 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |20/16 gy LLC – sind es sogar noch 11 Milliarden Dollar mehr. Vier weitere Öl- und Gasunternehmen stehen derzeit kurz vor der Pleite. Die Pleiten haben zuletzt zugenommen, weil viele der Unternehmen, die Geld benötigen, sich kein Kapital mehr besorgen konnten. Zu hoch sind die Absicherungen, die Banken und Investoren mittlerweile verlangen. Ein Barrel Öl für 80 und 100 Dollar waren schon nicht wirtschaftlich, zitiert Bloomberg Jim Chanos von Kynikos Associates. Und „45 Dollar pro Barrel sind auf jeden Fall nicht wirtschaftlich“. „Wenn Öl auf 50 Dollar steigt, wendet sich das Blatt deutlich“, sagt Subash Chandra von Guggenheim Securities. „Aber das Problem ist, wenn sich das Blatt wendet, werden die Dienstleistungsunternehmen auch ihre Preise anheben und somit den Kuchen verkleinern“, so Chandra. Es könnte aber auch sein, dass dann die Produktion wieder anzieht und dann würden ebenfalls die 50 Dollar pro Barrel nicht helfen. „Wer bei 30 Dollar Pleite geht, geht auch bei 45 Dollar pleite“, sagt auch Spencer Cutter von Bloomberg Intelligence. Der Ölpreis müsste demnach schon dauerhaft bei 60 oder 65 Dollar pro Barrel stehen, um die Branche wirklich wieder in den Profit zu bringen. Die Ölpreise sind am Freitag gesunken. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Juli kostete zuletzt 47,80 US-Dollar. Das waren 28 Cent weniger als am Vortag. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas In- Vor Singapur sind viele Tanker als Öllager umfunktioniert worden termediate (WTI) zur Lieferung im Juni fiel um 34 Cent auf 46,36 Dollar. Händler sprachen von einer Gegenbewegung am Ölmarkt, nachdem die Preise im Verlauf der Woche deutlich gestiegen waren. Ein überraschender Rückgang der Ölreserven und der Fördermenge in den USA hatten für Auftrieb gesorgt. Ende April meldete der US-Ölriese Exxon den geringsten Quartalsgewinn seit dem Jahr 1999. Auf 1,8 Milliarden Dollar (1,6 Milliarden Euro) – um 63 Prozent verglichen mit dem Vorjahreswert – brach der Überschuss des am Börsenwert gemessen weltgrößten Ölkonzerns ein. Im ersten Quartal fiel bei Chevron ein Verlust in Höhe von 725 Millionen Dollar (637 Millionen Euro) an, wie der Konzern mitteilte. Die weltgrößte Ree- 27. Mai 2016 Grafik: zerohedge derei Maersk bereitet sich auf einen neuen Crash vor. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Maersk einen Nettoverlust von 2,5 Milliarden Dollar. Den Daten von Thomson Reuters zufolge steckten sie 31 Milliarden Dollar in diesen Sektor. In den fünf vorangegangenen Jahren waren es insgesamt nur acht Milliarden Dollar gewesen. Das Ende der Fahnenstange ist damit aber offenbar noch nicht erreicht. Der auf die Öl- und Gasbranche spezialisierten Beratungsfirma 1Derrick zufolge stehen Firmen und Unternehmensteile im Volumen von 112 Milliarden Dollar zum Verkauf. Die Hälfte davon entfällt auf nordamerikanische Firmen, die häufig Schieferöl mit Hilfe der umstrittenen „Fracking“-Methode gewinnen. Politik Bau einer Pipeline: Griechenland muss im Euro bleiben Die Einigung hat vor allem energiepolitische Gründe: In Griechenland hat der Bau einer neuen Pipeline begonnen D ie Finanzminister der Eurozone haben eine neue Auszahlung für Griechenland beschlossen. Nach siebenstündigen Beratungen wurde eine Zahlung von 10,3 Milliarden Euro in zwei Tranchen bis September abgenickt. Eine erste Tranche von 7,5 Milliarden Euro solle im Juni gezahlt werden. Sie könne dazu dienen, im Juli fällige Rückzahlungen an die Europäische Zentralbank (EZB) zu tätigen und auch Rückstände Athens gegenüber Gläubigern in Griechenland selbst zu begleichen. Im September solle dann eine weitere Zahlung von 2,8 Milliarden Euro erfolgen. Der Deal kam zustande, nachdem Deutschland im Prinzip einer Umschuldung zugestimmt hatte: So sollen IWF-Kredite auf die Euro-Steuerzahler überwälzt werden. Im Gegenzug wird eine Formel gefunden, die den Anschein erweckt, als wäre Griechenlands Schuldentragfähigkeit bei einem hypothetischen Primärüberschuss gegeben. Damit kann der IWF an Bord bleiben. Der IWF darf nämlich außer der Ukraine keine PleiteStaaten unterstützen. Mit der neuen Formel soll der Eindruck erweckt werden, dass Griechenland nicht pleite ist. Zugleich erklärte sich Deutschland bereit, nach der 6 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |20/16 Bundestagswahl den jüngsten IWF-Kredit zu übernehmen. Bereits den vorigen Kredit haben die europäischen Steuerzahler an den IWF und die EZB überwiesen. Die griechische Bevölkerung sieht von diesen „Hilfsgeldern“ traditionellerweise nichts. Erst kürzlich hat eine Studie bestätigt, dass die erste GriechenlandRettung so gut wie ausschließlich eine Banken-Rettung darstellte. Nach der ersten Rettung gehen nun die Zahlungen der Euro-Steuerzahler an die offiziellen Gläubiger – an den IWF und die EZB. Der Grund für die sich abzeichnende, erneute Einigung liegt in der geopolitischen Bedeutung Griechenlands. Die USA bestehen auf einem Verbleib Griechenlands im Euro, um die Stabilität des Landes nicht zu gefährden. Die Regierung in Athen musste ein neues, hartes Austeritätsprogramm verabschieden. Zugleich hat Griechenland mit dem Bau eines 550 Kilometer langen Abschnitts der Transadriatischen Pipeline (TAP) begonnen. TAP ist ein Projekt eines europäischen Konsortiums, dessen Anteilseigner BP (20 Prozent), SOCAR (20 Prozent), Snam (20 Prozent), Fluxys (19 Prozent), Enagás (16 Prozent) and Axpo (5 Prozent) sind. Der erste Spatenstich wurde nun vom griechischen Premierminister Alexis Tsipras gesetzt. Die Einweihungszeremonie fand in Thessaloniki statt. „TAP ist eines der größten ausländischen Direktinvestitionsprojekte, die in Griechenland durchgeführt wurden. Die griechische Wirtschaft braucht diese Arbeitsplätze wirklich dringend“, zitiert oilprice.org Tsipras. Griechenland erhofft sich von der TAP, das ein Projektvolumen von 1,5 Milliarden Euro hat, 8.000 neue Arbeitsplätze. Die TAP soll im Jahr 2019 in Betrieb genommen werden. Die Pipeline wird Energieträger aus dem Gasfeld Schah Deniz 2 von Aserbaidschan über Georgien, die Türkei, Griechenland und Albanien bis nach Italien transportieren. Der Abschnitt von Aserbaidschan bis an die türkischgriechische Grenze wird von der Transanatolischen Pipeline abgedeckt (TANAP). Die TAP hingegen verläuft konkret von der griechischen Stadt Komotini aus nach Pulien in Italien. Die TANAP hat eine Länge von 1.850 Kilometer und die TAP hat eine Länge von 870 Kilometer. Griechen- Tsipras machte den ersten Spatenstich für die neue Pipeline. 27. Mai 2016 land ist ein wichtiges Land der Nato-Südflanke. Deshalb will die Obama-Regierung auch ein Ausscheiden des Landes aus dem Euro mit allen Mitteln verhindern. Die Regierung in Athen weiß, dass die Griechenland-Rettung vom Wohlwollen der Amerikaner abhängt, die beim IWF und in Brüssel einflussreich sind. Die TAP und die TANAP sind aus US-amerikanischer Sicht zwei energiepolitisch wichtige Projekte, die zuvor in direkter Konkurrenz zur russischen Pipeline Turkish Stream standen. Seit dem Abbruch des Baus von Turkish Stream bleibt das US-Projekt als einzige Alternative für die Gasversorgung Europas entlang des südlichen Korridors übrig. Damit erhalten die USA die Möglichkeit, die faktische Monopolstellung Russlands bei der Gasversorgung Europas zu brechen. Zudem wollen US-amerikanische Fracking-Produzenten in den EU-Markt eindringen und ihre Stellung ausbauen, um Russland auch über diesen Schritt soweit wie möglich aus dem Markt zu verdrängen. Die USA haben im April erstmals Gas nach Europa geliefert. Ein US-Tanker legte in Portugal an. Foto: Flickr/ matthew_tsimitak/CC by sa 2.0 Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Nicolas Dvorak. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform Social Media GmbH, Kurfürstendamm 206, D-10719 Berlin. HR B 105467 B. Telefon: +49 (0) 30 / 81016030, Fax +49 (0) 30 / 81016033. Email: [email protected]. Erscheinungsweise wöchentliches Summary: 52 Mal pro Jahr. Bezug: [email protected]. Mediadaten: [email protected]. www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de 7
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