PDF-ausgabe-2016-36 - Deutsche Gesundheits Nachrichten

Ausgabe | 36
16. September 2016
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Wirtschaft
Sanofi schmiedet Allianz mit Google
Der französische Pharma-Riese Sanofi verbündet sich mit Google im milliardenschweren Markt der Diabetes-Behandlung
Z
usammen wollen sie rund 500 Milli- WHO geht global von mehr als 420 Millio- sammengetan. Mit dem größten britischen
onen Dollar in ein Gemeinschaftsun- nen an Diabetes erkrankten Menschen aus. Arzneimittel-Hersteller GlaxoSmithKline
ternehmen investieren, wie die Google- Sanofi ist einer der weltgrößten Anbieter gründet der US-Internetkonzern ein GeBiowissenschaftsfirma Verily Life Science von Diabetes-Medikamenten, kämpft in meinschaftsunternehmen im mediziniund Sanofi mitteilten. Die beiden
schen Bereich der Bioelektronik,
Unternehmen halten an dem Joint
in das 540 Millionen Pfund (638
Venture mit dem Namen Onduo
Millionen Euro) fließen sollen.
je die Hälfte. Onduo soll Lösungen
In den nächsten sieben Jahren
für Diabetes-Patienten entwickeln,
wollen beide Seiten zusammen
die Software und Medizin verbin540 Millionen Pfund in ein Geden. Denkbar sind nach Angaben
meinschaftsunternehmen invesvon Sanofi beispielsweise Geräte,
tieren, wie die Google-Biowissendie nach der Messung von Blutschaftssparte Verily Life Science
und GSK mitteilten.
zuckerwerten automatisch die
Die neue Firma Galvani
passende Menge Insulin verabreiBioelectronics soll Miniaturprochen.
Das Gemeinschaftsunternehdukte entwickeln, die Patienten
Gemeinsam mit Sanofi will Google dem Blutzucker den Kampf aneingesetzt werden, um elektrische
men konzentriert sich zunächst auf
sagen.
Flickr/Michael Stern/CC BY-SA 2.0
Nervensignale modifizieren zu
Patienten mit Diabetes Typ 2, der
können. Dadurch sollen unregelfrüher auch als Altersdiabetes bezeichnet wurde. Für die Pharmabranche ist dem Geschäft aber unter dem Patentverlust mäßige oder veränderte Impulse wie sie
es ein Milliardenmarkt: Diabetes gehört zu seines Kassenschlagers Lantus.
in vielen Krankheiten vorkommen angeErst kürzlich hatte sich Google schon passt werden. GSK geht davon aus, dass so
den größten Volkskrankheiten in Deutschland, die Weltgesundheitsorganisation mit einem anderen Pharmakonzern zu- chronische Erkrankungen wie Diabetes,
Analyse
Monsanto-Übernahme durch Bayer ist noch lange nicht fix
Der deutsche Pharmakonzern Bayer
möchte für insgesamt 66 Milliarden Dollar den amerikanischen Saatguthersteller
Monsanto übernehmen. 128 Dollar ist
Bayer dabei jede Monsanto-Aktie wert.
Ein riskantes Unterfangen, denn kein
anderes Unternehmen in der Branche hat
ein derart schlechtes Image. Wegen seiner
aggressiven Geschäftspraktiken, seiner
gentechnisch veränderten Produkte und
des umstrittenen Pflanzenschutzmittels
Glyphosat steht das US-Unternehmen
seit Jahren in der Kritik. Die rechtlichen
Risiken Monsantos seien Bayer „bekannt
und bewusst“, sagte der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann.
Zudem würde die Verschuldung Bayers im Falle einer erfolgreichen Übernahme markant ansteigen. Ein Bankenkon-
sortium bestehend aus Bank of America,
Credit Suisse, Goldman Sachs, HSBC und
JPMorgan soll offenbar Brückenkredite im
Gesamtvolumen von 57 Milliarden Dollar
bereitstellen. Die Nettoverschuldung, die
Ende des ersten Quartals bei etwa 16,3
Milliarden Euro lag, würde wahrscheinlich
auf über 70 Milliarden Dollar ansteigen.
Hinzu kämen noch die offenen Pensionslasten des Konzerns von derzeit 13,3
Milliarden Euro, wie das Finance Magazin
schreibt.
Notwendig ist außerdem eine massive Kapitalerhöhung im Umfang von
19 Milliarden Dollar – eine der größten
Kapitalerhöhungen, die es in Deutschland
je gegeben hat. Sie entspräche etwa einem
Viertel der aktuellen Marktkapitalisierung Bayers von knapp 70 Milliarden
Euro. Da der Kurs der Bayer-Aktie seit
Bekanntwerden der Übernahmepläne
von rund 110 Euro auf derzeit etwa 95
Euro gefallen ist, müssen rückblickend
sogar noch mehr neue Aktien ausgegeben
werden, als ursprünglich geplant.
Die Übernahmepläne stoßen nicht
bei allen Bayer-Investoren auf Gegenliebe,
weil sie den offenbar früher gemachten
Versprechen des Konzerns an die Geldgeber zuwiderlaufen. Völlig ungewiss ist
auch, ob die Übernahme von den Kartellbehörden überhaupt erlaubt wird.
Analysten von Bernstein Research sehen
eine Chance von 50 Prozent, dass der Deal
abgelehnt wird. Wird eine Übernahme von
den US-Kartellbehörden abgelehnt, muss
Bayer Monsanto übrigens 2 Milliarden
Dollar zahlen.
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Arthritis und Asthma behandelt werden
können. Die Zulassung für erste Produkte
könnte 2023 beantragt werden.
Galvani soll den Angaben zufolge
hauptsächlich im Forschungszentrum von
GSK im Norden von London angesiedelt
sein. Ein zweiter Standort ist im kalifornischen South San Francisco vorgesehen.
55 Prozent an Galvani halte GSK, Verily 45
Prozent.
Google ist auf dem Feld der Bioelektronik kein Neuling mehr. Im vergangenen Jahr hatte Google verkündet, in die
Herzforschung einzusteigen. Unter dem
Motto „1 Team, 1 Vision, $ 50,000,000“
hat Google zusammen mit der American
Heart Association (AHA) ein neues Projekt
gegründet. Jeweils 25 Millionen wollen
beide Partner für die Forschung rund um
koronale Herzerkrankungen investieren.
Und auch in Sachen Diabetes ist Google bereits ein bekanntes Gesicht: zuletzt
mit Otis, einer Kontaktlinse für Diabetiker. Diese soll den Blutzuckergehalt über
die Tränenflüssigkeit messen. In diesem
Sommer stieg sogar der Pharmakonzern
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Novartis in das Projekt mit ein. Und mit
GoogleFit hat Google gemeinsam mit der
DNA-Test-Firma 23andMe bereits eine Datenbank von 850.000 DNA-Proben gesammelt. Diese haben Nutzer freiwillig
abgegeben und dazu noch je 99 Dollar für
die Auswertung gezahlt. Zwei der größten
Pharmafirmen, Roche und Pfizer, haben
bereits Deals mit 23anME abgeschlossen,
um diese DNA-Daten für ihre Forschung
nutzen zu können. Doch Google will langfristig nicht nur zuliefern, sondern eigene
Medizin machen.
Wirtschaft
Biotech-Firma Adienne will an die Schweizer Börse
An der Schweizer Börse SIX zeichnet sich in den nächsten Wochen ein weiterer Neuzugang der Pharmabranche ab
D
ie Biotechnologiefirma Adienne will
sich mit dem Börsengang Geld zur
Entwicklung von Medikamenten gegen
seltene Krankheiten holen. Das Hauptaugenmerk liege dabei auf Arzneien zur Behandlung von Blut- und Immunkrankheiten. Das Unternehmen ist im Privatbesitz,
beschäftigt an drei Standorten in Italien,
Spanien und der Schweiz insgesamt rund
60 Leute.
Firmengründer Antonio Francesco
Di Naro, der Adienne auch operativ leitet,
will nach dem Initial Public Offering (IPO)
einen deutliche Aktienmehrheit behalten.
Damit wäre Adienne der vierte Neuzugang
der Schweizer Börse in diesem Jahr.
Mit Tepadina hat Adienne bereits
ein Medikament auf dem Markt, das zur
Vorbereitung von Patienten auf eine Knochenmarktransplantation eingesetzt wird.
Mit dem Geld aus dem Börsengang soll vor
allem die Arznei Begelomab vorangetrieben
werden, die in der Phase II/III der klinischen
Entwicklung steckt. Details zum geplanten
IPO nannte Adienne nicht.
Mit der Arznei soll eine immunologische Reaktion des Körpers infolge einer
Knochenmarkstransplantation behandelt
werden: die sogenannten Graft-versusHost-Reaktionen (GvHR). Dabei wenden
sich die T-Zellen des Spenders gegen
den Empfängerorganismus und können
Haut, Leber und Darm schädigen – und im
schlimmsten Fall zum Tod führen.
Die europäischen Biotechfirmen haben insgesamt 6,26 Milliarden Euro im
vergangenen Jahr an der Börse einsammeln
können. 2014 waren es noch 3,44 Milliarden
Euro. Das entspricht einem Plus von über
80 Prozent. 25 Börsengange fanden 2015 in
Europa statt. Im vergangenen Jahr wagte
die Schwäbische Curetis den Sprung an die
Amsterdamer Börse Euronext, ebenso Probiodrug aus Hamburg. An der New Yorker
Nasdaq versuchte dagegen der Tübinger
Krebs-Spezialist Affimed 2014 sein Glück.
In Deutschland gibt es derzeit etwa 579
Unternehmen im Bereich der Biotechnologie. „Die Medizintechnikbranche profitiert
hierbei eindeutig vom äußerst robusten
Börsenboom des Biotech-Sektors“, sagt
Siegfried Bialojan. „Es wird entscheidend
sein, wie das dadurch erzeugte Interesse des
Kapitalmarkts an High-Tech-Entwicklungen
insgesamt nachhaltig aufrechterhalten
werden kann.“ Hier müsse die Branche anknüpfen, denn sie werde sich nicht immer
auf das derzeit noch positive Zinsumfeld
verlassen können. „Investoren wollen in
Zukunft noch stärker von der Qualität der
Innovationen überzeugt werden.“ Der
Umsatz der deutschen Biotechnologie-
Für Biotech-Firmen werden die Märkte weltweit attraktiv.
Flickr/Images Money/CC BY 2.0
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Branche lag 2014 bei drei Milliarden Euro.
In Forschung und Entwicklung investierten
die Unternehmen wiederum 950 Millionen
Euro.
Im August hatte die Schweizer Galenica
angekündigt, das US-Biotechunternehmen
Relypsa zu übernehmen. 2015 machten die
Kalifornier bei einem Umsatz von 18,5 Millionen Dollar einen Nettoverlust von knapp
179 Millionen Dollar. Große Hoffnungen
setzen die Amerikaner auf das Medikament
Veltassa, das 2015 als erstes Mittel seit über
50 Jahren in den USA die Zulassung für die
Behandlung von Hyperkaliämie erhielt,
bei der Patienten unter einem erhöhtem
Kaliumspiegel im Blut leiden.
Konkurrenz könnte aber bereits bald
ins Haus stehen – der Pharmakonzern AstraZeneca erwartet derzeit die US-Zulassung
für sein Hyperkaliämie-Mittel. Durch die
Übernahme des 2007 gegründeten Unternehmens mit mehr als 400 Mitarbeitern
erhält Galenica nicht nur die weltweiten
Rechte an Veltassa, sondern auch eine Ver-
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triebsorganisation in den USA.
Galenica will sich 2017 in zwei eigenständig notierte Unternehmen aufspalten: das Pharmageschäft Vifor Pharma,
in das Relypsa integriert werden soll, und
das Apothekengeschäft Galenica Sante.
Letzteres war bislang deutlich größer als
Vifor Pharma. 2015 kam Galenica Sante auf
einen Umsatz von 2,89 Milliarden Schweizer
Franken, das waren gut 76 Prozent des
Konzernumsatzes. Vifor Pharma setzte
967 Millionen Franken um.
Innovation
Gentherapie: Merck meldet neue Technik zur Genveränderung
Die Entwicklung einer neuen Technologie soll helfen, Verunreinigungen im Syntheseprozess zu verhinden
D
as Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck startete eine
weltweit einzigartige Technik zur Genveränderung für die Modifizierung von
CHO-Zelllinien, die gegen das Minute Virus of Mice (MVM) resistent sein sollen.
CHO-Zellen sind die mit am häufigsten verwendeten Zelllinien bei der
Wirkstoffsynthese in der Biotechnologie.
MVM-Viren sind daher besonders bei diesen Zellen gefährlich, denn sie sind eine Art
Verunreinigung, die auch bei chemischen
von tierischen Bestandteilen befreiten
Herstellungsprozessen bestehen bleibt.
Die neue Centinel(TM)-Technologie
von Merck zielt auf Gene ab, die bei einem
Verdacht auf das MVM eine Rolle spielen.
Die größten Auswirkungen solcher viraler
Verunreinigungen gefährden Patienten, da
der Zugang zu Behandlungen behindert
wird. Die Centinel(TM)-Technologie stattet
Hersteller mit einer weiteren Handlungs-
Die neue Technologie macht CHO-Zellen gegen das MVM-Virus immun.
option aus, um die Risiken im Zusammenhang mit einer MVM-Kontamination zu
verringern und gleichzeitig das Niveau
der Proteinqualität und der ZelllinienProduktivität zu halten.
„Das Centinel(TM)-Programm ist nur
ein Beispiel dafür, wie wir unser langjähriges Wissen zur und die Glaubwürdigkeit
bei der Entwicklung von Prozessen, die
Herstellung von biologischen Stoffen und
Werkzeuge zur Genveränderung zusammenbringen, um die Sicherheit
für unsere Kunden und deren
Patienten zu erhöhen“, sagte
Udit Batra, Mitglied des Merck
Executive Board und CEO des
Bereichs Life Science.
Mithilfe des Centinel(TM)Programms kann Merck CHOZelllinien so verändern, dass
diese resistent gegen MVM
sind. Für diese Technologie,
die beim Lösungsansatz zur
Genveränderung mit dem
Ziel einer Virenresistenz zum
Einsatz kommt, ist ein Patentantrag eingereicht worden.
Der unternehmenseigene
BioReliance®-Testservice ist in
der Lage, die MVM-Resistenz zu
bewerten und zu zeigen, dass
das Virus nicht in der Zelllinie
verbreitet ist. Alternativ dazu
können Kunden die Zinkfingernukleasenpaare erwerben, um Zelllinien direkt zu
entwickeln.
Foto: Merck
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Innovation
Alzheimer mit Ultraschall sichtbar
In einer Pilotstudie konnten Alzheimer-typische Merkmale mittels „transkranieller Sonografie“ sichtbar gemacht werden
E
rste Symptome der Alzheimer-Krankheit, wie Gedächtnisverlust, eine eingeschränkte Auffassungsgabe oder Störung der Orientierung sind schwer zu
deuten: Betroffene kompensieren sie zum
Beispiel mithilfe von Merkzetteln oder
sie verdrängen sie. Ärzte diagnostizierten
die Demenzerkrankung bislang meist mit
neuropsychologischen Tests. Ergänzend
bestimmen sie im Gehirnwasser eines Patienten Biomarker, die im Falle von Alzheimer verändert sind.
Und auch bildgebende Verfahren
kommt bereits zum Einsatz: „Mit der Magnetresonanztomografie können wir eine
Veränderung des Gehirnvolumens durch
das Absterben von Zellen im mittleren
Schläfenlappen des Großhirns sichtbar
machen. Dieser Bereich ist für Gedächtnis
und Erinnerungsvermögen von Bedeutung“,
erklärt Professor Dr. med. Daniela Berg,
Direktorin der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in
Kiel. „Allerdings sind MRT-Untersuchungen
aufwendig und teuer, als Screening-Instrument also nicht geeignet.“ Darüber hinaus
können Ärzte mithilfe nuklearmedizinischer Untersuchungen wie dem „PIB-PET“
Alzheimer-typische Eiweißablagerungen
erkennen. „Diese Technik kommt aber bislang nur an bestimmten Zentren und im
Rahmen von Studien zum Einsatz“, so Berg.
Gemeinsam mit ihrem Team hat
die Wissenschaftlerin nun eine weitere
Methode für die Diagnose von Alzheimer
entwickelt. „Wir haben 32 Alzheimerpatienten und 84 gesunde Probanden mit der
transkraniellen Sonografie untersucht und
deutliche Unterschiede in der Gewebestruktur erkannt“, erläutert Berg. „Die Resultate
sind mit denen der Magnetresonanztomografie vergleichbar“. Um die wissenschaftliche Stichhaltigkeit zu belegen, sei es nun
notwendig, die Ergebnisse durch größere
Studien zu bestätigen. „Wir werden nun in
Zusammenarbeit mit anderen neurologischen Zentren untersuchen, inwieweit sich
der Ultraschall auch zur Früherkennung
von Alzheimer eignet“, berichtet Berg. Ist
dies der Fall, würde sich die Sonografie auch
als Screening-Instrument für Menschen
mit ersten kognitiven Einschränkungen
anbieten, ist die Expertin überzeugt.
Derzeit gelten etwa 1,2 Millionen Personen in Deutschland als demenzkrank, rund
50 bis 70 Prozent davon leiden an „Morbus
Alzheimer“. Bislang sind die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt. „Bisher können wir
nur wenig und am besten in einem sehr
frühen Stadium auf den Krankheitsverlauf einwirken“, betont Berg. Ansatzpunkte
der Therapie sind Lebensstil, kognitives
Training und Medikamente. „Die Erfolge
sind trotz intensiver Forschungsbemühungen bislang nur gering“, bedauert die
Wissenschaftlerin. Anlass zur Hoffnung
geben jedoch neue Therapieansätze, die
derzeit in der Entwicklung sind, etwa die
Immuntherapie zur Vermeidung der Eiweißakkumulationen. „Erweisen sich die
Ansätze als wirksam, ist die frühe Diagnose
eine wichtige Voraussetzung für den Therapieerfolg“, so Berg. Ebenso wichtig sei es,
dass Patienten und ihre Angehörigen sich
Die neue Technologie könnte für jeden bezahlbar
sein.
Foto: Flickr/Vinoth Chandar/CC BY 2.0
mit der Krankheit so früh wie möglich auseinanderzusetzen, wesentliche zusätzliche
Risikofaktoren für ein Fortschreiten der
Demenz meiden und aktivierende Therapien in Anspruch nehmen.
Bislang nutzen Neurologen den Hirnultraschall unter anderem für die Diagnose
von Parkinson. „Den Ansatz, die Sonografie
auch bei Alzheimer-Demenzen einzusetzen,
halte ich gerade als Werkzeug für zukünftige
Therapiestudien für vielversprechend“,
sagt Professor Dr. med. Martin Köhrmann,
stellvertretender Klinikdirektor der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum Essen und Leiter der DEGUM-Sektion
Neurologie. „Nicht zuletzt aufgrund der
älterwerdenden Bevölkerung und der stetig
zunehmenden Zahl an Patienten brauchen
wir hier eine verlässliche und kostengünstige Diagnostik“, so der Experte. Bislang ist
der Ultraschall zur Diagnose von Alzheimer
jenen Patienten vorbehalten, die an Studien
der Uniklinik Kiel und den kooperierenden
Zentren teilnehmen.
Studie
Smart Health: Digitale Gesundheitsangebote kommen an
Viele Deutsche interessieren sich für digitale Hilfestellungen. Die technische Basis ist mit Smartphones längst gegeben
D
ie Zeit ist reif für digitale Gesundheitsangebote. Zu diesem Ergebnis
kommt eine forsa-Studie im Auftrag der
Techniker Krankenkasse (TK): Drei von
vier Bürgern verfügen danach über ein
internetfähiges Smartphone und damit
über die wichtigste technische Vorausset-
zung, um Therapie und Diagnostik mit
sinnvollen digitalen Gesundheitsanwendungen unterstützen zu können. Fazit der
Befragung: Je größer der Mehrwert eines
Angebotes ist, desto höher ist auch die Zustimmung in der Bevölkerung. So würden
etwa 63 Prozent der Befragten ihre eigenen
Gesundheits- und Fitnessdaten auswerten
lassen, um die Früherkennung und Diagnose schwerer Krankheiten wie etwa Krebs
zu erleichtern.
Nach der Studie befürworten drei Viertel der Befragten eine elektronische Gesundheitsakte, in der ihre Daten gebündelt
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Rund 75 Prozent aller Befragten besitzen bereits ein Smartphone.
Foto: Flickr/Solución Individual/CC BY-ND 2.0
werden. Prognosen und Diagnosen können
so schneller und besser werden, davon ist
der TK-Vorstandsvorsitzende Dr. Jens Baas
überzeugt. Ihm ist wichtig, die individuelle
Versorgung voranzubringen, ohne dabei
Abstriche bei der Datensicherheit zu machen. „Wir als Krankenkasse sind erfahren
im Umgang mit sensiblen Daten und somit
qualifiziert, die Entwicklung der elektronischen Gesundheitsakte vorantreiben“, so
Baas. An dieser Stelle sei es tatsächlich von
Vorteil, dass die Kassen so streng reguliert
werden – und keine wirtschaftlichen Ei-
geninteressen haben. „Alle Krankenkassen
sollten verpflichtet werden, ihren Versicherten eine elektronische Gesundheitsakte
anzubieten“, fordert der TK-Chef.
Um das Innovationsklima zu fördern,
arbeitet die TK auch gemeinsam mit Startups wie xbird an neuen Anwendungen.
„Bevor diese auf den Markt kommen, wird
zunächst geprüft, wie sicher das Projekt ist,
und anschließend der Nutzen bewertet“,
erklärte IGES-Geschäftsführer Dr. Karsten
Neumann. So können medizinisch sinnvolle
Apps herausgefiltert und in den Leistungs-
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katalog aufgenommen werden.
Klaus Rupp, Leiter des TK-Versorgungsmanagements, bestätigte das
enorme Potenzial digitaler Helfer im
Gesundheitswesen: „Wir bewegen uns
vom bloßen Tracking der Fitnessdaten
dahin, den eigenen Gesundheitszustand
zu vermessen.“ Selbst unter den 60- bis
70-Jährigen nutzt heutzutage fast jeder
Zweite ein Smartphone. Diese Zielgruppe
kann sich vorstellen, darüber nicht nur
Kalorienverbrauch und gegangene Schritte,
sondern auch Blutzucker, Trinkmenge und
Blutdruck zu dokumentieren.
95 Prozent aller Befragten halten dabei
den Datenschutz für ein sehr wichtiges
Thema. Dem widerspricht oftmals das
eigene Verhalten. Rund drei Viertel aller
Deutschen vertrauen ihre Fragen und Probleme zuerst Google an, bevor sie sich an
einen Arzt wenden. Aus der #SmartHealthStudie geht hervor, dass sich jeder Fünfte
vorstellen kann, Gesundheitsinformationen
künftig in sozialen Medien auszutauschen.
„Dieser Prozess ist unumkehrbar, muss
aber aktiv gestaltet werden – entsprechend
dem deutschen Datenschutzrecht und im
Interesse der Versicherten. Hier sind wir
Krankenkassen genauso gefordert wie die
Versicherten selbst. Aber auch die Politik
ist gefragt, die Rahmenbedingungen dafür
zu schaffen“, so Baas.
Studie
Pflanzenbetonte Ernährungsweise kann Entzündungen vorbeugen
Forscher haben herausgefunden, dass der Verzicht auf tierische Produkte das Risiko senken könnte, Entzündungen zu bekommen
Ü
bergewicht geht oft mit einer chronischen Entzündung einher, die das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs erhöht. Ein Forscherteam
um Krasimira Aleksandrova und Fabian
Eichelmann vom Deutschen Institut für
Ernährungsforschung (DIfE) hat nun 29
wissenschaftliche Arbeiten ausgewertet,
welche die Effekte einer pflanzenbetonten
Kost auf die Entzündungsmarker-Spiegel
übergewichtiger Menschen untersuchten.
Wie die in Obesity Reviews publizierte
Meta-Analyse zeigt, sanken unter einer
pflanzenreichen Ernährung im Vergleich
zu einer Kontrolldiät die Werte des Entzündungsmarkers C-reaktives Protein (CRP) um
durchschnittlich 0,55 mg/l und die Werte
für Interleukin-6 um 0,25 ng/l.
„Unsere Ergebnisse weisen somit darauf
hin, dass übergewichtige Menschen durch
eine pflanzenbetonte Ernährung ihr Entzündungsmarker-Profil deutlich verbessern und
hierdurch möglicherweise selbst viel dazu
beitragen können, sogenannten Volksleiden
wie Herzinfarkt und Diabetes vorzubeugen“,
sagt Studienleiterin Aleksandrova. „Eine
pflanzenbetonte Kost ist so definiert, dass
sie hauptsächlich auf Lebensmitteln wie
Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchten und
Obst basiert. Zudem enthält sie gar kein
oder nur sehr wenig Fleisch, kann aber moderate Mengen an Eiern, Milchprodukten
und Fisch mit einschließen“, sagt Erstautor
Eichelmann.
Die körpereigenen Fettdepots speichern nicht nur Energie, sondern setzen
auch Botenstoffe frei. Da einige dieser Substanzen entzündliche Prozesse im Körper
fördern, sind die Entzündungsmarker-Werte
im Blut übergewichtiger Menschen häufig
erhöht. Ein Zustand, der wiederum mit
einem deutlich erhöhten Risiko für Stoffwechselkrankheiten einhergeht. Da nicht
nur in Deutschland, sondern auch weltweit
die Zahl der krankhaft übergewichtigen
Menschen beständig steigt, suchen Forscher
und Mediziner auch nach wissenschaftlich
basierten Ernährungsstrategien, die dabei
helfen, trotz eines übermäßigen Körpergewichts gesund zu bleiben.
In der aktuellen Analyse untersuchten
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Bei einer Ernährungsumstellung ist das Risiko für Volksleiden deutlich geringer.
die Forscher alle in Frage kommenden Ernährungsstudien, die von Januar 1946 bis
Januar 2016 in Medline, EMBASE sowie im
Cochrane central register of Controlled
Trials erschienen waren. Von ursprünglich
2.583 identifizierten Studien erfüllten nur
29 Publikationen, mit Daten von insgesamt
2.689 Studienteilnehmern im Alter zwischen 28 und 68 Jahren, die für die Meta-
Analyse gestellten Auswahlkriterien. Zu den
Einschlusskriterien gehörten:
Die Zahl der übergewichtigen und adipösen Erwachsenen ist weltweit auf mehr
als 1,9 Milliarden angestiegen und nimmt
weiterhin zu. Allein in Deutschland sind
mehr als die Hälfte der Frauen und Männer
übergewichtig, fast jeder vierte Erwachsene
ist laut Robert Koch-Institut adipös. Aber
16. September 2016
Foto: Flickr/LID/CC BY-SA 2.0
nicht nur in Europa und den USA sind viele
Menschen zu dick, auch Länder wie Afrika
sind betroffen. Mit dem Übergewicht steigt
auch die Zahl der Menschen, die unter chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes
leiden. Schätzungsweise 6 Millionen Menschen in Deutschland sind zuckerkrank.
Effektive Gegenstrategien zu entwickeln,
erscheint daher mehr als notwendig.
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV).
Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann, Cüneyt Yilmaz. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright:
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