Samstag, 17. Oktober 2015 9.05

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
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SWR2 Musikstunde
Pasticcio musicale 10-15
Von Konrad Beikircher
Sendung:
Redaktion:
Samstag, 17. Oktober 2015
Martin Roth
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede
weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des
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Pasticcio musicale (Oktober 2015)
Signet
...mit Ihrem Konrad Beikircher, der sich auf Sie so freut wie hoffentlich Sie sich auf
ihn ....
Titelmusik
ach, schön, dass Sie da sind, denn eines ist sicher: wären Sie nicht da, wäre es nicht
schön, genau so, wie es die geniale Friederike Kempner beschrieben hat, Sie wissen
schon: eine meiner Lieblingsdichterinnen - gleich nach Sappho:
Eins ist mir klar zu jeder Frist
das Leben ist so, wie es ist
denn selbst wenns würde anders sein
stimmt's mit sich selber überein,
so, dass man dann auch sagen müsst:
das Leben ist so, wie es ist.
Das ist ein Gedicht von der Güteklasse 1c, also:
Erste Klasse Einsichten, aber drittklassig in der Ausführung.
Ähnlich wie das wunderbare, und von jedem von uns nachvollziehbare Eugen Roth
Gedicht:
Ein Mensch dem Sprichwort Glauben schenkt
's kommt alles anders, als man denkt.
Bis er dann die Erfahrung macht:
genauso kam's, wie er gedacht
also Guten Morgen, liebe Freunde des Pasticcio musicale, schön, wie gesagt, dass
Sie da sind
Carl Philipp Emanuel Bach:
Presto aus dem Konzert für Cembalo, Hammerklavier und Orchester Es-Dur
Michael Behringer (Cembalo)
Christine Schornsheim (Hammerklavier)
Freiburger Barockorchester
Leitung: Gottfried von der Goltz
Dauer: 4‘10
Heute, liebe Freunde, möchte ich mal leicht variieren: Kein Gewühl über runde
Geburtstage und Todestage, obwohl: es macht ja immer Spaß, oder? Also z.B. zu
wissen, dass Hanns Knappertsbusch am 25.10.1965, also vor 5o Jahren, gestorben
ist, einer der ganz großen Dirigenten, wie wir wissen, der auch noch einen
außergewöhnlichen Atem in sich trug: als junger Mann hat er noch Felix Mottl beim
Dirigieren erleben dürfen, einer der wirklichen Erfinder, kann man quasi sagen, des
Dirigierens, von dem es diese hübsche Geschichte mit Ksrlsruhe gibt:
Von 1880 bis 1903 war er in Karlsruhe, sozusagen als badischer Karajan. Nun haben
die Probe. Irgendwas von Brahms.
Man spielt, er klopft ab und sagt zum Fagott: „Das müssen Sie unbedingt leiser
spielen, bitte“. Es geht von Neuem los, er klopft wieder ab und sagt zum Fagott: „Ich
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meinte: leiser! Bitte!“ und noch mal von vorn. Und wieder bricht er ab und sagt, jetzt
deutlich genervt: „Ja mein Gott, ich sagte doch: leiser! Können Sie das denn nicht?“
Da sagt der Fagottist: „Wenn ich des könnt, Herr Mottl, dann wär ich nicht in
Karlsruh’!“.
Knappertsbusch hat große Verdienste, sein Parsifal von 1952 mit Mödl, Windgassen
und wie sie alle heißen, ist nach wie vor - nicht nur für mich - DIE ParsifalEinspielung, live natürlich, Kna hat ja Studios gehasst, er hat gegen die Nazis
geblafft, was sein Mundwerk hergab, er war direkt, er konnte grob sein aber immer
war er ehrlich und authentisch und er war ein wirklich großer Musiker. Von ihm geht
die Sage, dass er allein mit dem Heben einer Augenbraue ein Orchester ins
Pianissimo zwingen konnte. Von ihm gibt es unendlich viele Anekdoten, Sie können
sie gerne im Internet nachlesen, ich habe eine Kuriosität zu bieten, nämlich: wie
Adolf Hitler ihn sah. In den Tischgesprächen kam am 30.4.1942 das Gespräch auf
Knappertsbusch
und
Hitler
ließ
sich
folgendermaßen
aus:
[...] habe es sich dann herausgestellt, daß [in Wien 1938] ein ungeheurer Mangel an
wirklich befähigten Dirigenten bestehe, so daß man Knappertsbusch nach Wien habe
holen müssen, der mit seinen blonden Haaren und seinen blauen Augen zwar ein
Germane sei, aber nur mit Temperament und ohne jedes musikalische Gehör Musik
machen zu können glaube. Sich eine Opernaufführung Knappertsbuschs anzuhören,
sei eine Strafe. [...]
No, er ist ja auch lieber zu Johannes Heesters gegangen. Wir gedenken um so mehr
des großen Dirigenten und Musikers Hanns Knappertsbusch!
Johannes Brahms:
Choral St. Antoni und erste Variation aus:
Variationen über ein Thema von Joseph Haydn für Orchester
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR
Leitung: Hans Knappertsbusch
Dauer: 4‘30
Konzertmitschnitt aus der Stuttgarter Liederhalle
vom 15.11.1963
Ah so, ja, kein Gewühl mit runden Geburts- und Sterbetagen, nein, heute möchte ich
mal zu einem Thema das ein oder andere sagen: Richard Wagner, unser begnadeter
Innenausstatter und Leipziger Dandy und die Frauen, eine Spätlese quasi,
antizyklisch zu den Wagner-Feierlichkeiten von 2013!
Ein Leben zwischen Walküren, nein, mit Walküren, also da hat unser Richard nix
ausgelassen. Was hätten wir denn da alles, bzw wen hätten wir denn da alles? Bitte
schön, hier eine Liste, die mit Sicherheit nicht vollständig ist, die aber dem wirklichen
Leben unseres Gleen nahekommt.
Vielleicht ein paar Notizen zu den einzelnen Damen? Hier, bitte schön:
Natürlich an erster Stelle die Frau Mama, Wagner hat sie abgöttisch geliebt. Zur
heftigen Kindheit und Jugend Richards hat sie gesagt: "Richard läßt täglich einen
Hosenboden auf dem Zaun hängen". Darf ich Ihnen eine Stelle aus einem Brief
vorlesen, den er mit 22 Jahren an seine Mama geschrieben hat? Mehr muss man
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eigentlich von Wagner nicht hören, um zu ahnen, wie er sein ganzes Leben lang
monologisiert hat, und das in jeder Hinsicht. Also, er schreibt:
"Dir dringt alles aus dem Herzen, aus dem lieben, guten Herzen, das Gott mir immer
geneigt erhalten möge, - denn ich weiß, wenn mich alles verließe, würde es immer
meine letzte, liebste Zuflucht sein. O Mutter, wenn Du zu früh stürbest, eher, als ich
Dir vollkommen bewiesen, daß Du einem edlen, grenzenlos dankbaren Menschen so
viel Liebe gewährt hast! Nein, das kann nicht sein, Du mußt noch viele schöne
Früchte genießen! - Ach, wenn ich an die letzten acht Tage Deines Umganges
gedenke! Es ist mir ein völliges Labsal, eine Erquickung, mir jeden einzelnen Zug
Deiner liebenden Güte vor die Seele zu rufen! Meine liebe, liebe Mutter - welch ein
Erbärmlicher wäre ich doch, wenn ich je gegen Dich erkalten könnte!"
Und - ich schwöre Ihnen - das ist nur ein Auszug! Also da muß man ja auch mal
sagen dürfen: Handy und sms sind einfach zu spät erfunden worden. Was hätte er
geschrieben, wenn er das alles in eine sms hätte umformen müssen?
Wahrscheinlich: Hi Mami, hdl Richard. Und fertig.
Ich stelle mir vor, wie seine Schwester Rosalie zu Mami kommt und sagt: "Mutter, ein
Brief vom Richard"
und die Mama kaum hochschaut und antwortet:
"Och leg ihn schon mal auf die Kommode, vor Sonntag werde ich gor keine Zeit
haben, ihn zu lesen!"
Dann:
Die Jugendliebe Leah David, die aber schlagartig erlosch, als er ihrem zukünftigen
Bräutigam vorgestellt wurde;
die Geschwister Pachta in Prag, Freundinnen seiner Schwester, heftigste Affäre,
zweimal war er in Prag und schreibt: "Als ich bei der Rückreise von einer Anhöhe
wieder auf Prag zurückblickte, zerfloß ich in Tränen, warf mich zur Erde und war von
meinem staunenden Freunde lange nicht zum Weiterwandern zu bewegen" naja,
was man halt so macht, wenn es einen erwischt hat
Minna Planer, seine erste Ehefrau
Therese Ringelmann, über die er schreibt: "eines Totengräbers Tochter, verführte
mich durch ihre schöne Sopranstimme zu der Annahme, sie zur großen Sängerin
bilden zu müssen. Seitdem ich ihr hierüber Eröffnungen gemacht, kleidete sie sich in
den Chorproben mit besonderer Aufmerksamkeit und verstand es namentlich durch
eine weiße Perlenschnur, welche sie sich durch das Haar wand, meine Phantasie in
angenehme Aufregung zu versetzen!", hat auch geklappt, nur Heirat? Nöö, das dann
doch nicht
Friederike Galvani, Verlobte es Oboisten in Würzburg, eine Affäre, aus der er sich
mühelos befreite, und anderthalb Jahre später schreibt er:
"Ach und ich war auch wieder in Würzburg; - mein Mädchen war während der Zeit
einmal niedergekommen, ein Bauern-Lümmel war mein glücklicher Nebenbuhler".
Jessie Laussot, eine recht heftige Affäre während der ersten Ehe mit Minna, und in
üblicher Offenherzigkeit schreibt er an die Freundin Jessies: ""Hätten Sie diesem
Jubel der Liebe zusehen können", schreibt er an Frau Ritter, "der aus allen Nerven
dieses reichen, seligen Weibes hervorbrach, als sie mir ... kundtat, daß sie mein sei!"
Er will mit ihr nach Griechenland fliehen und was man halt alles so verspricht, wenns
schön ist, zum Glück kams nicht dazu, Jessies Ehemann kommt hinter die
Geschichte und schreibt Richards Frau alles und damit war der Fisch gegessen! "Ich
weine mir manchmal fast meine Augen wund und bin wirklich ganz abgefallen vor
Kummer, den mir dieser Mann verursacht" schreibt Minna, bleibt aber trotzdem bei
ihrem Richard.
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Richard Wagner/Uri Caine:
Walkürenritt, bearbeitet für Streicher, Klavier und Akkordeon
Uri Caine Ensemble
Dauer: 4‘15
Mathilde Wesendonk, natürlich, die wir in hohen Ehren halten einerseits des Tristan
wegen andererseits, weil sie neben ihrem Mann auf dem Alten Friedhof in Bonn zur
letzten Ruhe liegt
Seraphine Mauro, "seine liebe Puppe", Seraphine Mauro steht jetzt auf der Liste. Da
war Wagner in Wien, für alles Neue offen, also auch für Mädels. Er nannte sie
"meine liebe Puppe" und weil Frauenausspannen eine seiner Lieblingssportarten
war, spannte er dieses hübsche Wesen seinem Freund und Komponisten Peter
Cornelius aus. Dem schreibt er auch noch später, als er davon träumt, mit ihm
zusammen eine Junggesellen WG am Rhein aufzumachen:
"Gott wie gern hätte ich die arme Puppe (Seraphine) mit dabei! Ich bin in sowas von
einer unvertilgbaren naiven Moralität. Ich fänd so ganz und gar nichts darin, wenn
das Mädchen mit zu mir käm und mir wär, was sie gerade ihrer kleinen und netten
Natur nach mir sein kann! Wie nun aber dafür den terminus socialis finden?".
Dann kam Mathilde Maier, mit ai, das 'Urbild' für das Evchen in den Meistersingern.
Er lernt sie auf einer Gesellschaft kennen und ist, no was, hingerissen. Sie lebt mit
Mama, zwei Tanten und einer Schwester in einer Mainzer Wohnung. Es geht wie
immer: man trifft sich, man trifft sich häufiger und schon keimt in Richard der Wunsch
hoch, sie zu heiraten, was voraussetzt, sich scheiden zu lassen. Da kommt ihm aber
Mathilde selber zuvor:
Ein ererbtes Gehörleiden bringt sie zum Entschluß, ihren Richard freizugeben, so
könne sie nicht an der Seite eines großen Genies leben. Blieb ihm aber lebenslang in
Freundschaft verbunden.
Und eine Friederike Meyer mit ey aus Frankfurt, Schauspielerin, die er kurzfristig
natürlich auch heiraten will und dann kommt
Marie bzw Mariechen in Penzing bei Wien, das ist die Haushaltshilfe, der er immer
so detaillierte Anweisungen erteilte, wenn er in Penzing ankam. Beispiel? Bitte: "Nun,
bester Schatz, richtet mir zu Haus alles recht schön ein, dass ich mich recht
behaglich ausruhen kann, wonach ich sehr verlange. Alles muss recht sauber sein
und gut - gewärmt. Sorge mir ja für das schöne Kabinett, dass es darin recht
angenehm ist: wenn geheizt ist, hübsch öffnen, dass das Kabinett eine warme
Temperatur bekommt. Auch schön parfümieren: kauf die besten Flacons, um es
recht wohlduftend zu machen. Ach Gott! was freue ich mich darauf, endlich einmal
wieder mit Dir dort mich auszuruhen. Die Rosa-Höschen sind doch hoffentlich auch
fertig??? Ja,ja! Sei nur recht schön und lieblich, ich verdiene es schon, dass ich's
einmal wieder recht gut habe."
Und noch ein paar dazwischen, aber dann, als er 51 Jahre alt war, kam Cosima von
Bülow und da hieß es Aus! die Maus! Wagner wurde solide und zwar bis 1876, da
hat es ihn nochmal erwischt, als er sich in Judith Gautier, die Tochter des Dichters
Theophile Gauter, verliebte, aber da mit allen Schikanen des Johannistriebs! Da hat
es ihn so was von gebeutelt und gleichzeitig schrieb er am Parsifal, also das war
nicht wirklich leicht für alle Beteiligten. Als Cosima dahinterkam gab es einen letzten
Brief Wagners an die Schöne in Paris, in der er ihr mitteilte, dass er gerne ihr weiter
schreiben möchte - über seine Frau Cosima. War natürlich nicht wirklich zielführend
und das war das Ende. Vielleicht war seine größte Liebe wirklich Mathilde
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Wesendonk, wir werden es nie genau erfahren. Es bleibt aber schon, dass der kleine
Schwerenöter einer unserer ganz ganz großen Tondichter bleibt und so einer darf ja
auch mal ein bißchen anders sein, oder?!
Richard Wagner:
„Träume“ aus den Wesendonk-Liedern
Waltraud Meier (Mezzosopran)
Orchestre de Paris
Leitung: Daniel Barenboim
Dauer: 5‘00
Jetzt isses aber gut mit Wagner und mit Seitensprüngen und all dem Zeug. Oktober!
Das ist der Monat des Ernte-Einfahrens, der Monat in dem man gerne und gut isst,
der Monat der Zungen- und Gaumenfreuden, der Monat, in dem man auch schon
mal ein Kochbuch in die Hand nimmt und da sind Sie bei mir vollkommen richtig,
denn da kenne ich mich aus. Ich hab zusammen mit meiner Frau fünf Kochbücher
geschrieben, das letzte is grad vor ein paar Tagen erschienen. Ich habe - ich weiß
nicht ob Sie das wissen - immer wieder Feldforschung auf diesem Sektor betrieben
und da entdeckt man ja so manches. Zum Beispiel was eine Gans mit Stromausfall
zu tun hat:
Gans
erfunden bei Stromausfall
Also das ist so: Stromausfall hat man in den Bergen öfters als im Rheinland.
Eigentlich ist es so, zumindest war das so in meiner Kindheit, dass der Stromausfall
die Regel war und die Zwischenzeit, wo mal Strom da war, die Ausnahme. Sie
werden es nicht glauben, aber: ich war fünf oder sechs Jahre alt, da musste ich zum
Zahnarzt, den Herrn Hruschka, Vater zweier wunderbarer Töchter, deren eine, die
Magda, dann meinen Lieblingscousin Wolfi geheiratet hat, aber das führt jetzt zu
weit, also: es musste eine Plombe rein. Der Herr Hruschka fing schon an, mit dem
Rosenbohrer den Zahn aufzubereiten, und zwar mit so einem, der mit einem
komplizierte Gestänge betrieben wurde (heute weiß ich: das hieß Doriot-Gestänge
und war eine Foltermaschine ersten Grades, weil sie so langsam war), mit
Riemenantrieb. Der Herr Hruschka also legte sich ins Zeug wie weiland der Zahnarzt
bei Wilhelm Busch, da kam, was kommen musste: Stromausfall. Weil mein Papa
Chef des Eliktrizitätswerkes in Bruneck war, kamen natürlich Bemerkungen wie "Oh,
da hat dein Papa wohl den Stecker gezogen" etc, jedenfalls aber musste weiter
gearbeitet werden. Also setzte sich der Assistent, ich glaube, es war der Acherer
Seppl, auf eine Art Fahrrad vor der Bohrmaschine und trat in die Pedale. Alles drehte
sich wieder, wenn auch noch langsamer als vorher und gefühlte zehn Jahre später
durfte ich mich mit einer neuen Plombe vom Folterstuhl erheben. Toll. Also
Stromausfall und Gans, da waren wir dran. Das war also, wie gesagt häufig, dennoch
hatte man mittags Hunger und wollte was essen. Wenn nun was Feierliches auf dem
Speiseplan stand wie z.B. Gans, musste man erfinderisch sein, wollte man den
Stromausfall umgehen und trotzdem was zu essen bekommen. Irgendeiner hatte die
Idee und sie griff schnell um sich: Man muss so eine Gans nicht bei 22o° bräteln, nur
damit s schnell geht. Man kann sie auch bei 8o°, dann aber 6, 7 oder 8 Stunden lang,
langsam kommen lassen und 8o°, Hallo!, das kriegt man ja fast mit dem Feuerzeug
hin, oder?! Also: ein paar heiße Ziegel in die Röhre gelegt, die Gans dazu und
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abends ist sie dann fertig. So war das damals und so ist es auch heute nicht superb.
Im Ernst: die Niedrig-Temperatur-Methode ist eine wirklich tolle Idee: das Fleisch
wird zarter gebraten, es bleibt wesentlich saftiger als bei jeder anderen Garmethode,
es tropft dir quasi auf die Gabel und schmilzt im Mund, es ist einfach ein Hochgenuß.
Guten Appetit!
[Und jetzt flott den Einkaufszettel geschrieben und sofort die Gans auf dem Markt
besorgt, damit Sie sie um 11 Uhr spätestens bei 8o° in den Ofen schieben können.
Wie das genau geht? No, in meinem Kochbuch steht das alles ganz genau drin!]
Gioacchino Rossini:
Un sauté
Stefan Irmer (Klavier)
Dauer: 4‘10
Sie kennen alle Käsekuchen. Wissen Sie, wie es zu den Rosinen im Käsekuchen
kam? Tja, das ist eine ganz sinistre Geschichte. Das kommt aus der Zeit, wo das
Wünschen noch geholfen hat und die Kindersterblichkeit hoch war. Um immer daran
zu denken, dass der mensch sterblich ist und dass auch Kinder sterben können und
es tatsächlich auch tun - Sie wissen schon: memento mori - hat man Rosinen, diese
kleinen süßen Früchtchen, in den Teig vom Käsekuchen getan und ihrer gedacht.
Der kleine Goethe hat das noch erlebt und vor einiger Zeit hat man die Urfassung
eines seiner berühmtesten Gedichte gefunden, in Knabenschrift auf ein
Butterbrotpapier gekritzelt (weil das so beständig ist, hat es sich ja auch erhalten, in
einer Bäckerei in Bad Vilbel), ich kann und darf es Ihnen nicht vorenthalten:
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.
"Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?"
"Siehst, Vater, du den Käsekuchen nicht?
Den Käsekuchen aus magerem Quark?"
"Mein Sohn, mir scheint, du fieberst stark."
7
"Du liebes Kind, komm', geh' mit mir!
den halben Kuchen schenk ich dir;
ach was, für Dich spring ich aus der Form;
ich bin der beste und schmecke enorm!"
"Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht?"
"Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind!
In dürren Blättern säuselt der Wind."
"Willst, feiner Knabe, du mit mir geh'n?
Meine Törtchen sollen dir schmecken schön;
Meine Törtchen sind aus leckerstem Teig
Nun komm schon mit mir, nun sei nicht feig."
"Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Törtchen am düstern Ort?"
"Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau."
"Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und willst Du kein' Kuchen, so brauch' ich Gewalt."
"Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
Käsekuchen hat mich in'n Teig getan!"
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Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
Er hält in Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.
Ist das nicht furchtbar?
Heinrich Wilhelm Ernst/Franz Schubert:
Der Erlkönig, Grand Caprice für Violine solo op. 26
Vadim Repin (Violine)
Dauer: 4‘20
Tja und das wars doch schon wieder, mein Gott, Wagner und die Frauen und dann
auch noch Essen und Trinken und eine Gruselgeschichte vom bösen Käsekuchen,
also ich weiß nicht, wozu mich der Oktober dieses Mal verleitet hat. Aber auf eines
will ich Sie ganz intensiv hinweisen:
wir haben ja an diesem Wochenende die Donaueschinger Musiktage und SWR 2
überträgt vieles davon live. Nun aber gibt es noch ein ganz besonderes Schmankerl:
Geben Sie bitte im Internet die Adresse ein:
www.swr2.de/donaueschingen
und Sie können heute ab 11 Uhr ein Konzert des belgischen Ensembles NADAR
sehen und hören. Das Ensemble arbeitet mit allen modernen Medien, Elektronik,
Video und alles, was man sich da so wünscht, kommt zum Einsatz. Zum kreativen
Einsatz natürlich. Choreographie und die Visualisierung von Klang spielen bei
diesem Konzert eine besondere Rolle. Ich verspreche Ihnen ein anregendes und
aufregendes Guck- und Hör-Erlebnis.
Und so seien Sie entlassen in einen schönen Oktobersamstag von Ihrem Konrad
Beikircher.
Wie gesagt: www.swr2.de/donaueschingen
Nino Rota:
6. Satz: Galop aus: Ballabili per il film "Il Gattopardo"
Orquesta Ciudad de Granada
Leitung: Josep Pons
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