eigene sachkunde des Prozessgerichts

Kostenrecht
PAK
MERKE | Allerdings ist zu sehen, dass das Gericht nach § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO
grundsätzlich keine Hinweispflicht trifft, soweit eine Nebenforderung betroffen
ist. Mit diesem Umstand setzt sich das OLG nicht auseinander. Es ist auch nicht
ohne Weiteres zu ersehen, dass die Ausführungen von Vollkommer (a.a.O.) in diesem Sinne zu verstehen sind, weil sich auch eine Gehörsverletzung bezogen auf
eine Hauptforderung bei der Nebenforderung nachteilig auswirken kann. Der
Gegner der benachteiligten Partei sollte stets auf diesen Umstand hinweisen.
Das OLG hat sich auch nicht mit dem Spannungsverhältnis zu § 99 ZPO auseinandergesetzt. Der BGH hat unter Verweis auf diese Vorschrift entschieden, dass die Kostengrundentscheidung nach Eintritt der Rechtskraft jedenfalls nicht in entsprechender Anwendung des § 319 Abs. 1 ZPO geändert werden kann, wenn der Streitwert des Verfahrens nach § 63 Abs. 3 GKG abgeändert wird und dies die Kostenquoten rechnerisch falsch macht. Eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung des § 319 Abs. 1 ZPO auf
diesen Fall rechtfertigen könnte, liege nicht vor (BGH PAK 09, 84). Allerdings
lag dieser Entscheidung keine Gehörsverletzung im Sinne des § 321a ZPO
zugrunde. Das OLG Naumburg hat aus dieser Entscheidung gerade den
Schluss gezogen, dass deswegen kein anderes Rechtsmittel zur Verfügung
stehe und mithin die Gehörsrüge in Betracht komme (OLG Naumburg 26.6.14,
1 U 110/13) und demgemäß wie das OLG Bamberg entschieden.
Argumente für die
benachteiligte Partei
ARCHIV
Ausgabe 5 | 2009
Seite 84
Wichtig | Der Bevollmächtigte der benachteiligten Partei wird nicht umhin
kommen, Streitwertbeschwerde und Gehörsrüge miteinander zu verbinden
und die Kostengrundentscheidung anzugreifen. Unterlässt er dies, kann dies
einen Haftungsfall begründen.
BEWEISRECHT
Eigene Sachkunde des Prozessgerichts
PDF erstellt für Gast am 22.04.2016
Wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage
geht, darf der Tat­rich­ter auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag. Zudem muss das Gericht, wenn es bei seiner
Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien
zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen (BGH 13.1.15, VI ZR 204/14,
Abruf-Nr. 177169).
Sachverhalt
Die Klägerin führte ihr Dressur- und Reitpferd auf der rechten Seite eines nur
für land- und forstwirtschaftlichen Verkehr freigegebenen Weges, wobei sie
selbst auf dem Asphalt ging, während sich das Pferd auf dem Grünstreifen
rechts neben dem Weg befand. Der Beklagte zu 2 befuhr den Weg mit seinem
bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Pkw. Er näherte sich der Klägerin von hinten und bog nach links auf ein Feld ab. Ob er die Klägerin zuvor
überholt hatte, ist streitig. Das Pferd brach aus und fügte der Klägerin schwere Verletzungen zu. Die Klägerin begehrt Ersatz materiellen und immateriel-
07-2015PROZESSRECHT
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Abruf-Nr. 177169
Begegnung von Pkw,
Mensch und Pferd
auf einem Wirtschaftsweg
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Kostenrecht
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len Schadens. Das LG hat die Klage abgewiesen, worauf auch die Berufung
ohne Erfolg blieb. Der BGH hat die Berufungsentscheidung aufgehoben und
das Verfahren zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe
Viel mehr als das OLG kann man verfahrensrechtlich in einer einfachen Verkehrsunfallsache eigentlich nicht falsch machen. Trotzdem ist es Aufgabe
des Bevollmächtigten durch entsprechende Hinweise dazu beizutragen, dass
solche Fehler erst gar nicht aufkommen.
Auch Anwälte
können Hinweise
geben – im eigenen
Interesse!
Ausgehend davon, dass die Betriebsgefahr aufgrund der örtlichen Gegebenheiten für das Ausbrechen des Pferdes ursächlich war, durfte die Haftung der
Beklagten wegen eines überwiegenden Eigenverschuldens der Klägerin
nicht verneint werden, nachdem das OLG der Klägerin ein unfallursächliches
Fehlverhalten ohne Einholung des von ihr beantragten Sachverständigengutachtens allein auf der Grundlage angeblicher eigener Sachkunde des Vorsitzenden angelastet hat.
Im Streit war, ob die Klägerin sich bei der Annäherung des Pkw richtig verhalten und ihr Pferd so ausgerichtet hat, dass es den herannahenden Pkw
habe wahrnehmen können. Ein Sachverständigengutachten hat das Gericht
nicht eingeholt, sondern kraft eigener Sachkunde entschieden.
Eigene Sachkunde des Gerichts: Das sagt der BGH
Wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht,
postuliert der BGH zwei Anforderungen:
Nachweis besonderer Sachkunde
Hinweis an Parteien
Es darf auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichtet werden, wenn das
Gericht entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag (BGH NJW-RR 07, 357).
Zudem muss das Gericht, wenn es bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen
will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen (BGH NJW-RR 97, 1108).
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Die Klägerin hatte die Richtigkeit ihres Verhaltens mit einem Privatgutachten
untermauert und ist damit der Argumentation der Gegenseite qualifiziert entgegengetreten. Damit hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt,
worin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt (BGH NJW-RR 10, 711).
Verletzung rechtlichen Gehörs
Letztlich hat das OLG die Beweislastverteilung verkannt: Da die Beklagten für
ein Mitverschulden der Klägerin beweisbelastet sind, darf für dessen Bejahung
nur ein Sachverhalt zugrunde gelegt werden, den die Klägerin selbst vorgetragen hat oder der zu ihrem Nachteil bewiesen ist (BGH VA 14, 1). Findet die Feststellung dagegen keine Grundlage in ihrem Sachvortrag, verletzt sie die Klägerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.
OLG verkennt
Beweislastverteilung
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