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ELEKTRONIK
matische
Darstellung
des ange­
reicherten
Software-
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Bild 1: Sche­
Entwicklungs-
Ressourcen-Management für
zukünftige Fahrzeugelektronik
Künftig wird es viele Steuergeräte geben, die Software-Anteile aus mehreren
Fahrzeugfunktionen enthalten, die von diversen Lieferanten entwickelt werden.
Damit wird der bislang erfolgreiche Ansatz, bei denen es immer Experten gab,
die „von Natur aus“ einen Gesamtüberblick über das Steuergerät hatten, kaum
mehr umsetzbar sein, vor allem für die querschneidenden Aspekte wie Safety,
Security und Timing. Vielmehr ist der Software-Integrationsverantwortliche künftig
darauf angewiesen sowohl auf eine geeignete Informationsbasis zugreifen zu
können, in der die relevanten Anforderungen zusammenlaufen, als auch daraus
systematisch Entwurfsentscheidungen abzuleiten [1]. In diesem Artikel befassen
sich die Autoren mit Ressourcen und Echtzeit-Aspekten.
E
chtzeitanforderungen auf Systemebene umfassen vor allem physikalische Größen wie Kräfte, Drehmomente, Drücke, Temperaturen oder
Winkelgeschwindigkeiten, die je nach
Funktion spezifischen zeitlichen Verläu-
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fen folgen müssen. Die Software muss
nun so schnell arbeiten, dass diese Anforderungen eingehalten werden, was
vor allem von den verfügbaren und optimal genutzten Ressourcen abhängt,
allen voran die CPU-Kapazität, möglicher-
weise verteilt auf unterschiedliche Kerne in einem Multicoresystem. Eine systematische Ressourcenplanung umfasst drei Phasen (siehe Bild 1, aus [2]):
WW Erstellen eines Timing-Referenz­
modells als Planungsgrundlage,
© Carl Hanser Verlag, München
Bilder: Symtavision
Prozesses [2].
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durch Messung und Modell-­
Updates,
WW Ressourcen-Prognose mittels
Simulation und Analyse.
Ressourcenschätzung und
Timing-Referenzmodell
Zu Projektbeginn wird ein grobes Ressourcenmodell erstellt, das die vorhandene CPU-Kapazität auf die Funktionsgruppen aufteilt (blauer Anteil in Bild 1).
Der Software-Integrationsverantwortliche kann zunächst die 100% verfügbare CPU-Zeit auf Applikationssoftware
(ASW), Basissoftware (BSW), Ressourcen-Freischnitte für sonstige Software
(z. B. eine Kundenfunktion) sowie Reserven aufteilen. Zusammen mit den
Zykluszeiten der Module entsteht ein
erstes Timing-Modell, das Tasks (optional auch Runnables) mit ihren Events
und erwarteten Ausführungszeiten enthält; es gilt: CPU-Auslastung = Ausführungszeit/Zykluszeit. Dieses TimingModell kann dann gegen die bekannten
Timing-Anforderungen
abgeglichen
werden, um größere Diskrepanzen vorab zu identifizieren.
Messung und Soll-Ist
Abgleich
Im Verlauf der Software-Entwicklung
werden dann zu geeigneten Zeitpunkten die tatsächlichen Ressourcen-Verbräuche und Zeitverhalten gemessen.
Hierzu gibt es mittels der existierenden
Prüfplätze verschiedene Möglichkeiten:
WW Unit-Tests/PiL (Processor-in-theLoop)-Tests: Durch eine Zeitmessung des Testvorgangs kann die
Netto-Ausführungszeit der Einzelfunktion bestimmt werden.
WW Integrationstest mit Trace-Erfassung: Durch Aufnahme von Scheduling-Events im Gesamtsystem können Netto- und auch Brutto-Laufzeiten der Tasks sowie weitere TimingEigenschaften erfasst werden. Entweder durch Code-Instrumentierung
(Aufnahme von Zeitstempeln im
internen RAM zum späteren Auslesen per Debugger oder XCP), mit
speziellen „Emulation Device“ per
Nexus-Class-2-Trace oder künftig
mit optimierten CPU-Schnittstellen
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für Tracing [3]. Trace-Analysewerkzeuge verarbeiten die aufgenommenen Traces und extrahieren daraus
die relevanten Timing-Parameter.
So kann das tatsächliche Laufzeitverhalten der Implementierung („Ist“) kontinuierlich erfasst und unmittelbar mit
dem Referenz-Timing-Modell („Soll“)
verglichen werden; siehe grüne Bereiche in Bild 2. Benötigt die Implementierung weniger Ressourcen als erwartet,
so hat man Ressourcen „gespart“.
Überschreitungen der geplanten Ausführungszeiten führen zur Nachbesserung des Referenzmodells und Erhöhung des Budgets für diese Teilfunktion. Zudem können gezielte Maßnahmen zur Optimierung bzw. Fehlerbehebung ausgewählt und im nächsten
Release umgesetzt werden (siehe grüne Anteile in Bild 1).
Ressourcen-Prognose
mittels Simulation und
Analyse
Ausgehend von dem Timing-Referenzmodell sind auch Prognosen der zukünftigen Auslastung möglich. Das ist vor allem für die Planung von größeren Änderungen relevant, z. B. Änderungen am
Schedule, Integration einer Kundenfunktion, Umstieg auf einen Multi-CoreProzessor. Nach dem klassischen Vorgehen würden die Änderungen zunächst in der Steuergerätesoftware umgesetzt, eventuelle Ressourcenengpässe beim nächsten Integrationstest
erkannt und erst in den darauffolgenden Release-Zyklen optimiert (oder zurückgenommen). Aufgrund der damit
verbundenen hohen Kosten ist es wünschenswert, diese Auswirkungen frühzeitig vorherzusagen und zu optimieren
und damit die Zahl der Entwicklungszyklen klein zu halten.
Für diese Vorhersage bietet das
­Timing-Analysewerkzeug
SymTA/S
Möglichkeiten zur Scheduling-Simulation und Worst-Case-Scheduling-Analyse. Für den Prozess vorteilhaft liegt das
benötigte
Timing-Referenzmodell
bereits vor, mit Laufzeiten, Schedule,
­
Zykluszeiten und Prioritäten. Die wichtigsten Anwendungsfälle sind (siehe
rote Bereiche in Bild 1):
WW Plausibilisierung des initialen
­Timing-Referenz-Modells,
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WW Kontinuierlicher Soll-Ist-Vergleich
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Prognostizieren zukünftiger RessourcenAuslastungen und Schedule-Verhalten
bei Architekturänderungen. Diese können leicht im Timing-Modell umgesetzt
und simuliert werden, und zwar zu
­einem Zeitpunkt, zu dem das (zukünftige) System zum Testen noch gar nicht
vorliegt. So lassen sich die Ressourcenauslastung und das Scheduling verschiedener Optionen zunächst im
­Modell simulieren, um dann daraus die
optimale Lösung auswählen, mit einer
deutlichen Reduzierung des Integra­
tionsrisikos. Die Gantt-Diagramme in
Bild 3 zeigen den Vergleich eines gemessenen Traces mit einem simulierten Szenario [2]. Derart detaillierte Analysen sind sonst nur durch Tests möglich. Die Simulation liefert die Ergebnisse vorab, und zwar in derselben Form
wie die Messungen.
Bild 2: Soll-Ist-Vergleich zwischen Timing-Referenzmodell (Soll) und tatsächlich
gemessenem Laufzeitverhalten (Ist).
WW Exploration und Optimierung von
Architektur-Änderungen,
WW Zusätzliche Absicherung von
Timing-Corner-Cases.
Plausibilisierung des
initialen Timing-ReferenzModells
Zusätzliche Absicherung
von Timing Corner-Cases
samt leicht verständlich und können mit
den schon bekannten Mitteln betrachtet, ausgewertet und mit den Anforderungen verglichen werden. Damit wird
vor allem die grundsätzliche Machbarkeit des gewähltem Schedule, der TaskAufteilung und der Ressourcen-­Planung
überprüfbar.
Schon vor den ersten Tests und Mes- Exploration und
sungen kann das Timing-Referenz-­ Optimierung von
Modell simuliert werden; quasi als virtu- Architektur-Änderungen
elle Integration. Die Simulationsergebnisse liegen wie im Test als Traces vor, Der zweite (und für die SW-Entwickso sind Vorgehen und Ergebnisse ins­ge­ lung wichtigste) Anwendungsfall ist das
Bild 3:
­Vergleich des
gemessenes
Zeitverhaltens
(oben) mit dem
simulierten
Zeitverhalten
desselben
Systems mit
einer zusätz­
lichen Kunden­
funktion (un­
Der beschriebene Vorhersage-Ansatz
kann auch dazu genutzt werden,
sogenannter
Worst-Casemittels
­
Scheduling-Analysen die Testabdeckung in Bezug auf das Laufzeitverhalten und den Ressourcenverbrauch
nachträglich virtuell zu erhöhen. Solche Worst-Case-Scheduling-Analysen
berechnen zusätzliche realistische
Randfälle, die nur schwer testbar sind
und werden insbesondere für sicherheitsrelevante Funktionen, z. B. im Bereich der Fahrwerksregelungen und
Lenkung, schon seit längerer Zeit eingesetzt.
ten) [2].
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WW b) Umstieg auf Multi-Core-System
Bild 4: Potenzialanalyse durch Ressourcenvorhersage über die nächsten drei
mit zusätzlichem Rechenkern
(erhöht Hardware und Migrationskosten), und
WW c) Festhalten an der Single-Core-­
Lösung, aber Optimierung der Software und der Software-Architektur,
vor allem durch Ausnutzen zusätz­
licher Freiheitsgrade (z. B. Schedulingund Compiler-Anpassung), die im
Rahmen der System-Timing-­
Anforderungen existieren.
Die drei Optionen wurden ausführlich
simuliert, vor allem die Scheduling- und
Laufzeitoptimierungen nach Option c).
Bild 4 zeigt die qualitativen Ergebnisse
der Exploration. Die bestehende Plattform nach a) kann für die nächsten Releases weitergenutzt werden. Parallel
sollten Architekturoptimierungen (vor
allem für die Module ASW 2 und BSW)
nach c) begonnen werden, bevor der
Ressourcenbedarf in Release n+3 zu
stark steigt. Ein Multi-Core-Umstieg
nach b) ist aktuell nicht notwendig, aber
für ein Folgeprojekt nochmals im Detail
zu untersuchen. W (oe)
Releasezyklen für drei Architektur-Alternativen.
»» www.symtavision.com
Fazit
System­
entwicklung ist ein nächster
Schritt, der bei Volkswagen und Audi
Die Budgetierung und Messung von derzeit im Konzern-Strategieprojekt
Laufzeitdaten
inklusive
Soll-Ist-­
„PETRA – Process Enhancements for
Vergleich sind elementare Schritte für Timing Requirements and Analysis“
eine solide Ressourcen-Überwachung. ­vorangetrieben wird.
Zudem bilden sie den idealen Startpunkt für eine systematische Ressour- Case Study
cen-Prognose, vor allem bei der Kon4 zeigt die beispielhafte Zusamzeption und Optimierung von kosten­ Bild intensiven architekturellen Änderungen menfassung einer umfangreicheren Pound erleichtern den Einsatz von tenzialanalyse einer bestehenden Platt­entsprechenden Timing-Analyse-Werk- form durch Beantwortung zweier Kernzeugen. Der Nutzen für die Steuer­ fragen: Wie stark wird der Ressourcengeräteentwicklung liegt vor allem in der verbrauch innerhalb der nächsten SoftReduzierung des Integrationsrisikos ware-Releases noch steigen und
aufgrund von Ressourcenengpässen. welche Maßnahmen müssen ergriffen
Gleichzeitig steigt das Verständnis für werden, um Engpässen kostenoptidie internen, oft komplexen Abläufe im miert entgegenzuwirken? Dazu wurden
zunächst die zusätz­
lichen Laufzeiten
Steuergerät.
Die Autoren haben gute Erfahrun- der noch geplanten Funk­tionshübe und
gen mit dieser Art des Ressourcen-­ Software-Updates abgeschätzt und in
Management gemacht und empfehlen das Timing-Modell virtuell integriert.
die genannten Methoden jedem Steuer­ Dann wurden verschiedene Architekturgeräteprojektleiter
und
Software­ Varianten als ­Timing-Modell abgeleitet:
integrator, am besten kontinuierlich und WW a) unveränderte Nutzung der bestehenden Single-Core-Lösung (Idealparallel zum Zeitstrahl der SoftwareSzenario, aber eventuell nicht durchEntwicklung. Die engere Einbeziehung
führbar),
von Echtzeitanforderungen aus der
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Referenzen:
[1] A. Schulze, S. Richter, T. Flämig, K. Schmidt,
D. Marx, H. Christlbauer, K. Richter, S. Schliecker,
C. Ficek, „Ressourcen-Management-Prozesse
für zukünftige Fahrzeug-Elektronik“, VDI
­C ongress „Electronics in the Vehicle – ELIV“,
2015, Baden-Baden, Germany
[2] “Resource 2015 Planning in ECU Software Development”, White Paper, Symtavision, 2015
[3]K. Schmidt, J. Harnisch, D. Marx, A. Mayer,
„Timing Analysis and Tracing Concepts for
ECU Development“, SAE Technical Paper
2014-01-0190, 2014, doi:10.4271/2014-010190.
Dr. Karsten Schmidt arbeitet bei
der Audi Electronics Venture GmbH
in Gaimersheim.
Dr. Andreas Schulze arbeitet bei
der Volkswagen AG in Braunschweig.
Dr. Kai Richter ist Chief Technical
Officer bei der Symtavision GmbH
in Braunschweig.
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