IKB-Kapitalmarkt-News – Katalonien: Unabhängigkeit trotz Wahlausgang unwahrscheinlich 29. September 2015 Dr. Klaus Bauknecht [email protected] Die Unabhängigkeitsbefürworter konnten bei der Regionalwahl in Katalonien – wie erwartet – einen deutlichen Sieg einfahren. Doch auch wenn das Wahlergebnis auf dem ersten Blick klare Verhältnisse spiegelt, offenbart eine genauere Analyse, dass die vermeintliche demokratische Legitimation der Separatisten nicht so klar ist, wie sie zunächst scheint. Zwar haben die für die Abspaltung eintretenden Parteien eine absolute Mehrheit nach Sitzen im Parlament gewonnen, jedoch nicht die Mehrheit der Wählerstimmen. Aufgrund einer Wahlbeteiligung von 77 % lag der prozentuale Stimmenanteil für die Separatisten bei circa 48 %. Sie konnten damit nicht die absolute Mehrheit der Wählerstimmen auf sich vereinen. Probleme könnten sich bei der Koalitionsbildung ergeben. Zwar liegt das Bündnis des katalanischen Ministerpräsidenten Artur Mas „Zusammen für das Ja“ mit 62 der insgesamt 135 Sitze deutlich vor den anderen Parteien, doch für eine absolute Mehrheit im Parlament hat es nicht gereicht. Um eine Abspaltung politisch durchsetzen zu können, bedarf es einer Koalition mit der Linkspartei CUP. Nur mit den 10 Mandaten der CUP ergibt sich nach Sitzen eine absolute Mehrheit im Parlament. Trotz des selben politischen Ziels wird ein Zusammenschluss nicht einfach werden, da die linke CUP eine Wiederwahl des Liberalen Mas zum Ministerpräsidenten strikt ablehnt. Hier zeigt sich bereits, dass eine komplette Unabhängigkeit und der Status Quo die beiden Pole eine Spanne von möglichen Folgen der aktuellen Einwicklungen darstellt. In Madrid beruft man sich auf das Grundgesetz, mit dem letztes Jahr ein Referendum zur Unabhängigkeit Kataloniens verhindert wurde. Die Linkspartei CUP ruft hingegen bereits zu zivilem Ungehorsam auf. Doch Spekulationen über einen Austritt verunsichern und belasten die wirtschaftlichen Aussichten, vor allem, weil es viele mögliche Szenarien für eine größere Unabhängigkeit Kataloniens gibt. Die komplette Unabhängigkeit ist nur eine Lösung. Mit dem aktuellen Votum der Bevölkerung im Rücken, könnte die katalonische Regierung zum Beispiel weitere Sonderkonditionen bzw. Rechte einfordern, ohne die komplette politische Unabhängigkeit zu erzwingen. Die jüngsten Entwicklungen in Schottland könnten hierfür als Beispiel dienen. Um die Bevölkerung von einen Verbleib in Großbritannien zu überzeugen, war London bereit, Schottland weitreichende Konzessionen zuzusagen. Katalonien hat bereits seit Oktober 1979 den Sonderstatus einer autonomen Gemeinschaft (Comunidad Autónoma) mit eigenen regionalen Parlamenten, was unter anderem dazu führte, dass Katalanisch neben Spanisch als Amtssprache zugelassen wurde. Allerdings fallen die meisten wichtigen Entscheidungen nach wie vor in Madrid. Auf der einen Seite mehrheitsfähige Kompromisse vorzuschlagen und auf der anderen Seite eine ökonomische Drohkulisse einer zusammenbrechenden Wirtschaft aufrecht zu erhalten, wird die politische Herausforderung der Zentralregierung in Madrid in der nahen Zukunft sein. Abb. 1: Anteil Kataloniens am spanischen BIP, in % 20.0 19.8 19.6 19.4 19.2 19.0 18.8 18.6 18.4 18.2 18.0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quellen: Idescat; IKB Kapitalmarkt News Katalonien erwirtschaftet knapp 19 % des spanischen BIPs und ist vor Madrid und Andalusien die wirtschaftlich stärkste Region Spaniens. Katalonien weist zudem mit rund 27.000 € ein deutlich höheres durchschnittliches BIP pro Kopf und Jahr als der Rest Spaniens aus. Rund die Hälfte aller in Spanien tätigen deutschen Unternehmen produziert in Katalonien oder betreibt dort ihre spanische Niederlassung. Dies liegt auch daran, dass rund ein Viertel der gesamten spanischen Industrieproduktion in Katalonien erfolgt. Wichtigste Handelspartner sind Frankreich und Deutschland. So spielt Katalonien auf der einen Seite bei der konjunkturellen Erholung Spaniens eine wichtige Rolle. Auf der anderen ist Katalonien wirtschaftlich eng mit Spanien vernetzt, sodass eine Unabhängigkeit weitreichende Konsequenzen für beide mit sich bringen würde, vor allem, wenn die Unabhängigkeit nicht im Einvernehmen mit Spanien geschehen würde. So könnte sich der Reiz einer Unabhängigkeit bald relativieren, besonders dann, wenn sich der daraus folgende Schaden bereits im Vorfeld abzeichnet. Deshalb ist davon auszugehen, dass weder EU noch Spanien eine ordentliche Unabhängigkeit akzeptieren werden und stattdessen die Konsequenzen einer wirtschaftlichen Isolation Kataloniens hervorheben dürften. Negative wirtschaftliche Konsequenzen wären bei einem eskalierenden Konflikt bereits im Vorfeld der eigentlichen Souveränität zu erwarten. Die Unsicherheit über den weiteren Verbleib in der Euro-Zone bzw. in der EU würde zu einem deutlichen Rückgang der Investitionen und relativ schnell steigender Arbeitslosigkeit führen. Zudem würde sich der wirtschaftliche Handlungsspielraum eines katalonischen Staates schnell deutlich einengen, da sich dieser zu einem deutlich höheren Zinssatz als Spanien finanzieren müsste, vorausgesetzt, die EU tritt glaubwürdig und konsequent gegenüber Katalonien auf. Die Arena für Spieltheoretiker ist eröffnet: Sowohl Spanien als auch Katalonien bestehen auf ihrem Standpunkt in der Hoffnung, dass der andere nachgibt. Tut dies allerdings keiner, würde das für die spanische und katalonische Wirtschaft einen erheblichen Schaden mit sich bringen. Und auch mögliche Implikation für die gesamte Euro-Zone sind nicht ausgeschlossen, insbesondere dann, wenn die EU ihren aktuellen Standpunkt aufgeben würde. Akzeptiert die EU Katalonien als neues Mitglied, ist die Glaubwürdigkeit der EU in zukünftigen Konflikten dieser Art deutlich geschwächt. Bleibt sie ihrer Linie allerdings treu, erhöht sich der kurzfristige volkswirtschaftliche Druck auf ihre Mitgliedsstaaten. Die Katalanen verweisen darauf, dass eine Unabhängig wirtschaftlich für sie Sinn ergibt, da sie die Staatsschulden Spaniens nicht länger tragen bzw. finanzieren müssten. Eine wirtschaftlich und politisch tragfähige Unabhängigkeit wäre allerdings nur bei einer Teilung der spanischen Staatschulden zu erwarten, da es unwahrscheinlich ist, das Spanien einer geordneten Unabhängigkeit ohne Aufteilung der Schulden zustimmt. Und auch die regionale Verschuldung Kataloniens ist nicht zu vernachlässigen. Bei einer Schuldenquote Spaniens von aktuell circa 100 % des BIP würde sich auch ohne Berücksichtigung höherer Ausgaben als Folge der Unabhängigkeit eine Schuldenquote von Katalonien deutlich über 100 % ergeben, was angesichts absehbarer höherer Zinskosten und womöglich schwachem Wachstums die Schuldentragfähigkeit Kataloniens in Frage stellen würde. Eine Unabhängigkeit, die die wirtschaftlichen Beziehungen Kataloniens mit seinem wichtigsten Handelspartner Spanien nachhaltig eintrübt, würde eine hohe Belastung mit sich bringen, was eines der oftmals genannten Argumente für die Unabhängigkeit widerlegt. Wenn überhaupt, macht höchstens eine geordnete politische Unabhängigkeit Kataloniens Sinn, die gleichen Ziele könnten allerdings auch durch mehr Autonomie innerhalb Spaniens erreicht werden. Eine wirtschaftliche Teilung würde hingegen vor allem im Vorfeld der Unabhängigkeit einen ökonomischen Einbruch mit sich bringen und die Stimmungslage deutlich beeinflussen. Fazit: Die Unabhängigkeit Kataloniens bleibt ein eher unwahrscheinliches Szenario. Denn selbst wenn sich Spanien und Katalonien gütlich einigen würden und die Abspaltung geordnet verlaufen würde, so wäre die Schuldentragfähigkeit des neu geformten Katalonischen Staates nicht ausreichend, von weiteren volkswirtschaftlichen Konsequenzen ganz zu schweigen. Forcieren die Separatisten die Unabhängigkeit, ließen sich die unabwendbaren wirtschaftlichen Konsequenzen bereits im Vorfeld erkennen, was den Rückhalt der Bevölkerung für die Abspaltung mindern würde. Für die spanische Zentralregierung ist entscheidend, die Gefahr eines wirtschaftlichen Chaos als Folge eines Austritts Kataloniens aufzuzeigen. Katalonien wird bei weiteren Verhandlungen die Konsequenzen einer kompromisslosen Haltung Madrids für Spanien hervorheben. Es ist zu erwarten, dass Katalonien mehr Selbstbestimmung erhält, eine Abspaltung von Spanien ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil keine Seite für die absehbaren negativen Folgen verantwortlich sein möchte. Kapitalmarkt News Disclaimer: Diese Unterlage und die darin enthaltenen Informationen begründen weder einen Vertrag noch irgendeine Verpflichtung und sind von der IKB Deutsche Industriebank AG ausschließlich für (potenzielle) Kunden mit Sitz und Aufenthaltsort in Deutschland bestimmt, die auf Grund ihres Berufes/ Aufgabenstellung mit Finanzinstrumenten vertraut sind und über gewisse Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand verfügen, um unter Berücksichtigung der Informationen der IKB Deutsche Industriebank AG ihre Anlage- und Wertpapier(neben)dienstleistungsentscheidungen zu treffen und die damit verbundenen Risiken unter Berücksichtigung der Hinweise der IKB Deutsche Industriebank AG angemessen beurteilen zu können. 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