Geschichten aus dem Erstaufnahmelager Eisenberg | Manuskript Flüchtlinge - Geschichten aus dem Thüringer Erstaufnahmelager Eisenberg Bericht: Julia Cruschwitz, Ines Ziglasch 100 neue Flüchtlinge an nur einem Wochenende. 100 neue dramatische Flüchtlingsgeschichten. Und jetzt die große Erschöpfung. Wir sind im Erstaufnahmelager Eisenberg, Thüringen. Die Neuankömmlinge nehmen Kontakt mit der deutschen Bürokratie auf. Raua Al-Mudhaffar Sie warten jetzt hier darauf, dass sie jetzt hier angemeldet werden und dass sie diesen Hausausweis bekommen. Und der ist dann dafür da, dass man zum Essen zum Beispiel geht und wenn man das Haus hier verlässt, dann muss man den bei der Wache abgeben. Raua Al-Mudhaffar gibt hier Deutschunterricht und Lebenshilfe. Gemeinsam mit ihr lassen wir uns die Geschichten der Menschen hier erzählen. Viele haben die Hölle durchgemacht. So wie Mohammed aus Algerien. Mohammed „Es war ein sehr kleines Boot und wir waren 100 Kilometer quasi auf dem Wasser unterwegs und hohe Wellen. Dieses Boot ist stehengeblieben, mitten auf dem Wasser, weil das Benzin alle war und dann sind wir erstmal acht Stunden fest auf dem Wasser gewesen und haben uns nicht bewegt. Ich hab an nichts anderes gedacht als an Angst und Tod.“ Mohammeds Frau ist mit den Kindern noch in Algerien. Wie so oft eine Frage des Geldes, notgedrungen schicken Familien nur die Stärksten und Fittesten. Wer es bis nach Deutschland schafft, kommt ins Erstaufnahmelager. Das in Eisenberg ist für 500 Menschen gedacht, tatsächlich drängen sich hier oft über 600. Und die Saison hat gerade erst begonnen. Mit besserem Wetter und ruhiger See trauen sich noch mehr Flüchtlinge aufs Mittelmeer und wagen den gefährlichen Weg. Nicht alle Unfälle werden bekannt, offiziell ist: seit Anfang des Jahres starben 1700 Menschen. Vom Irak nach Eisenberg – sind es 5.000 Kilometer Angst. Sargon ist mit Frau und den 3 und 7 Jahre alten Kindern über das Mittelmeer gekommen. Ihr Familienleben findet jetzt auf 10 Quadratmetern statt. Mini-Privatsphäre inmitten des Lagerchaos. Sargon Wir sind vor Tod im Irak geflüchtet und sind dann auf einmal auf dem Mittelmeer und haben auch Angst vor dem Tod. Erneut. Die christliche Familie fürchtete im Irak um ihr Leben. Unser Hauptziel war eigentlich wirklich, dass unsere Kinder in Frieden und Sicherheit leben können. Deswegen sind wir nach Europa gekommen. Deswegen haben wir diesen Weg genommen, für sie. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 1 Geschichten aus dem Erstaufnahmelager Eisenberg | Manuskript Die Unterkunft ist kein neues Zuhause, nur eine Zwischenstation. Denn zur Ruhe kommt hier keiner: alle paar Minuten eine Durchsage. Raua Al-Mudhaffar „Es ist so, dass die Flüchtlinge ausgerufen werden. Ob es nun zum Arztbereich ist, zur Security, wenn es auf Transfer geht.“ Reporterin: „Das ist ein bisschen wie im Lager, oder?“ Raua Al-Mudhaffar: „Das stimmt.“ 12.00 Uhr Mittagessen. Kantine statt eigner Küchentisch. Gekocht wird sparsam. Raua Al-Mudhaffar „Es ist halt so, dass man sagen muss, dass 3,50 Euro pro Person – pro Tag sind für alle drei Mahlzeiten. Dementsprechend kann man auch nicht das Tollste daraus zaubern.“ Heute auf den Tellern: Putengulasch mit Reis. Die Portionen: mini. Nach der Lektion in deutschem Essen Buchstaben-Unterricht im Container nebenan. Der Syrer Maged hilft im Deutschunterricht. Zuhause hätte der Kunststudent zur Armee gemusst und möglicherweise Landsleute töten müssen. Dem Schlepper zahlte er mehrere tausend Dollar. Maged „Er sagt gerade: Wir waren natürlich sehr, sehr viele, wir waren auf sehr engem Raum, weil wir durften uns nicht oben aufhalten. Wir mussten die ganze Zeit unter Deck sein, damit man uns nicht entdeckt.“ Ähnlich wie auf diesem Flüchtlingsvideo kam Maged übers Meer, 12 Tage Todesangst. Ein Mann habe sich die Rippen gebrochen, als er zwischen zwei Boote geriet, Toiletten, Wasser für 400 Menschen – all das habe es nicht gegeben. „Das mit dem Wasser war sehr schwierig. Wir haben versucht die Familien, die Kinder trinken zu lassen. Für uns erwachsene Männer war eigentlich fast gar nichts mehr da.“ Mageds Geschichte ist eine von hunderttausenden. Vermessungsingenieur Ahmed Ali ist vor dem Bürgerkrieg aus Somalia geflohen. Gern würde er seinen Eltern nachholen, weiß aber nicht wie. Er hat gesagt: Ich möchte nicht, dass meine Eltern sich dem aussetzen müssen. Dass sie diesen Weg gehen. Ich habe das durchlitten. Ich bin übers Wasser von Somalia nach Jemen und dann vom Jemen 23 Tage zu Fuß unterwegs gewesen nach Saudi Arabien. Ich möchte nicht, dass meine Eltern das erleben. Nie im Leben. Ich möchte, dass sie einen offiziellen Weg hierher finden. Die Männer fühlen sich in der Schuld ihrer Familien und können nicht helfen. Vielleicht der schlimmste Teil ihrer Flucht. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 2 Geschichten aus dem Erstaufnahmelager Eisenberg | Manuskript Im Eisenberger Lager geht der Alltag weiter. 43 Flüchtlinge sollen heute noch nach Suhl. Wieder eine neue Station. Also wir sind schon ein bisschen ein wanderndes Volk geworden, wir Syrer, wir gehen von Ort zu Ort und wir können einfach nicht irgendwo endlich uns zur Ruhe setzen und sagen, dass ist jetzt der Ort an dem ich leben werde. Das ist natürlich sehr schwierig für uns im Moment. Reporterin: Wie lange sind Sie jetzt schon auf der Flucht? Er ist seit zwei Jahren auf der Flucht. Aber keiner klagt. Alles sei besser, als das was war- sagen sie. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 3
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