Syrer im 3-Sterne-Sporthotel

Manuskript
Nahaufnahme
Titel:
Syrer im 3-Sterne-Sporthotel
Untertitel:
Wie Neuschönau mit Asylbewerbern zurechtkommt
Autorin:
Renate Rossberger
Redaktion:
Studio Ostbayern
Sendedatum:
Freitag, 24. April 2015
Sendung:
15:30 Uhr
Seite 1
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O-Ton: Guten Morgen. Alles okay? Ja, passt alles. Also da sind wir jetzt am Frühstückstresen.
8 Uhr früh. Dienstbeginn für Gabi Kubis, Geschäftsführerin der Asylbewerberunterkunft
Neuschönau:
O-Ton Gabi Kubis: Das ist der Herr Baley. Der ist für die Essensausgabe zuständig.
Das liefert uns der Cateringservice. Frühstück verteilen wir selber. Mittagessen und
Abendessen macht der Catering.
O-Ton Peter Baley: So, das wär soweit, da ist Honig, Nougat, Marmelade, verschiedene
Sorten und Butter.
Peter Baley, als Hotelkoch im Bayerischen Wald arbeitslos geworden, bewirtet jetzt
keine Touristen mehr, sondern jeden Tag bis zu 100 Asylbewerber. Das ehemalige 3Sterne-Hotel in Neuschönau ist seit 6 Monaten eine Erstaufnahmeinrichtung für Flüchtlinge:
O-Ton Peter Baley: Mir macht’s Spaß. Mit de Leute umgehen. Ich hab keine Probleme
damit, weil es sind genauso Menschen wie wir, auch wenn’s von einem andern Land
stammen. Aber hilfsbereit sind‘s, was man manchmal von den Deutschen nicht, die
Deutschen sind teilweise faul…lacht.
Und die Asylbewerber?
Gut, die helfen mit. Einer hilft staubsaugen, da ander Tisch abwischen.
Aber um diese Zeit schlafen fast alle noch, in den Stockwerken oben drüber. Nur ein
junger Kosovare trinkt am Tresen einen Kaffee, schaut aus den großen Hotelfenstern in
einen grauen Märztag auf Bayerwald-Wiesen:
O-Ton: Guten Morgen! Wie ist es heute?
O-Ton Kosovare: Ja, es geht, wenn man nach draußen guckt, schneit es. Schlechtes
Wetter, man kann nicht rausgehen, man kann nichts machen, man muss immer drinbleiben.
Wie lang wird der Tag, wenn man nichts zu tun hat?
Er wird sehr, sehr lange. Wenn man telefoniert, mit der Familie oder mit irgendjemandem, dann vergeht der Tag ein bissl schneller.
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Während die Asylbewerber warten, auf die Anhörung, auf Behördentermine, darauf , ob
sie in Deutschland bleiben dürfen, eilt Gabi Kubis durch die ehemaligen Hotel-Flure,
über fleckig gewordene Teppichböden zu ihrer Arbeit:
O-Ton Gabi Kubis: So jetzt müss ma in’s Büro runtergehn. Mein Büro ist unten im Keller, das ist der ehemalige Saunabereich. Aber das ist das, wo wir uns einquartiert haben, weil da ist genug Licht.
Im ehemaligen Sauna-Ruheraum stehen Bürotische, Computer, Fax, Telefon. Gabi
Kubis muss nicht um Gäste werben. Die Hotelzimmer werden auch so immer wieder
neu belegt - aus den überfüllten zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen in Bayern:
O-Ton Gabi Kubis: Heute Morgen hatte ich schon einen Anruf von Deggendorf, dass wir
wieder neue Leute bekommen am Samstag. Und wenn dann Deggendorf voll ist, dann
sind wir diese zusätzliche Stelle, wo die Leute untergebracht werden.
Das passiert auch jede Woche mal, dass gewechselt wird?
Jede Woche nicht. In der Regel alle 2 bis 4 Wochen ist so der Wechsel.
Rückblende. Herbst 2014. Immer mehr Flüchtlinge strömen nach Deutschland, werden
verteilt, auch auf’s Land und auch hierher in den hintersten Winkel des Bayerischen
Waldes. Am 21. Oktober 2014 kommen im Sporthotel Heidelberg die ersten Busse an.
Viele Menschen, viele Sprachen:
O-Ton auf deutsch-englisch: Sie sind schon untersucht? You bring 4 Men, who are
registered, going in the same room.
Das Hotel am Ortsrand steht seit 7 Monaten leer. Die „Heidelberger Druck“, ein großer
Druckmaschinenhersteller, hatte es als Urlaubsdomizil für die Belegschaft geführt, dann
aber aufgegeben. Der Bürgermeister hofft auf einen neuen Hotelinvestor. Er findet, das
Haus sei gut in Schuss und wichtig für den Tourismus im Ort. Jetzt ziehen hier völlig
überraschend 93 Flüchtlinge ein, aus Somalia, Eritrea, Nigeria, aus Afghanistan und
Syrien. Bürgermeister Alfons Schinabeck, CSU-Politiker, gelernter Metzgermeister, hat
das erst 24 Stunden vorher erfahren:
O-Ton Bürgermeister Schinabeck: Es ist extrem überraschend gekommen. Die Regierung ist da sicher in einer Notlage, aber die Informationspolitik, wäre sicher besser gewesen, wenn man mehr miteinander gesprochen hätte. Aber gut, es soll im Vordergrund stehen, die Menschen, dass man denen helfen muss und da werden wir alles
tun, dass ma de unterstützen.
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Es ist die Zeit, wo man weder in Zirndorf noch in München weiß, wohin mit den Flüchtlingen. Die Nigerianer, die jetzt freudestrahlend in das Hotel einziehen, hatten zuletzt im
Keller des Münchner Olympiastadions geschlafen:
O-Ton zwei Nigerianer auf Englisch: “We feel welcome…I don’t really know, how long
we are going to stay here, but…a place of stay ,it will be nice.”
Jetzt also Doppelzimmer, fast alle mit eigenem Bad, und mit den Hotelmöbeln statt den
üblichen Metallstockbetten:
O-Ton Josef Haberstroh: Wenn wirklich mal Platzmangel ist, dann stellt man halt noch
ein 3. Bett dazu. Unterbracht sand’s eigentlich gut, des san die Bäder, wern’s net oft
kriag’n.
Josef Haberstroh, 61 Jahre alt, ist der Mann hinter der neuen Nutzung: Eigentümer
einer LKW-Werkstatt im Raum Ingolstadt, dann Abschleppunternehmer in München,
Porschefahrer, graue halblange Haare. Er hat das Hotel überraschend gekauft, nur
zwei Tage später ziehen die Asylbewerber ein:
O-Ton Gespräch mit Haberstroh: Des do heroben, des war eigentlich a Zufall, dass se
des mit Asylanten so ergeben hat, na hab i g’sagt ok, wenn’s einigermaßen passt,
mach ma des.
Aber warum? Die Leute sagen ja, Glücksritter, kommt in den Bayerischen Wald, reißt
sich was unter den Nagel und vermietet’s dann lukrativ an die Regierung.
Wissen’s wos, erstens sand’s Neider, zwoatens moanan de Leut, der Umsatz is
Gewinn, i woasss net, zahlt da keiner Steuern von denen? Das Haus muss erhalten
werden und es hat net wenig Kosten.
6 Angestellte vom Nachtwächter bis zur Putzfrau, Vollverpflegung der Flüchtlinge,
Strom, Wasser, Heizung und die starke Abnutzung, rechnet der Neu-Unternehmer im
Asyl-Business mir vor. Ich spreche Wochen nach dem turbulenten Erstbezug mit ihm.
Josef Haberstroh, der „Buh-Mann“ für die meisten Neuschönauer, deckt ein paar seiner
Karten auf, zum Beispiel, dass ihn die überfüllte Bayernkaserne in München auf die
Idee gebracht hat und quasi auch Oberbürgermeister Reiter:
O-Ton Haberstroh: I hob des gsehn, wie der Reiter auf d’Nacht de Leut raushat aus
dera Bundeswehrgarage und i hob mit dene Leut von der Sozialeinrichtung geredet. De
ham natürlich g’sagt, des is a Riesengeschäft momentan, also im Endffekt hob i eigentlich gedacht, dass ‚s no besser ist, aber is net so. Und dann hob i des gsehn und hob a
die Kinder g’sehn und dann hob i a gedacht, jetz is wurscht. Und do herunt waren
eigentlich schon eine Menge Hotels und Pensionen frei.
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Wir lang ham sie rumgesucht im Bayerischen Wald?
Mei, 3 Monate schon, weil das lauter Baracken war’n und Baracken wollt ich nicht. Wir
ham Sachen angeschaut, des is Wahnsinn. I mog hoid was, wo ois drin is. Do ist zum
Beispiel de ganze Sicherheitseinrichtung drin, do san de Alarmeinrichtungen drin für’n
Brandschutz, mit Reihenschaltung, de gengan durch’s ganze Haus durch, es is alles
da, und woanders is hoit des net do.
Aber das Hotel war billig?
Ja, kann man eigentlich sagen.
Den genauen Preis nennt er nicht. Verrät er, wie viel ihm die Regierung von Niederbayern jetzt pro Bett und Nacht zahlt?
O-Ton Haberstroh: Nein.
Aber es ist kostendeckend?
Ja, sowieso, draufzahlen tu ich nicht. Aber was heißt Geldgrube, a Geldgrube wird des
nie, weil i waoß genau, wenn des vorbei is, in 2, 3 Jahren, angenommen, dass des
kräftig renoviert werdn muss.
In der 2200-Einwohner-Gemeinde Neuschönau sorgt die neue Unterkunft für eine
brodelnde Gerüchteküche, zum Beispiel im Friseurladen von Mandy Wischke :
O-Ton Mandy Wischke: Erst mal, die hätten wohl alle ein Handy gleich mal so geschenkt bekommen. Dann das Taschengeld, was sie kriegen. Da erzählen welche von
100 Euro bis 700 Euro, und dafür dass sie nix machen müssen. Dann eben auch, keiner weiß so richtig, bleiben die jetzt hier, werden die hier richtig integriert, kommen die
mit an die Schule, kommen die mit in den Kindergarten?
Der Edekaladen mit Bäckerei hat sich dagegen schon auf die ungewohnten Neubürger
eingestellt. Bäckermeister Albert Fenzl führt jetzt auch Windeln. In der Unterkunft leben
einige Familien aus Syrien mit kleinen Kindern:
O-Ton Ladenbesitzer Albert Fenzl und Verkäuferin: Sie kaufen ein, im Rahmen ihrer
Möglichkeiten, sag ich jetzt mal. Sie sind jetzt nicht die Superkunden, meistens Zigaretten, Telefonkarten oder auch Obst oder so. Und die reinkommen, die sind recht
freundlich und umgänglich.
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O-Ton Verkäuferin: Do hand jetzt welche dabei, de redn englisch und da kimma uns wir
scho a bisserl verständigen, weil mir kimma’s ja a weng. Aber einige sind dabei, die
reden arabisch, des kimma mia net, do miass ma uns scho mit de Händ a bisserl helfen.
Erste Annäherungen. Trotzdem fühlen sich die Neuschönauer überfahren:
O-Ton Verkäuferin: Mei, wos sagen wir: so eigentlich nix, i moan, de tun uns nix, aber
es ist halt so eine Nacht-und Nebelaktion g’wen, weil ma mir a nix davon g’wußt ham
und am Anfang is des für uns scho a bisserl g’schockt g’wen. Wir hätten eh nix gesagt,
wenn’s am Anfang 30 gewesen wären, aber dann über 100.
O-Ton Kunde: I han nix gegen die Leute und gar nix, aber das sind einfach sauwa zu
viel, die da sind.
5. November 2014. Die Bürgerversammlung, 200 Neuschönauer drängen sich im Rathaussaal. Der Betreiber der Asyl-Unterkunft bleibt lieber im Hintergrund. Für den Bürgermeister sind Leute wie er ein Ärgernis:
O-Ton Bürgermeister: Vor allem finde halt ich, dass da letztendlich der Staat da die
Hände drauf haben soll. Es soll nicht so eine Goldgräberstimmung aufkommen, dass
man sich da Geld verdienen kann. I glaub, das müsste in staatlichen Händen bleiben,
das wär für mich schon eine Grundaussage.
Auch die Neuschönauer sind sauer. Aber sie erfahren: der Staat ist momentan auf
Privatvermieter wie ihn angewiesen:
O-Ton Mann aus Publikum fragt: Wir kann das angehen, dass der jetzige Besitzer, wie
kann der am Montag das Haus kaufen und am Dienstag sind schon Leute da? Dann,
sie ham das so dargestellt, als ob das Hotelgäste wären. Das ist aber nicht so. Es gibt
ein Urteil. Des VGH, dass Asyleinrichtungen soziale Einrichtungen sind und keine
Hotelbetriebe?
O-Ton Elisabeth Freitag: Hier haben wir einen Beherbergungsvertrag geschlossen, d.h.
wir nutzen das Hotel zu dem Zweck, zu dem’s gebaut und genehmigt ist, nämlich zur
Unterbringung von Leuten, kurzfristig. Es ist für keinen bestimmt, wie lang er da ist. Er
ist halt nur zufällig nicht aus Deutschland oder EU-Bürger, sondern aus weiteren
Ländern.
Oberregierungsrätin Elisabeth Freitag, bei der Regierung von Niederbayern zuständig
für die Asylunterbringung, hat einen schweren Stand vorn auf dem Podium. Sie erzählt
von den Krisengebieten der Welt, von Nigeria, wo der Terror der Boko Haram wütet,
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vom Krieg in Syrien, von den Flüchtlingsströmen über das Mittelmeer nach Europa, die
nicht abreißen:
O-Ton Elisabeth Freitag: Wir befinden uns im Krisenmodus, wir haben in Menschenform einen Tsunami und müssen damit fertig werden. Wir wissen nicht, wie lange diese
Situation anhält, dass so viel auf einmal kommen. Es kann noch Monate dauern, es
kann relativ schnell abflauen.
Die Neuschönauer erfahren: in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben die Flüchtlinge nur
kurz, werden dann verlegt, die Kinder gehen deshalb hier nicht zur Schule. Alle Flüchtlinge werden medizinisch untersucht, sie bringen also keine Krankheiten mit. Sie kriegen 139 Euro Taschengeld im Monat, das sind gerade mal rund 4, 50 Euro am Tag,
ansonsten nur Unterkunft und Verpflegung.
O-Ton Josef Eder I bin 67 Jahre alt, werde schon 68, und wir haben weder englisch
noch sonst was gelernt, aber trotzdem, die sind alle freundlich. Die grüßen, die winken….
Am Ende dreht ein Rentner, der ganz in der Nähe der Unterkunft wohnt, die aggressive
Stimmung im Saal, mit einer kleinen, menschlichen Geschichte. Josef Eder bekam Besuch in seinem Garten:
O-Ton: Der is kemma, hat g’sagt, er ist vom Senegal. Gut, dann hab ich gerade Baam
g’schnitten. Ja, wie erklär ich ihm des? Jetzt war aber des a Kirschbaum. Aiz is ma
eigfoin, i hab an Apfel, jetzt hob ihm an Apfel bracht und so ham ma uns do a Zeit unterhalten und i muass sagen, i find kein Problem da draußen mit die Leut. Applaus
Dezember 2014. Vorweihnachtszeit, auch in der Asylunterkunft. Durch die Hausflure
toben Flüchtlingskinder. Der 26-jährige Safari aus Afghanistan scheucht sie in den
Speiseraum. Er lebt seit 3 Jahren in Deutschland, sein Asylantrag ist anerkannt. Seit
kurzem arbeitet er hier als Hausmeister, hat ein kleines Einzelzimmer:
O-Ton: Das ist mein Zimmer. Ist gut.
Aus dem alten Hotel-Lager hat er sich einen Plastikchristbaum geholt, mit bunten
Kugeln, obwohl er Moslem ist:
O-Ton Safari: Ich liebe so, einfach so. Bei uns ist so, wir haben kein Weihnachten oder
Silvester. Ist schönes Fest.
Safari wird die Stelle kurz danach wieder verlieren, er war zu barsch zu den Flüchtlingen, sagt Josef Haberstroh. In den ersten Wochen wirft Haberstroh auch deutsches
Personal wieder raus. Leute, die glauben, in einer Asylbewerberunterkunft kann man
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sich alles erlauben. Aber vorerst: Vorweihnachtsfriede. Bürgermeister und Gemeinderat
bringen Geschenke für die Flüchtlinge, ein Helferkreis veranstaltet Bastel-und
Plätzchentage:
O-Ton Kerstin Halser: Wobei wir haben uns da schon etwas zurück gehalten, weil ich
denk, des i a wichtig, dass die ihre eigene Kultur bewahren. Und i bin sehr oft gefragt
worden, mach ma a Weihnachtsfeier für die Leute oder Geschenke oder, oder. Und ich
denke, dass man da schon sehr stark aufpassen muss, dass man ihnen da nicht etwas
aufdrückt.
Die Physiotherapeutin Kerstin Halser hat die Homepage „Neuschönau zeigt Herz“ gegründet, wo sich gut ein Dutzend Leute aus dem Dorf ehrenamtlich engagieren. Es gibt
eine Kleiderkammer, Spielstunden für die Kinder und Benimmtipps für’s Dorfleben:
O-Ton Kerstin Halser: Auf was wir dann sehr viel Wert gelegt haben, dass wir besprochen hat, wie geht man bei uns miteinander um, dass man Grüß Gott sagt, wenn man
vorbei geht. Mein Eindruck ist, dass die Menschen schon viel offener jetzt sind und
einfach gemerkt haben, dass es gar nicht so schlimm ist. Und das andere, das war eher
resultierend daraus, weil man ja einfach mit Flüchtlingen in dem Sinne ja bei uns keinerlei Berührungspunkte g‘habt hat. Selbst ein farbiger Mensch war bei uns ja relativ
selten anzutreffen.
O-Ton Deutschkurs: Der Kopf, maskulin, und was ist der Plural davon? Ein Kopf, zwei?
Zwei Köpfe. Genau, zwei Köpfe – öööö, nammoi jeder ööö.
Frühjahr 2015: Zwei Pädagogik-Studentinnen geben Deutschunterricht, einfach und
praxisnah. Die Asylbewerber sollen sich zum Beispiel bei einem Arztbesuch ohne
Dolmetscher verständigen können:
O-Ton Deutschkurs: Ich bin krank, okay, krank, so (hustet) also bitte aufschreiben.
Carmen Viztum und Anna Neumeyer, beide 21 Jahre alt, beide aus Neuschönau,
engagieren sich hier samstags ohne Bezahlung. Unter der Woche studieren beide in
Regensburg und dort, in der Stadt, war es ihnen peinlich, wie anfangs in ihrer Heimat
gegen die Asylbewerber gehetzt wurde:
O-Ton Carmen Viztum: Ich persönlich hab mich ich dafür entschieden, das zu machen,
weil als die Leute hergekommen sind, das war ja total überraschend und vor allem über
Facebook war da so ein großer Shitstorm. Es war einfach, dass sie von manchen Menschen nicht willkommen waren und deshalb hab ich gedacht, irgendjemand muss den
Leuten zeigen, dass es auch Menschen gibt, die helfen wollen.
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O-Ton Anna Neumeyer: Es war wirklich beschämend, wie manche Leute denken. Die
haben einfach pauschal alle Ausländer beschuldigt, unser Geld zu wollen, nach
Deutschland zu kommen und runter zu schnorren. Und Facebook ist wirklich gefährlich.
Jeder drückt nur auf „like“, ohne nachzudenken.
„Bürger stehen auf“ hieß die umstrittene Facebook-Seite, mit der Rechtsradikale im
Landkreis Stimmung gegen die Flüchtlinge machen wollten. Der Landrat erstattet Anzeige wegen Volksverhetzung, die Kripo ermittelt, die Seite schläft bald ein. Genauso
schnell wie in den Städten formiert sich auch hier im hintersten Bayerwald eine Gegenbewegung im Netz: „Da Woid is bunt“ und eben „Neuschönau zeigt Herz“, wo Carmen
und Anna mitmachen. Februar 2015: Die Zahl von Asylbewerbern aus dem Kosovo
steigt bundesweit dramatisch an. Auch in Neuschönau leben jetzt keine Kriegsflüchtlinge mehr sondern vor allem junge Kosovaren. Ich komme in’s Gespräch mit Spätim
Gaschi, 27 Jahre alt. Er war als Kind ein paar Jahre in Deutschland, bevor die Eltern
nach dem Kosovokrieg wieder in die Heimat zurückkehrten:
O-Ton Gespräch mit Spätim: Als ich freiwillig nach Kosovo gegangen bin, hab ich den
Fernseh angeschaut, Deutschland. Ich mag einfach Deutschland, ich kenn die Sprache,
ich weiß, wie es hier ist. Ich will hier ein neues Leben anfangen.
Wie stellen Sie sich das vor? Sie wissen, dass es momentan sehr schwierig ist, Asyl zu
bekommen?
Ja es ist schwierig, weil die Regierung von euch sagen, he, im Kosovo gibt es keinen
Krieg, es ist auch so. Aber ich werde es versuchen, mit aller meiner Kraft.
Und Sie warten. Wie ist es, hier zu warten, in Neuschönau?
Mit ist es hier sehr langweilig. Wenn ich mal spazieren geh, ich seh nur ältere Menschen, keine jüngeren Menschen. Ich als junger Mensch, ich kann hier nicht leben.
Lieber möchte ich nach München gehen, es ist viel besser dort, weil ich da Verwandte
habe. Aber ich muss eben warten, kann man nichts machen
Asylanträge aus dem Kosovo werden fast immer abgelehnt. Deshalb sind die ersten
seiner Landsleute schon freiwillig wieder aus Neuschönau in den Kosovo zurückgekehrt. Im Edekaladen, bei Bäckermeister Albert Fenzl, hat sich die anfangs positive
Stimmung gegenüber den Asylbewerbern gedreht. Familien aus Syrien oder Afghanistan, da hatte man Mitleid, mit den jungen Kosovaren nicht:
O-Ton Ladenbesitzer: Die Kosovaren, die han viel frecher, viel aufdringlicher, net so
ehrlich. Do ham de Syrer mehr Ehre g’habt, also die erste Welle, wo gekommen is. I
han auch hinten so Schilder hingehängt, dass Ladendiebstahl mit Hausverbot geahndet
wird und mit Anzeige, auf Albanisch, keine Selbstbedienung und so weiter und so fort,
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also des han i bei de Syrer net braucht, so i aiz amoi a so. Hallo, waos sogst denn du
zu de Asylanten?
O-Ton Kundin: De passen zu uns net her. Des is amoi z’vui auf’s Land, so vui Leut her
tun. Mia tun’s nix, mia samma weit g‘nua weg, owa i bin net begeistert.
Im Friseurladen, wo anfangs viel geschimpft wurde, redet man dagegen kaum mehr
drüber. „Die gehören jetzt einfach dazu im Dorf.“ sagt die Friseurin. Zeit für einen
Besuch am Stammtisch. So einen gibt’s im Landgasthof Euler:
O-Ton Stammtisch verschiedene Männer: Mia Waidla hamma eh sehr genügsam, mia
arrangier’ma uns o eh mit allem. In da Stadt drin, do glaub i, dass de Probleme sogar
mehr sand, nur m an sehgst net. I glaub a, dass die Flüchtlinge sich anders verhalten
am Land wia in da Stadt, wo’s anonymer is.
Anderer: D‘ Stadtbewohner werden gor net stark umgeh damit, schätz ich jetzt amal.
Die ignorieren’s einfach?
Ja freile, do fallen’s auch net so auf. Wennst heut München anschaust, do host moane
eh scho 50 Prozent Ausländer. Wo soist jetzt do no an Asylbewerber aussa finden?
Anderer: Aber die Kontakte san bei uns a net besser, wennst as segst. Kontakte, in da
Stadt is koa Kontakt vielleicht, owa bei uns, was hot Neuschönau Kontakte mit da draußen? Koan, oder, net viele?
Anderer: Jo, dass auf da Strass, wennst as vorbeigeh‘ segst, dann sagen sie hallo und
do sagst hallo z’ruck und des is ois. Weil verstehn tust du’s ja nicht.
Auch schade, oder?
Ja, mei Deandl zum Beispiel hot se schon mal unterhalten mit oam (lacht).
Anderer: De Syrer, de warn scho na am Tick aufgeschlossener, sag i jetzt amoi, wie
jetzt die Kosovaren. Des sand owa a junge Burschen, des is anders einfach. Unsere
Buben sind a net so wie jetzt eine Familie is.
Was sagen die Urlaubsgäste? Neuschönau, weit entfernt von den Industriezentren, lebt
fast nur vom Tourismus, auch Hotelier Hans Breit, mit dem ich auf einen Cappuccino
zusammensitze. Auch ihm fällt beim Thema Flüchtlinge zunächst die Zeit vor 70 Jahren
ein:
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O-Ton Hans Breit: Wia i in d‘Schul ganga bin früher, mia hamma a sehr viel aus’m
Böhmerwald da g’habt, aus Schlesien und de sand alle aufgenommen worden und
sand zum Großteil dageblieben, verheiratet und ham sich da eingelebt.
Zwischenfrage: Sie finden die Situation damals und heute schon vergleichbar?
Im Prinzip ja. Damals waren’s halt Leute, weil wir den Krieg verloren ham, und heut
sind’s halt Leute, weil wir eine gewisse Pflicht ham, denen weiterzuhelfen. Deutschland
hat auch eine soziale Pflicht.
Diese Pflicht beeinflusst auch sein Geschäft. Sein Hotel „Dreisonnenberg“ liegt nur
einen Katzensprung entfernt von der Unterkunft. Die Asylbewerber suchen oft bei ihm
einen WLAN-Anschluss:
O-Ton Hans Breit: De gengan bei uns vorbei. De kemman dann aamoi und schaun
neugierig zum Fenster eina. Unsere Gäste san dann natürlich erst amoi erst a kleins
bissl aufgeregt, sag ich jetzt amoi. Wenn ma’s owa erklärt, wenn man keine Ängste
schürt unter den Gästen, dann ist es, glaub ich, auch nicht so arg problematisch.
O-Ton Hans Breit: Hallo Grüß Gott…
Ein Urlauberpaar kommt ins Hotelfoyer, Nürnberger:
O-Ton Gäste (Frau und Mann): Ich kann nicht sagen, dass mich Asylanten stören. Vor
allem, es sind Menschen, die Zuflucht suchen. Sie kommen aus Kriegsgebieten und
das alles.
Ich sag amal so: solang die sich anständig benehmen, die ist falsch ausgedrückt,
solang die Menschen sich anständig benehmen, is des in Ordnung.
Elisabeth Thim, die eine Straße weiter Ferienwohnungen vermietet, glaubt, dass es
Gäste nicht immer offen sagen, aber sich vielleicht doch gestört fühlen:
O-Ton Elisabeth Thim: Das ist jetzt die Seite von unserm Haus, wo jeder Gast auf dem
Balkon sitzt oder auf der Terrasse und alles, was sie jetzt da sehen vor uns , ist unser
Grund und für die Gäste gedacht, mit Spielplatz.
Und dort spielen immer mal wieder Flüchtlingskinder:
O-Ton Thim: Des hamma ja scho erlebt, in Gruppen.
Wie ist des abgelaufen?
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Thim: Gar net. Ich hab höflich g’sagt No, Privat und dann ham die sofort den Spielplatz
geräumt. I versteh, dass die Leute da Hilfe brauchen, dass die irgendwo unterkommen
müssen, mir tun die auch leid. Aber auf der anderen Seite hat man investiert und plötzlich, des kann von heut auf morgen, die Gäste buchen halt dann nimmer, aus.
Im Sommer werden die Asylbewerber vielleicht durch ihr Privat-Grundstück zum Badesee von Neuschönau laufen, es ist eine Abkürzung. Sie sei nicht ausländerfeindlich,
versichert die 78-Jährige, sie will nur keine Probleme mit ihren Gästen. Probe aufs
Exempel mit einem jungen Urlauber-Paar, das mit seinen Kindern gerade hier Osterurlaub macht.
O-Ton Begrüßung Urlauberpaar: Hallo!
Das Hotel Heidelberg vorne ist seit einigen Monaten Asylunterkunft. Stört Sie’s?
O-Ton Urlauberpaar: Nein, an sich nicht, man sieht die Leute ja nicht. Wenn die jetzt im
Ort rumlaufen würden in großen Gruppen, dann würd mich das schon stören.
O-Ton Frau: Fänd ich schon unheimlich, wenn dann abends, gerade, weil wir auch
unten ne Wohnung haben, doch.
O-Ton Mann: Ich möchte sie auch nicht bei mir im Ort haben, muss ich einfach zugeben. Es ist immer schwierig für die Leute auch, sie sind traumatisiert, es ist schwierig,
ich seh das auch ein, aber 100 Leute hier in so nem Dorf, ich find das einfach zu viel,
es passt nicht.
Pass t das überhaupt in ein Tourismusgebiet?
Mann: Nein, es passt nicht in ein Tourismusgebiet, man will einfach ausspannen. Man
kriegt so viel im Fernsehen mit. Wenn man schon mal nicht im Kriegsgebiet selber
wohnt und das große Glück hat.
Urlauber und Vermieter, die sich von Flüchtlingen gestört fühlen könnten, das bringt
Josef Haberstroh, den Betreiber der Asylunterkunft, so in Rage, dass er ankündigt,
selber für den Sommer einen Spielplatz zu bauen. Überhaupt ist es ihm wichtig, dass er
„seine“ Asylbewerber gut unterbringt und versorgt:
O-Ton Haberstroh: I kannt scho um einiges mehr Gewinn macha, aber dann hab ich
wahrscheinlich do herinn den gleichen Zirkus wie die anderen Häuser auch. So wie
man in den Wald neischreit, so kommt’s a raus. Und wenn ma zu de Leut großzügig is,
so wie z.B. bei uns, de können den ganzen Tag, Kaffee, Tee, Milch trinken, was sie
wollen, des gibt’s halt woanders net. Des heißt halt, 2 Flaschen Wasser am Tag. Jetzt
wenn i de Leut 2 Flaschen Wasser am Tag gib oder nix G’scheits zum Essen oder i
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leg’s in a Dreckloch nei, dass i do Aufstände hab und Messerstechereien und Schlägereien und d‘ Leut den ganzen Tag in den Ortschaften rum laufen, weil’s ja zum Teil nicht
amal an Aufenthaltsraum ham mit Fernsehen, dann is des scho klar. A die Nachbarn
sog’n, se ham keine Probleme. An was liegt das? Weil halt i sog, leben und leben lassen. Scheiss a paar 1000 Euro ab, aber i hab mei Ruh, i hab mein Frieden do herin.
Aber Frieden hat er nicht, auch wenn er von der Regierung inzwischen einen Zweijahresvertrag also eine deutliche Verlängerung, erhalten hat und sogar noch ein zweites
Hotel in der Region kaufen will, auch als Asylbewerberunterkunft. Bürgermeister Alfons
Schinabeck, der immer gehofft hatte, die Unterkunft sei nur eine kurze Sache für
höchstens 6 Monate, ärgert sich:
O-Ton Alfons Schinabeck: Das muß ma baurechtlich klären, ob die Nutzung geht
überhaupt, dass das so in Ordnung ist. Dass natürlich bei uns im Bayerischen Wald
manche Leerstände san und die genutzt werden, des is a ganz klar. Aber es muss
schon eine gerechte Verteilung geben. Aber mia samma scho relativ stark belastet,
noch dazu als Urlaubsort und i hoff, dass weiterhin relativ ruhig geht und dann werden
wir des ertragen können, aber es ist sicher keine einfache Situation für die Gemeinde
Neuschönau.
Der Ort hat Übernachtungsrückgänge, auch weil das Sporthotel Heidelberg jetzt in der
Tourismusbilanz fehlt. Der Bürgermeister hat dort inzwischen Hausverbot. Er hat sich
komplett überworfen mit Josef Haberstroh. Die Flüchtlinge bekommen von all diesen
Streitigkeiten nichts mit. Gabi Kubis, die Geschäftsführerin, erzählt, dass manche kaum
rausgehen oder sogar ein bisschen Angst haben vorm Dorf:
O-Ton Gabi Kubis: Die Syrer, die sind natürlich schon im Rudel zum Einkaufen gehen,
also schon 10 Leute. Jetzt war das natürlich für die Anwohner auch ne schlimme Situation, ja, alle Frauen mit Kopftücher, um Gottes willen, ja. Aber dass diese Leute, die bei
uns Asyl suchen, genauso viel Angst vor uns haben wie wir vielleicht vor denen hatten,
ich glaub, da hat gar niemand darüber nachgedacht. Und die kommen ja wirklich aus
dem Kriegsgebiet, grad die Syrer, und da waren ganz viel junge Männer mit schweren
Verletzungen, wo man auch gar nicht weiß, was die alles schon durchgemacht haben in
ihrem Leben und wenn man sich da a bissl beschäftigt damit, dann, glaub ich, kriegt
man eine andere Sichtweise darüber.
Gabi Kubis klopft an die Zimmer-Tür eines Mannes aus Syrien, der hier lebt, seit die
Unterkunft vor 6 Monaten eröffnet wurde:
O-Ton: Hallo…bist du schon wach?
Sie versucht, ihm eine gute Nachricht zu erklären. Sein Asylantrag ist genehmigt:
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O-Ton Kubis: Da, Aufenthalt im Bundesgebiet gilt als erlaubt, da steht’s, super, und ich
habe unten Sozialversicherungspapiere für dich, okay.
Er: Okay.
O-Ton Kubis: Das ist also der erste bei uns im Haus, der sich von uns aus gleich eine
Wohnung nehmen darf und auch eine Arbeitserlaubnis hat. Er hat mir auch seine Pläne
verraten. Er möchte gern nach Rostock ziehen, ich glaube, er hat da Bekannte, aber ich
weiß es nicht genau. Rostock ist ja auch ne schöne Gegend. Nicht wie im Bayerischen
Wald, da gibt’s halt viel Berge, aber das liegt an der See, also am Meer.
Hier im ländlichen Bayerischen Wald sieht der junge Rechtsanwalt aus dem syrischen
Aleppo wohl keine Zukunft für sich. Jetzt will er so schnell wie möglich seine Familie
nachholen, aus dem endlosen Krieg ins sichere Deutschland.
– stopp –
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