Volatilität in China erklärt von Matthew Sutherland

07. JANUAR 2016
Hintergründe zur Volatilität in China
Die asiatischen Märkte starteten mit heftigen Kurseinbrüchen ins neue Jahr.
Zwei Mal innerhalb der ersten Januarwoche wurde der Handel an den
chinesischen Börsen gestoppt. Erinnerungen an die Turbulenzen im
vergangenen Sommer kamen hoch. Matthew Sutherland, Leiter
Produktmanagement Asien bei Fidelity, analysiert die Faktoren, die diese
Schwankungen ausgelöst haben und wie wahrscheinlich eine Ansteckung
der übrigen Märkte ist.
DIE BLASE BEI CHINESISCHEN A-AKTIEN VERLIERT WEITER LUFT
Die jüngsten Schwankungen an den chinesischen A-Aktienmärkten in Shanghai und
Shenzhen scheinen die globalen Aktienmärkte anzustecken – obwohl dieser Effekt
eigentlich unbegründet ist. Denn der A-Aktienmarkt ist im Wesentlichen ein chinesischer
Inlandsmarkt, an dem vor allem die Stimmung unter den Privatanlegern und weniger
wirtschaftliche Fundamentaldaten die Richtung vorgeben.
Am chinesischen A-Aktienmarkt hat sich im ersten Halbjahr 2015 eine Blase gebildet, die
vor allem durch die Erwartung auf Kapitalzuflüsse internationaler Anleger im Rahmen
des Stock-Connect-Programms zwischen Hongkong und Shanghai entstand. Wie
Abbildung 1 zeigt, ist letztes Jahr nur ein Teil der Luft aus dieser Blase entwichen.
Abbildung 1: Die Blase in China betrifft nur den Inlandsmarkt (A-Aktienmarkt)
Quelle: Datastream, 07.01.2016
Die Maßnahmen der Regierung zur Kontrolle des Kursverfalls am Markt haben
verhindert, dass die Luft komplett entweichen konnte. Hierzu zählten unter anderem die
direkten Interventionen durch das „National Team“, einem Zusammenschluss von
staatlichen Institutionen. Der CSI 300 Index (der Hauptindex für A-Aktien in China) ist
zwischen August und Dezember sprunghaft um knapp 30% gestiegen. Die beabsichtigte
Abschaffung einer der Stabilisierungsmaßnahmen, nämlich dem Verbot von
Aktienverkäufen für Großanleger, und die massiven Gewinnmitnahmen nach dem 30%igen Kurssprung lösten daraufhin den aktuellen Ausverkauf aus. Am 07. Januar 2016
wurde das Verbot von Aktienverkäufen für Großanleger teilweise gelockert. Sie dürfen
nun alle drei Monate bis zu 1% ihres Bestands verkaufen.
Ende des Jahres wurde die Regel eingeführt, den Aktienhandel für 15 Minuten
auszusetzen, wenn der CSI 300 Index an einem Tag um mehr als 5% steigt oder fällt.
Wenn der Markt danach um weitere 2% fällt (d. h. ein Kursverlust von insgesamt 7% an
einem Tag), wird der Handel für einen ganzen Tag ausgesetzt. Ironischerweise hatte
diese Maßnahme alles andere als einen beruhigenden Effekt. Am vergangenen
Donnerstag (07. Januar 2016) wurden bereits 15 Minuten nach Handelsbeginn die
Obergrenzen für die Aussetzung des Handels erreicht. In der Regel versuchen Anleger
MATTHEW SUTHERLAND ist bei
Fidelity International seit Ende 2012 als
Leiter Produktmanagement - Asien
tätig. In dieser Rolle führt er ein Team
aus Produkt- und Investmentspezialisten in Asien.
Zuvor war er Head of Research für den
Asien-Pazifik-Raum.
bei fallenden Märkten, ihre Positionen schnell zu verkaufen, weil sie Angst haben, dass
der Markt bald für den ganzen Tag geschlossen wird und nicht mehr gehandelt werden
kann. Durch die daraus resultierenden massiven Verkaufsaufträge ist praktisch
vorherbestimmt, dass der Markt auch die nächste Marke überschreitet und dann für den
Rest des Tages nicht mehr gehandelt werden kann. Ein Liquiditätsmangel am AAktienmarkt schwappt häufig auch auf Hongkong über, da Anleger versuchen, ihre
Papiere dort loszuwerden. Zum Glück scheinen die chinesischen Regulierungsbehörden
den Nutzen dieser Obergrenzen inzwischen zu überdenken. So wurde bekanntgegeben,
dass dieser Mechanismus ab Freitag, 08. Januar 2016, ausgesetzt wird.
Es wäre falsch anzunehmen, dass der Kursverfall am chinesischen A-Aktienmarkt von
einer erneuten Schwäche der chinesischen Wirtschaft ausgelöst wurde. Denn das ist
meiner Meinung nach nicht der Fall. Die Kursverdopplung am A-Aktienmarkt im
vergangenen Jahr beruhte schließlich auch nicht auf einem Aufschwung der
chinesischen Wirtschaft. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die Fundamentaldaten
nur eine Talfahrt am Markt auslösen und keine Aufwärtsbewegung.
Aus der Spekulationsblase am A-Aktienmarkt ist die Luft noch nicht vollständig
entwichen, aber dieser Prozess ist zweifellos in Gang. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis
(KGV) der Aktien des CSI 300 Index liegt momentan bei 11,3, wohingegen das KGV für
das Offshore MSCI China-Universum 9,5 beträgt. Bis die KGVs beider Indizes
mindestens gleich notieren, kann die Korrektur kaum als abgeschlossen angesehen
werden. Aus derzeitiger Sicht scheint dies jedoch nicht mehr lange zu dauern.
Die aktuelle wirtschaftliche Lage in China ist nicht so dramatisch. Das Wachstum
verlangsamt sich zwar, kommt aber nicht zum Erliegen. Die Qualität des Wachstums
(stärkere Konsumorientierung) ist weitaus wichtiger als die Quantität. Daher ist eine
langsame Abschwächung der Wachstumsrate kein Anlass zur Sorge. Das Bild der
chinesischen Wirtschaft ist gemischt. Es gibt einige schwache Branchen (produzierendes
Gewerbe) und einige starke Sektoren (Dienstleistungen, Einzelhandel). Der Übergang zu
einer stärker konsumorientierten Wirtschaft schreitet voran und wird durch das
Reformprogramm der Regierung unterstützt. Aber dies ist keinesfalls ein leichter oder
reibungsloser Prozess. Mit einem Volatilitätsanstieg ist durchaus zu rechnen.
DER FAKTOR WÄHRUNG
Die aktuelle Schwäche des Renminbi (der seit Jahresbeginn 1,5% und seit August 2014
um 5,6% gegenüber dem US-Dollar eingebüßt hat) wird ebenfalls als Zeichen einer
zugrunde liegenden wirtschaftlichen Schwäche gedeutet. Ich halte dies jedoch aus
folgenden Gründen für fraglich.
Erstens hat der Renminbi von Anfang 2010 bis Anfang 2015 um 10% gegenüber dem
US-Dollar aufgewertet, sodass die Schwäche von einem relativ hohen Niveau ausgeht.
Zweitens hat der Renminbi seit Anfang 2015 nur 5,8% an Wert verloren, was wohl kaum
ein dramatischer Verlust ist. Drittens ist zu bedenken, dass der Yen 10% und der Euro
20% nachgegeben haben. Warum wird aber die Abwertung dieser beiden Währungen
von Anlegern begrüßt, während die Schwäche des Renminbi Anlass zur Sorge bereitet?
Das ist kaum nachzuvollziehen. Viertens ist für China die Entwicklung des Renminbi
gegenüber einem Korb aus handelsgewichteten Währungen maßgeblich und nicht der
bilaterale Wechselkurs zwischen Renminbi und US-Dollar. Auf dieser handelsgewichteten Basis verzeichnet die chinesische Währung eine Seitwärtsbewegung.
Fünftens hat es China nicht nötig, die Exporttätigkeit anzukurbeln. Das Land verfügt über
einen großen Handelsüberschuss, gleichzeitig ist die Bedeutung von Exporten für die
Wirtschaft im Vergleich zu früher gesunken. Ein weitaus wichtigeres Ziel ist die
Entwicklung des Konsums. Das wird durch eine starke Währung unterstützt, nicht durch
eine schwache. Zu guter Letzt dürften nach der Aufnahme des Renminbi in den SDRKorb des Internationalen Währungsfonds entsprechende Mittelzuflüsse im Laufe der Zeit
zu einer gewissen Unterstützung der chinesischen Währung beitragen.
Eine weitere Abwertung der chinesischen Währung schließe ich folglich nicht aus, aber
ich halte es für unwahrscheinlich, dass sie von der Regierung ganz bewusst
herbeigeführt wird. Die Behörden in China bewegen sich klar in Richtung einer
marktgehandelten Währung. Dennoch werden sie versuchen, die durch spekulativen
Handel verursachten Schwankungen durch Marktinterventionen abzufedern. Abgesehen
von einem möglichen Deflationsexport dürfte eine moderate Schwäche des Renminbi
nicht besonders gefährlich für die chinesische Wirtschaft, die Weltwirtschaft oder den
Markt sein. Deflationäre Tendenzen könnten indes die US-Notenbank veranlassen, den
zweiten Zinsschritt, der die Märkte stützen würde, zu verschieben.
UMGANG MIT DER SITUATION
Unter diesen Umständen sollten Anleger einen kühlen Kopf bewahren und gezielt in
Aktien anlegen, um von der aktuellen Schwäche zu profitieren. Panikverkäufe bieten für
langfristig orientierte Anleger häufig ausgezeichnete Kaufgelegenheiten. Die
Fundamentaldaten haben sich in den letzten zwei Wochen nicht verändert, Aktien haben
sich jedoch deutlich verbilligt. Erfolgreiche Investoren predigen schon lange, dass wir für
eine ansehnliche Rendite antizyklisch handeln müssen, d.h. kaufen, wenn andere
verkaufen und verkaufen, wenn andere kaufen. Anhand einer sorgfältigen Bottom-upAnalyse, wie sie unser 50-köpfiges Analystenteam in Asien durchführt, lassen sich gute
Unternehmen mit solider Geschäftsführung aufspüren, die günstig bewertet sind. In
Asien gibt es rund 17.000 gelistete Unternehmen, mehr als in den USA und Europa
zusammen. Viele dieser Unternehmen sind künftige Gewinner und werden sich
hervorragend entwickeln – unabhängig vom Markt- oder Wirtschaftsumfeld. Ich gehe
davon aus, dass sich speziell in China der Markt für A-Aktien weiter schwach entwickeln
wird. Bei den an der Börse in Hongkong notierten H-Aktien gibt es meines Erachtens
jedoch durchaus Wertpotenzial.
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Stand: Januar 2016. MK8414