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AUSBLICK 2016
Anleihen: Ein Zyklus, der
seinesgleichen sucht
2016 gibt es für uns drei zentrale Themen, die die Richtung an den
weltweiten Anleihemärkten bestimmen werden. Erstens die Zinswende und
der damit verbundene Testfall für eine divergierende Geldpolitik. Zweitens
das von uns erwartete Comeback von Unternehmensanleihen und CarryTrades. Unternehmensanleihen sind einfach zu billig, um sie links liegen zu
lassen. Und drittens die Diversifizierung als einziges Bollwerk gegen hohe
Volatilität und niedrige Liquidität.
2015: EIN GEFÜHL VON ERLEICHTERUNG
Anleiheinvestoren 2015 können mit einer gewissen Erleichterung auf das zu Ende
gehende Jahr zurückblicken. Denn die meisten Anleihesegmente werden das Jahr kaum
verändert bzw. auf leicht höherem Niveau beenden, obwohl es vieles gab, was die
Renditen vom Kurs hätte abbringen können: etwa der Renditesprung bei
Bundesanleihen, die Wachstumssorgen in China, die unerwartete Renminbi-Abwertung,
die erneute Talfahrt der Rohstoffpreise und die Flut schlechter
Unternehmensnachrichten. Wenn man die diversen Störfeuer bedenkt, ist das ein ganz
gutes Ergebnis.
Am stärksten in Erinnerung bleiben dürfte jedoch die Entscheidung der US-Notenbank
(Fed) gegen eine Zinswende; sie hat damit den Staatsanleiherenditen weltweit einen
Anker gesetzt. Anleiheinvestoren machte das erneut deutlich, dass die Währungshüter
schon beim kleinsten Anzeichen einer Markt- oder Konjunkturschwäche lieber auf
Nummer sicher gehen.
2015 war zudem typisch für die Endphase eines Konjunkturzyklus, in der Verschuldung
und Herdentrieb zunahmen, mehr Jobs geschaffen wurden und die Löhne stiegen, die
Zinswende aber seltsamerweise ein ums andere Mal verschoben wurde. Weder war es
ein Jahr für eine breit angelegte Renditejagd noch für dezidierte Durationswetten. Für
Anleger hingegen, die ihre Portfolios breit über das Durations- und Anleihespektrum
diversifiziert hatten, war es ein gutes Jahr. Ihnen kam die negative Korrelation zwischen
Staatsanleiherenditen und Risikoaufschlägen (Spreads) zugute.
NACH DER ZINSWENDE: NAGELPROBE FÜR DIVERGIERENDE GELDPOLITIK
Der Ausblick für Staatsanleihen im kommenden Jahr wird allerdings nicht nur durch die
US-Notenbank Federal Reserve, sondern auch durch die Politik der anderen
Notenbanken bestimmt. Etwas anderes als ein langsames, stetiges Herantasten an eine
„Normalisierung“ des Zinsumfelds ist dabei kaum vorstellbar. Behalten die Märkte Recht,
wäre dies in der Ära der Inflationssteuerung der bis dato langsamste Straffungszyklus.
Das vorsichtige Taktieren der Fed ist sicher ihrem Wunsch geschuldet, alles zu
vermeiden, was die Erholung gefährden und deflationären Tendenzen Vorschub leisten
könnte. Die Kehrseite der Medaille: Amerikas Währungshütern könnte es an Mitteln
fehlen, um die Wirtschaft vor einem Rückfall in die Rezession zu bewahren.
Rund um den Globus müssen die politischen Entscheidungsträger mit deutlich
geringerem Wachstum und Preisauftrieb zurechtkommen als in früheren Konjunkturzyklen. Viele in der Vergangenheit nützliche Wirtschaftsmodelle haben inzwischen
weitgehend ausgedient. Niedrige Inflation und schwächeres Trendwachstum sind die
Achillesferse der Zentralbanken – insbesondere wenn sie mit hoher Staatsverschuldung,
demografischem Wandel und nachlassender Produktivität einhergehen.
Andrew Wells ist der bei Fidelity
International für Anleihen zuständige
Global Chief Investment Officer.
Ein zentrales Problem für die Fed besteht darin, dass es ihr trotz passabler
Binnenkonjunktur aufgrund der negativen Entwicklungen im Ausland schwerfallen
könnte, die Zinszügel anzuziehen. Schwaches Wachstum und inflationsdämpfende
Tendenzen dürften dagegen in Japan und der Eurozone die Weichen für weitere
Stimulusmaßnahmen im nächsten Jahr stellen. Hiervon könnte neuerlicher
Aufwertungsdruck auf den Dollar ausgehen mit strafferen Finanzierungsbedingungen in
den USA als Folge - keine guten Voraussetzungen für einen länger anhaltenden
Straffungszyklus. Letztendlich aber kann die Geldpolitik in den großen Volkswirtschaften
nicht unbegrenzt auseinanderdriften. Der Übergang zu einem normaleren Zinsumfeld
könnte daher eine bessere Abstimmung zwischen den großen Zentralbanken erforderlich
machen.
Für die Eurozone deutet sich unseres Erachtens eine Entwicklung im Stile Japans an.
Unternehmensverschuldung und Abhängigkeit der Wirtschaft von Investitionen dürften
zwar nicht an das Niveau in Japan in den 1990er Jahren heranreichen. Aber
demografische Trends und der Reformstau stellen die Euro-Länder vor ähnlich große
Probleme. Der davon auf lange Sicht ausgehende Gegenwind schränkt im
Zusammenwirken mit niedriger Inflation den Handlungsspielraum der Europäischen
Zentralbank (EZB) enorm ein.
Im nächsten Jahr ist unseres Erachtens mit neuerlichen Lockerungsmaßnahmen der
EZB wie zusätzlicher Senkung des Einlagezinses und Verlängerung ihres quantitativen
Lockerungsprogramms über September 2016 hinaus zu rechnen. Das wird auch an der
Politik der Zentralbank in anderen europäischen Ländern, z.B. in Skandinavien, nicht
spurlos vorübergehen. Parallel dazu sind in Japan ebenfalls weitere
Stimulusmaßnahmen wahrscheinlich, um den Unternehmen angesichts hartnäckig
niedriger Inflation und schleppendem Wachstums mehr Anreize für Investitionen zu
bieten.
Alles in allem wird die Geldpolitik wohl auch 2016 locker bleiben und sich die Ausweitung
der Zentralbankbilanzen fortsetzen. Für die Anleihemärkte wären das äußerst günstige
Rahmenbedingungen, bleibt doch die Rücknahme der quantitativen Lockerungen nur
eine vage Möglichkeit. Wir halten es sogar für gänzlich unwahrscheinlich, dass die
Zentralbanken ihre Staatsanleihebestände verkaufen. Dabei ist ein normaleres
Zinsumfeld zwar ein erklärtes Ziel der Fed, das sie im Alleingang aber nicht erreichen
wird. Das ist beruhigend für Anleger, denen die Duration oder die Flucht aus
Festzinsanlagen Sorgen bereitet.
COMEBACK VON CARRY-STRATEGIEN UND UNTERNEHMENSANLEIHEN: ZU
BILLIG, UM SIE LINKS LIEGEN ZU LASSEN
Unternehmensanleihen steht 2016 aus unserer Sicht ein starkes Jahr bevor. So dürften
ihre Risikoaufschläge schrumpfen, während die Weltwirtschaft in die Schlussphase des
aktuellen Konjunkturzyklus eintritt. In diesem Jahr haben sich die Rahmenbedingungen
für Unternehmensanleihen gerade in den USA erneut verschlechtert. Die damit
einhergehenden weiteren Spreads und günstigen Bewertungen eröffnen Anlegern aber
auch interessante Chancen. Tatsächlich tendieren die Spreads in allen Anlageklassen
gegenwärtig unweit ihres 3-Jahreshochs. Der daraus resultierende positive Ausblick gilt
für das gesamte Kreditspektrum: Investment-Grade-, Hochzins- und EM-Anleihen - alle
sind reif für eine Erholung.
Unsere Erwartung stützt sich auf das günstige Zinsumfeld und die entgegenkommende
Politik der Zentralbanken, angeführt von der EZB und der Bank von Japan (BoJ). Das
dürfte eine Fortsetzung der günstigen Refinanzierungsbedingungen, hohen
Zinsdeckungsquoten und niedrigen Ausfallraten begünstigen. Der drohende Zinsanstieg
in den USA könnte manchen Anleger erneut vorsichtig werden lassen. Allerdings sind die
Risikoaufschläge heute deutlich höher als zu Beginn früherer Straffungszyklen. Den
Kreditmärkten verschafft das ein komfortables Polster, um die Folgen der in Amerika
langsam steigenden Zinsen abzufedern.
Was die absoluten Renditen angeht, favorisieren wir im Segment der
Unternehmensanleihen Hochzins- vor Investment-Grade-Anleihen. Im Bereich der
Schwellenländeranleihen sehen wir Aufwärtspotenzial für Lokalwährungspapiere. Die
hohen Wechselkursschwankungen in den Schwellenländern werden wohl anhalten. Eine
Erholung ist unseres Erachtens eher in der zweiten Jahreshälfte wahrscheinlich. Solange
dürfte es nämlich dauern, bis Anleger den attraktiven Carry und die vermehrten
Anzeichen eines stabileren und ausgewogeneren Wachstums in der Region zur Kenntnis
nehmen. Auch Hybridanleihen, d.h. Schuldverschreibungen mit aktienähnlichen
Merkmalen, gehören 2016 zu unseren Favoriten. Gründe sind ihr Carry und Potenzial für
engere Spreads, denn das Interesse der Anleger an dieser neuen und wachsenden
Anlageklasse nimmt zu.
Was die einzelnen Anlageregionen anbelangt, so haben sich in diesem Jahr vor allem
die Fundamentaldaten für US-Unternehmensanleihen verschlechtert. Sorgen um
einzelne Emittenten im Energiesektor und allgemeine technische Faktoren dürften jedoch
größeren Anteil an der schwachen Marktentwicklung gehabt haben. Nun, da die
amerikanische Wirtschaft in die Endphase des aktuellen Konjunkturzyklus eintritt, gehen
wir von nachlassender Emissionstätigkeit und einer moderateren Neuverschuldung der
Unternehmen aus. 2015 war ein volatiles Jahr für Aktien. Aber auch wenn von Fusionen
und Übernahmen sowie Aktienrückkäufen weiterhin eine Gefahr für den Markt ausgeht,
dürfte die fragile Stimmung dem zuletzt ungewöhnlich starken Herdentrieb im nächsten
Jahr einen Dämpfer versetzen. Die diesjährige Schwäche an den Märkten für
Unternehmensanleihen hat allenfalls dazu beigetragen, den Zyklus zu verlängern.
Im Unterschied zu US-Unternehmensanleihen, deren Ausblick erheblich von den
Bewertungen abhängt, sind ihre Pendants in Europa günstiger positioniert. Das hat vor
allem mit den ausgewogeneren Treibern, insbesondere im Hochzinsbereich, zu tun. Eine
unverändert entgegenkommende EZB und das insgesamt bessere Umfeld für
Unternehmensanleihen dürften diese Anlageklasse für Anleger interessant machen. Wir
sollten auch nicht vergessen, dass europäische Unternehmensanleihen ein sicherer
Hafen sind und bleiben, denn sie hinken dem Kreditzyklus in den USA hinterher – woran
sich wohl auch 2016 nichts ändern wird.
Was im kommenden Jahr jedoch zweifellos am meisten für Unternehmensanleihen
spricht, ist ihre gute Ausgangslage verglichen mit anderen Risikoanlagen wie Aktien. Aus
Erfahrung wissen wir, dass sich mit Unternehmensanleihen das Risiko
wachstumslastiger Portfolios reduzieren lässt. Mit Hochzinsanleihen können Anleger von
der Endphase des Zyklus profitieren, indem sie sich den attraktiven Carry zunutze
machen und sich zugleich besser gegen Verluste wappnen. Der laufende Zyklus dürfte in
dieser Hinsicht keine Ausnahme sein. Natürlich ist es immer schwierig, den richtigen
Zeitpunkt im Konjunkturzyklus zu erwischen. Aber die in diesem Jahr schwächelnden
Unternehmensanleihemärkte haben umsichtigen, spätzyklischen Multi-Asset-Anlegern
attraktive Gelegenheiten für einen Einstieg geboten.
DIVERSIFIZIERUNG – BEI HOHER VOLATILITÄT UND NIEDRIGER LIQUIDITÄT
WICHTIGER DENN JE
2016 schickt sich an, ein starkes Jahr für Unternehmensanleihen zu werden. Für Anleger
ist es dennoch wichtig, bei ihren taktischen Engagements auf eine möglichst breite
Risikostreuung zu achten. Die günstigen Bewertungen rechtfertigen zwar eine stärkere
Allokation in dieser Anlageklasse – aber nur über einen breiten Anlagen-Mix. Hochzins-,
Schwellenländer- und Hybridanleihen: Sie dürften sich alle gut entwickeln. Speziell bei
Schwellenländeranleihen sollte sich ein stärkeres, auch Lokalwährungsanleihen
umfassendes Engagement lohnen.
Ultraniedrige Zinsen lassen Anlegern keine Wahl: Wollen sie Renditen erzielen, müssen
sie höhere Risiken eingehen. Das muss aber nicht auf Unternehmensanleihen
beschränkt sein, sondern kann auch den offensiveren Einsatz von Duration, Währungen
und aktivem Management beinhalten. Gerade über die Zinsduration und ein USDEngagement können sich Anleger vor Extremereignissen mit negativen Folgen für
Unternehmensanleihen schützen. Aktives Management bereichert Portfolios um ein völlig
neues, diversifizierbares Risiko.
Das sich dem Ende zuneigende Jahr hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig das Festhalten
an einer moderaten Duration ist. Anleger sollten daher als Ausgleich für ihr Engagement
an den Kreditmärkten eine gewisse Durationsposition aufrechterhalten, selbst wenn die
Staatsanleiherenditen 2016 etwas steigen sollten. Vor allem aber raten wir Anlegern, sich
nicht von der Zusammensetzung eines Index beeinflussen zu lassen. Stattdessen sollten
sie verschiedene Durationsquellen kombinieren, um so von den feinen Unterschieden im
Wirtschaftszyklus zu profitieren. Auch Währungen eignen sich zur Diversifizierung,
insbesondere für Anleger, die sich weiteren quantitativen Lockerungen auf ihren
Heimatmärkten gegenübersehen und nach höherer Rendite suchen. Neben den
Vorteilen aus Carry-Trades, über die sich unterschiedliche Zinsniveaus zwischen
Währungsräumen ausnutzen lassen, können sich Anleger über USD-Positionen gegen
Kreditrisiken in Extremsituation absichern.
Zu guter Letzt stellt auch die Liquidität Anleger vor ein Problem, das nicht so leicht zu
lösen ist. Sie müssen daher ihre Erwartungen immer wieder den herrschenden
Bedingungen anpassen und ihre Vermögensanlagen unter Berücksichtigung ihres
Liquiditäts- und Cashflow-Bedarfs breit über die verschiedenen Anlageklassen streuen.
Die Krux dabei: Die attraktivsten Anlageklassen sind in der Regel auch die am wenigsten
liquiden. Damit verbietet sich eine taktische Allokation in Anlageklassen wie Hochzinsund Schwellenländeranleihen. Anlageentscheidungen, die das Marktrisiko (Beta)
betreffen, sollten Anleger daher am besten über liquidere Vermögenswerte umsetzen.
Fest steht, dass der aktuelle Wirtschafts- und Marktzyklus seinesgleichen sucht. Denn
während sich die Wirtschaft erholt und die Kurse von Risikoanlagen steigen, lässt die
nächste Phase des Zinszyklus weiter auf sich warten. Am Übergang in die Schlussphase
des laufenden Wirtschaftszyklus rechnen wir jedoch mit starken Renditen im gesamten
Spektrum der Unternehmensanleihen. Denn die Bewertungen sind einfach zu
verlockend, um sie zu ignorieren – insbesondere vor dem Hintergrund der weiterhin
starken Unterstützung durch die Zentralbanken.
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Stand: Dezember 2015. MK8348