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Die Strafbarkeit juristischer Personen in Spanien
1. Gesetzliche Grundlage
Im Gegensatz zur Situation in Deutschland können Unternehmen in Spanien
strafrechtlich belangt werden. Bereits im Jahr 2010 hat das spanische Parlament im
Kampf
gegen
Wirtschaftskriminalität
die
Strafbarkeit
juristischer
Personen
im
spanischen Strafgesetzbuch (código penal) festgeschrieben und im Frühjahr 2015
nochmals reformiert. Diese Änderungen traten am 1. Juli in Kraft; die folgenden
Ausführungen beziehen sich auf die seitdem herrschende Rechtslage.
2. Grundlage der Strafbarkeit
Die Grundlage für die Strafbarkeit einer juristischen Person bildet eine Straftat einer
natürlichen Person, die sie sich zurechnen lassen muss. Dabei sind zwei Fallgruppen
zu unterscheiden:
a) Der Täter
Zum
einen
haftet
das
Unternehmen
für
seine
gesetzlichen
Vertreter
(z.B.
Geschäftsführer), für diejenigen, die Entscheidungen für das Unternehmen treffen,
sowie
für
diejenigen,
die
Leitungs-
und
Aufsichtsfunktionen
innerhalb
des
Unternehmens ausüben. Dabei ist es egal, ob die Straftat von einem Individuum oder
einem Gremium begangen wurde. Sie muss lediglich im Namen bzw. auf Rechnung des
Unternehmens sowie (direkt oder indirekt) zu dessen Vorteil verübt worden sein. 1
Zum anderen kann das Verhalten eines jeden Mitarbeiters den Anknüpfungspunkt für
die Strafbarkeit bilden, wenn die Straftat durch eine schwerwiegende Verletzung der
Aufsichts- und Kontrollpflichten der oben genannten Personen ermöglicht wurde und
bei der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit begangen wurde (also nicht nur bei
Gelegenheit). Auch in diesem Fall muss sie auf Rechnung des Unternehmens und zu
dessen Vorteil verübt worden sein.2
Zur Strafbarkeit der juristischen Person ist es allerdings nicht erforderlich, dass die
konkrete natürliche Person, die das Delikt begangen hat, identifiziert werden kann,
solange feststeht, dass sie zu einer der beiden genannten Gruppen gehört. 3 Weiterhin
bleiben auch die Schuld oder Strafbarkeit ausschließende Gründe, die bei der
natürlichen Person vorliegen, ohne Bedeutung für die Strafbarkeit der juristischen
Person.4
1
Art. 31 bis.1.a) CP
2
Art. 31 bis.1.b) CP
3
Art. 31 ter.1 CP
4
Art. 31 ter.2 CP
1
b) Die Tat
Juristische Personen müssen sich lediglich für diejenigen Delikte verantworten, bei
denen dies explizit vorgesehen ist.5 Die Liste dieser Straftaten führt von Betrug und
Geldwäsche
über
Insolvenzstraftaten
bestimmten
Umweltdelikten
und
und
Wettbewerbswidrigkeiten
Steuerbetrug.
Damit
sind
bis
alle
hin
zu
klassischen
Wirtschaftsstraftaten erfasst.
3. Konsequenzen
Hat sich eine juristische Person strafbar gemacht, so drohen empfindliche Sanktionen,
die vom Verhängen einer Geldstrafe bis zur Auflösung der juristischen Person reichen
können. Unter anderem kann die Ausübung bestimmter Tätigkeiten zeitweise oder
dauerhaft untersagt werden, Betriebsstätten oder Niederlassungen für bis zu fünf Jahre
geschlossen
werden
oder
ein
auf
maximal
fünf
Jahre
befristetes
generelles
Betätigungsverbot ausgesprochen werden. Sofern dies zum Schutz der Gläubiger oder
der Arbeitnehmer erforderlich ist, kann die Justiz direkt in die Geschäftsführung des
Unternehmens eingreifen. Zudem kann das straffällige Unternehmen für maximal 15
Jahre von der Ausschreibung öffentlicher Aufträge sowie vom Erhalt staatlicher
Subventionen und Vergünstigungen ausgeschlossen werden.6
Auch die wirtschaftlichen Konsequenzen eines Strafverfahren dürfen nicht unterschätzt
werden: Durch eine Verurteilung erleidet das betreffende Unternehmen einen
Ansehensverlust, der sich insbesondere in einem Vertrauensverlust bei Kunden und
Lieferanten niederschlagen kann. Zumindest bei börsennotierten Unternehmen besteht
das Risiko fallender Aktienpreise. Auch Banken stufen die Kreditwürdigkeit von
straffällig gewordenen Unternehmen herab, was die Finanzierung erschwert.
4. Vermeidung der Strafbarkeit
Gegen die Risiken eines Strafprozesses und die Folgen einer eventuellen Verurteilung
können sich in Spanien tätige Unternehmen jedoch bereits im Vorfeld absichern: Unter
gewissen Bedingungen sieht das spanische Strafgesetzbuch einen Ausschluss der
Strafbarkeit für juristische Personen vor.
a) Compliance-Richtlinien
Im Wesentlichen basiert dieser Ausschluss der Strafbarkeit darauf, dass das
geschäftsführende Organ (ein oder mehrere Geschäftsführer oder der Verwaltungsrat)
Organisations- und Führungsrichtlinien beschlossen und umgesetzt hat, die geeignet
sind,
der
Begehung
von
Delikten
vorzubeugen,
indem
sie
Aufsichts-
und
Kontrollmaßnahmen vorschreiben (die sog. Compliance-Richtlinien).7 Die Richtlinien
müssen im Einzelnen folgenden Ansprüchen genügen:
5
Art. 31 bis.1 CP
6
vgl. Maßnahmenkatalog in Art. 33.7 CP
7
Art. 31 bis.2.1.ª CP
2
 Es muss klar benannt werden, im Rahmen welcher Tätigkeiten es zur Begehung der
Delikte kommen kann, denen vorgebeugt werden soll.8
 Es müssen Verfahrensabläufe zur Willensbildung sowie zur Beschlussfassung und
zu deren Umsetzung innerhalb des Unternehmens festgelegt werden. 9
 Es müssen Richtlinien zum Umgang mit finanziellen Mitteln erlassen werden.10
 Zur Überwachung der Effektivität und der Einhaltung der Richtlinien muss ein
eigenständiges Organ eingerichtet werden, das über selbstständige Initiativ- und
Kontrollrechte verfügt.11 In kleineren Unternehmen kann diese Funktion auch
stattdessen vom geschäftsführenden Organ wahrgenommen werden. 12 Als kleineres
Unternehmen gelten Unternehmen mit Aktivwerten unter 11.400.000,00 €, einem
Umsatz von unter 22.800.000,00 € oder weniger als 250 Arbeitern, wobei
mindestens zwei dieser Bedingungen zutreffen müssen.13
 Es muss (allen Mitarbeitern) die Verpflichtung auferlegt werden, dieses Organ über
mögliche Risiken oder Regelverstöße zu informieren. 14
 Es muss ein angemessenes System zur Sanktionierung der Verletzung der
Richtlinien vorgesehen werden.15
 Es muss eine regelmäßige Überprüfung der Richtlinien vorgesehen werden, die
gegebenenfalls zu ihrer Veränderung führen kann und auf jeden Fall bei der
Aufdeckung schwerwiegender Zuwiderhandlungen sowie bei Änderungen der
Organisations-
oder
Kontrollstruktur
des
Unternehmens
oder
der
unternehmerischen Tätigkeit stattfindet.16
b) Weitere Voraussetzungen
Um zu einem Ausschluss der Strafbarkeit zu gelangen, ist ferner erforderlich, dass die
Straftat unter mutwilliger Unterlaufung der erlassenen Richtlinien begangen wurde17
und nicht auf die fehlende oder mangelhafte Ausübung des Aufsichts- und
Kontrollfunkton des in den Richtlinien genannten Organs zurückzuführen ist 18.
5. Strafmilderungsgründe
Sollte es bereits zur Strafbarkeit gekommen sein, weil das Unternehmen zum Zeitpunkt
der Begehung des Delikts keine (den obigen Anforderungen genügenden) Compliance-
8
Art. 31 bis.5.1.ª CP
9
Art. 31 bis.5.2.ª CP
10
Art. 31 bis.5.3.ª CP
11
Art. 31 bis.2.2.ª CP
12
Art. 31 bis.3 CP
13
Art. 258.1 LSC
14
Art. 31 bis.5.4.ª CP
15
Art. 31 bis.5.5.ª CP
16
Art. 31 bis.5.6.ª CP
17
Art. 31 bis.2.3.ª CP
18
Art. 31 bis.2.4.ª CP
3
Richtlinien hatte, so ist lediglich eine Milderung der Strafe möglich. Folgende
Umstände19 können hierbei berücksichtigt werden:
 Das Unternehmen zeigt die Straftat bei der zuständigen Behörde an, bevor es von
Ermittlungen Kenntnis hat.
 Das Unternehmen beteiligt sich an der Aufarbeitung, indem es neue und für die
Aufklärung der Straftat entscheidende Beweise beibringt.
 Das Unternehmen macht den entstandenen Schaden wieder gut.
 Das Unternehmen gibt sich bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung
Compliance-Richtlinien.
All diese Handlungen müssen von den gesetzlichen Vertretern des Unternehmens
vollzogen werden.
Madrid, 15. Juli 2015
Philipp von Wolffersdorff
19
Art. 31 quater.1.a-d CP
4