Pflichtübung aus Strafund Strafprozessrecht Univ.- Ass. Mag. Martin Stricker MP Fall Der Bürgermeister (B) einer kleinen Gemeinde (ca. 1000 Einwohner) möchte seinen Bürgern ein Freibad als neue Attraktion bieten. Nach den erforderlichen Rücksprachen mit dem Gemeinderat kommt es zur Ausschreibung zwecks Vergabe dieses Bauauftrags. Von der Ausschreibung erfahren auch der Geschäftsführer der Flott-Bau GmbH (F), der Prokurist der Fix-und-Fertig-Bau GmbH (P) und der Geschäftsführer der Ruck-Zuck-Bau GmbH (R). Es handelt sich um die einzigen österreichischen Firmen, die realistischerweise für einen solchen Auftrag in Frage kommen. Wie immer bei solchen Gelegenheiten setzen sich F, P und R zusammen, um die Legung ihrer Angebote abzusprechen. Denn obwohl es sich um getrennte Firmen handelt, teilt man sich den Markt auf. Da bei den letzten Ausschreibungen F und P zum Zug kamen, sollen die Angebote diesmal so gestaltet werden, dass R als günstigster Anbieter erscheint. Daher soll R ein (freilich immer noch überhöhtes – man will schließlich gut verdienen) Angebot legen, F und P werden dieselben Leistungen noch teurer anbieten. Die drei sind sich einig, dass diese Vorgehensweise – wie auch in den letzten Ausschreibungsfällen – klappen und der R den Zuschlag erhalten wird. Wie bei diesem Gespräch vereinbart legen F, P und R ihre Angebote. Folgendes konnten sie freilich nicht wissen: Gleich zu Beginn der Ausschreibungsfrist hat ein ausländischer Bauunternehmer (A) den Bürgermeister B inoffiziell kontaktiert und dabei durchblicken lassen, dass er die Villa des Bürgermeisters kostenlos generalsanieren würde, falls er den Zuschlag für den Bau des Freibades erhielte. Allerdings müsste A dann bei seinem Angebot in der Preiskalkulation etwas höher gehen, weil die Sanierungskosten (ca 100.000 Euro) irgendwo untergebracht werden müssten. Nach einer längeren Überlegung stimmt B zu: Sollte A ein Angebot im Verfahren legen, so werde B ihm den Zuschlag erteilen. Im Gegenzug soll A die Bürgermeister-Villa sanieren. Dass die Leistung des A überteuert ist, mache nichts, es sei schließlich das Geld der Gemeinde und nicht das Privatvermögen des B, das zur Bezahlung des Bauauftrages verwendet werde. Auf der Basis dieser inoffiziellen Vorvereinbarung legt auch A ein Angebot. Wie versprochen erteilt B als Vertreter der Gemeinde den Zuschlag an A. MP Fall - Lösung Strafbarkeit des B Kein § 302, weil Privatwirtschaftsverwaltung § 153 Abs 1: Missbrauch der Vollmacht (Gemeindevertretung) bei Zuschlagserteilung – Sanierung der Villa verteuert Auftrag für Gemeinde Vermögensschädigung; Wissentlichkeit § 153 Abs 2 2.F: mehr als 50.000 Euro Schaden § 313: Bürgermeister = Beamter; Tat unter Ausnützung dieser Stellung § 304 Abs 1: Vorteil (Sanierung) für konkrete (pflichtwidrige) Handlung (Zuschlag); Abs 2 2. Fall: Vorteil mehr als 3.000 Euro Strafbarkeit des A Kein § 313, weil A nicht Beamter ist §§ 12.2F, 14, 153 Abs 1 und Abs 2 2. Fall § 307 Abs 2 2. Fall Strafbarkeit des R § 168b: Legt Angebot im Vergabeverfahren beruhend auf rechtswidriger Absprache mit F und P §§ 15, 146? Nach Jud: ja, Gemeinde sollte über freien Wettbewerb getäuscht und zur Annahme des teureren Angebots gebracht werden, Schaden wäre Differenz zum hypothetischen Preis bei freiem Wettbewerb gewesen; dann wohl auch §§ 15, 147 Abs 3 (jedenfalls Abs 2); nach aA: kein § 146 möglich, weil Täuschung nicht kausal wäre und kein Schaden vorläge, wenn kein billigeres Angebot gleicher Qualität gemacht wurde; dann nur strafbar nach § 168b MP Fall Dem Gemeinderatsmitglied G kommt das Angebot des A aber ziemlich teuer vor, und er vermutet irgendwelche Machenschaften des B. Als ihm von politischen Gegnern des B zugetragen wird, dass es eine Absprache zwischen A und B gebe, und dann auch noch die Sanierung von Bs Villa durch A beginnt, sieht G seine Vermutungen bestätigt. G erstattet höchstpersönlich Strafanzeige beim zuständigen Staatsanwalt. Da dem G das Strafverfahren zu lange dauert, beschließt er schließlich, selbst zu handeln, um den B für immer aus dem Verkehr zu ziehen. Er kauft eine Praline, in die er etwas Gift injiziert. Sodann klebt er sie auf eine Grußkarte, auf der sich der Schriftzug „für eine Naschkatze" findet, steckt die Karte auf die Windschutzscheibe des Autos von B und geht weg. An diesem Tag hat sich allerdings die neunzehnjährige Tochter des B (T) dessen Auto geliehen. Als sie die Karte mit der Praline sieht, glaubt sie an eine Überraschung eines ihrer Verehrer und verzehrt die Praline mit Begeisterung. Kurz darauf bricht sie zusammen. Als sie von Passanten gefunden wird, ist sie bereits tot. Das hat G freilich nicht gewollt. Prüfen Sie die Strafbarkeit von A, B, R und G! MP Fall- Lösung Strafbarkeit des G §§ 15, 75 an B: hinsichtlich B Vorsatz gegeben; da G nicht vor Ort anwesend, wirkt sich Opferwechsel als aberratio ictus aus (kein unbeachtlicher error in persona) § 80 an T MP Fall Im Verfahren wegen der Tötung der T findet die Kripo neben den DNA-Spuren der Toten auch fremde DNA auf der Karte. Durch einen Abgleich dieser Spuren mit DNA-Material der Gemeindebewohner könnte sich die Identität des Täters klären lassen. Es sollen daher alle im Alter von über 10 Jahren zum DNA-Test erscheinen. Das sind etwa zwei Drittel der Gemeindebevölkerung. II. Beurteilen Sie diese Vorgehensweise aus strafprozessualer Sicht! Einige Bewohner empfinden es als empörend, unter einen Generalmordverdacht gestellt zu werden, und verweigern die Abgabe einer DNA-Probe. III. Dürfen sie zur Abgabe gezwungen werden? Unabhängig davon: Wenn sie dazu gezwungen werden, steht ihnen ein Rechtsmittel dagegen offen? Wenn ja, welches? MP Fall- Lösung Massentest als Reihenuntersuchung nach § 123 Abs 2 iVm § 123 Abs 1 Z 1 denkbar mit nachfolgender DNA-Analyse nach § 124, Aufklärung eines Verbrechens, aber kein durch bestimmte Merkmale ausreichend individualisierter Personenkreis, unzulässig Zwang zur Reihenuntersuchung: unzulässig, weil Zwang zur körperlichen Untersuchung nur gegen den Beschuldigten gesetzlich vorgesehen ist (§ 123 Abs 4) es gibt aber gerade noch keinen Beschuldigten Rechtsmittel: Einspruch nach § 106 gegen Handeln des StA und der KriPO; bei gerichtlicher Bewilligung der Untersuchung Beschwerde nach § 87. MP Fall Nach einigen weiteren Erhebungen wird G als Verdächtiger ermittelt und schließlich wegen Mordes angeklagt. Die Hauptverhandlung zieht sich so sehr in die Länge, dass ein Geschworener sogar einschläft. Letztendlich wird G wegen vollendeten vorsätzlichen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Welche Rechtsmittelmöglichkeiten hat G mit welcher Begründung? Im Strafverfahren gegen A, B und R sollen Informationen erhoben werden, die die verschiedenen Absprachen beweisen. Zu diesem Zweck sollen beispielsweise die Telefondaten der Handys ausgewertet werden. Durch Auswertung der Ruflisten, die auf den Handys und SIM-Karten gespeichert sind, will die Kripo feststellen, ob es öfters zu telefonischen Kontakten kam. Welche Staatsanwaltschaft ist für das Ermittlungsverfahren zuständig? Durch welche strafprozessuale Maßnahme kommen die Strafverfolgungsbehörden in den Besitz der Handys? Dürfen die Ruflisten am Handy angesehen und ausgewertet werden? Wenn ja, auf welcher rechtlichen Basis? Dürfen die Ermittler dabei auch gleich noch die Mailbox abhören? MP Fall- Lösung § 345 Abs 1 Z 1 StPO; Rügepflicht! WKStA nach § 20a Abs 1 Z 5 Sicherstellung nach §§ 109 Z 1 lit a iVm § 110 Abs 1 Z 1: grundsätzl staatsanwaltschaftl Anordnung nötig Sicherstellung deckt Auswertung der Daten am Handy; Abrufen der Mailbox: von Sicherstellung nicht gedeckt, weil Eingriff in das Fernmeldegeheimnis; dazu bräuchte es Bewilligung und Anordnung einer Überwachung von Nachrichten (§§ 135, 137) MP Fall A hat eine neue Einnahmequelle für sich entdeckt: Jeden zweiten Tag durchstreift er einschlägige Wiener Lokale und bietet dort Heroinkügelchen zum Preis von 90 Euro pro Gramm zum Kauf an. Durchschnittlich verkauft er 5 Gramm pro Abend. Vom Erlös kauft er für sich selbst Suchtgift, bezahlt aber teilweise auch offene Rechnungen damit. Allerdings währt der Geldsegen nicht sehr lange. An As 30. Verkaufsabend wird er bei einer Drogenrazzia festgenommen, nachdem er nun schon 150 Gramm in guter Straßenqualität (ca. 10% Heroinanteil) verkauft hat. Prüfen Sie die Strafbarkeit von A! Der Richter verurteilt A zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten. A, der selbst süchtig ist, möchte eine Therapie machen. Welche Möglichkeit steht A offen? Obwohl A die besten Vorsätze hat, hält er die Therapie nicht durch. Wie ist einem solchen Fall vorzugehen? Was wäre demgegenüber zu tun, wenn A die Therapie erfolgreich abschließt? MP Fall- Lösung § 28a Abs 1 SMG: verkauft Heroinkügelchen; 150 Gramm – 15Gr reines Heroin / Grenzmenge: 3gr § 28a Abs 2 Z 1? Zwar gewerbsmäßig, aber keine Vorverurteilung § 28a Abs 3: geringerer Strafsatz wegen Eigensucht; allenfalls fraglich, ob Erlös vorwiegend für Eigensucht verwendet wird Aufschub des Vollzugs nach § 39 Abs 1 SMG für max 2J Widerruf des Aufschubs und Strafvollzug nach § 39 Abs 4 Z 1, falls Vollzug spezialpräventiv nötig Erfolgreiche Therapie: Umwandlung der unbedingten in bedingte FS unter Setzung eines Probezeit (§ 40 Abs 1 SMG); schließlich endgültige Nachsicht nach § 40 SMG iVm § 43 Abs 2 StGB
© Copyright 2024 ExpyDoc