A M WO C H E N E N D E HF1 MÜNCHEN, SAMSTAG/SONNTAG, 10./11. DEZEMBER 2016 FOTO: A ERION C ORPORATION, MAURITIUS IMAGES, C HARLOTTE PFUNDSTEIN/ ALEXANDRA BAUCH, AFP WWW.SÜDDEUTSCHE.DE Schall und Knall 13 Jahre nach dem letzten Flug der Concorde entwickeln Ingenieure wieder Überschall-Passagierflugzeuge. Die Maschinen sind schnell, aufregend – und vollkommen unvernünftig GOODBYE MRS COOL WAS VON DER UdSSR BLEIBT Der Abschied von Michelle Obama fällt schwer Das wurde aus den Ländern, die vor 25 Jahren aus der Sowjetunion hervorgingen Gesellschaft, Seite 49 Politik, Seite 8 IDEEN FÜR DAS GESTERN VON MORGEN Neue Entwürfe für das Münchner Haus der Kunst, die Geschichte und Gebäude miteinander versöhnen Buch Zwei, Seite 13 Wissen, Seite 38 Medien, TV-/Radioprogramm Forum & Leserbriefe München · Bayern Rätsel & Schach Traueranzeigen 46-48 16 45 63 33-35 61049 Böse Bescherung Dobrindt beklagt „Maut-Maulerei“ Alexis Tsipras beschenkt die Griechen mit Renten-Millionen, Italiens Regierung muss mitten im politischen Führungschaos eine Großbank retten. Europa ist plötzlich wieder im Krisenmodus Bundesverkehrsminister weist Kritik der Nachbarländer zurück von d. brössler, a. mühlauer und m. szymanski Donald Tusk hat sich das so schön vorgestellt. Am Vormittag kommen die Staatsund Regierungschefs nach Brüssel, reden erst über die Fortschritte in der Flüchtlingskrise, über die kaum noch strittige stärkere Zusammenarbeit bei der Verteidigung, schließlich über eine Initiative gegen Jugend-Arbeitslosigkeit. Wenn sich die Häupter der EU an diesem Donnerstag so kurz vor Weihnachten noch einmal treffen, soll es nach einem schrecklichen Jahr ein Routine-Gipfel werden. Nur einen Tag hat Ratspräsident Tusk angesetzt. Zum Abendessen noch das leidige Thema Brexit, danach besinnliche Ruhe. So war es gedacht. Tatsächlich aber werden die Chefs auf einen Berg aus Problemen, Konflikten und Risiken blicken, der Angst davor macht, dass die große europäische Krise wiederkehrt – und zwar schlimmer als zuvor. Sie haben den Rücktritt ihres römischen Kollegen Matteo Renzi zu verkraften. Mitten in der Regierungskrise muss Italien nun auch noch eine Großbank retten; vielleicht sogar verstaatlichen. Am Wochenende wird darüber verhandelt. Und als hätte das gerade noch gefehlt, rief sich jetzt auch noch der Grieche Alexis Tsipras wieder in Erinnerung. Der Premier kündigte am Donnerstagabend ein vorweihnachtliches Geschenk an: 1,6 Millionen Pensionäre, die weniger als 850 Euro Rente beziehen, sollen eine Extrazahlung erhalten. Die Kosten für den griechischen Staat: 617 Millionen Euro. Außerdem erklärte er, die für die Inseln der nördlichen Ägäis angedachte Mehrwertsteuer-Erhöhung werde nicht umgesetzt. Dort waren in der Flüchtlingskrise Tausende Menschen gestrandet. Wenn es nach den Muotathaler Wetterschmöckern geht, ist die Sache klar. Die Bauern mit den langen Bärten aus der Innerschwyz sind weit über die Grenzen ihres Talkessels hinaus bekannt für ihre meteorologischen Vorhersagen. Sie lauschen dem Quaken der Frösche und beobachten das Gewusel der Ameisenhaufen. Daraus leiten sie dann ab, wie der Winter wird. Zur aktuellen Saison sagen sie: Es wird schön mit wenig Niederschlägen, dafür idealen Schneeverhältnissen für Sportler. Hoteliers und Liftbetreiber sind genauso optimistisch. Sie verlassen sich jedoch weniger auf das Verhalten des Kleingetiers. Sie schauen auf das Thermometer. Zeigt es nur ein paar Grad unter null an, sind sie zufrieden. Wenig Niederschläge? Egal. Für ideale Schneeverhältnisse sorgen sie schon selbst. In den Höhenlagen, von der Zugspitze über Ischgl bis Zermatt, hat der Skizirkus längst begonnen. Bei Temperaturen zwischen minus elf und minus sieben Grad schießen die Schneekanonen am effektivsten. Aber DIZdigital: Alle Alle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten –- Süddeutsche Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München DIZdigital: Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichungund undnicht-private nicht-privateNutzung Nutzungexklusiv exklusivüber überwww.sz-content.de www.sz-content.de Jegliche Warum er das alles tut? Tsipras läuft die Zeit davon. Wenn er nicht endlich einen Erfolg für die gebeutelten Griechen vorweist, wird er sich nicht mehr lange an der Regierung halten können. In Athen wird bereits über Neuwahlen spekuliert. Für den Premier ist dieses Szenario in erster Linie ein Druckmittel. Denn damit wäre Griechenland zurück auf der EU-Krisenagenda. Daran hat in Europa niemand Interesse. Auch die Euro-Partner wollen, dass Tsipras im Amt bleibt. Denn zuletzt wuchs die Wirtschaft besser als erwartet, im Haushalt gibt es dieses Jahr sogar einen Überschuss. Den will Tsipras für das Rentengeschenk verwenden. Laut der Vereinbarung mit den Gläubigern darf die grie- chische Regierung während des laufenden Kreditprogramms Geld für Sozialleistungen ausgeben. Aber zählen die Renten dazu? Das Streichen der MehrwertsteuerErhöhung fällt wohl kaum darunter. Ein Affront bleibt in jedem Fall: Tsipras hat seine Wohltaten nicht mit den Gläubigern abgestimmt. Genau das aber hätte er gemäß einer Vereinbarung tun müssen. Dementsprechend provoziert fühlen sich nun EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Europäischer Rettungsfonds ESM. Für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble birgt die Griechenlandkrise innenpolitischen Sprengstoff. Denn schaffen es die Europäer nicht bald, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) sich am Programm beteiligt, dürfte Deutschland und die Sorgenkinder Deutschland Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Prozent zum BIP im Oktober 2016 Frankreich 1,327 0,757 0,059 179,20 135,50 70,10 Arbeitslosenquote im Oktober 2016 in Prozent Italien 1,746 Wachstum 2016 * in Prozent Staatsverschuldungsquote Griechenland 23,10** 4,10 11,60 98,20 9,70 SZ-Grafik; Quellen: Bloomberg, IWF, Eurostat (SZ) Eine der wenigen wirklich zweckfreien Unternehmungen der Menschheitsgeschichte war von jeher die Raumfahrt. Wenn man das frei heraus auf einer Weihnachtsfeier sagt, steht sofort einer der anderen Gäste auf, um emsig zu widersprechen, nein, nein, die Raumfahrt hat uns viele praktische Dinge für den Alltag geschenkt. Dann schwenkt er eine schwere Bratpfanne, die er extra für diesen Zweck auf die Feier geschmuggelt hat, und sagt triumphierend: Teflon! Aber von wegen. Teflon gab es schon lange vor der Raumfahrt, es wurde 1938 erfunden. Und auch sonst: Kann ja sein, dass beim Raketenbau einige technische Neuerungen für unseren Alltag abgefallen sind, aber die wären ohne die Nasa halt ein paar Jahre später erfunden worden. Also nochmal und diesmal bitte ausreden lassen: Eine der wenigen wirklich zweckfreien Unternehmungen der Menschheitsgeschichte ist die Raumfahrt – gerade das macht sie so wertvoll. Hier auf Erden hat alles einen Zweck. Die Raumfahrt hingegen ist L’art pour l’art für Freunde der Technik. Man schießt ein paar Menschen ins All oder auf den Mond, weil man es eben kann. Und weil man der Menschheit damit einen Traum erfüllt. Astronauten sind Stellvertreter für uns alle, sie dürfen da oben das tun, wovon wir hier unten träumen: schwerelos umhertreiben, ewige Stille genießen, der kosmischen Hintergrundstrahlung Guten Tag sagen, so wie John Glenn, der erste Amerikaner, der 1962 in einer Kapsel um die Erde flog. Er fasste diese Erfahrung so zusammen: „Was soll man sagen über einen Tag, an dem man vier wunderschöne Sonnenuntergänge sehen durfte.“ Auf die Frage, ob ihn sein Ausflug in seinem Glauben bestärkt habe, antwortete Glenn, man pralle zwar nicht direkt mit Gott zusammen, wenn man in den Himmel geschossen werde, aber dessen Schöpfung sehe man von da oben mit anderen Augen, staunend und dankbar. Um also auf der Weihnachtsfeier ein versöhnliches Ende zu finden, und bevor Sie Ihr Gegenüber wütend in seine Pfanne haut: Die Raumfahrt hat natürlich doch einen Zweck gehabt. Der ist aber viel edler, als irgendwelche Kochgeschirrbeschichtungen es je sein könnten. Die Astronauten wurden da hochgeschickt, um nach den Sternen zu greifen. Als sie sich aber umdrehten, kamen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus: Da war diese blaue Kugel, frei schwebend, die in der Weite des schwarzen Alls aus sich selbst zu leuchten scheint; das silbrige Schimmern der Atmosphäre, Aura allen Lebens, dünner als die Hülle einer Christbaumkugel. Kurzum: Wie schön es hier unten ist, wissen wir eigentlich erst, seit John Glenn und seine Kollegen da oben waren. Mit 95 Jahren ist er jetzt endgültig losgeflogen, er hat seinen Körper und uns Erdbewohner verlassen, um für immer schwerelos durch die Stille gleiten zu dürfen. Gute Reise, John Glenn. 4 190655 803203 72. JAHRGANG / 49. WOCHE / NR. 286 / 3,20 EURO *Schätzung; **September 2016 Kunst am Berg In den Skigebieten rechnen Hoteliers und Liftbetreiber mit einem idealen Winter – sie machen ihn ja selbst auch wenn es etwas wärmer ist, liefern sie eine griffige Rutschgrundlage. Zum Beispiel in Leogang im Salzburger Land. Der für die Präparierung der Pisten zuständige Schneimeister, Hannes Buchner, sagt: „Ein paar Zentimeter echter Schnee wären schon wünschenswert.“ Aber: „Nur für die Optik.“ Anfang November hatten sie im Salzburger Land bereits 60 Zentimeter Neuschnee, doch den hat der Föhn schnell wieder abgeschmolzen. Dafür war es kalt genug für die Kanonen. Dieses Wochenende sieht es am Leoganger Hausberg Asitz so aus: Wegen einer Inversionswetterlage ist es oben zu warm zum Beschneien, dafür kann man sogar die Talabfahrt präparieren. Am Berg muss Buchner mit dem erzeugten Schnee haushalten: handgemachtes Winterwunderland auf 80 Hektar Skigelände. So läuft das überall im Alpenbogen, je höher die Gebiete liegen, desto besser. Nur wenn die Temperaturen – wie im vergangenen Winter – zu warm sind, ist kein Kanoneneinsatz möglich. In Österreich werden 70 Prozent der Pisten beschneit, in Südtirol 90, in der Schweiz 50. Heikel ist das für die Umwelt. Schneekanonen mit ihrem enormen Energieverbrauch sind ein Teil des Problems Klimawandel, Griechenland zum Thema im Bundestagswahlkampf werden. Aus Sicht des IWF ist Tsipras’ Plan Gift für die wirtschaftliche Erholung des Landes. Der Fonds dringt darauf, die Renten im Schnitt um weitere 20 Prozent zu kürzen. Die größte Gefahr für eine Rückkehr der Euro-Krise kommt jedoch aus Italien. Das hochverschuldete Land könnte allein wegen seiner Größe andere Staaten mit in den Abgrund ziehen. Besonders die maroden Banken machen die Finanzmärkte nervös. Italiens Geldhäuser sitzen auf faulen Krediten in Höhe von 360 Milliarden Euro. Schon am Wochenende wird es ernst: Rom verhandelt über eine Verstaatlichung von Monte dei Paschi di Siena. Die Lage ist so angespannt, weil die EZB-Bankenaufsicht die Bitte abgelehnt hat, dem Institut wegen der Regierungskrise in Rom mehr Zeit zu geben, um bei Investoren das dringend nötige Geld für eine Kapitalerhöhung einzusammeln. Damit steigt der Druck auf die Regierung, die drittgrößte Bank Italiens zu retten. Die Aktien von Monte dei Paschi wurden am Freitag mehrmals vom Handel ausgesetzt. Die EU muss der wirtschaftlichen Gefahr nun trotzen, doch sie ist politisch angeschlagen wie noch nie. Der Wahlsieg von Donald Trump in den USA und die Brexit-Verhandlungen hat die Union tief verunsichert. Auch Angela Merkel führt weit weniger unangefochten als früher. Hinzu kommt die Schwäche Frankreichs. Es erweist sich unter Präsident François Hollande als reformunfähig. Wie in Italien droht eine junge Generation ohne Job aufzuwachsen. Ein Sieg der Rechtspopulistin Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr ist möglich. Die Französin würde die EU am liebsten zerstören. Beim Gipfel am Donnerstag gilt deshalb eine Devise: nur keine Panik zeigen. als dessen Lösung für Skigebiete sie erscheinen. Außerdem ist das Vergnügen, das sie bereiten, teuer. Schneimeister Buchner rechnet je nach Temperatur mit etwa drei bis fünf Euro pro Kubikmeter Kunstschnee. Die für Leogang notwendigen 600 000 Kubikmeter kosten mindestens 1,8 Millionen Euro. Dabei machen diese Pisten nicht einmal zehn Prozent der Skischaukel Saalbach-Hinterglemm aus, zu der Leogang gehört. Kleine Skigebiete können da nicht mehr mithalten. Lifte in mittleren Höhenlagen bleiben ungenutzt oder werden abgebaut. Florierende Gebiete dagegen fusionieren zu gigantischen Gebilden. Das größte Skigebiet Österreichs ist der Zusammenschluss von Lech-Zürs und St. Anton. Seit diesem Winter gibt es dort 305 Pistenkilometer – mehr als ein durchschnittlicher Sportler in einer Woche schafft. Der Rekord wird nicht lange halten. Auch in Zell am See, im Pitztal und in Sölden soll der Winter durch Fusionen noch schöner werden. jochen temsch Berlin – Im Streit um die geplante PkwMaut wächst in der Bundesregierung der Ärger über Kritik aus dem Ausland. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt weist sie nun mit scharfen Worten zurück. „Ich habe wenig Verständnis für die Maut-Maulerei. Vor allem dann nicht, wenn sie aus Österreich kommt“, sagte Dobrindt der Süddeutschen Zeitung. „Die Österreicher sind ausschließlich von ihrem nationalen Interesse getrieben nach dem Motto: Wer nach Österreich kommt, soll zahlen, Österreicher aber sollen in Deutschland kostenlos fahren. Diese Denke ist nicht europäisch und auch nicht angemessen.“ Wer seit 20 Jahren in seinem Land eine erfolgreiche Maut zur Finanzierung von Straßen betreibe, sollte mit seinen Nachbarn fairer umgehen, fordert der CSU-Politiker. Österreich und die Niederlande erwägen eine Klage gegen die deutsche Pkw-Maut beim Europäischen Gerichtshof. mbal Wirtschaft Trauer um Hildegard Hamm-Brücher München – Hildegard Hamm-Brücher ist tot. Die langjährige FDP-Politikerin starb am Mittwoch im Alter von 95 Jahren, wie ihre Familie am Freitag mitteilte. Bundespräsident Joachim Gauck würdigte sie als Politikerin, die „Anstand und Maß besaß und offenen Sinnes war für andere und Andersdenkende“. Hamm-Brücher war Ehrenbürgerin von München, 1994 kandierte sie für ihre Partei als Bundespräsidentin. 2002 trat sie aus der FDP aus. sz Seite 6, München MIT STELLENMARKT Dax ▲ Dow ▲ Euro ▼ Xetra 16:30 h 11202 Punkte N.Y. 16:30 h 19647 Punkte 16:30 h 1,0547 US-$ + 0,19% + 0,17% - 0,0072 DAS WETTER ▲ TAGS 11°/ -2° ▼ NACHTS Von der Küste bis zu den Mittelgebirgen ist es meist bedeckt und regnerisch. Sonst bleibt es weitgehend trocken und die Sonne scheint. Die Temperaturen erreichen vier bis elf Grad. Seite 16 Süddeutsche Zeitung GmbH, Hultschiner Straße 8, 81677 München; Telefon 089/2183-0, Telefax -9777; [email protected] Anzeigen: Telefon 089/2183-1010 (Immobilien- und Mietmarkt), 089/2183-1020 (Motormarkt), 089/2183-1030 (Stellenmarkt, weitere Märkte). Abo-Service: Telefon 089/21 83-80 80, www.sz.de/abo A, B, F, GR, I, L, NL, SLO, SK: € 3,90; dkr. 31; £ 3,60; kn 35; SFr. 5,00; czk 115; Ft 1050 Die SZ gibt es als App für Tablet und Smartphone: sz.de/plus
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