Bewerbung Kevin Kühnert

Kevin Kühnert
Jusos Berlin
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twitter.com/KuehniKev
Kandidatur als stellvertretender Bundesvorsitzender der Jusos
Liebe Genoss*innen,
Ende November findet in Bremen unser Bundeskongress statt. Im Rahmen der dann anstehenden
Wahlen zum Juso-Bundesvorstand kandidiere ich als stellvertretender Bundesvorsitzender. Mein
Landesverband, die Jusos Berlin, haben mich dafür frühzeitig nominiert. Die thematischen
Schwerpunkte, die ich mit meiner Kandidatur verbinde, möchte ich Euch im Folgenden darlegen.
We know: It's capitalism, stupid!
Es ist so banal wie unausweichlich: Auch im Jahr 2015 leben wir in einem kapitalistischen System,
das diese Gesellschaft formt und von ihr geformt wird. Dieses System widerspricht unseren
politischen Vorstellungen grundlegend: Ausbeutung, ökonomische Unsicherheit, Unterdrückung,
Bevormundung, Gewalt, Angst und Schutzlosigkeit sind Teil der Lebensrealität vieler Menschen. Das
gute linke Leben, unabhängig von Geschlecht, sozialer Stellung oder Herkunft, bleibt vorerst eine
Utopie und unser jungsozialistisches Ideal.
Ungerechtigkeiten und Ungleichverteilungen aller Art bestimmen derweil lokal, national und
international die Verhältnisse. Vom für viele kaum mehr bezahlbaren Wohnraum über Ausbeutungen
am Arbeitsplatz bis hin zu Kriegen und Verfolgungen. Rassismus, Sexismus und andere
Menschenfeindlichkeiten sind Realität. Nicht für alle gleichermaßen zu jeder Zeit und an jedem Ort,
doch trotzdem schränken sie unsere individuelle und kollektive Freiheit ein. Nicht wenige genießen
schlicht gar keine Freiheit. Es gibt keinen Grund mit diesen Verhältnissen unseren Frieden zu machen.
Der Kapitalismus konnte und kann sein zentrales Versprechen der Selbstverwirklichung aller
Menschen nicht einlösen. Darauf zu hoffen, dass er es jemals könnte, ist gleichermaßen naiv wie
geschichtsvergessen. Und den Wohlstand der deutschen Mehrheitsbevölkerung mit dem globalen
Status quo zu verwechseln ist nicht nur chauvinistisch, sondern schlicht dumm. Deshalb stellen wir
dem Kapitalismus unsere Vision eines Demokratischen Sozialismus entgegen, der materiellen
Wohlstand umverteilt und die Demokratisierung aller Lebensbereiche vorantreibt. Daran möchte ich
mit Euch arbeiten.
Unser „Refugees welcome“ heißt globales Recht auf Migration
Welche perfiden Auswirkungen der Kapitalismus auch jenseits materieller Verteilungsfragen nach
sich zieht, das offenbart sich insbesondere im derzeitigen Umgang mit geflüchteten Menschen. Der
Begriff des sogenannten „Wirtschaftsflüchtlings“ ist eine Wortschöpfung derjenigen, die bestenfalls
entweder das Asylrecht nicht verstehen oder sich niemals mit Fluchtursachen befasst haben. Die
Anmaßung der Ordnung der Fluchtgründe von Menschen nach ihrer Wertigkeit lässt tief blicken.
Krieg scheint dabei schwerer zu wiegen als bittere Armut, antiziganistische, homo- oder transphobe
Hetze. „Vom Balkan muss doch niemand fliehen“, so schallt es uns auch aus Teilen der SPD entgegen,
während im Kosovo weiterhin die KFOR stationiert bleibt. Doch für das deutsche Prädikat „Sicherer
Herkunftsstaat“ reicht es noch immer.
Mich widert diese Politik nur noch an: Die im Mittelmeer Ertrunkenen, die von Frontex oder
Stacheldraht aufgehaltenen Verzweifelten und die Toten auf den LKW-Ladeflächen. Das Gefeilsche
der EU-Staaten um wenige tausend hilfsbedürftige Menschen. Die Rufe nach „christlichen
Geflüchteten“, die ja viel integrationsfähiger seien. Die politischen Deals, in denen verbriefte
Grundrechte gegeneinander ausgespielt werden. Nicht zuletzt auch die täglichen Angriffe auf
geflüchtete Menschen sowie ihre immer häufiger brennenden Unterkünfte. Selten gab es eine
bedrückendere Unsichtbarkeit sozialdemokratischer, linker, internationalistischer Konzepte.
Die Bundesrepublik und auch die SPD-Spitze reagieren stattdessen mit „buntem Patriotismus“. Wer
Geflüchtete angreift, gehört nach dieser Logik nicht zu Deutschland. Doch dieser selbstgerechten
Lesart muss widersprochen werden. Wir Antifaschist*innen haben frühzeitig gewarnt, dass die
Stimmung kippen werde. Derzeit geschieht das. Mehr „sichere Herkunftsstaaten“, schnellere
Abschiebungen, Gutscheine statt Taschengeld. So sieht die schwarz-rote deutsche Antwort darauf aus.
Ich möchte, dass wir Jusos diese Entwicklungen nicht nur beklagen, sondern ihnen Alternativen
entgegenstellen. Ich möchte, dass wir für unsere Forderung nach einem globalen Recht auf Migration
Bündnispartner*innen gewinnen und die Debatte in Partei und linken Bewegungen vorantreiben. Ich
möchte, dass wir der aktuellen Asyl- und Migrationspolitik der SPD entschieden entgegentreten,
Kompromisse angreifen und verhindern. Denn Grundrechte sind für uns nicht verhandelbar! Ich
möchte, dass wir vorausdenken und so schnell wie möglich beginnen uns mit der künftigen Wohn-,
Bildungs- und Arbeitssituation derer zu beschäftigen, die heute als Geflüchtete kommen. Und ich
möchte mit Euch und dem gesamten Verband dabei nicht vergessen, Menschen konkret in ihrer Not
zu helfen und sich dem rechten Mob überall in den Weg zu stellen. Kampagnenfähigkeit und
Vernetzung sind zwei Kernaufgaben, an denen ich arbeiten möchte, um uns Jusos deutlich
vernehmbar positionieren zu können.
Wir diskutieren: Stadt, Land, Fluss Jungsozialismus!
Wir Jusos diskutieren vielerorts über bezahlbaren Wohnraum und Freiräume, über Daseinsvorsorge
und Rekommunalisierung, über lokale Bildung und Kultur. Die passende Klammer für diese und viele
andere Themen hat der Juso-Bundesverband in den letzten beiden Jahren bereits genutzt und
debattiert: „Wie wollen wir morgen links leben?“ Ich möchte in den kommenden zwei Jahren diese
Diskussionsstränge zusammenzuführen und Forderungen erheben. Ganz konkret will ich mit Euch
beantworten, wie ein gutes Leben in der Stadt, auf dem Land und überall dazwischen aus
jungsozialistischer Perspektive aussehen sollte. Klar ist: Daseinsvorsorge ist mehr als Wasser, Strom
oder langsames Internet und mit einem Bedarfsbus zur nächsten Disco lassen wir uns nicht abspeisen.
Als Sozialist*innen wollen wir eben dieses gute Leben für alle Menschen verwirklicht sehen. Das
heißt auch, dass es für die Lebensbedingungen, die wir vorfinden, nicht entscheidend sein darf, ob
wir in einem Ballungsgebiet oder anderswo wohnen. Und das setzt voraus, dass wir bei der Wahl des
Wohnortes auch eine ernsthafte Auswahl haben. Bezahlbarer Wohnraum, der lebenslange Zugang zu
gebührenfreier Bildung, Freiräume für Bewegung und den Kopf, alternative und nicht-kommerzielle
Kulturangebote und Mobilität nicht nur zwischen 8 und 18 Uhr oder mit dem Auto der Eltern sind
einige der Bausteine dafür. All das haben wir vielfach in Anträgen gefordert, und doch sind Jusos
landauf und landab mit Rückzugsgefechten beschäftigt um das bisschen zu verteidigen, was ihnen
Länder und Kommunen noch zur Verfügung stellen. Damit muss Schluss sein.
Gleichwertige Lebensbedingungen bedeuten keine graue Eintönigkeit. Was jedoch dringend benötigt
wird, ist eine Debatte darüber, wie die gesamte Gesellschaft an Emanzipations- und
Fortschrittsprozessen partizipieren kann. Als Henri Lefebvre 1968 erstmals vom „Recht auf
Stadt“ schrieb, das heute von Andrej Holm und anderen Stadtsoziolog*innen weitergedacht wird,
hatte er keineswegs nur Städte vor Augen. Vielmehr ging es darum, wie neuartige urbane Qualitäten
- gewachsen und kulturell aufgeladen in pulsierenden Metropolen - für die Breite der Bevölkerung
nutz- und erreichbar gemacht werden konnten. Alle sollten davon profitieren können, doch nicht alle
sollten deshalb in einer Stadt wohnen müssen. Vor einer ähnlichen Herausforderung stehen wir heute.
Wir sind konfrontiert mit dem absurden Kontrast aus einerseits den ländlichen Raum verlassenden
Menschen, die aus sozioökonomischen Gründen dazu gezwungen werden. Gleichzeitig verlassen
Menschen die Städte - zunächst an ihre Ränder, mittlerweile immer häufiger weit darüber hinaus -,
weil sie sich ein Leben in der Stadt schlicht nicht mehr leisten können. Viele moderne
Wanderungsbewegungen haben demzufolge weniger mit unserem Lifestyle als vielmehr mit sozialen
Verhältnissen zu tun. Doch im Gegensatz zum Lifestyle sind soziale Verhältnisse politisch änderbar.
Ich möchte mit Euch Strategien diskutieren, wie wir in der Gestaltung unserer Lebensräume endlich
aus der Defensive kommen. Dazu gehört, dass wir neben der Raumordnung auch über Investitionen
und somit zwangsläufig über Einnahmen durch Umverteilungsmaßnahmen sprechen müssen – und
über die zutiefst unsoziale Schuldenbremse. Denn was wir wollen, kostet neben politischem Willen
auch Geld. Doch das ist bekanntlich hochgradig ungerecht verteilt und wird viel zu wenig investiert.
Allein in der Bundesrepublik müssten schnellstmöglich 90 Milliarden Euro in die Infrastruktur
gesteckt werden. Und das sagen nicht etwa die Jusos, sondern das hat Sigmar Gabriel im
Wirtschaftsministerium errechnen lassen. Leider fiel ihm für die Finanzierung wieder nur ein alter
Hut ein, nämlich eine Public Private Partnership in Form eines „Bürgerfonds“. Wir Jusos hatten da
schon vor fünf Jahren eine bessere Idee, als wir das Konzept „3 mal 30 + X“ veröffentlichten und
Wege aufzeigten, wie Geld nicht nur sinnvoll ausgegeben, sondern auch noch gerecht eingenommen
werden kann. An diese Debatten möchte ich wieder anknüpfen und mit den Jusos selbstbewusst eine
lebenswerte Gestaltung frei gewählter Lebensräume einfordern.
Zu meiner Person
Ich bin 26 Jahre alt und studiere an der FernUni in Hagen Politikwissenschaft,
Verwaltungswissenschaft und Soziologie. Ich arbeite halbtags im Wahlkreisbüro eines Mitglieds des
Berliner Abgeordnetenhauses.
Im Alter von 15 Jahren schloss ich mich 2005 den Jusos sowie der SPD an und bin seither in beiden
Strukturen aktiv. Von 2006 bis 2012 war ich stellvertretender Vorsitzender der Jusos Berlin, ehe mich
die Landesdelegiertenkonferenz 2012 zum Landesvorsitzenden wählte und 2014 im Amt bestätigte.
Die Arbeit an der SPD-Basis ist mir als Beisitzer im Ortsvereins- und Kreisvorstand gut vertraut. Ich
bin gewähltes Mitglied im Landesvorstand der Berliner SPD und als Experte ins Forum
Metropolenpolitik des Parteivorstands der Bundes-SPD berufen worden.
Bei den Jusos Berlin habe ich unsere Doppelstrategie immer leidenschaftlich mit Leben gefüllt.
Bündnisarbeit ist mir ebenso vertraut wie das Durchsetzen von Positionen im Rahmen von Parteitagen.
Strategisches Vorgehen sowie das Mobilisieren und Nutzbarmachen linker Mehrheiten liegen mir in
Verband und Partei gleichermaßen am Herzen. Ich stehe für einen lautstarken, linken Jugendverband,
der sich deutlich vernehmbar zu Wort meldet und keine Angst hat, anderen auf die Füße zu treten.
Ich würde mich sehr über Eure Unterstützung freuen, um in den kommenden zwei Jahren mit viel
Einsatz für unseren Verband im Vorstand arbeiten zu können. Für Nachfragen und Anregungen
erreicht Ihr mich per Mail an [email protected] oder über mein Facebook-Profil.
Mit sozialistischen Grüßen
Euer Kevin