Ur-Roter auf der Roten Liste Mit dem Schwinden der Flussauen wurde auch die wilde Weinrebe immer seltener. Nun soll die Wildform von Riesling und Co. gerettet werden. Seite 27 Fotos: Botanica-Creativa/Karlheinz Knoch, imago/McPHOTO/Nieveler Sonnabend/Sonntag, 2./3. April 2016 71. Jahrgang/Nr. 77 Bundesausgabe 2,30 € STANDPUNKT Eine Zeitung, zwei Leben, sieben Jahrzehnte Wahlhilfe für die SPD Fabian Lambeck über die Kritik aus der CDU an der Sozialpolitik der Großen Koalition Der mächtige Wirtschaftsflügel CDU ist unzufrieden mit der sozialpolitischen Ausrichtung der Partei. Angela Merkel hat gemäß ihrer Strategie der Demobilisierung von SPD-Wählern die Union sozialpolitisch neu aufgestellt. Gestartet als neoliberale Reformerin, hat sie als Kanzlerin ein schärferes sozialdemokratisches Profil entwickelt als ihr SPD-Vorgänger Gerhard Schröder. Und so ist der Streit um die Lebensleistungsrente und angeblich nicht finanzierbare »soziale Wohltaten« auch eine um die Ausrichtung der Union. Es geht um Weichenstellungen für das kommende Wahljahr. Nicht wenige in der CDU wünschen sich eine Schärfung des konservativen Profils. Als konservativ gilt, wer sich als sparsamer Haushälter inszeniert. Zwar bemüht sich der Bundesfinanzminister redlich, diese Rolle auszufüllen, aber zumindest öffentlich erhält er dabei wenig Unterstützung von der Kanzlerin. Insofern ist die Kritik an der sozialpolitischen Ausrichtung der Koalition auch eine an Merkel, die durchaus auf eine andere Schwerpunktsetzung drängen könnte. Aber aus strategischer Sicht ist das Aufmucken des Wirtschaftsflügels dumm. Die CDU-Chefin ist nämlich sehr erfolgreich darin, die Themen der SPD auch zu Themen der Union zu machen. Ein Blick auf die aktuellen Umfragewerte belegt das. Der SPD könnte demzufolge nichts Besseres passieren als eine Union, die ihr konservatives Profil schärft und eine sozialpolitische Kehrtwende vollzieht. www.neues-deutschland.de Eine Zeitung, zwei Leben, 70 Jahre www.dasND.de/nd70 Preis 2,50 € 2016 Die Rückkehr der Arbeiter: Tom Strohschneider über 70 Jahre Zeitungmachen Blaue, gläserne Blume: Regina Stötzel über die geheimnisvolle Welt des Ostens und das nd Wie man sieben Bundesregierungen überlebt: Von Gabi Oertel Nueva Alemania: Auf der Suche nach einem Namen Er war 1946 als Redakteur mit dabei: Klaus Huhn im Gespräch Rohrpost, Giftschrank, klarer Kopf – das ultimative Lexikon Da waren es nur noch 117: ein ND-Kommentar und die Weltpolitik PR im Auftrag der SED: Ein Gespräch mit der Forscherin Anke Fiedler Jeder Gedankenaustausch ein kleiner Hochverrat: Friedrich Schorlemmer über »Westjournalisten« Wir ziehen um: Wo »ND« und nd schon residiert haben Befreit Euch nur weiter: Als Westlinker zu einer Ostzeitung. Von Jürgen Reents Als »Neues Deutschland« einmal eine Hetzschrift war Die lieben KollegInnen: Das nd und die Konkurrenz Auch die Prawda ist noch da: Was wurde aus den »Bruderzeitungen«? Eine Million bis Silvester: Wolfgang Spickermann über das schwierige Jahr 1991 101 und 24: Ein Besuch bei unserer ältesten Leserin – und dem Nachwuchs Dagegenhalten?! Velten Schäfer über linkes Schreiben und die »Lügenpresse« Heute lacht keiner mehr: Wolfgang Storz über linke Medien in der Medienkrise EUres publica: Katja Herzberg über die europäische Öffentlichkeit Kollege Roboter und Virtual Reality: Lorenz Matzat über die Zukunft des Journalismus Wie begeht man das Jubiläum eines Blattes, das so eine Biografie hat? Im April 1946 erschien die erste Ausgabe von »Neues Deutschland«. Im Lebenslauf der Zeitung spiegelt sich die DDR-Geschichte – zwischen SED und Alltag, Propaganda und Journalismus. Ende 1989 gründete sich »neues deutschland« neu. In unserem Archiv ist auf vergilbtem Papier und in digitalen Dateien eine Geschichte aufbewahrt, die von großen Widersprüchen, vielen Brüchen, schweren Fehlern und beharrlicher Hoffnung erzählt. Eine Geschichte, die in den teils schroffen, groben Rastern heutiger Erinnerung selten vorkommt. Eine Vergangenheit, in der mehr steckt als eine funktionärshörige Parteizeitung und ein spät selbst befreites linkes Blatt. Wie sagt man: Es war nicht alles schlecht. Ob alles gut wird, was noch kommt – wir wissen es nicht, aber wir arbeiten daran. Zum Jubiläum schauen wir zurück und nach vorn, auf eine Zeitung, zwei Leben und sieben Jahrzehnte: Unser Sonderheft erhalten Sie als Abonnentinnen und Abonnenten exklusiv in dieser Ausgabe von »neues deutschland«. Für alle anderen gibt es die Jubiläumsnummer ab Dienstag am Kiosk – 56 Seiten für 2,50 Euro. Bestellen Sie ab Montag das Sonderheft gern auch für Ihre Freunde, Bekannten, Angehörigen im nd-Shop unter 030 2978 1777 oder [email protected]. nd UNTEN LINKS Einige Leser riefen am 1. April in der nd-Redaktion an, weil sie verunsichert waren: Handelte es sich bei der an dieser Stelle verbreiteten Behauptung, der DDRDevisenbeschaffer Schalck-Golodkowski habe seinerzeit für die Kinder von CSU-Chef Strauß Platten von Ostbands wie Karat und Puhdys besorgt, nun um einen Aprilscherz oder eine Nachricht? Oder was? Diese Frage lässt sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten, sondern muss wissenschaftlich untersucht werden. Hier der Lösungsweg: Sie nehmen den in Frage stehenden Kasus und dividieren ihn durch den dieser Rubrik innewohnenden Seriositätsfaktor. Den daraus entstehenden Quotienten schreiben Sie als Bruch auf, setzen ihn reziprok und addieren Ihren persönlichen Humorkoeffizienten (auf der Mario-BarthSkala von -10 bis +10). Die Summe potenzieren Sie mit dem aktuellen Aprilscherz-Index (siehe www.april-fools.org); aus dem Ergebnis ziehen Sie die einfache Wurzel. Fertig. wh ISSN 0323-3375 Verheimlicht, getäuscht, gelogen Opposition erneuert zum 60. Jahrestag Kritik am BND / Neuer Untersuchungsausschuss möglich Der BND ist 60 Jahre alt. Doch statt Gratulationen gibt es mächtig Kritik aus der Opposition. Die NSA-Affäre hat zuletzt das Ausmaß der BND-Schnüffelei ans Tageslicht gebracht. Berlin. Freitag vor 60 Jahren wurde der Bundesnachrichtendienst (BND) gegründet. Der Linkspartei war am Jahrestag aber nicht zum Feiern zumute, denn das Geburtstagskind ist ihr seit langem ein Dorn im Auge. »Geheimdienste und Demokratie, das verträgt sich nicht«, erklärte der Innenpolitiker der Bundestagsfraktion, Jan Korte. Der BND arbeite wie vergleichbare Institutionen »in erster Linie im Verborgenen« und entziehe »sich systematisch der öffentlichen Kontrolle«. Für eine an »Bürgerrechten orientierte Politik« werde es über kurz oder lang keine Alternative zur Abschaffung der Dienste geben, so der Fraktionsvize. Korte spricht den Geheimdienstlern nicht nur die Demokratietauglichkeit ab, er erinnerte zum 60. auch an ihre »braunen Wurzeln«. Dass darüber inzwischen mehr bekannt sei, sei dem Linkspolitiker zufolge der vom BND bestellten Unabhängigen Historikerkommission zu verdanken. »Es wird allerdings darauf ankommen, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen«, so Korte weiter. Vorläufer des BND war die Organisation Gehlen, benannt nach dem ehemaligen Generalmajor der Wehrmacht Reinhard Gehlen. In ihr waren eine ganze Reihe früherer Nazis beschäftigt. Durch die Enthüllungen rund um den US-Dienst NSA geriet der BND zuletzt massiv in Erklärungsnot. Unter anderem kam ans Licht, dass er unrechtmäßig eine Vielzahl an Zielen in EU- und NATO-Ländern ausspionierte – darunter Regierungsstellen und EU-Institutionen. Der NSA-Skandal sei längst auch eine BND-Af- färe, kommentiert der GrünenPolitiker Hans-Christian Ströbele. »Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass der BND in dem Aus- »Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass der BND in dem Ausmaß verheimlicht, irreführt, täuscht und lügt gegenüber dem GeheimdienstKontrollgremium.« Hans-Christian Ströbele, Grüne maß verheimlicht, irreführt, täuscht und lügt gegenüber dem Geheimdienst-Kontrollgremium.« Dem BND droht wegen eben dieser Schnüffelei indes ein neuer Untersuchungsausschuss im Bundestag. Die Entscheidung darüber falle noch vor der Sommerpause, so Ströbele, der selbst Mitglied im Ausschuss ist. Oppositionspolitiker haben dort eine Erweiterung des Untersuchungsauftrages beantragt und drohen andernfalls mit der Einsetzung eines neuen Aufklärungsgremiums – nur zu Suchbegriffen und Spionageaktionen in befreundeten Staaten. Berichten zufolge wurde die geplante BND-Reform unterdessen auf Eis gelegt – wegen Sicherheitsbedenken in der Union. Besonders Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der auch mehrere Jahre auf dem Chefsessel des Bundesinnenministeriums saß, soll Bedenken über eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit des Dienstes geäußert haben. Nach den Abhöraffären der vergangenen Jahre ist vorgesehen, den BND mit Reformen auf eine strengere gesetzliche Grundlage zu stellen. Unter anderem soll verboten werden, andere EU-Staaten auszuspionieren. Agenturen/nd Genscher mit 89 Jahren verstorben Politiker würdigen Verdienste des ehemaligen Außenministers Bonn. Hans-Dietrich Genscher ist tot. Er starb nach Angaben seines Büros Donnerstagnacht in seinem Haus in Wachtberg-Pech an HerzKreislauf-Versagen. Genscher wurde 89 Jahre alt. Er war 18 Jahre deutscher Außenminister und maßgeblich an den Verhandlungen zum Anschluss der DDR an die Bundesrepublik beteiligt. Elf Jahre stand er an der Spitze der FDP. FDP-Chef Christian Lindner schrieb bei Twitter: »Genscher hat Geschichte geschrieben und unser Land geprägt. Wir haben ihm viel zu verdanken.« Auch die Vorsitzenden der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, würdigten den Liberalen: »Bereits in den siebziger Jahren unterstützte Genscher die Ost- und Entspannungspolitik Willy Brandts und setzte sich für internationale Abrüstung ein.« Er argumentierte gegen die deutsche Beteiligung am Krieg in Libyen. »Eine Entscheidung, die sich, obwohl damals heftig kritisiert, im Nachhinein als vollkommen richtig erwiesen hat«, heißt es in einer Erklärung. dpa/nd Seite 7 Unmut in der CDU über Sozialpolitik Heftige Kritik vom Wirtschaftsflügel Berlin. Bei Union und Wirtschaft wächst der Widerstand gegen die im Koalitionsvertrag mit der SPD verabredete »solidarische Lebensleistungsrente«. Damit würde das Lebensleistungsprinzip zerstört, wonach mehr Rente bezieht, wer auch mehr eingezahlt hat, sagte Carsten Linnemann (CDU), Chef der Wirtschaftsvereinigung der Union, der »Welt«. Ebenfalls kritisch äußerte sich Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU). »Wenn Frau Nahles die Lebensleistungsrente will, dann muss sie auch sagen, wie sie das aus ihrem Haushalt finanzieren möchte«, forderte er. Kritik an der Sozialpolitik der Großen Koalition kam am Freitag auch vom haushaltspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg. Mit Blick auf den Haushalt 2017 warnte Rehberg in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« vor einem Ausufern der Sozialausgaben. »Als Haushaltspolitiker sehe ich es kritisch, dass wir in wirtschaftlich guten Zeiten einen so deutlichen Anstieg der Sozialleistungsquote zulassen«, so Rehberg. Im Haushalt 2017 soll die Quote bei über 55 Prozent liegen. fal Seite 6 Hunderttausende Franzosen in Wut Massenproteste und Streiks gegen Pläne zur Arbeitsrechtsreform Paris. Hunderttausende haben in Frankreich gegen die geplante Reform des Arbeitsrechts protestiert und damit den Druck auf Staatschef François Hollande erhöht. Angestellte, Studenten und Schüler gingen am Donnerstag in etlichen Städten auf die Straße, zudem streikten in zahlreichen Unternehmen die Mitarbeiter. Nach heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei wurden mehr als hundert Demonstranten festgenommen. Landesweit beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben 1,2 Millionen Menschen an den Protesten. Massenkundgebungen gegen die geplanten Änderungen im Arbeitsrecht fanden unter anderem in Paris, Lyon, Marseille und Nantes statt. Die Demonstranten trugen Transparente mit Sprüchen wie »Fass’ mein Arbeitsrecht nicht an« oder »Wir haben Besseres verdient«. »Die Regierung muss die Augen öffnen«, warnte der Generalsekretär der Gewerkschaft Force Ouvrière, Jean-Claude Mailly. Aus Protest gegen die geplante Reform blockierten Schüler rund 200 Gymnasien im Land. AFP/nd
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