Notenstein La Roche Kompass, Dezember 2015 Der König ist tot – lang lebe der König! Getreu diesem Motto richten sich unsere Blicke bereits auf das neue Jahr 2016. Wir erwarten eine Fortsetzung der expansiven Geldpolitik, die sich auf sämtliche Anlageklassen auswirkt. Dennoch stellt sich die drängende Frage, wie lange wir noch mit historisch niedrigen Zinsen leben müssen und wie das Ende dieser bereits acht Jahre andauernden Ära aussehen wird. Kurz: Gewurstelt wird wohl auch 2016, wachsam bleiben müssen wir aber gerade deswegen. Alle sechs Monate publiziert das renommierte amerikanische Wirtschaftsmagazin «Barron’s» die Erwartungen von professionellen Vermögensverwaltern für die Entwicklung von Aktienindizes und teilt sie in Lager von Optimisten und Pessimisten. Wir haben die Resultate der letzten 7 Jahre ausgewertet und stellen fest: Die Optimisten sind systematisch zu optimistisch, die Pessimisten zu pessimistisch. Beide zielen in aller Regel zwischen zehn und zwanzig Prozent an der effektiven Entwicklung vorbei. Entsprechend sollte jeder Jahresausblick mit einer gehörigen Portion Bescheidenheit ausgestattet und mit einer ebenso grossen Portion Skepsis gelesen werden. Voraussagen an den Finanzmärkten basieren oft auf einer Fortschreibung der Vergangenheit. Diese ist seit Jahrzehnten durch fallende Zinsen und seit Jahren durch festverzinsliche Renditen nahe null – inzwischen vielfach sogar unter null – geprägt. Aus unserer Sicht ist eine einfache Fortschreibung dieser Entwicklung aktuell besonders riskant: Renditen der Vergangenheit waren wohl selten so wenig repräsentativ für die Zukunft wie heute. Weiteren Kursgewinnen bei Obligationen sind sehr enge Grenzen gesetzt. Risikolose Anlagen bei der Zentralbank kosten in der Schweiz Geld – Anleger müssen mehr Risiken eingehen, wenn sie Renditen erwirtschaften wollen. Aktien erreichen Bewertungsniveaus, die sich nicht in allen Fällen fundamental begründen lassen. Das Potenzial für zusätzliche Kursgewinne ist somit reduziert. Immerhin sind die Dividenden vielfach weiterhin attraktiv, vor allem auch im Vergleich zu den Erträgen auf festverzinslichen Anlagen. Insgesamt sollten sich Investoren darauf einstellen, dass ihre Anlagen künftig wohl tiefere Erträge und geringere Kursgewinne abwerfen werden. Als Trost bleibt zumindest für den Moment, dass man sich bei fallenden Preisen vom gleichen Geld mehr leisten kann. Zu Beginn des Jahres 2015 erhob die NZZ die Zentralbanken mit dem Titel ihrer Sonderbeilage zu «Magiern der Märkte», dicht gefolgt von der überraschenden Aufhebung der EUR/CHF-Untergrenze durch die SNB. Bei aller Skepsis in Bezug auf die Zauberkräfte von Geldpolitik spricht allerdings auch 2016 vieles dafür, dass Anleger mit billigem Geld rechnen können, selbst wenn die amerikanische Zentralbank die Zinsen leicht erhöhen würde. Somit dürften Aktien die relativ attraktivste Anlageklasse bleiben und Obligationen weiterhin kaum Renditen abwerfen. Auch der Druck auf dem Schweizer Franken und der SNB dürfte weiterhin hoch bleiben. Ein solches Umfeld, gepaart mit zunehmenden geopolitischen Unsicherheiten, spricht mehr denn je für eine adäquate Portfolio-Diversifikation, die unterschiedlichen Szenarien Rechnung tragen kann. Denn das Jahr 2016 hält sicher die eine oder andere Überraschung für die Anleger bereit. Fabian Dori Leiter Anlageausschuss Privatkunden –1– Dr. Ivan Adamovich Stv. Leiter Anlageausschuss Privatkunden Notenstein La Roche Kompass, Dezember 2015 Konjunkturausblick 2016: Weiter nur mit halber Kraft voraus Rückblickend betrachtet hat das Jahr 2015 in puncto Wachstum enttäuscht. Wie so oft in den letzten Jahren wurden die Wachstumsprognosen im Jahresverlauf Schritt für Schritt nach unten korrigiert. Ebenso haben sich die Hoffnungen auf einen nachhaltigen globalen Konjunkturaufschwung verflüchtigt. Schwächstes Glied in der Kette waren auch in diesem Jahr die Schwellenländer, welche sich mit einem perfekten Sturm aus schwachen Rohstoffpreisen, taumelnden Währungen und sich verschärfenden makroökonomischen Ungleichgewichten konfrontiert sahen. Der Blick nach vorn lässt für die Weltwirtschaft auch kommendes Jahr leider kein überdurchschnittliches Wachstum erwarten. Vielmehr ist 2016 erneut mit ausgeprägter Heterogenität bezüglich der Wachstumsaussichten der verschiedenen Weltregionen zu rechnen. In den USA geht der Wirtschaftsaufschwung in das achte Jahr nach der Finanzkrise. Mit einem erwarteten Wachstum von 2 bis 2.5 Prozent bleibt er dennoch deutlich schwächer als in vergangenen Konjunkturzyklen. Und auch wenn die Fed diesen Dezember nun mit hoher Wahrscheinlichkeit die Zinswende einläutet und erstmals nach fast zehn Jahren wieder die Leitzinsen erhöht – der anstehende Zinserhöhungszyklus dürfte vergleichsweise langsam vollzogen und im Falle erneuter Wachstumsschwäche wieder unterbrochen werden. In Europa sollte sich die zyklische Konjunkturerholung im kommenden Jahr derweil fortsetzen. Der Währungsraum profitiert weiterhin vom tiefen Euro, dem schwachen Ölpreis und einem soliden Binnenkonsum. Zum Wachstumsplus von 1.5 bis 2 Prozent wird auch der wieder in Gang kommende Kreditzyklus beitragen. Denn auch wenn die permanenten Liquiditätsspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) spätestens mit dem Anfang Dezember gezeigten Aktivismus fragwürdig erscheinen – zumindest bei den Kreditkonditionen im Euroraum tragen die geldpolitischen Lockerungsmassnahmen mittlerweile Früchte. Auf lange Sicht ist die Eurozone aber noch nicht über den Berg. So ist das Problem der hohen Staatsverschuldung in vielen Euroländern derzeit zwar nicht auf dem Radar – den geldpolitischen Massnahmen der EZB sei Dank. Das Verschuldungsproblem ist aber nicht aus der Welt. Gleiches gilt für Griechenland, das auch im kommenden Jahr ein potenzieller Unruheherd sein wird. Und die Schweiz? Nachdem der Frankenschock langsam verdaut ist und der Schweizer Konjunkturmotor einen Gang zurückgeschaltet hat, ist für 2016 eine Wachstumsstabilisierung auf tieferem Niveau zu erwarten. Der nach wie vor stabile Konsum als Stütze und ein eher schwacher Exportsektor als Bremse dürften in der Summe zu einem Wachstum von eins Komma x führen. Für die Schwellenländer schliesslich dürfte das Makroumfeld auch im neuen Jahr herausfordernd bleiben. Der Blick wird sich dabei weiter vor allem auf China und dessen holprigen Übergang zum neuen Wachstumsmodell richten. Auch wenn die Konjunkturdaten der letzten Monate überwiegend schwach ausfielen, erwarten wir keine «harte Landung» der chinesischen Wirtschaft. Das Reich der Mitte dürfte seinen fiskal- und geldpolitischen Spielraum weiter nutzen, um das Wachstum bei 6 bis 6.5 Prozent zu stabilisieren. In den Werkzeugkasten möglicher Stimuli gehört auch eine deutliche Abwertung des Renminbi. Ein solcher Schritt könnte 2016 eine der Überraschungen an den Finanzmärkten werden. Licht und Schatten Durchwachsene Wachstumsperspektiven Währungen: Zinsdifferenzen weisen den Weg Globale Wachstumsprognosen, in %* 8 6 4 2 0 –2 –4 CH 2015 EU USA Japan 2016 *Bloomberg-Konsensprognosen Quelle: Bloomberg China Brasil. 2017 Russl. Indien Südafr. Die Situation bei den Währungen dürfte auf jeden Fall volatil bleiben. Die divergierende Geldpolitik zwischen der Fed auf der einen und der EZB – sowie in deren Gefolge nahezu allen anderen europäischen Notenbanken – auf der anderen Seite wird auch 2016 für grössere Bewegungen sorgen. Treibende Kraft sind die Zinsdifferenzen, welche sich am Beispiel von zweijährigen deutschen beziehungsweise US-Staatsanleihen zuletzt auf mehr als 130 Basispunkte ausgeweitet haben und damit für Abwärtsdruck auf den Euro sorgen. Kurzfristig könnte dies zu weiterer Schwäche bei EUR/USD und spiegelbildlicher Stärke bei USD/CHF führen. Mittelfristig dürfte der inzwischen mehr als sieben Jahre andauernde Aufwärtstrend des US-Dollars aber in seine Endphase übergehen. Dies –2– Notenstein La Roche Kompass, Dezember 2015 Mehrheitlich unter der Nulllinie EZB-Politik verschärft Abwärtsdruck auf die kurzfristigen Zinsen 2-jährige Staatsanleiherenditen Europa, in % 1.5 1.0 0.5 0.0 freude zu rechnen. Die Handelsspanne zwischen CHF 1.05 und 1.10 wird weiterhin massgebend sein. Für nachhaltig höhere Kurse gibt es angesichts der andauernden geldpolitischen Lockerungsübungen der EZB wenig Argumente. Einem deutlich schwächeren Franken dürfte sich die Schweizerische Nationalbank hingegen mit Deviseninterventionen, noch tieferen Negativzinsen oder gar weiteren Massnahmen entgegenstellen. –0.5 Aktien: Die Luft wird dünner –1.0 –1.5 01/2014 Diese geldpolitische Option der SNB zeigt klar auf: Am kurzen Ende geht es bei den Zinsen zumindest in Europa Deutschland Frankreich Italien tendenziell noch weiter abwärts. Währenddessen dürfte Spanien Schweiz Niederlande Dänemark bei den Langfristzinsen in diesem Jahr der Boden gefunden worden sein. Grosses Aufwärtspotenzial ist bei den Renditen Quelle: Bloomberg aber ebenso wenig in Aussicht. Damit besteht bei Obligalässt nicht zuletzt eine Analyse vergangener Zinswenden in tionen zwar keine unmittelbare Gefahr für grössere Kursden USA vermuten. Letztere korrespondierten in der Verganverluste. Aufgrund der tiefen Renditeniveaus und immer genheit nämlich oftmals mit zyklischen Hochpunkten im USschlechterer Liquidität ist die Anlageklasse dennoch relativ Dollar-Index. Die Erklärung für diesen zunächst wenig intuiunattraktiv und sollte im Portfoliokontext lediglich als volativen Zusammenhang liegt in der vorausschauenden Natur tilitätsmindernde Beimischung betrachtet werden. der Märkte: Diese haben den kommenden US-ZinserAktien bleiben 2016 die im Vergleich klar attraktivere höhungszyklus mittlerweile zu einem guten Teil eingepreist, Anlage. Die Differenz zwischen den Dividendenrenditen während sie für die meisten anderen Währungen noch ein von Aktien und Erträgen im festverzinslichen Bereich ist lange andauerndes Tiefstzinsumfeld antizipieren. Sollten diese derzeit so gross wie selten zuvor. Dennoch steht der AufErwartungen nicht erfüllt werden, besteht auch beim USschwung an den Aktienmärkten zunehmend auf wackligen Dollar ein gewisses Überraschungspotenzial. Beinen, insbesondere in den USA. Nicht nur die GewinnBeim Währungspaar Euro/Schweizer Franken ist in den dynamik ist in den letzten Quartalen negativ, auch die Marktkommenden Monaten mit ungleich geringerer Schwankungsbreite nimmt stetig ab – immer weniger Aktien befinden sich in einem Aufwärtstrend. Auch die fehlende Bestätigung Dollar-Aufwertung in der Endphase durch den Kreditmarkt, wo vor allem der High-YieldUS-Zinswende dürfte bald eingepreist sein Bereich zuletzt Federn lassen musste, ist ein Warnzeichen. Handelsgewichteter US-Dollar-Index während vergangener US-Zinswenden 105 Historisch betrachtet deutete dies häufig auf einen schwäZeitpunkt der ersten Zinserhöhung chelnden Aktienmarkt hin. 100 Der Blick in die Vergangenheit zeigt aber auch, dass die bevorstehende Zinswende in den USA nicht zwingend das Ende der Fahnenstange bedeutet. So ging der erste Zins95 schritt zwar häufig mit einer volatilen Korrekturphase einher, nach 6 bis 12 Monaten erreichen die Aktienkurse aber 90 stets neue Höchstwerte. Dies könnte auch diesmal der Fall sein. Aufgrund der mittlerweile nicht mehr so günstigen 85 –120 –80 –40 0 40 80 120 160 200 240 280 320 360 Bewertung von Aktien müssen Anleger ihre Renditeerwartungen im Vergleich zu den letzten Jahren allerdings 1986 1994 1977 zurückschrauben. 1999 2004 Regional betrachtet bleiben Europa und Japan die FavoQuelle: Bloomberg riten. Die bessere Gewinndynamik sowie die weiterhin sehr 07/2014 01/2015 07/2015 –3– Notenstein La Roche Kompass, Dezember 2015 expansive Geldpolitik der EZB und der Bank of Japan lassen hier auch im neuen Jahr eine überdurchschnittliche Kursentwicklung erwarten. Zinswende – kein Hindernis für höhere Preise? In der Vergangenheit gab es im Schnitt neue Höchstkurse S&P 500 Index während vergangener US-Zinswenden 110 Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung 105 100 95 Gleichzeitig könnte eine solche Entwicklung 2016 eine weitere Makroüberraschung bereithalten – höhere Inflationsraten. Mit einer Seitwärtsbewegung des Ölpreises könnte die Teuerung in den kommenden Monaten nämlich allein aufgrund von Basiseffekten spürbar ansteigen. Dies würde nicht nur die extrem expansive Geldpolitik vieler Notenbanken in Frage stellen, sondern hätte auch Implikationen für andere Anlageklassen. So könnte der Goldpreis im nächsten Jahr mit der Perspektive höherer Teuerungsraten einen Boden finden. Auch beim gelben Edelmetall dürften nämlich höhere Zinsen – analog zum US-Dollar – inzwischen eingepreist sein. Gegenwind durch höhere Zinsen? Historisch waren Zinserhöhungen für Gold nicht zwingend negativ 90 85 –12m –9m –6m –3m Fed Hike 3m 6m 9m 12m Goldpreis in USD während vergangener US-Zinswenden 110 Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung 105 Median 100 Quelle: Bloomberg 95 Rohstoffe: Ende der Baisse in Sicht? 90 Im Gegensatz zu den Aktien kannten die Rohstoffe in diesem Jahr meist nur eine Richtung – abwärts. Wie sind die Perspektiven für 2016? Bei vielen Rohstoffen sind mittelfristig weitere Preiskorrekturen notwendig, um das zu hohe Angebot mit der tieferen Nachfrage in Einklang zu bringen. Dies gilt insbesondere für Industriemetalle wie Kupfer, bei denen sich das geringere Wachstumstempo Chinas und die Schwäche des Industriesektors stark bemerkbar machen. Aber auch der Rohölmarkt dürfte noch länger auf der Suche nach einem neuen Gleichgewichtspreis sein. Während man sich in der OPEC bis zuletzt nicht auf eine Kürzung der Ölfördermengen einigen konnte, geht die Förderung von Schieferöl in den USA nur langsam zurück und dürfte bei höheren Preisen schnell wieder hochgefahren werden. Das wahrscheinlichste Szenario ist daher, dass der Ölpreis im nächsten Jahr unter hohen Schwankungen in einer breiten Spanne zwischen USD 35 und 60 gehandelt werden wird. Ein Jahr der Bodenbildung also. 85 –120 –80 –40 1977 1999 0 40 1986 2004 80 120 160 200 240 280 320 360 1994 Quelle: Bloomberg Impressum Ausgabe Notenstein La Roche Kompass, Dezember 2015 Herausgeber Notenstein La Roche Privatbank AG, Bohl 17, Postfach, CH-9004 St. Gallen, [email protected], www.notenstein-laroche.ch Redaktion Oliver Hackel, Leiter Makro & TAA; Beda Oertig, Unternehmenskommunikation Leserservice Rückmeldungen und Bestellungen für alle Publikationen nehmen wir unter www.notenstein-laroche.ch/kontakt oder per Post entgegen. Der «Kompass» erscheint gleichzeitig mit dem «Gespräch», in dem die Experten von Notenstein La Roche alle zwei Monate die wesentlichen ökonomischen und gesellschaftlichen Trends mit einer Persönlichkeit aus Wirtschaft oder Wissenschaft diskutieren. Zudem publiziert unser Bankhaus die Hintergrundinformation Fokus Asien. Rechtlicher Hinweis Vorliegende Informationen dienen lediglich Informationszwecken und stellen insbesondere keinen vereinfachten Prospekt gemäss Art. 5 Abs. 2 KAG dar. Gerne stehen wir Ihnen auch telefonisch für Auskünfte zur Verfügung unter der Nummer +41 (0)71 242 53 53. ISSN 2297-6663 –4–
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