4 | Recht und Steuern Einsame Spitze oder einsam in der Spitze? Neues Gesetz soll mehr Frauen in Führungspositionen bringen Am 6. März 2015 beschloss der Bundestag das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ (Frauenquote) und feierte dies als weiteren Etappensieg im ewig währenden Geschlechterk(r)ampf und bei der Überwindung antiquierter Rollenklischees. Die Rechnung für diese Feier werden die betroffenen Unternehmen begleichen müssen. So oder so. Gerechte Teilhabe oder Quotilde? Richtig oder falsch? Die persönliche Einstellung zur Frauenquote spielt im Prinzip keine Rolle. Man kann mit dem Gesetz hadern oder es als Fackel der Frauenbewegung vorantragen, ändern wird dies vorerst nichts. Als Banner der einen und gesellschaftspolitischer Konsens der anderen ist die Quote politisch mehrheitlich gewollt und jetzt nun mal da. Insofern lohnt sich ein Blick auf das vieldiskutierte Gesetz und eine nüchterne Einschätzung, inwieweit das eigene Unternehmen davon betroffen ist: Für Teile der Privatwirtschaft ist eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent für Aufsichtsräte relevant. Bestimmte Unternehmen sind verpflichtet, Zielgrößen für Aufsichtsräte, Vorstände bzw. Geschäftsführung und oberste Managementebenen festzulegen. Fixe Mindestquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte Für Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, gilt eine Quote von 30 Prozent für das unterrepräsentierte Geschlecht. Die Quotenregelung greift damit bei Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien mit in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmern sowie bei Europäischen Aktiengesellschaften (SE), bei denen sich das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan aus der gleichen Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern zusammensetzt. Derzeit dürften ca. 100 Unternehmen in Deutschland von der fixen Quote betroffen sein. Die Mindestquote gilt grundsätzlich für den gesamten Aufsichtsrat als Organ. Dieser Gesamterfüllung kann jedoch vor jeder Wahl von Anteilseigner- oder Arbeitnehmerseite widersprochen werden, mit der Folge, dass jede Seite die Mindestquote für diese Wahl gesondert zu erfüllen hat (Getrennterfüllung).1 1 Bei der SE besteht die Möglichkeit des Widerspruchs gegen die Gesamterfüllung nicht. 2 | 2015 Recht und Steuern | 5 Wahlvorschläge für die Aufsichtsratsmitglieder müssen künftig Angaben über die Anzahl der Sitze, die mindestens jeweils von Männern und Frauen besetzt sein müssen, sowie über einen etwaigen Widerspruch zur Gesamterfüllung enthalten. Für den Aufsichtsrat ist diese Vorgabe nur relevant, falls nicht bereits die fixe Mindestquote gilt. Anders als bei der obigen fixen Quote ist die flexible Quote nicht geschlechterneutral formuliert und verlangt ausdrücklich die Festlegung eines Frauenanteils. Bei Nichterfüllung der Mindestquote ist die Wahl als „quotenwidrige Wahl“ nichtig.2 Die für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehenen Plätze bleiben rechtlich unbesetzt („Sanktion des leeren Stuhls“). Der Kreis der betroffenen Unternehmen erfasst neben Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien auch GmbHs, eingetragene Genossenschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. Auch für die mitbestimmte Europäische Aktiengesellschaft (SE) gelten diese Regeln. Der Gesetzentwurf ging von ca. 3.500 betroffenen Gesellschaften aus. Betroffene Unternehmen müssen die Quote ab 1. Januar 2016 sukzessive für die dann neu zu besetzenden Aufsichtsratsposten beachten. Bestehende Mandate laufen bis zu ihrem regulären Ende weiter. Die Einhaltung der Quote wird durch eine Erweiterung der bestehenden Berichtspflichten transparent gemacht. Von der Quotenregelung betroffene Unternehmen müssen in ihren Lageberichten Angaben über die Einhaltung der Mindestquote machen und etwaige Abweichungen von der Mindestquote begründen. Die Lageberichte sind durch die obligatorische Einreichung zum Bundesanzeiger für jedermann einsehbar. Flexible Quote: Zielgrößen und Fristen Börsennotierte oder mitbestimmte Unternehmen sind verpflichtet, Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten und Vorständen sowie der Geschäftsführung und den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands bzw. der Geschäftsführung zu definieren und Fristen zu deren Erreichung festzulegen (flexible Quote). Zu den erfassten Unternehmen gehören nicht nur solche, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, sondern auch drittelmitbestimmte Unternehmen. Der Drittelmitbestimmung unterliegen Unternehmen mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. 2 Bei der SE ist die Rechtsfolge einer Nichterfüllung der Quote nicht gesetzlich geregelt. 2 | 2015 Die den Aufsichtsrat und den Vorstand bzw. die Geschäftsführung betreffenden Zielgrößen und Fristen legt der Aufsichtsrat fest. Die Festlegung hinsichtlich der beiden Führungsebenen obliegt dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung. Das Gesetz definiert den Begriff „Führungsebene“ nicht. Laut der Gesetzesbegründung geht es um die konkret im Unternehmen eingerichteten Hierarchieebenen. Unter Hierarchieebenen seien „organisatorische Einheiten“ zu verstehen, die zueinander gleichberechtigt, aber einer gemeinsamen Führung untergeordnet sind. Bei flachen Strukturen sei auch nur eine Leitungsebene unterhalb des Vorstands denkbar. Dies eröffnet für die Unternehmen einen gewissen Spielraum, da sie durch ihre konkrete Definition der Führungsebenen Einfluss nehmen können. Eine Mindestzielgröße ist nicht vorgesehen. Die Unternehmen dürfen diese selber festlegen und an ihren Strukturen ausrichten. Aktuelle Gegebenheiten und branchenspezifische Umstände können so ihre Berücksichtigung finden. Eine Zielgröße von 0 Prozent ist in Ausnahmefällen daher durchaus denkbar. Eine Zielgröße von über 50 Prozent würde eine Diskriminierung der Männer dar- stellen und wäre daher nicht zulässig. Liegt der Frauenanteil in einer Organbzw. Führungsebene unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen nicht hinter dem tatsächlichen Status quo zurückbleiben. Die bis 30. September 2015 erstmals festzulegende Frist zur Erreichung der Zielgrößen darf nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Die folgenden Fristen dürfen nicht länger als fünf Jahre dauern. Wird die festgelegte Zielgröße nicht bzw. nicht fristgerecht erreicht, sanktioniert das Gesetz dies nicht. Laut der Gesetzesbegründung können sich die zuständigen Organmitglieder bei Verletzung der Festlegungspflicht schadensersatzpflichtig machen. Außerdem ist über die Zielvorgabe und die Zielerreichung öffentlich zu berichten. Die Veröffentlichung der getroffenen Festlegungen und der Bericht über das Erreichen bzw. Nichterreichen erfolgt grundsätzlich im Lagebericht, der im Bundesanzeiger zu veröffentlichen ist. Legt man Wert auf die genderspezifische Sortierung von Aufsichtsräten, Vorständen und sonstigen Führungsetagen deutscher Unternehmen, ist es eine Tatsache, dass Frauen hier unterrepräsentiert sind und sich die Vorstellung vom gesellschaftlichen Spiegelbild in Führungsriegen so nicht halten lässt. Postuliert man dieses aber als unbedingtes Ziel für die Wirtschaft, war ein korrigierender Eingriff seitens der Politik notwendig. Wie erfolgreich man nun mit obigem Gesetz sein wird, wird das reale Leben zeigen. Gegner und Befürworter werden sich durch diese Regelung jedenfalls nicht mundtot machen lassen. Kernfrage bleibt: Wird die Quote die Akzeptanz von Frauen in Spitzenpositionen erhöhen oder nur zu mehr verbalen Spitzen über „Quotenfrauen“ führen? Warten wir es ab! Ein Beitrag von RA Sina Papstein, DGRV-Rechtsabteilung
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