Mai 2015 / Gesellschaftsrecht Compliance und Corporate Governance Aktuelle Informationen für Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsratsmitglieder – Update Q2/2015 – Inhalt: Aktuelle Gesetzgebung: Die „Frauenquote“ ist da – Das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ Das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ ist in Kraft getreten. Das neue Gesetz sieht für börsennotierte Unternehmen, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, eine zwingende Mindestquote von 30 % für den Frauen- bzw. Männeranteil im Aufsichtsrat vor (dazu A.). Ferner müssen Unternehmen, die börsennotiert oder mitbestimmt sind, Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat, im Vorstand sowie in den beiden nachgeordneten Führungsebenen festlegen (dazu B.). A. Geschlechterquote für Aufsichtsräte Die gesetzliche Mindestquote von 30 % Frauenbzw. Männeranteil gilt für Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen, die zugleich der paritätischen Mitbestimmung unterliegen. I. Einbezogene Rechtsformen: Paritätisch mitbestimmte AG, KGaA sowie SE Die zwingende Mindestquote betrifft Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (AG) und der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), die der paritätischen Mitbestimmung nach dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (MitbestG), dem MontanMitbestimmungsgesetz (MontanMitbestG) oder dem Montanmitbestimmungsergänzungsgesetz (MontanMitbestErgG) unterliegen. Paritätische Mitbestimmung bedeutet, dass sich der Aufsichtsrat zur einen Hälfte aus Vertretern der Arbeitnehmer und zur anderen Hälfte aus Vertretern der Aktionäre zusammensetzt. Darüber hinaus gilt die Geschlechterquote auch für Europäische Gesellschaften (SE), bei welchen das Aufsichtsorgan – bzw. im Fall der monistischen SE der Verwaltungsrat – paritätisch mit Anteilseignersowie Arbeitnehmervertretern besetzt ist. Nicht erfasst werden demgegenüber AGs/KGaAs, die der Mitbestimmung nach dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) unterliegen. Dasselbe gilt für Unternehmen in der Rechtsform der SE, deren Aufsichts- oder Verwaltungsorgan aufgrund einer entsprechenden Regelung in der Beteiligungsvereinbarung oder kraft der gesetzlichen Auffangregelung nicht oder lediglich unterparitätisch mitbestimmt ist. 2 II. Zusätzliches Erfordernis: Börsennotierung Die zwingende Mindestquote gilt nur für paritätisch mitbestimmte Unternehmen, die zugleich börsennotiert sind. Hiervon erfasst sind alle Gesellschaften, deren Aktien zum Handel an einem regulierten Markt in Deutschland oder einem Handelsplatz mit vergleichbaren Transparenzanforderungen im Ausland zugelassen sind (vgl. § 3 Abs. 2 AktG). Nicht erfasst sind demgegenüber Unternehmen, deren Aktien lediglich in den Freiverkehr oder qualifizierte Teilsegmente desselben (z.B. Entry Standard, M:access.) einbezogen sind. Dasselbe gilt für sog. kapitalmarktorientierte Gesellschaften, die zwar nicht über börsennotierte Aktien verfügen, indes Schuldtitel ausgegeben haben, die an einem regulierten Markt gehandelt werden. Die gesetzliche Mindestquote gilt für ‐ Unternehmen in Rechtsform der AG, KGaA und SE, ‐ die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen und ‐ zusätzlich börsennotiert sind. Auf börsennotierte Unternehmen, die lediglich einer drittelparitätischen Mitbestimmung unterliegen, findet die Quote keine Anwendung. Dasselbe gilt für Unternehmen in Rechtsform der SE, deren Aufsichtsorgan nicht oder unterparitätisch mitbestimmt ist. III. Mindestquote von 30 % im Gremium insgesamt verwirklicht ist (§ 96 Abs. 2 S. 2 AktG). 2. Sowohl die Anteilseigner- als auch die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat von AG und KGaA hat die Möglichkeit, der Gesamterfüllung zu widersprechen. Im Falle eines Widerspruchs ist die Mindestquote für jede Bank gesondert zu erfüllen (sog. „Getrennterfüllung“, § 96 Abs. 2 S. 3 AktG). 3. Berechnung der Mindestquote Da die Mindestquote von 30 % nicht bei jeder Aufsichtsratsgröße zu einer „glatten“ Personenzahl führt, ist die Anzahl der mindestens zu bestellenden Frauen bzw. Männer durch mathematische Aufbzw. Abrundung zu bestimmen (§ 96 Abs. 2 S. 3 AktG). Im Fall der Gesamterfüllung berechnet sich die Quote nach der Gesamtzahl der Aufsichtsratsmitglieder. Bei Getrennterfüllung wird die Quote auf die jeweilige Bank berechnet und getrennt gerundet. Für eine börsennotierte AG oder KGaA, die der paritätischen Mitbestimmung nach dem MitbestG unterliegt, ergibt sich danach – abhängig von der Mitarbeiteranzahl – die folgende Zusammensetzung des Aufsichtsrats: Erfüllung der Geschlechterquote Findet die Geschlechterquote Anwendung, muss sich der Aufsichtsrat zu mindestens 30 % aus Frauen und zu mindestens 30 % aus Männern zusammensetzen (§ 96 Abs. 2 AktG). 1. Bei Widerspruch: Getrennterfüllung Während bei Aufsichtsräten mit 12 bzw. 20 Mitgliedern im Hinblick auf die Gesamtquote kein Unterschied zwischen Gesamt- und Getrennterfüllung besteht, führt bei Aufsichtsräten mit 16 Mitgliedern die Gesamterfüllung zu einer Quote von 31,25%, wohingegen diese bei Getrennterfüllung lediglich bei 25% liegt. Grundsatz: Gesamterfüllung Die Mindestquote gilt grundsätzlich für den Aufsichtsrat als Gesamtorgan. Dabei ist erforderlich und ausreichend, dass die Quote durch den Aufsichtsrat insgesamt verwirklicht wird (sog. „Gesamterfüllung“). Gehört dem Aufsichtsrat eine ausreichende Anzahl von Vertretern des unterrepräsentierten Geschlechts an, spielt es für die Erfüllung der Quote mithin keine Rolle, ob diese der Anteilseigner- oder der Arbeitnehmerseite zuzuordnen sind, sofern die 4. Ausübung des Widerspruchsrechts Das Widerspruchsrecht steht nicht jedem Aufsichtsratsmitglied individuell zu, sondern setzt einen mit 3 Mehrheit gefassten Beschluss der jeweiligen Bank voraus. Der Widerspruch ist vor der Wahl gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu erklären (§ 96 Abs. 2 S. 3 AktG). Er gilt nur für den jeweils nachfolgenden Wahlakt und ist für spätere Wahlen erneut zu erklären. Da der Gesetzgeber keine Regelung dahingehend getroffen hat, mit welcher Frist vor der Wahl der Widerspruch zu erklären ist, kann es zu Komplikationen etwa dann kommen, wenn die Arbeitnehmerseite der Gesamterfüllung nach Einberufung der Hauptversammlung widerspricht und der (bereits bekannt gemachte) Personalvorschlag für die Neuwahl von Anteilseignervertretern den dann geltenden Quotenvorgaben bei Getrennterfüllung nicht entspricht. Um den Ablauf der Neuwahl nicht zu gefährden, erscheint es denkbar, vor Einberufung der Hauptversammlung einen zeitlich befristeten Verzicht der Arbeitnehmerseite auf die Ausübung des Widerspruchsrechts einzuholen. Alternativ oder ergänzend sollte erwogen werden, Form und Frist des Widerspruchs sowohl für die Anteilseigner- als auch die Arbeitnehmerseite in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats zu regeln, um ein einheitliches und rechtssicheres Prozedere zu gewährleisten. IV. Geschlecht angehörigen Kandidaten sind hingegen wirksam gewählt. V. Die Geschlechterquote gilt ab 1. Januar 2016. Sie ist für dann neu zu besetzende Aufsichtsratsposten zu beachten. Bestehende Mandate – auch die der Ersatzmitglieder – können bis zu ihrem regulären Ende auslaufen. Für die Arbeitnehmerseite sehen die Übergangsregelungen vor, dass die Mindestquote von 30 % bei allen Wahlen zu beachten ist, die am 31. Dezember 2015 noch nicht abgeschlossen sind. Sollten bei der ersten Aufsichtsratswahl nach dem 1. Januar 2016 die zu vergebenden Plätze nicht ausreichen, um die gesetzliche Mindestquote von 30 % zu erfüllen, sind bis zur Erreichung der Mindestquote die frei werdenden Plätze zwingend mit dem unterrepräsentierten Geschlecht zu besetzen. So wird der Anteil des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts sukzessive auf mindestens 30 % gesteigert. Die gesetzliche Mindestquote ist auch bei Nachbestellung und der Bestellung von Ersatzmitgliedern ab dem 1. Januar 2016 zu beachten. Ist die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern infolge eines Quotenverstoßes nichtig, führt dies nicht automatisch zur Unwirksamkeit aller unter Beteiligung der Betroffenen gefassten Aufsichtsratsbeschlüsse. Vielmehr gelten die allgemeinen Grundsätze. Danach ist für jeden Beschluss zu prüfen, ob die unwirksame Stimmabgabe im Hinblick auf die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats und/oder das Beschlussergebnis von Bedeutung war. Ist dies nicht der Fall, verbleiben die Beschlüsse wirksam. Rechtsfolge bei Verstoß gegen Quotenregelung: Der „leere Stuhl“ Bei Nichterfüllung der Mindestquote durch die Wahl bzw. Entsendung von Anteilseignervertretern ist die quotenwidrige Wahl bzw. Entsendung zum Aufsichtsrat von Anfang an nichtig (§§ 96 Abs. 2 S. 4 AktG). Der Gewählte bzw. Entsandte wird nicht Aufsichtsratsmitglied; vielmehr bleiben die entsprechenden Aufsichtsratssitze unbesetzt (sog. „Prinzip des leeren Stuhls“). Die Aufsichtsratswahl kann sowohl durch Einzel- als auch durch Listenwahl erfolgen: Bei der Einzelwahl ist der Wahlbeschluss nichtig, der in der chronologischen Abfolge als erster das Mindestanteilsgebot verletzt; dasselbe gilt ggf. auch für die nachfolgenden, unter Verletzung der Mindestquote beschlossenen Wahlen. Erfolgt die Wahl als Listenwahl, ist die gesamte Wahl hinsichtlich des überrepräsentierten Geschlechts nichtig, wenn sie nicht zur Erfüllung der Mindestquote führt. Die dem unterrepräsentierten Geltung der Mindestquote VI. Bekanntmachungs- und Transparenzvorgaben Bei der Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern ist in der Bekanntmachung des Wahlvorschlages gemäß § 124 Abs. 2 S. 2 AktG anzugeben, ob der Gesamterfüllung widersprochen wurde und wie viele Sitze im Aufsichtsrat von Männern und Frauen besetzt werden müssen, um die Geschlechterquote zu erfüllen. Gemäß § 289a Abs. 2 Nr. 5 HGB n.F. sind ferner in die Erklärung zur Unternehmensführung Angaben 4 dahingehend aufzunehmen, ob die Gesellschaft bei der Besetzung des Aufsichtsrats die Mindestquote eingehalten hat bzw. sofern nicht, Angaben zu den Gründen hierfür. Die Veröffentlichungspflicht ist erstmals anzuwenden auf Lageberichte, die sich auf Geschäftsjahre mit einem nach dem 31. Dezember 2015 liegenden Abschlussstichtag beziehen. VII. Besonderheiten bei der SE Die zwingende Geschlechterquote gilt auch für die börsennotierte SE, deren Aufsichtsorgan aus derselben Anzahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besteht (§ 17 Abs. 2 SEAG). Ist die SE monistisch strukturiert, findet die Geschlechterquote Anwendung, wenn der Verwaltungsrat mit einer identischen Anzahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besetzt ist (§ 24 Abs. 3 SEAG). Die uneingeschränkte Geltung der Geschlechterquote in dem Leitungs- sowie Aufsichtsfunktion wahrnehmenden Verwaltungsrat ist Gegenstand erheblicher Kritik. In der Praxis dürfte der Regelung indes allenfalls unterordnete Bedeutung zukommen, da eine monistische Struktur für (paritätisch) mitbestimmte Gesellschaften aufgrund der unmittelbaren Ansiedlung der Mitbestimmung auf Leitungsebene nur selten als empfehlenswerte Gestaltungsoption in Betracht kommen wird. Die Quote ist durch das Aufsichtsorgan bzw. den Verwaltungsrat insgesamt zu erfüllen. Im Gegensatz zu AG und KGaA soll der Anteilseigner- sowie Arbeitnehmerbank bei der SE nach den Gesetzesmaterialien kein Widerspruchsrecht zustehen, so dass es stets bei der Gesamterfüllung verbleibt. Die Abweichung wird damit begründet, dass bei der SE „die Mitbestimmung und damit auch die Besetzung des Aufsichtsrats regelmäßig im Vereinbarungsweg zwischen Arbeitnehmerseite und der Leitung der Gesellschaft ausgehandelt“ werde, und ein Widerspruch damit „nicht möglich“ sei. Die vorstehende Begründung ist nicht zwingend, da der nationale Gesetzgeber auch anderweitig – etwa in § 100 Abs. 5 AktG für den sog. unabhängigen Finanzexperten – Regelungen getroffen hat, welche Auswirkungen auf die Besetzung des Aufsichtsorgans der SE haben. Anders als das AktG sieht das SEAG ferner keine Regelung im Hinblick auf den bei Berechnung der Quote anwendbaren Rundungsmechanismus vor. Unabhängig davon, ob in den §§ 17 Abs. 2, 24 Abs. 3 SEAG eine für die SE abschließende Regelung der Quote getroffen wurde oder über die Gene- ralverweisungen in Art. 9 Abs. 1 lit. c (ii), 10 SE-VO die aktienrechtliche Regelung in § 96 AktG zur Anwendung gelangt, erscheint es naheliegend, die mathematische Rundung auf volle Personenzahlen auch im Hinblick auf die SE zur Anwendung zu bringen. Im SEAG nicht geregelt ist ferner die Rechtsfolge für den Fall des Quotenverstoßes; insbesondere trifft das SEAG – anders als das AktG – für diesen Fall keine Nichtigkeitsanordnung im Hinblick auf quotenwidrige Wahlen in den Aufsichtsrat. Die Beschlussempfehlung des zuständigen Ausschusses geht insoweit davon aus, dass die aktienrechtliche Regelung des „leeren Stuhls“ über die Generalverweisung in Art. 9 Abs. 1 lit. c (ii) SE-VO auch für die SE zur Anwendung gelangt. Dies erscheint indes zweifelhaft. So soll die aktienrechtliche Regelung im Hinblick auf das – im SEAG ebenfalls nicht geregelte – Widerspruchsrecht gerade nicht zur Anwendung gelangen. Dies spricht nach unserer Überzeugung dafür, dass eine quotenwidrige Aufsichtsratswahl bei der SE im Gegensatz zur AG und KGaA nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar ist. Die Geltung der Geschlechterquote lässt sich, sofern erwünscht, durch rechtzeitige Umwandlung in die Rechtsform der SE verhindern. Wird eine mitbestimmungsfreie oder drittelparitätisch mitbestimmte Gesellschaft vor Überscheiten der Schwelle von konzernweit 2.000 Arbeitnehmern in die Rechtsform der SE überführt, wird der mitbestimmungsrechtliche Status quo dauerhaft eingefroren. Da die SE in diesem Fall nicht paritätisch mitbestimmt ist, findet auch die hieran anknüpfende Geschlechterquote keine Anwendung. B. Verpflichtung zur Festlegung von Zielgrößen für den Frauenanteil für Aufsichtsräte, Vorstände und oberste ManagementEbenen („flexible Frauenquote“). Neben der zwingenden Geschlechterquote sieht das Gesetz die Einführung einer Verpflichtung für Aufsichtsräte und Vorstände von mitbestimmten oder börsennotierten Unternehmen vor, Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat, im Vorstand und in den oberen Management-Ebenen festzulegen (sog. „flexible Frauenquote“). 5 I. Betroffene Unternehmen Die Neuregelung erfasst neben AG und KGaA auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) eingetragene Genossenschaften (eG) und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG). Die Regelung gilt darüber hinaus auch für die – monistisch oder dualistisch strukturierte – SE. Im Gegensatz zur zwingenden Geschlechterquote hat der Gesetzgeber hier auf eine eigenständige Regelung im SEAG verzichtet. Vielmehr gelten die aktiengesetzlichen Regelungen für Vorstand und Aufsichtsrat der AG über die allgemeinen Verweisungen in Art. 9 Abs. 1 lit. c (ii) SE-VO, § 22 Abs. 6 SEAG entsprechend für die SE. Die flexible Frauenquote gilt für Unternehmen, die entweder mitbestimmt oder börsennotiert sind. ‐ Zu den von der Regelung erfassten mitbestimmten Unternehmen zählen nicht nur Gesellschaften, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, sondern auch drittelparitätisch mitbestimmte Unternehmen. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. ‐ Der Begriff der Börsennotierung setzt die Zulassung zum Handel an einem regulierten Markt voraus. Die bloße Einbeziehung in den Freiverkehr ist auch hier nicht ausreichend. 1. AG / SE (dualistisch) ‐ Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, Zielgrößen für die Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat sowie im Vorstand durch Beschluss festzulegen. Die Beschlussfassung unterliegt den allgemeinen Regelungen. Soweit der Aufsichtsrat bereits der zwingenden Mindestquote von 30 % unterliegt, sind die Festlegungen nur für den Vorstand vorzunehmen (§ 111 Abs. 5 AktG). ‐ Ferner wird der Vorstand verpflichtet, Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils für die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands festzulegen (§ 76 Abs. 4 AktG). 2. SE (monistisch) ‐ Gesonderte Regelungen für die monistische SE sieht das Gesetz nicht vor. Im Hinblick auf § 22 Abs. 6 SEAG, wonach Rechtsvorschriften, die dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat der SE Rechte oder Pflichten zuweisen, sinngemäß für den Verwaltungsrat gelten, ist davon auszugehen, dass der Verwaltungsrat Zielvorgaben für sich selbst, die geschäftsführenden Direktoren sowie die beiden nachfolgenden Führungsebenen festzulegen hat. ‐ Soweit der Verwaltungsrat bereits der zwingenden Mindestquote von 30 % unterliegt, sind die Festlegungen nur für die geschäftsführenden Direktoren sowie die nachfolgenden Führungsebenen zu treffen (siehe oben). 3. KGaA ‐ Da der Aufsichtsrat der KGaA über keine Personalkompetenz verfügt, hat dieser nur eine eigene Zielgröße, indes keine Zielgröße für die Geschäftsführung zu definieren. ‐ Die Festlegung der Zielgrößen für die beiden nachfolgenden Führungsebenen erfolgt durch die Geschäftsführung, d.h. die persönlich haftenden Gesellschafter der KGaA. Ist persönlich haftende Gesellschafterin eine Gesellschaft, ist davon auszugehen, dass die „nachfolgenden Führungsebenen“ nicht auf diese, sondern auf die KGaA zu beziehen sind. ‐ Da die Komplementär-Gesellschaft als solche in der Regel weder börsennotiert noch mitbestimmt sein wird, findet die Zielgrößen- Die flexible Frauenquote gilt für Unternehmen, die entweder ‐ (paritätisch oder drittelparitätisch) mitbestimmt oder ‐ börsennotiert sind. Der Anwendungsbereich der Neuregelung geht damit erheblich über denjenigen der zwingenden Geschlechterquote hinaus und umfasst nach Einschätzung des Gesetzgebers insgesamt mehr als 3.500 Unternehmen. II. Verpflichtete Gremien Für die Festlegung von Zielgrößen und Fristen zur Erhöhung des Frauenanteils im Unternehmen sind grundsätzlich Aufsichtsrat und Vorstand bzw. Geschäftsführung zuständig: 6 Regelung auf diese keine unmittelbare Anwendung. Eine Bestimmung dahingehend, dass die Festlegung der Zielgrößen für die Geschäftsführung der KGaA bzw. der KomplementärGesellschaft durch die Geschäftsführung selbst oder die Gesellschafterversammlung erfolgt, sieht das Gesetz nicht vor. Dies spricht uE dafür, dass bei der KGaA keine Zielgrößen für die Geschäftsführung festzusetzen sind. 4. GmbH ‐ Bei der drittelparitätisch mitbestimmten GmbH werden die Zielgrößen für Aufsichtsrat und Geschäftsführung nicht vom Aufsichtsrat, sondern von der Gesellschafterversammlung festgelegt. Die Gesellschafterversammlung ist berechtigt, die Festlegung an den Aufsichtsrat zu delegieren (§ 52 GmbHG). Die Gesetzesbegründung deutet darauf hin, dass dem Vorstand bei der Definition der betroffenen Führungsebenen ein (unternehmerischer) Ermessensspielraum zukommt. Die Einordnung sollte durch einen Vorstandsbeschluss dokumentiert werden, um über eine nachvollziehbare Bemessungsgrundlage für die Festlegung der Zielvorgaben zu verfügen. III. ‐ Für die paritätisch mitbestimme GmbH erfolgen die Festlegungen für Aufsichtsrat und Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat, die Festlegungen für die beiden nachgeordneten Führungsebenen durch die Geschäftsführung (§ 36 GmbHG). Die von der Festlegung des Vorstands betroffenen Führungsebenen sollen nach den Gesetzesmaterialien nicht nach betriebswirtschaftlichen Kriterien zu definieren sein, sondern die tatsächlich im konkreten Unternehmen eingerichteten Hierarchieebenen unterhalb des Vorstandes umfassen. Unter einer Hierarchieebene sollen dabei organisatorische Einheiten zu sehen sein, die zueinander gleichberechtigt, aber einer gemeinsamen Führung untergeordnet sind. Handelt es sich um eine ausgeprägte Hierarchie, sind nur die beiden Ebenen gemeint, die dem Vorstand unmittelbar unterstehen. Ist eine flache Hierarchie derart gestaltet, dass nur eine Leitungsebene unterhalb des Vorstands besteht, bezieht sich die Verpflichtung auch nur auf diese. Bezugspunkt für die Ermittlung der Führungsebenen soll „die juristische Person und nicht das Unternehmen oder der Konzern insgesamt sein“. Angesichts der Vielgestaltigkeit der Unternehmenswirklichkeit bestehe ein sehr großer Spielraum bei der Festlegung dieser Führungsebenen. Jedes Unternehmen könne hier also die für seine Gegebenheiten passenden und angemessenen Lösungen wählen. Ausgestaltung von Zielvorgaben und Fristen Das Gesetz sieht keine Mindestzielgröße vor. Vielmehr sind Vorstand und Aufsichtsrat grundsätzlich frei darin, die Zielgrößen unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten des Unternehmens zu definieren. Dabei können die Zielgrößen grundsätzlich auch unter 30 % liegen. Der Gesetzgeber geht indes davon aus, dass der „Druck der Öffentlichkeit“ der Festlegung von unambitionierten Zielvorgaben entgegenwirken wird. Für die Festlegung der Zielgrößen und Fristen sind indes die folgenden, zwingenden Vorgaben zu beachten: ‐ Liegt der Frauenanteil in einer Organ- bzw. Führungsebene bei Festlegung der Zielgröße unter 30 %, so dürfen die jeweils festzusetzenden Zielgrößen nicht hinter dem tatsächlichen Status Quo zurückbleiben (sog. „Verschlechterungsverbot“). Es soll indes nach hM möglich bleiben, den bereits erreichten Stand zugleich als künftige Zielgröße fortzuschreiben. ‐ Liegt der Frauenanteil in einer Führungsebene bereits bei 30 % oder mehr, ist gleichwohl eine Zielgröße zu definieren. Dabei gilt grundsätzlich kein Verschlechterungsverbot, so dass auch ein unter dem Status Quo liegender Frauenanteil festgelegt werden kann. Ob die Zielvorgabe indes auch unter 30 % abgesenkt werden kann, erscheint zumindest im Gesamtkontext der Regelung zweifelhaft. ‐ Zudem sind Fristen zur angestrebten Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die erstmals festzulegende Frist darf nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. Die nachfolgenden Fristen dürfen nicht länger als jeweils fünf Jahre sein. 7 Die Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass die in Betracht kommenden Gestaltungen vielfältig sein können: Vorstellbar sei, dass die Festlegung bereits eine Endgröße vorsehe, welche stufenweise erfüllt werden soll. Möglich sei aber auch nur eine Stufe der Erhöhung des Frauenanteils vorzusehen oder die Erhöhung Stufe um Stufe zu planen. Denkbar sei schließlich, dass das Unternehmen bereits eine angemessene Beteiligung von Frauen auf allen oder einigen Ebenen erreicht habe und der Vorstand deshalb keine weitere Erhöhung festlegen wolle. IV. Transparenz Die festgelegten Zielgrößen und Fristen zu deren Erreichung sind zu veröffentlichen: ‐ ‐ ‐ Über das Erreichen der Zielgrößen innerhalb der festgelegten Fristen und ggf. über die Gründe für deren Nichterreichen ist transparent zu berichten. Die Veröffentlichung der getroffenen Festlegung und der Berichte über das Erreichen bzw. Nichterreichen im Bezugszeitrahmen hat jährlich in der Erklärung über die Unternehmensführung im Rahmen des Lageberichts zu erfolgen. Erstmals sind die Angaben in Lageberichte aufzunehmen, die sich auf Geschäftsjahre mit einem nach dem 30. September 2015 liegenden Abschlussstichtag beziehen. ‐ V. Unternehmen, die der flexiblen Frauenquote unterliegen, indes keinen Lagebericht offenzulegen haben, müssen eine eigenständige Erklärung zur Unternehmensführung erstellen und diese auf ihrer Internetseite veröffentlichen. Rechtsfolge – „Comply or Explain“ Für das Verfehlen der selbstgesetzten Zielgrößen sieht das Gesetz keine direkten Sanktionen vor. Insbesondere gibt es keine mit dem Konzept des „leeren Stuhls“ vergleichbaren Nichtigkeitsfolgen. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass die zwingenden Transparenzvorgaben sowie der Druck der Öffentlichkeit die Unternehmen zur Festlegung von ambitionierten Zielgrößen sowie zu kurzen Umsetzungsfristen veranlassen werden. VI. Inkrafttreten und Geltung Die Festlegung der Zielgrößen sowie der Fristen für deren Erreichung hat nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Mai 2015 zu erfolgen. Erstmals müssen Zielgrößen bis zum 30. September 2015 festgelegt werden. Die zugleich festzulegende „Erstfrist“ für die Zielerreichung darf nicht länger als bis zum 30. Juni 2017 dauern. 8 Diese Mandanteninformation beinhaltet lediglich eine unverbindliche Übersicht über das in ihr adressierte Themengebiet. Sie ersetzt keine rechtliche Beratung. Gerne stellen wir Ihnen weitere Informationen zur Verfügung oder beraten Sie in konkreten Situationen. Als Ansprechpartner zu dieser Mandanteninformation und zu Ihrer Beratung stehen gerne zur Verfügung: Dr. Nicolas Ott Dr. Florian Schumacher Rechtsanwalt Rechtsanwalt +49.621.4257.205 [email protected] +49.621.4257.216 [email protected] SZA SCHILLING, ZUTT & ANSCHÜTZ RECHTSANWALTS AG D-68165 Mannheim, Otto-Beck-Str. 11 D-68027 Mannheim, Postfach 10 27 50 Telefon:+ 49 (0) 621 4257 0 Telefax:+ 49 (0) 621 4257 280 WWW.SZA.DE
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