Römer 8, 38-39

Predigt zu Römer 8,31-39 Sylvester 2015
Liebe Gemeinde,
am Jahreswechsel verbreitet sich immer eine besondere
Atmosphäre. Schon wieder ein Jahr vorüber – was hat das
letzte Jahr alles so gebracht? Es tut uns gut, wenn wir
zurückschauen und uns nicht atemlos ins neue Jahr
hineinstürzen, von einem zum nächsten, ohne Ruhe.
Es tut uns gut, wenn wir uns dafür Zeit nehmen, im
normalen Alltag ist viel zu selten die Gelegenheit dazu, in
Ruhe nachzudenken und sich zu erinnern.
Es hilft, manches zu ordnen in den eigenen Gedanken und
es ist auch eine Chance, dankbar auf Erlebtes und uns
Geschenktes zurückzusehen.
Wir befinden uns ja seit dem Erntedankfest im Oktober im
„Jahr der Dankbarkeit“.
Eine Psychologin, die in der Glücksforschung tätig ist, hat
ihre wissenschaftlichen Resultate zusammengefasst und
dabei formuliert: „Dankbarkeit ist so etwas wie der
Königsweg zum Glück.“ Aus der Bibel kennen wir das
längst. Gott unserem Schöpfer und Erlöser dankbar zu sein
– das gibt unserem leben Sinn. Danken hilft, von dem
Negativen wegzukommen, das uns nach unten ziehen will.
Es macht uns innerlich frei, lässt uns gelöst aufatmen,
bringt Leichtigkeit und Freude ins Alltägliche. Dankbar Gott
zu loben – was gibt es Schöneres?!
Ich glaube, dass es sich lohnt, sich das letzte Jahr unter
dieser Frage noch einmal anzuschauen:
Wofür kann ich alles dankbar sein?
Wofür kann ich voller Freude Gott loben?
Für mich gehören Höhepunkte aus unserem Gemeindeleben
mit dazu, wie zum Beispiel Pro Christ, die Begegnungen mit
den Asylbewerbern, die schönen Feste, die wir gefeiert
haben und vieles mehr.
Für mich gehören diese Gedanken dazu:
Wie gut haben wir es in unserem Land!
Wie frei können wir leben, unsere Meinung sagen, unseren
Glauben weitergeben! Wie unvergleichlich wertvoll ist es, im
Frieden leben zu können. Wir leben in einem Land, das für
so viele Menschen auf der Welt ein Traumziel ist.
Dass wir uns gegenseitig beschenkt haben an Weihnachten,
in der Familie, unter Freunden, hier in der Gemeinde, das
ist einfach schön und ein Zeichen der Verbundenheit, es tut
gut, es stärkt unser Miteinander, es macht dankbar!
Ein besonders großes Geschenk Gottes ist für mich, dass wir
die Worte der Bibel haben, die uns Mut geben und
Zuversicht im Hinblick auf das kommende Jahr. Denn im
Blick auf das Kommende gibt es auch so manches, was uns
Angst macht.
Das Wort der Bibel hilft uns über solche Ängste
hinwegzukommen, neues Vertrauen zu Gott zu gewinnen,
dass er auch im neuen Jahr da ist, nahe bei uns ist, nichts
uns von ihm wegreißen kann.
Aus vielen Bibelworten ragt heraus, was Paulus in Römer
8,31 – 39 geschrieben hat:
- Text –
Denn ich bin gewiss…
Es gibt ein Bild, auf dem die letzten beiden Versen unseres
Bibelwortes stehen. Darauf ist ein Leuchtturm zu sehen,
ringsherum tobt das Meer. Riesige Wassermassen rollen auf
den Leuchtturm zu, die Gischt spritzt viele Meter hoch, aber
der Leuchtturm hält selbst den haushohen Wellen stand,
auch der heftigste Sturm kann ihn nicht umwerfen.
So will unser Gott für uns sein:
Er will unserem Leben ein Fundament geben, das auch der
stärkste Sturm nicht herausreißen kann, das standhält, auch
wenn Wellen der Krisen und Unsicherheiten, der Angst und
Sorge uns überspülen.
Denn ich bin gewiss…
Als Jugendlicher war ich auf einer Schülerfreizeit mit diesem
Thema. Es hat mich so beeindruckt, mir ist es auf dieser
Freizeit so klar geworden: Ja, das ist es, was dein Leben
tragen kann, diese Gewissheit, dass dich von Gottes Liebe
nichts und niemand trennen kann. Nichts kann deinem
Leben mehr Halt geben. Diese Freizeit ist für mich zu einem
Meilenstein geworden in meiner persönlichen Geschichte
mit Gott. Bis heute gehört dieses Bibelwort für mich zu
denen, die mir die wichtigsten sind und ich kenne andere,
denen es genauso geht.
Denn ich bin gewiss, dass mich nichts von der Liebe Gottes
trennen kann:
Paulus will damit ja nicht sagen, dass wir vor all dem
verschont werden im Leben, was uns wehtun könnte. Das
Leben des Paulus ist ein Beispiel dafür, wie schwer, wie
anstrengend, wie gefährlich es sein kann, als Christ zu
leben. So viel Schweres musste er an seinem eigenen Leib
erdulden: Er saß im Gefängnis, er wurde mit Steinen
beworfen, bis die Leute dachten, er sei tot, auf seinen
Schifffahrten auf dem Mittelmeer geriet er in heftige Stürme
und erlitt Schiffbruch, das Schiff ging unter, aber er konnte
gerettet werden. Oft musste er Hunger und Durst leiden,
die eigenen Freunde haben ihn verraten und vieles mehr.
Er ist trotzdem seinen Weg weitergegangen, er hat seinen
Glauben an den gnädigen und barmherzigen Gott nicht
verloren. Er hatte Gottes Kraft erlebt, war Jesus Christus
begegnet und deshalb hatte sein Glauben so tiefe Wurzeln
geschlagen, hatte er ein so unerschütterliches
Gottvertrauen, dass ihn alles Schwere nicht davon
abbringen konnte.
Von "Trübsal" schreibt der Apostel und von Angst - auch
davon finden wir manches, wenn wir auf 2015
zurückschauen. Trauer um nahestehende Menschen, die
starben; um verpasste Chancen und zerbrochene
Beziehungen; um Verschuldetes und Versäumtes.
Auch Ängste mussten wir durchstehen im vergangenen
Jahr, ob sie sich nun bewahrheitet oder als grundlos
erwiesen haben. Durchwachte oder halbdurchwachte
Nächte waren dabei und schwere Wege.
Verschiedenste Mächte wollen uns bedrängen. Paulus zählt
sie auf. Überraschend ist in seiner Aufzählung die
Erwähnung von Engeln. Er meint hier jedoch nicht die guten
Engel, die wir aus der Weihnachtsgeschichte kennen,
sondern er denkt an von Gott abgefallene Engel, den
Dämonen vergleichbar.
Paulus sieht unser Leben eingezwängt und regiert von
Mächten, die uns so und nicht anders leben lassen und der
Mensch kann nichts dagegen machen. Wir kennen das,
fremd bestimmt zu sein, schlimmer noch ist es, fremd
gesteuert zu sein, und es womöglich nicht einmal zu
bemerken.
Doch diese Mächte werden nicht die Oberhand behalten.
Gott ist auf unserer Seite, deshalb ist das, was uns heute
belastet, was uns heute das Leben schwer macht, nicht das
letzte, sondern nur Vorletztes.
Das Negative, das Böse, das Schwere, das Unerträgliche
und Unerklärliche, Trübsal, Angst, Gefahr hat Gott auf sich
genommen. Mehr noch: er hat es durch seinen Sohn, der
nicht verschont wurde überwunden!
Für das Wort „überwinden“ steht im Griechischen
„hypernikaan“. – Hyper steht für „über“ und in dem Wort
nikaan steckt das bekannte Wort: „Nike“ und das heißt Sieg.
Luther übersetzt genial: „in dem allen überwinden wir weit“.
Das heißt in der engsten Verbindung zu Christus können wir
das, das was uns bedroht, unseren Glauben angreift, weit,
hinter uns lassen, nicht bloß irgendwie und gerade so,
sondern überlegen, weit.
Wir überwinden „durch den, der uns geliebt hat.“ – Woran
kann ich erkennen, dass Christus gerade mich liebt?
Die Antwort steht am Anfang des Predigttextes: Weil er sein
Leben für mich gegeben hat. Er hat sich für seine Menschen
hingegeben, seine Geschöpfe, unter denen ich eines bin.
Deshalb bin ich geliebt.
Im 1. Johannesbrief ist davon die Rede, dass unser Glaube
der Sieg ist, der die Welt überwunden hat. Paulus führt uns
ganz nah hin zu Christus. Wir überwinden hier und jetzt,
weil wir den neben uns wissen, der uns am Kreuz geliebt
hat.
Das Kind in der Krippe, das wir gefeiert haben in der
vergangenen Woche, wird mehr als 30 Jahre später der
Mann am Kreuz - der, von dem der Prophet sagt: "Fürwahr
er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen
... Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und
durch seine Wunden sind wir geheilt" (Jes. 53, 4f).
Weil ich es nicht selber machen muss, mein Heil, die
Befreiung von den Mächten, die gegen Gott und gegen
mein Leben gerichtet sind, sondern weil es mir von außen
geschenkt wird, deshalb kann ich einstimmen in dieses
Bekenntnis des Paulus: "Ich bin gewiss". Ich bin gewiss!
Das ist etwas anderes als: ich vermute es, es könnte sein,
ich wünsche es mir, ich habe es mir so ausgedacht. Ich bin
gewiss: Das heißt: Ich weiß, dass es so ist - das ist keine
Fantasie, auch nicht eine wage Hoffnung, sondern
Gewissheit.
Deshalb können wir ruhig, getröstet, gestärkt unseren Weg
weitergehen. Etwas Größeres im Glauben gibt es nicht, als
diese Gewissheit, dass mich nichts und niemand von Gottes
Liebe trennen kann!
Nehmen wir diese Gewissheit mit in das neue Jahr: Nichts
kann mich trennen von Gottes Liebe! Keine Macht der Welt!
Diese Gewissheit wird mich tragen in allem, was auf mich
zukommt.
Denken wir noch einmal an das Bild vom Anfang, den
Leuchtturm im tobenden Meer: Unser Gott hält uns im
ungestümen Lebensmeer. Nichts und niemand kann uns
von ihm wegreißen!
Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder
Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges
noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine
andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die
in Christus Jesus ist, unserm Herrn. Amen.
Markus Hägele, Nürtinger Str. 8, 73760 Ostfildern