Predigt zu Römer 8,31-39 Sylvester 2015 Liebe Gemeinde, am Jahreswechsel verbreitet sich immer eine besondere Atmosphäre. Schon wieder ein Jahr vorüber – was hat das letzte Jahr alles so gebracht? Es tut uns gut, wenn wir zurückschauen und uns nicht atemlos ins neue Jahr hineinstürzen, von einem zum nächsten, ohne Ruhe. Es tut uns gut, wenn wir uns dafür Zeit nehmen, im normalen Alltag ist viel zu selten die Gelegenheit dazu, in Ruhe nachzudenken und sich zu erinnern. Es hilft, manches zu ordnen in den eigenen Gedanken und es ist auch eine Chance, dankbar auf Erlebtes und uns Geschenktes zurückzusehen. Wir befinden uns ja seit dem Erntedankfest im Oktober im „Jahr der Dankbarkeit“. Eine Psychologin, die in der Glücksforschung tätig ist, hat ihre wissenschaftlichen Resultate zusammengefasst und dabei formuliert: „Dankbarkeit ist so etwas wie der Königsweg zum Glück.“ Aus der Bibel kennen wir das längst. Gott unserem Schöpfer und Erlöser dankbar zu sein – das gibt unserem leben Sinn. Danken hilft, von dem Negativen wegzukommen, das uns nach unten ziehen will. Es macht uns innerlich frei, lässt uns gelöst aufatmen, bringt Leichtigkeit und Freude ins Alltägliche. Dankbar Gott zu loben – was gibt es Schöneres?! Ich glaube, dass es sich lohnt, sich das letzte Jahr unter dieser Frage noch einmal anzuschauen: Wofür kann ich alles dankbar sein? Wofür kann ich voller Freude Gott loben? Für mich gehören Höhepunkte aus unserem Gemeindeleben mit dazu, wie zum Beispiel Pro Christ, die Begegnungen mit den Asylbewerbern, die schönen Feste, die wir gefeiert haben und vieles mehr. Für mich gehören diese Gedanken dazu: Wie gut haben wir es in unserem Land! Wie frei können wir leben, unsere Meinung sagen, unseren Glauben weitergeben! Wie unvergleichlich wertvoll ist es, im Frieden leben zu können. Wir leben in einem Land, das für so viele Menschen auf der Welt ein Traumziel ist. Dass wir uns gegenseitig beschenkt haben an Weihnachten, in der Familie, unter Freunden, hier in der Gemeinde, das ist einfach schön und ein Zeichen der Verbundenheit, es tut gut, es stärkt unser Miteinander, es macht dankbar! Ein besonders großes Geschenk Gottes ist für mich, dass wir die Worte der Bibel haben, die uns Mut geben und Zuversicht im Hinblick auf das kommende Jahr. Denn im Blick auf das Kommende gibt es auch so manches, was uns Angst macht. Das Wort der Bibel hilft uns über solche Ängste hinwegzukommen, neues Vertrauen zu Gott zu gewinnen, dass er auch im neuen Jahr da ist, nahe bei uns ist, nichts uns von ihm wegreißen kann. Aus vielen Bibelworten ragt heraus, was Paulus in Römer 8,31 – 39 geschrieben hat: - Text – Denn ich bin gewiss… Es gibt ein Bild, auf dem die letzten beiden Versen unseres Bibelwortes stehen. Darauf ist ein Leuchtturm zu sehen, ringsherum tobt das Meer. Riesige Wassermassen rollen auf den Leuchtturm zu, die Gischt spritzt viele Meter hoch, aber der Leuchtturm hält selbst den haushohen Wellen stand, auch der heftigste Sturm kann ihn nicht umwerfen. So will unser Gott für uns sein: Er will unserem Leben ein Fundament geben, das auch der stärkste Sturm nicht herausreißen kann, das standhält, auch wenn Wellen der Krisen und Unsicherheiten, der Angst und Sorge uns überspülen. Denn ich bin gewiss… Als Jugendlicher war ich auf einer Schülerfreizeit mit diesem Thema. Es hat mich so beeindruckt, mir ist es auf dieser Freizeit so klar geworden: Ja, das ist es, was dein Leben tragen kann, diese Gewissheit, dass dich von Gottes Liebe nichts und niemand trennen kann. Nichts kann deinem Leben mehr Halt geben. Diese Freizeit ist für mich zu einem Meilenstein geworden in meiner persönlichen Geschichte mit Gott. Bis heute gehört dieses Bibelwort für mich zu denen, die mir die wichtigsten sind und ich kenne andere, denen es genauso geht. Denn ich bin gewiss, dass mich nichts von der Liebe Gottes trennen kann: Paulus will damit ja nicht sagen, dass wir vor all dem verschont werden im Leben, was uns wehtun könnte. Das Leben des Paulus ist ein Beispiel dafür, wie schwer, wie anstrengend, wie gefährlich es sein kann, als Christ zu leben. So viel Schweres musste er an seinem eigenen Leib erdulden: Er saß im Gefängnis, er wurde mit Steinen beworfen, bis die Leute dachten, er sei tot, auf seinen Schifffahrten auf dem Mittelmeer geriet er in heftige Stürme und erlitt Schiffbruch, das Schiff ging unter, aber er konnte gerettet werden. Oft musste er Hunger und Durst leiden, die eigenen Freunde haben ihn verraten und vieles mehr. Er ist trotzdem seinen Weg weitergegangen, er hat seinen Glauben an den gnädigen und barmherzigen Gott nicht verloren. Er hatte Gottes Kraft erlebt, war Jesus Christus begegnet und deshalb hatte sein Glauben so tiefe Wurzeln geschlagen, hatte er ein so unerschütterliches Gottvertrauen, dass ihn alles Schwere nicht davon abbringen konnte. Von "Trübsal" schreibt der Apostel und von Angst - auch davon finden wir manches, wenn wir auf 2015 zurückschauen. Trauer um nahestehende Menschen, die starben; um verpasste Chancen und zerbrochene Beziehungen; um Verschuldetes und Versäumtes. Auch Ängste mussten wir durchstehen im vergangenen Jahr, ob sie sich nun bewahrheitet oder als grundlos erwiesen haben. Durchwachte oder halbdurchwachte Nächte waren dabei und schwere Wege. Verschiedenste Mächte wollen uns bedrängen. Paulus zählt sie auf. Überraschend ist in seiner Aufzählung die Erwähnung von Engeln. Er meint hier jedoch nicht die guten Engel, die wir aus der Weihnachtsgeschichte kennen, sondern er denkt an von Gott abgefallene Engel, den Dämonen vergleichbar. Paulus sieht unser Leben eingezwängt und regiert von Mächten, die uns so und nicht anders leben lassen und der Mensch kann nichts dagegen machen. Wir kennen das, fremd bestimmt zu sein, schlimmer noch ist es, fremd gesteuert zu sein, und es womöglich nicht einmal zu bemerken. Doch diese Mächte werden nicht die Oberhand behalten. Gott ist auf unserer Seite, deshalb ist das, was uns heute belastet, was uns heute das Leben schwer macht, nicht das letzte, sondern nur Vorletztes. Das Negative, das Böse, das Schwere, das Unerträgliche und Unerklärliche, Trübsal, Angst, Gefahr hat Gott auf sich genommen. Mehr noch: er hat es durch seinen Sohn, der nicht verschont wurde überwunden! Für das Wort „überwinden“ steht im Griechischen „hypernikaan“. – Hyper steht für „über“ und in dem Wort nikaan steckt das bekannte Wort: „Nike“ und das heißt Sieg. Luther übersetzt genial: „in dem allen überwinden wir weit“. Das heißt in der engsten Verbindung zu Christus können wir das, das was uns bedroht, unseren Glauben angreift, weit, hinter uns lassen, nicht bloß irgendwie und gerade so, sondern überlegen, weit. Wir überwinden „durch den, der uns geliebt hat.“ – Woran kann ich erkennen, dass Christus gerade mich liebt? Die Antwort steht am Anfang des Predigttextes: Weil er sein Leben für mich gegeben hat. Er hat sich für seine Menschen hingegeben, seine Geschöpfe, unter denen ich eines bin. Deshalb bin ich geliebt. Im 1. Johannesbrief ist davon die Rede, dass unser Glaube der Sieg ist, der die Welt überwunden hat. Paulus führt uns ganz nah hin zu Christus. Wir überwinden hier und jetzt, weil wir den neben uns wissen, der uns am Kreuz geliebt hat. Das Kind in der Krippe, das wir gefeiert haben in der vergangenen Woche, wird mehr als 30 Jahre später der Mann am Kreuz - der, von dem der Prophet sagt: "Fürwahr er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen ... Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt" (Jes. 53, 4f). Weil ich es nicht selber machen muss, mein Heil, die Befreiung von den Mächten, die gegen Gott und gegen mein Leben gerichtet sind, sondern weil es mir von außen geschenkt wird, deshalb kann ich einstimmen in dieses Bekenntnis des Paulus: "Ich bin gewiss". Ich bin gewiss! Das ist etwas anderes als: ich vermute es, es könnte sein, ich wünsche es mir, ich habe es mir so ausgedacht. Ich bin gewiss: Das heißt: Ich weiß, dass es so ist - das ist keine Fantasie, auch nicht eine wage Hoffnung, sondern Gewissheit. Deshalb können wir ruhig, getröstet, gestärkt unseren Weg weitergehen. Etwas Größeres im Glauben gibt es nicht, als diese Gewissheit, dass mich nichts und niemand von Gottes Liebe trennen kann! Nehmen wir diese Gewissheit mit in das neue Jahr: Nichts kann mich trennen von Gottes Liebe! Keine Macht der Welt! Diese Gewissheit wird mich tragen in allem, was auf mich zukommt. Denken wir noch einmal an das Bild vom Anfang, den Leuchtturm im tobenden Meer: Unser Gott hält uns im ungestümen Lebensmeer. Nichts und niemand kann uns von ihm wegreißen! Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. Amen. Markus Hägele, Nürtinger Str. 8, 73760 Ostfildern
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